„Y-Kollektiv“

Beten wir für eine bessere Doku über Antifeminismus

Bewegungen gegen den Feminismus sind so alt wie der Feminismus selbst. Als die Frauenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts für das Frauenwahlrecht kämpfte, hetzten beispielsweise Männer, die Angst hatten, Macht teilen zu müssen, mit frauenfeindlichen Karikaturen dagegen.

Heute ist alles etwas komplizierter, der Feminismus hat längst andere Themen, er ist vielschichtiger, und auch Antifeminismus schaut bei TikTok, YouTube und Instagram ein bisschen anders aus. Oft ist er auf den ersten Blick gar nicht so leicht zu erkennen. Besonders dann nicht, wenn es Frauen selbst sind, die sich frauenfeindlich äußern.

Das „Y-Kollektiv“, das bis Juli zum Jugendangebot „funk“ von ARD und ZDF gehörte und nun in die ARD-Mediathek gewechselt ist, hat einen Film zum Thema gemacht: „Was hat Antifeminismus mit rechter Ideologie zu tun?“, heißt der Beitrag. Ein interessantes, ein wichtiges Thema, das viel Stoff für einen Film bietet. Nur ist die Umsetzung leider misslungen. Es gibt inzwischen deutliche Kritik an der Doku, berechtigte und unberechtigte.

„Y-Kollektiv“-Autorin und -Reporterin Eva Müller hat für ihren Film mit verschiedenen Frauen gesprochen, die Feminismus kritisieren und behaupten, dass er, in seiner heutigen Form, schädlich sei. Da ist zum Beispiel Jasmin, die im Film darüber spricht, dass sie einen aus ihrer Sicht aufreizenden Kleidungsstil bei Frauen ablehne. Sie sieht es als ihre Berufung, Ehefrau und Mutter zu werden, und findet, Frauen sollten sich ihren Ehemännern unterordnen – weil das so in der Bibel steht. Was Jasmin denkt und meint, verfolgen rund 70.000 Abonnenten auf ihrem Instagram-Account @liebezurbibel.

Wenn die Reporterin mitbeten muss

Vor dem gemeinsamen Frühstück von Jasmin und Autorin Eva Müller wird gebetet, das ist so bei Jasmin. Müller hingegen kommentiert nachträglich aus dem Off, sie, als bekennende Atheistin, fühle sich „komisch“ dabei. Und sie liefert damit ihren Kritikern gleich schonmal Futter. Weil sie auf diese Weise suggeriert, dass da ja schon mal was nicht ganz stimmen könne, wenn jemand vor dem Essen betet.

Reporterin Eva Müller beim Frühstück mit ihrer Protagonistin
Reporterin Müller (l.) und Influencerin Jasmin Screenshot: YouTube / Y-Kollektiv / ARD

Die Wirkung des Films ist eindeutig, schaut man sich die Kommentare bei Youtube und Instagram an. Der Beitrag sei nicht journalistisch, heißt es da unter anderem, die Meinung der Autorin stehe im Fokus, die konservativen, religiösen Lebenseinstellungen der Frauen würden nicht akzeptiert. Das sei halt typisch öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Ob man Muslimas, die sich verschleiern, auch als antifeministisch bezeichnen würde? Und so weiter.

Oft fällt die Kritik pauschal aus, manchmal trifft sie auch nicht. Aber tatsächlich schafft es der Film nicht, überzeugend herauszuarbeiten, was der Unterschied ist: zwischen persönlichen, religiösen, für die Autorin unpopulären Ansichten und frauen- bzw. transfreindlichen Positionen, die die befragten Frauen ja tatsächlich verbreiten. Was vielleicht auch an der Kürze liegt: 26 Minuten sind nicht viel Zeit für vier Protagonistinnen und so ein komplexes Thema. Und da helfen auch die Expert:innen nur bedingt weiter, die das Gesagte einordnen sollen. Sie bringen obendrein noch die ultrakonservative „Trad Wife“-Bewegung in den USA ins Spiel – auf die der Film dann aber nicht weiter eingeht.

Die Reporterin trifft auch Jasmins Freundin Lina. Die erzählt, sie sei mal in der „feministischen Richtung“ unterwegs gewesen, finde das heute aber nicht mehr gut. Ihr Denken sei von Gott umgepolt worden. Heute meint sie, der Feminismus kämpfe für Rechte, die Frauen doch längst haben.

Diese Ist-doch-jetzt-alles-gut-Behauptung ist eine klassische antifeministische Argumentation. Man könnte das als Autorin kontern, mit Zahlen zu häuslicher Gewalt oder der Tatsache, dass Femizide vor Gericht häufig nicht als Mord sondern als Totschlag gewertet werden. Aber stattdessen bleibt der Film bei Linas persönlichem Lebensplan: Sie habe sich damit auseinandergesetzt, was Gott sich dachte, was ihre Rolle als Frau sei. Sie wolle sich „anlehnen“ dürfen, Kinder bekommen.

„Von der Feministin zur Antifeministin“, fasst die Autorin zusammen. Sie finde „beklemmend“, was Lina sagt. Der Feminismus habe jahrzehntelang dafür gekämpft, „dass Frauen nicht mehr auf diese eine Rolle reduziert werden“, kommentiert die Autorin. Das trifft zu. Andererseits hat er auch dafür gekämpft, dass Frauen selbst entscheiden können, was sie wollen. Wenn das Kinder, Küche, Kirche sind – okay. Solange man sie nicht drängt. Und unabhängig davon, ob das irgendwer altmodisch findet und doof. Und es macht übrigens auch einen Unterschied, ob man eine Frau pauschal als Antifeministin bezeichnet oder ob man sagt, dass sie sich antifeministisch äußert.

„Y-Kollektiv“-Stil verfehlt hier sein Ziel

Der Film ist ein Aufeinandertreffen völlig unterschiedlicher Positionen. Die Autorin wirkt teilweise wie die Protagonistin ihres eigenen Films: sie, die intersektionale Feministin, trifft auf Frauen, die ganz anders denken. Das mag die übliche Herangehensweise des „Y-Kollektivs“ sein. Hier ist sie aber nicht zielführend, denn sie lässt Zuschauer und Zuschauerinnen an einer Objektivität zweifeln, die sie offenbar erwarten. Sie werfen der Reporterin vor, sich den Frauen zu voreingenommen zu nähern. Nicht abwegig.

Auch die Gewichtung ist suspekt: Drei der vier interviewten Frauen, die der Film als Antifeministinnen einstuft, gehören Freikirchen an und vertreten ein konservatives Frauen- und Weltbild, das sie vor allem mit ihrem Glauben und der Bibel begründen. Warum dieser Fokus in einem Film, der sich allgemein mit Antifeminismus und „rechter Ideologie“ befasst?

Radio Bremen, der zuständige Sender für das „Y-Kollektiv“-Format, schreibt auf Nachfrage von Übermedien:

„Streng religiöse Weltanschauungen spielen im Antifeminismus eine große Rolle, deshalb war uns dieser Aspekt wichtig. Es existieren verschiedene Strömungen im Antifeminismus, die aus einer völkischen oder christlichen Perspektive begründet sind. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit gibt es gemeinsame Bezugspunkte, vor allem bei der Haltung zur Kontrolle über den Körper von Frauen und die sexuelle sowie reproduktive Selbstbestimmung.“

Kontrolle über Körper und reproduktive Selbstbestimmung werden im Film jedoch so gut wie nicht thematisiert, mal abgesehen von Jasmins ablehnender Haltung gegenüber freizügigen Klamotten. Abtreibungsrechte, gegen die sich Jasmin auf ihrem Instagram-Kanal positioniert, bleiben im Film unerwähnt. Obwohl es durchaus interessant gewesen wäre zu erfahren, was Jasmin oder Pastorin Mia, die im letzten Teil des Films vorgestellt wird, zu Paragraf 219a zu sagen hätten, dem aufgehobenen „Werbeverbot“ für Schwangerschaftsabbrüche.

Wenn Pia stattdessen den Hashtag #RegrettingMotherhood kritisiert, unter dem Frauen erzählen, weshalb sie bereuen, Mutter geworden zu sein, muss man das nicht gut finden. Aber es ist nicht gleich ein Beleg, dass sie antifeministisch ist und denkt. Und es mag auf Zuschauerinnen irritierend wirken: Ach, wenn jemand sagt, #RegrettingMotherhood sei nicht gut, ist das schon gleich Antifeminismus?

Und noch ein Fass

Verwirrend wird es dann noch, als Autorin Eva Müller bei der „antifeministischen Meldestelle“ der Amadeu-Antonio-Stiftung vorbeischaut. Die bekam nach ihrer Eröffnung sehr viel Wut ab, auch mediale Wut. Müller fragt, ob die Politik nicht etwas versäumt habe, weil Antifeminismus ja kein Straftatbestand sei. Warum macht der Film auch dieses Fass noch auf? Und wieso erwähnt er nicht, dass die Ampelregierung plant, geschlechtsspezifische Beweggründe einer Tat als strafverschärfend ins Gesetz aufzunehmen? So steht es jedenfalls im Koalitionsvertrag.

Vieles im Film bleibt vage und ungenau. Am Anfang sagt die Autorin, dass die Frauen, um die es geht, sich gegen Frauenrechte positionieren würden. Aber keine der Frauen sagt das so, jedenfalls nicht im Film. Und die Autorin sagt wiederum nicht, wo sie das tun und welche Frauenrechte gemeint sind. Das macht die Dokumentation angreifbar.

Bei Youtube gibt es inzwischen zahlreiche Videos, die auf die Doku kritisch reagieren – mal differenzierter, mal vernichtend. Auch die Protagonistinnen, die auf ihren Kanälen zum Teil große Reichweite haben, meldeten sich zu Wort und warfen dem „Y-Kollektiv“ vor, dass es nur eine These bestätigen wollte. Außerdem habe es stellenweise gelogen. Aber stimmt das?

Jasmin sagt in ihrer Reaktion zum Beispiel, sie hätte nie behauptet – wie die Autorin im Film paraphrasiert – dass Crop-Tops (bauchfreie Oberteile) und kurze Hosen für sie ein „No Go“ seien. In einer Szene aber, in der sie ein altes Foto von sich in Crop-Top und kurzer Hose anschaut, sagt sie: „Das würde ich heute nicht mehr tragen.“ Sie postet auch immer wieder Kritik an freizügigen Outfits. Man kann also schon sagen: Sowas ist für sie ein „No Go“.

Und wie transparent wurden die Protagonistinnen angefragt? Marksaline Schiffer alias „Der Äqualist“, eine der Protagonistinnen, sagt und zeigt in ihrem Video nach der Doku, dass sie von der Autorin erstmals bei Youtube kontaktiert wurde, per Kommentar zu einem ihrer Clips. Eva Müller schrieb dort über ein „Projekt“, das den „heutigen Feminismus mehrperspektivisch” darstelle – die Inhalte der Youtuberin finde sie „sehr spannend“.

Screenshot: YouTube / „Der Äqualist“

Weshalb hat sie nicht gleich genauer gesagt, worum es geht? Radio Bremen schreibt uns dazu:

„Die Autorin hat die erste Kontaktaufnahme über das Kommentarformular allgemein gehalten, da dies ein öffentlicher Kommentar war. Im Vorgespräch mit Marksaline Schiffer hat sie dann erklärt, dass sie mit ihr über ihre Kritik am Feminismus sprechen will.“

Radio Bremen schreibt auch, dass allen Protagonistinnen bekannt gewesen sei, „dass es bei unserem Film um Kritik am Feminismus und in den Interviews um ihre Frauen- und Männerbilder gehen würde“. In den Interviews hätten alle Raum bekommen, ihre Sichtweisen und Argumentationen zu schildern. Man habe ihre Aussagen dann journalistisch eingeordnet. „Das bedarf keiner vorherigen Absprache.“

Stimmt. Ordnen Journalisten Aussagen ein, etwa als antisemitisch, rassistisch oder homophob, müssen sie nicht erst um Erlaubnis fragen. Wer würde da auch zustimmen? Aber sie müssen es (verständlich) belegen können.

Auch Marksaline Schiffer alias „Der Äqualist“ wirft dem Y-Kollektiv vor, in der Reportage zu lügen. Es geht um eine Stelle, an der sie mit der Autorin durch den Wald spaziert und sagt, dass die festgestellt habe, dass viele Leute den Feminismus nicht so repräsentieren würden, wie sie das verstanden habe. Die Autorin sagt dazu aus dem Off:

„Wie genau sie es versteht, kann sie mir allerdings nicht sagen.“

Daraus versucht die Youtuberin einen Skandal zu stricken, der aber keiner ist. Sie behauptet nun zwar, sie hätte der Autorin eine Antwort gegeben. (Schiffer hatte ein eigenes Aufnahmegerät mitlaufen lassen und will den angeblichen Beweis damit liefern.) Hört man aber ihre verschachtelten Ausführungen über den Feminismus, ist viel rauszuhören, aber: keine eigene Position. Sie erklärt der Autorin einfach altklug, welche Strömungen es unter Feministinnen gibt. Auch hier hat die Autorin korrekt zusammenfasst, dass Schiffer nicht konkret sagte, wie sie selbst Feminismus verstanden hat.

Irreführender Schnitt

Besonders viel Empörung gab es wegen eines TikTok-Videos, dass der Film zu Beginn zeigt. Es stammt vom Kanal der Influencerin @elenamarita. In dem Ausschnitt, der zu sehen ist, sagt sie:

„Was auch immer der Mann tut, was dir nicht gefällt: Weißt du was du machen solltest? Gar nichts!“

Autorin Müller textet danach aus dem Off: „Frauen sollen laut ihnen nicht selbstbestimmt sein.“ Was natürlich krass klingt. Fordert diese Frau demnach andere Frauen auf, sich alles gefallen zu lassen? Auch Übergriffe? Das kann man, sieht man nur den kurzen Schnipsel, so verstehen.

Es geht in dem (längeren) Video allerdings konkret um „feminine Energie beim Dating“. Man muss auch hier nicht zustimmen, aber ungekürzt klingt die Sache schon anders:

„Was auch immer der Mann tut, was dir nicht gefällt: Weißt du was du machen solltest? Gar nichts! Denn du kämpfst nicht und du versuchst nicht, Dinge zu erzwingen, sondern du empfängst. Du machst gar nichts. Je mehr Energie ihr in etwas investiert, desto wichtiger wird es euch, und desto mehr werdet ihr enttäuscht werden, wenn es nicht so verläuft, wie ihr euch es vorstellt. Deswegen würde ich niemals sehr viel Energie in eine Kommunikation mit einem Mann investieren, solange er mir nicht gezeigt hat, dass er es wirklich ernst mit mir meint, oder solange er mir keine Sicherheit gibt, investiere ich auch bewusst nicht so viele Emotionen.“

Das so zu verknappen, ist mindestens irreführend. Und es dient nun manchen Kritikern als angeblicher Beleg dafür, dass beim „Y-Kollektiv“ manipuliert würde. Was nicht hätte sein müssen. Es gibt ja Videos, in denen sich @elenamarita deutlich und offen gegen Feminismus ausspricht.

Radio Bremen schreibt zu dem Vorwurf, hier zu verkürzen und zu manipulieren:

„Der gewählte Ausschnitt ist der Start des Videos von Elenamarita, also der Teil, der durch den Algorithmus der Plattform die größte Verbreitung erfährt. Diese Stelle wird von der Plattform standardmäßig als erste an die Nutzer ausgespielt, die dann entscheiden, ob sie das Video weitersehen oder aber zum nächsten Video swipen.“

Das gezeigte kurze Zitat sei zudem „ein Leitspruch“, den sie verschiedentlich anbringe. „Dennoch“, schreibt Radio Bremen, „wäre es besser gewesen, den Ausschnitt später im Film noch einmal im Zusammenhang zu zeigen“.

Weiteres Video zum Thema geplant

Der öffentliche Umgang des „Y-Kollektivs“ mit der massiven Kritik an der Doku ist bisher eher schwach. Ende Juli erschien der Film, Mitte August veröffentlichte das Team auf einem Zweitkanal Antworten auf Fragen dazu – so macht das„Y-Kollektiv“ das regelmäßig.

Die Autorin geht dort allerdings auf viele Vorwürfe nicht ein, eher auf nicht so unangenehme, zum Beispiel, warum man das Thema Feminismus nicht detaillierter dargestellt habe. Die Antwort: Hätte den Rahmen gesprengt. Doch auch das wäre natürlich nicht unwichtig gewesen, gerade wenn man Transfeindlichkeit als Teil antifeministischer Hetze thematisiert. Bei diesem Thema spaltet sich der Feminismus der vergangenen Jahre extrem.

Den Verantwortlichen der Doku scheint inzwischen klar zu sein, dass hier viel falsch gelaufen ist. Auf unsere Anfrage, was man anders machen würde, kündigt Radio Bremen an, zeitnah einen ausführlichen Film beim „Y-Kollektiv“ zu veröffentlichen. „Darin werden wir vollumfänglich und transparent auf die Fragen, die uns erreichen, eingehen.“ Die Autorin werde darin Stellung beziehen und ihre Arbeit transparent belegen.

Anschauen werden sich das vermutlich nur jene, die sich bereits in diese komplizierte Thematik verbissen haben. Die Chance, gleich eine ausgewogene und gut erklärende Doku zu machen, wurde jedenfalls verschenkt.

Nachtrag, 4.9.2023: Das „Y-Kollektiv“ hat in einem weiteren Video auf Kritik und Fragen zur Antifeminismus-Doku reagiert.

9 Kommentare

  1. Toller Artikel, wie immer. Eine Sache würde ich aber widerspreche. Bezüglich der Passage mit „der Äqualist“ habe ich mir das Video mehrfach nochmals angehört und bin durchaus der Meinung, dass sie eine eigene Position abgibt. das Problem ist vielmehr, dass ihre eigentliche Grundaussage aufgrund der komplizierten Erörterung nicht mehr wirklich im Satz zum Tragen kommt.

    „ich bin dafür, dass…aber nicht auf einen untereinander doof finden“ – die Passage ist ein wenig wirr, aber dennoch eine eigene Position

  2. Y-Kollektiv sind ja schon öfter wegen diesem Stil angeeckt. Manche Themen eignen sich eben nicht für so ein gefühliges Herangehen aus der eigenen Erfahrung. Damit wird man weder den Antifeministinnen gerecht, deren Aussagen im Nachhinein per Kommentar abgewertet werden (aber nicht entkräftet), noch der feministischen Perspektive, die womöglich andere Einordnungen hätte.

    Y-Kollektiv lernt aber anscheinend nicht daraus. Gleichzeitig bemühen sie sich aber um Einordnung zumindest laut ihrer eigenen Reaktionen auf Kritik. Dann sollte man wenigstens sagen, dass das nicht Gegenstand und Stil dieser Redaktion sind. Aber so ist es einfach ein Scheitern.

  3. Wenn man jemanden interviewt, und die Antwort ist eher weitläufig, sollte man nicht einfach nochmal nachfragen?
    Abgesehen davon, offenbar gibt es Feministinnen mit unterschiedlichen Ansichten zu einzelnen Fragen. Wenn eine bspw. das Girl-Boss-Tropos ablehnt oder den GPG nicht auf patriarchale Unterdrückung zurückführt, hört sie ja nicht durch Spontanzerfall auf, feministisch zu sein.
    Entweder, die haben keine Antifeministinnen gefunden oder aber, die definieren Feminismus so eng durch die eigenen feministischen Überzeugungen, dass jede, die diesen nicht 100% zustimmt, im Umkehrschluss antifeministisch ist und sie halt nicht sehr lange suchen mussten.
    Die Art der Befragung und Darstellung tut dann ein übrigens.

  4. Dezent off-topic: Was ist eigentlich aus der guten, alten Religionskritik geworden? War mal eines der wichtigsten emanzipatorischen Projekte überhaupt (vgl. Feuerbach, Marx, Nietzsche & Co).

    Heute gibt es Religionskritik noch als atheistischen Positivismus (zum Beispiel Dawkins), der nach der sozialen Basis von Religion gar nicht mehr fragt – und es gibt eine postmoderne Linke, die zwar selbst keinen Glauben propagiert, ihn aber auch nicht mehr kritisieren kann, weil sie ihn als Teil von „Identität“ idealisiert. Und die ist bekanntlich unangreifbar (siehe Islamkritik = Islamophobie = Rassismus).

    Wenn überhaupt, werden noch diskriminierende Haltungen hinterfragt, die vermeintlich oder tatsächlich mit religiösem Glauben einhergehen – der Glaube selbst bleibt notwendig unangetastet. Folge sind dann Gespräche a lá: „Ich habe zu Gott gefunden“, „Ach ja? Voll interessant, wie hältst Du es denn mit kurzen Röcken?“ Traurig.

  5. Ist hier eher das Nebenproblem, aber wenn man die eigenen Überzeugungen entweder ernst nimmt oder aus dem Intervies soweit raushält, dass sie nicht ablenken, dann betet man als Atheistin nicht mit. Ein Christ, der eine Reportage über den Hindutempel in Hamm macht, würde ja auch nicht mitbeten.
    Oder wenn Eva Müller meinetwegen Reichsbürger befragt, singt die mit denen vermutlich auch nicht „Heil Dir im Siegerkranz!“, während die Schwarz-Weiß-Rote Flagge gehisst wird.
    Aber sie will einerseits empathisch rüber kommen, andererseits super kritisch sein…

  6. @Mycroft (#5)

    Ist hier eher das Nebenproblem, aber wenn man die eigenen Überzeugungen entweder ernst nimmt oder aus dem Intervies soweit raushält, dass sie nicht ablenken, dann betet man als Atheistin nicht mit.

    Nee, Kernproblem. Dieses Lavieren zwischen Mitmachen, interessiert Nachfragen und aus dem Off Konterkarieren ist schwer erträglich – Folge natürlich dieser ewigen „Ich, Ich, Ich“-Perspektive bei Y-Kollektiv, die keine kritische Distanz zulässt, sondern nur Gefühligkeit.

    Schon diese instagrammable Rumbeterei im Ikea-Musterwohnzimmer hat ja mit der tristen Tradition des Dankgebets vor dem Familienessen wenig zu tun. Ist nur auf Wirkung bedacht. Und dieser ganze Christen-Influenzer-Kram hat mit Religion als Privatsache nichts zu tun, das ist (evangelikale?) Jesus-Propaganda.

    Könnte man jetzt wunderbar kritisch zerpflücken, aber das passiert nicht: Stattdessen mitbeten und aus dem Off erzählen, dass man sich dabei unwohl fühle. Herrje. Und statt fundierter Kritik Sätze wie „Leben wir nicht in einem Land, wo jeder alles sein kann?“ Bitte, was? Ernsthaft? Frag mal den Obdachenlosen in der S-Bahn…

    (Das ist, by the way, genau der Kern des „progressiven Neoliberalismus“: Wir müssen vielleicht noch ein paar Diskriminierungen aus der Welt schaffen, aber eigentlich kann hier jeder alles sein – und wer’s nicht hinkriegt, ist selbst Schuld.)

  7. Nebenproblem deshalb, weil auch, wenn man diesen speziellen „Antifeminismus“ religiös erklärt, die ganze Betszene für die Erklärung nicht wichtig wäre. Frau hat ein bibelkonformes Frauenbild, ein ebensolches Männerbild, und weil „der“ Feminismus feste Geschlechterbilder ablehnt, ist das eben antifeministisch, ok. Aber was interessieren mich Müllers Gefühle beim Beten? Was sagt das über die Interviewte aus? Ist das ein antifeministisches Gebet?
    Hätte man die Stelle zu gunsten von irgendwas anderem weggelassen, hätte sie niemand vermisst.

  8. Finde den Beitrag total stimmig. Die Kommentare mal wieder eher nicht.
    -„Liebling, können wir nicht einmal über etwas anderes reden als -Fußball?“
    -„Worüber denn Mausi?
    -„Über Sex zum Beispiel?“
    -„Glaubst du der Beckenbauer hatte etwas mit seiner Sekretärin?“

    Ich würde mal vermuten, dass Lisa Kräher eine Feministin ist. Und so lese ich den Beitrag als Kritik daran, dass in dem Format nicht drin steckt, was drauf steht.
    Erläutert an einigen Beispielen.

    Daraus dann wieder eine Feminismuskritik zu spinnen, in dem man die eine ausblendet und die anderen als Beweis aufbaut … ich weiß ja nicht.

    Und dann gleich noch die Kurve zum Dauerthema Identitätspolitik.
    Ich weiß ja noch viel weniger.
    Ich bin hier in HH relativ aktiv. In den letzten Jahr(zehnt)en eher in den Bereichen Mietenwahnsinn, Recht auf Stadt (Le droit de la ville), Festung Europa … . Aktivist:innen in den Kampagnen sind immer total bunt. LBQGT, PoCs, Feministinnen sind immer auch zahlreich vertreten. Neben ihren identitätspolitischen Projekten. Weil sie es gewohnt sind, sich einzubringen, sind sie oft eine Bank in den linken Kämpfen vor Ort.
    Und es gibt diejenigen, die viel quatschen und immer gleich die Schuldigen dafür benennen können, dass irgendetwas schief läuft. Und es sind immer die, die tun, nie die, die nur reden, seltsamerweise.

    Ich werde mich bemühen, nicht wieder einzusteigen. Versprechen kann ich aber nix.

  9. Das neue Video ist, ehrlich gesagt, auch nur eine Verschlimmbesserung. Bei einigen Fragen scheint man den zugrunde liegenden Kritikpunkt gar nicht verstanden zu haben, bei anderen, wie dem „Gar nichts“-Zitat bringt sie keinen Beleg, wo das in einem antifeministischen oder rechtsextremen Kontext steht.
    Ich habe mittlerweile auch den starken Verdacht, dass keine der Protagonistinnen (außer Eva Müller selbst) wusste, dass es um „Antifeminismus“ und „rechte Ideologie“ gehen solle, weil diese Begriffe in den Interviews gar nicht vorkamen.
    Aber ja, Jasmin hat schon was gegen Crop-Tops (gesagt).

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