Geheime Leidenschaften (4)

Vom Glück, eine perfekt produzierte Sendung wie „Bares für Rares“ zu gucken

Gezeichnete Praline, Friedrich Küppersbusch

Ich verehre „Bares für Rares“ aufrichtig und schaue jede Folge. Manchmal auch als ASMR zum Einschlafen, oft wachen Ohres als Podcast, und gern die wichtigsten Visuals: Es ist erstmal perfekt konstruiert, eine unausgesetzte Folge von Glücksmomenten. Die Anbieter sind glücklich, anbieten zu dürfen, Horst ist glücklich, dass ihn jeder Horst nennen darf. Die Experten freuen sich über das jedesmal wirklich sehr ungewöhnliche Exponat. Die HändlerInnen beglückwünschen einander zu ihren Käufen und heben so vorübergehend alle Gesetze der Marktwirtschaft auf. Und am Ende fächern die erlösten Verkäufer mit Geldscheinen lauteres Glück in die Kamera: Da wird sich die Oma freuen. Und das ist es, was lineares Fernsehen heute noch leisten kann.

Die notorische Schlussszene mit dem Geldbündel ist natürlich entwürdigend und kann weg. Die Sendung erzählt, dass Geld glücklich macht und noch mehr Geld noch glücklicher. Ein ehemaliger Produktionsleiter enthüllte, man habe das anfangs bezweifelte Konzept aus mehreren Vorbildern zusammengemischt. Da war sowas in Kanada, auch der Veteran „Kunst und Krempel“ beim Bayerischen Rundfunk, und die Briten hätten erfolgreiche Recycling- und Repair-Cafe-Formate. Einmalig deutsch allerdings sei das anderswo unbekannte Institut der „Händlerkarte“, das verstehe man auswärts nicht und sei wohl nur als Indiz für Besonderheiten deutscher DNA zu deuten.

Neulich geleitete Host Horst umstandslos und vorbildlich eine gehörlose Anbieterin durch den Parcours, lesbische und schwule Paare eh. Gegen jeden Zeitgeist gratuliert er gern Rentnern zur Rente und fraternisiert mit Motorradfahrern. In diesem Abschnitt der Show übersieht man gern Schnitte, ahnt man doch: Jetzt haben die sich aber mal richtig verquatscht, das musste raus. Wie alles hier ist die Montage, die völlig verlässliche Dramaturgie, die clever gewählten Boomer-Musikschnipsel sehr sauber produziert.

Und der Cast ist sensationell. Ich bete die Schmuckexpertin Wendela Horz an, würde aber auch ein Praktikum beim Bilderrahmenvergolder machen, der in der line extension „Lieblingsstücke“ Ölgemälde mit Spucke reinigt. Die Rückkehr und Insrechtsetzung vergessener Begriffe wie Plinte, Punze, Sterlingsilber, Scherben, Majolika macht mir Freude. Es ist das Überraschungs-Ei für die Kundschaft am anderen Ende der Altersskala: Von Naschen, Basteln, Spielen zu Schwätzchen, Nerdwissen, Kohle.

Charakterlosigkeiten wegflauschen

Für den Rest des Wettbewerbs ist „BfR“ der betulichste Flammenwerfer, den man sich vorstellen kann. RTL rückvergreiste unter seiner Wucht zur Exhumierung von Gerichtsshows, die ARD schaut sich mitunter die Fünf-Prozent-Hürde von unten an, Sat.1 ist auch deswegen volles Rohr volles Haus implodiert.

Die offensive Schlichtheit des Formates verleitet zum Ei-des-Columbus-Denken: Ja, nee, das hätte ja nun jeder gekonnt. Dagegen steht die jederzeit spürbare Perfektion des Handwerks. Da verhökern Leute die Eheringe verstorbener Partner, gehen Ölgemälde von Omi für wenige Euro weg und gelingt es, eine tragische Geschichte neben der nächsten Charakterlosigkeit in Grund und Boden zu flauschen.

„Bares für Rares“ ist einen Hauch weniger anstrengend als Kreuzworträtsel und so viel mehr als die „Apotheken-Umschau“. In zehn Jahren und 1700 Folgen – mal jeweils sechs Exponate – dürften 10.000 Stücke zumindest mal den Platz gewechselt haben. Der sowieso großartige Berliner Humorist Fil betitelte sein Programm „Die Expertise war bedeutend höher“. Dann hat man’s geschafft.

Friedrich Küppersbusch ist Geschäftsführer und Inhaber der Produktionsfirma probono. Er kommentiert das Zeitgeschehen unter anderem in seiner wöchentlichen YouTube-Sendung „Küppersbusch TV“ und in der „taz“. Legendär sind seine Moderationen und Interviews im WDR-Magazin „ZAK“ (1990-1996). Er lebt in Dortmund.

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