Holger ruft an (121)

Haben Medien die AfD groß gemacht?

"Stern"-Titel mit AfD-Chefin Alice Weidel
Screenshot: „Stern“

Über Rechtsaußen berichten: Warum tut man sich das überhaupt an? Ann-Katrin Müller ist Politik-Redakteurin beim „Spiegel“ mit dem Schwerpunkt AfD. Sie sagt: „Ich mache das trotz allem, was dazugehört – also den ganzen Bedrohungen und dem Hass und der ganzen anstrengenden Gespräche – ganz gerne.“ Aber wie berichtet man über eine Partei, die man für gefährlich für die Demokratie hält? Müller sehe sich dabei nicht als Aktivistin, die sagt „Hier! Wählt die bloß nicht“. Aber: „Ich hätte gerne, dass die Menschen wissen, was da abgeht, um zu entscheiden, ob sie die wählen wollen.“

Nicht über die AfD zu berichten sei der falsche Weg. Ein aktuelles „Stern“-Interview mit Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, habe Müller aber irritiert. Etwa, weil der „Stern“ Weidel fragt, was das erste Projekt der AfD wäre, käme sie an die Regierung. Und weil Weidel prominent auf dem Cover des Magazins zu sehen ist. Müller kritisiert das: „Alice Weidel liegt am Kiosk, sie ist sehr präsent und wird auch noch gefragt, was sie als Kanzlerin machen würde – und das ist dann bei einer Partei, die so gar keine Regierungsoptionen gerade auf Bundesebene hat, dann doch einfach schräg.“

Nicht nur für die Machart, sondern auch dafür, dass es das Interview überhaupt gibt, wird der „Stern“ kritisiert: Man dürfe nicht mit Rechten sprechen. Müller findet, man müsse schon mit der Partei reden, das mache sie ja selbst auch. „Nur die Frage ist: Muss man das in einem Wortlaut-Interview machen, das bei Print und Online ja auch immer autorisiert ist?“ Das Autorisieren sei „per se kein verwerflicher Prozess“, sagt Müller. Das Problem sei aber bei der AfD: „Es ist einfach die Partei, die am meisten und am offensivsten lügt.“

Mit dem Aufschwung der AfD in den Umfragen stellt sich erneut die Frage: Welche Mitschuld haben Medien? Müller wolle nicht klingen „wie der erhobene Zeigefinger des Journalismus“, aber bei der Berichterstattung über die AfD sei es wirklich wichtig, „dass wir uns unsere Standards gut überlegen“. Dazu gehöre auch, an sich selbst zu zweifeln. So versuche sie selbst inzwischen auf manche Meldungen etwa zu Machtkämpfen in der Partei zu verzichten und solche Informationen nur zu verwenden, wenn sie für etwas Größeres stünden.

Seit am Sonntag in Sonneberg der AfD-Politiker Robert Sesselmann zum Landrat gewählt wurde, ist die Aufmerksamkeit für die Partei wieder sehr groß. So vermelden etwa zahlreiche Medien eine Umfrage, der zufolge „jeder siebte Deutsche auswandern“ wollen würde, sollte es zu einem AfD-Kanzler kommen.

Warum das „Quatsch“ sei, ob Medien anders mit der AfD als mit anderen Parteien umgehen, welche Fehler sie dabei machen und ob es eine „Strategie der Nichtbeachtung“ gab, hören Sie im Podcast „Holger ruft an“ mit Ann-Katrin Müller:

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

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7 Kommentare

  1. Ist es die Aufgabe der Medien, für oder gegen eine Partei Partei zu ergreifen?

  2. @1: Es ist jedenfalls nicht die Aufgabe der Medien, sich blind zu stellen und sich auf dämlichste Weise instrumentalisieren zu lassen.

  3. @Florian Blechschmied:
    Interessante Frage.
    Haben Sie die Herrn Döpfner schon gestellt?
    Es gab eine Zeit, da hatte die NSDAP noch keine Gelegenheit ihre Macht zu mißbrauchen, da sie noch keine hatte. Es gab damals einen Großindustriellen und Medienmogul namens Alfred Hugenberg, der auch noch Vorsitzender der DNVP war.
    Als dieser sich entschied die NSDAP zu unterstützen, war das ein nicht zu unterschätzender Baustein der Machtergreifung.
    Wären damals alle anderen Medien zur Neutralität gegen die NSDAP verpflichtet gewesen?

    Wir haben eine Partei, die erwiesenermaßen weder mit der Verfassung, noch mit der Wahrheit irgendeine Verbundenheit pflegt.
    Es ist nachgerade die Aufgabe der Medien als 4. Gewalt darauf hinzuweisen und das aufzudecken. Gerade in diesem Land sollte das glasklar sein.

    Populismus bedeutet vor allem, dass der, der bereit ist zu lügen, dadurch einen immensen Vorteil hat.

  4. Lieber Frank, wo steht in unserer Verfassung etwas von den Medien als 4. Gewalt? Welche Aufgaben der Medien stehen im Grundgesetz?

  5. Aber die Medien werden trotzdem als vierte Gewalt bezeichnet und auch von den meisten so gesehen. Unter anderem auch die Bundeszentrale für politische Bildung:
    https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321342/vierte-gewalt/
    Es ist im Prinzip ein inoffizieller Auftrag. Auch werden sie sehr oft daran gemessen. Also ob sie es wollen oder nicht, sie sind die vierte Gewalt.

    Zudem leben wir zum Glück in einer wehrhaften Demokratie, die allen dass Recht (die Pflicht) gibt sich gegen jene zu wehren die diese Demokratie beseitigen wollen.

    Und auch wenn Medien der Neutralität verpflichtet sind, dürfen sie in solchen speziellen Fällen doch sicherlich auch etwas unternehmen.
    Und mit Blick auf ihre gesellschaftliche Rolle als vierte Gewalt müssten sie das doch eigentlich sogar.

  6. @Florian Blechschmied
    Lieber Florian, wo steht, dass die Medien die Lügen einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei unkommentiert verbreiten müssen?

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