Raten Sie mit!

Schmonz-Roman oder „Zeit Magazin“? Das große Kevin-Spacey-Portrait-Quiz

Screenshot: „Zeit Magazin“ / Montage: Ü

Diese Woche erschien das „Zeit Magazin“ mit einem großen Porträt über den Schauspieler Kevin Spacey. „Er ist der berühmteste Mann, der im Zuge von MeToo angeklagt wurde“, heißt es darin – was fast glamourös klingt. Das passt zum gesamten Ton des Textes, der unter anderem in Baltimore spielt, an der Ostküste der USA, wo Spacey ein Häuschen am Hafen gekauft hat, nachdem er sich zuvor in die Stadt „verliebt“ hatte.

Das Timing für den Mann, dem mehrere sexuelle Übergriffe gegenüber jungen Männern vorgeworfen werden, könnte nicht besser sein. Ab Ende Juni muss er sich noch einmal, ein letztes Mal, vor Gericht verantworten. Einmal wurde er freigesprochen, zwei Verfahren wurden eingestellt. Spacey ist, das ist nicht überraschend, überzeugt, dass es wieder zum Freispruch kommt und seinem Comeback dann nichts mehr im Weg steht. Und die „Zeit“ ist ihm mit diesem Portrait dabei behilflich – und schreibt das auch noch: „Wahrscheinlich ist dieses Porträt Teil seines Versuches, ein Comeback vorzubereiten.“ Der Text erscheint auch auf Englisch. Und: „Über die konkreten Anschuldigungen darf nicht gesprochen werden.“ Dafür ganz viel über Spaceys Sicht der Dinge.

Man könnte nun kritisieren, dass wieder einmal ein Mann, der mutmaßlich seine Macht missbraucht hat, so eine große Bühne bekommt. Man könnte fragen, warum in dem Text nur Leute zu Wort kommen, die Spacey-Fans sind oder eng mit ihm befreundet sind. Weil das aber alles nicht so viel Spaß macht, haben wir die schmonzettigsten Stellen aus dem Text gefischt und lassen Sie nun raten: Stammt die Passage aus dem Kevin-Spacey-Portrait oder aus einem Kitschroman?

Viel Vergnügen!


Es war ein wunderschöner sonniger Frühlingsmorgen in Lake Paradise, Nebraska, einem Viertausend-Einwohner-Städtchen mitten im Nirgendwo. Auf dem Stadtplatz blühten bereits die ersten Krokusse und Tulpen, Primeln und Narzissen, Hyazinthen und Stiefmütterchen. Der Rasen war satt und grün, hin und wieder hoppelte ein kleines Häschen vorbei, und der Duft nach Neubeginn lag in der Luft.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Cover: Manuela Inusa: "Wo Herzen sich begnen"

Es ist der erste Samstag im Mai dieses Jahres, Tretboote in Drachenform und weiße Jachten schaukeln im Wasser, dahinter erheben sich die hohen Bürotürme von Downtown. Von Weitem sehe ich einen Mann mit weißem Cardigan, blau-weiß gestreiften Shorts und bunten Socken hinter einem Hund einen Hügel herunterstapfen.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Wir holen uns einen Kaffee, dann laufen wir eine Straße hoch, die an einem Museum vorbeiführt und heute mit Karnevalswagen vollgestellt ist. Wir schlängeln uns vorbei an einer Royal Family aus Pappmaschee, einem nachgebauten Feuerwehrauto, einem gigantischen Bären mit Glitzersteinen.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Er sieht mich an, mit diesen Augen, ich hasse es, dass ich nicht weiß, was er denkt. Wahrscheinlich hält er mich für eine komplette Irre.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Cover Cecilia Ahern: "Alle Farben meines Lebens"

Er wirkt verärgert, weil ich ihm Fragen zu seinem Verhalten stelle, die er nicht beantworten kann oder will. Ich bin unzufrieden, weil immer noch unklar ist, ob sich nur sein Leben verändert hat oder auch er.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Morgens überlegten sie, wohin sie an diesem Tag fliegen könnten, checkten das Wetter, buchten die Flüge, vielleicht ein paar Nächte in einem Hotel. Drei Monate waren sie mit Unterbrechungen unterwegs. Sie sahen Wien, Prag, Lissabon, Marrakesch.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Doch das Beste daran, in der rauen Natur auf sich selbst gestellt zu sein, war, dass es ihn so sehr in Trab hielt, dass er keine Zeit mehr hatte, über sein Leben in Los Angeles oder seine Vergangenheit nachzudenken.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Mariah Stone: Im Bann des Highlanders

„Alles, was passiert, hat seinen Grund. Und auch wenn man ihn nicht sofort versteht, wird das alles irgendwann Sinn ergeben.“

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Wenn man in gehobenen Kreisen einmal in Verachtung gefallen war, war man dazu verdammt, bei gesellschaftlichen Anlässen am Rand zu sitzen, sprich an der Wand.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Sabrina Jeffries: Ein Duke wider Willen

Auch mir schüttelt er die Hand, wobei er sie mit beiden Händen umfasst, seinen Oberkörper nach vorn beugt und mit tiefer Stimme sagt: „Ich weiß zu schätzen, dass Sie heute gekommen sind.“

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Er wandte sich um und registrierte mich nun zum ersten Mal, nahm mich mit seinen dunklen Augen ins Visier.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Kylie Scott: Rockstars küsst man nicht

Sein Gesicht ist fülliger und faltiger als früher, müde blinzelt er in den azurblauen Himmel und setzt sich seine Sonnenbrille auf.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Sommertage waren schlimmer als andere, weil er sich noch viel ausgeschlossener fühlte als sonst.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Charlotte Link: Einsame Nacht

Der Wagen gleitet durch die blauschwarze Dunkelheit des Abends, vorbei an den prächtigen Kolonnaden mit ihren römischen Säulen und alten Straßenlaternen.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Langsam legte sich die Dämmerung über Los Angeles und färbte den Himmel in diesem unglaublichen Orangeton (…)

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Charlotte Leonard: Gone with the wind

In Baltimore verlassen wir den Hundepark und folgen einem Pfad, der den Federal Hill hinaufführt, einen Hügel mit amerikanischer Flagge, der dem Militär im Bürgerkrieg als Festung diente. Vor uns erstreckt sich das Panorama der Stadt.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Die Sonne sank längst wieder über den grünen Hügeln und tauchte die raue Küstenlinie in ein goldenes Licht. Nach einem kurzen, aber heftigen Regenschauer war es kühler geworden, und in den ausgefahrenen Spurrillen stand noch Wasser. Ein kräftiger Wind wühlte das Meer auf, setzte helle Schaumkronen auf die Wellen, die unterhalb der Steilküste an die Strände rollten, und bewegte das hohe Gras und die Wildblumen am Straßenrand.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Kathryn Taylor: Ein Cottage für zwei

Die Party beginnt mit einem Blitzlichtgewitter. (…) Die Gäste sind elegant gekleidet, der Saal ist im Jahrmarkt-Stil der 1920er dekoriert.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Catherine Kalengula: Emily in Paris

Die Frauen hier tragen Cocktailkleider und Schuhe mit hohen Absätzen, die Männer schwarze Anzüge, manche mit bunten Schals.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Hinweisschilder im Foyer führten zur Cocoanut Grove, aber sie wären nicht nötig gewesen, man musste sich nur mit dem Strom der elegant gekleideten Menschen treiben lassen.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Charlotte Leonard: Gone with the wind

Ich denke daran, wie er gestern im schwarzen Tuxedo auf dem Podium saß und so glücklich wirkte, das Publikum zu unterhalten.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Da sind sie, die sanften, braunen Augen, die mich immer ein bisschen an einen Teddybären erinnert haben.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Isabell Sommer: Sitz, Platz, Kuss

Das Wohnzimmer strahlt eine aufgeräumte Gemütlichkeit aus: Holzboden, beigefarbene Sessel, in einer Ecke ein schwarzes Klavier, in der anderen ein Schaukelstuhl. Auf einem kleinen Gestell stehen eine vergilbte dreiteilige Sammlung von Shakespeares Werken, Das Sein und das Nichts von Jean-Paul Sartre und das Kinderbuch Grumpy Monkey.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

Es ist wie ein Hotel. Anschließend sitzen wir in seiner riesigen Küche mit den glänzenden Arbeitsflächen, dem schicken Luxusherd und einer Fensterfront, die auf einen weitläufigen Garten hinausgeht.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Cecilia Ahern: Alle Farben meines Lebens

Wir erreichen ein Backsteingebäude mit schwarzen Markisen, vor dem Eingang steht eine lange Schlange. (…) An der Bar setzen wir uns auf zwei Hocker aus schwarzem Leder, kurz darauf beginnt die Band zu spielen.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

In jedem Zimmer hängen Geweihe an den Wänden, oder es liegen Tigerfelle auf dem Fußboden; überall gibt es Teile von toten Tieren, Elfenbeinstoßzähne, Felle, Muscheln, Hörner, ausgestopfte Exemplare.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
Cecilia Ahern: Alle Farben meines Lebens

Inzwischen ist es Mitternacht, die Band spielt eine Jazzversion von Smells Like Teen Spirit von Nirvana. Wir bestellen beide noch einen Wein und einigen uns darauf, dass unser Gespräch an seine Grenzen gestoßen ist. Die Musik verstummt, der Club leert sich.

Kitschroman oder „Zeit Magazin“-Portrait?
"Zeit Magazin" mit Kevin Spacey

7 Kommentare

  1. Schätzungsweise 2/3 hatte ich richtig, aber auch nur dank der Grammatik.

    Offenbar sollte man wirklich keine Fans Reportagen über Fan-Kram schreiben lassen.

  2. Der bestimmt sehr, sehr gute Roman „Rockstars küsst man nicht“ von Kylie Scott scheint in diesen Tagen eine ganz ungewollte Aktualität zu erlangen…

    Davon ab erinnert mich Frau Kräher mit dieser Zusammenstellung daran, dass ich mein Zeit-Abo kündigen wollte. Danke dafür!

  3. Ich bin beeindruckt. So viele Kitschromane nach passenden Stellen zu durchsuchen, hätte mich sicher in den Wahnsinn getrieben. Besonders, wenn ich vorher dieses kitschige Portrait hätte lesen müssen…

  4. @Mycroft
    Bitte zur Einordnung von 2/3 vor Augen halten, dass selbst wenn man völlig ahnunglos rät, schon auf etwa 1/2 kommt ;-)

  5. Habe nicht behauptet, dass das einfach wäre. ;-)
    27 Textbeispiele, davon 19 richtig geraten, allein, weil ich alles im Präsens dem Porträt zugeschrieben habe und alles im Präteritum einem Roman (und die wörtliche Rede hatte ich falsch), eine bessere Methode fällt mir leider nicht ein, weil das eben beides Kitsch ist.

  6. Hatte den Artikel gelesen und die volle Punktzahl erreicht. Man fragt sich schon, warum die sowas veröffentlichen, denn ein Verbot, über die Taten zu sprechen oder nachzuhaken, widerspricht meines Erachtens der erwünschten Meinungsbildung. Oder man hätte die Anschuldigungen haarklein daneben abdrucken müssen.

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