Wochenschau (147)

Robert mit der Rohrzange: Ernüchternde Antagonisierung auf dem „Spiegel“-Cover

In meinem Wohnblock halten mich einige Nachbarn für eine „Heizungswissenschaftlerin“. Fälschlicherweise natürlich. Das Gerücht kam auf, als mich mal meine etwas schwerhörige Lieblingsseniorin akustisch missverstand, als sie wissen wollte, was ich beruflich mache.

Dazu muss ich erklären: Nach meinem Uniabschluss lautete meine professionelle Selbstbezeichnung „Kommunikationswissenschaftlerin“. Dieser Begriff führte jedoch häufig dazu, dass mich Menschen nach Kommunikationstipps für ihre Beziehung fragten – die ich ihnen leider nicht geben konnte, denn in meinem Studium ging es grob gesagt um den großen Komplex der Massenkommunikation und der Massenmedien, und nicht um Paarpsychologie. Weshalb ich auf die Frage nach einer besserer Kommunikation immer relativ hilflos und küchenpsychologisch „Mehr zuhören?“ antwortete. Als ich herausfand, dass speziell in München die „Kommunikationswissenschaft“ vor Urzeiten „Zeitungswissenschaft“ hieß, stellte ich mich fortan als „Zeitungswissenschaftlerin vor, eine meinem Eindruck nach hübsche, eindeutige, selbsterklärende Bezeichnung. Da bleiben keine Fragen offen, vor allem keine nach Beziehungsratschlägen.

Meine liebe Nachbarin verstand damals jedoch nicht „Zeitungswissenschaftlerin“, sondern „Heizungswissenschaftlerin“. Und seitdem muss ich mir gelegentlich von Nachbarn wilde Heizungsfragen im Treppenhaus stellen lassen. Inmitten der derzeit medial geschürten Heizungspanik ist meine meine vermeintliche Expertise derzeit gefragt. Einige Nachbarn machen sich große Sorgen um vermeintliche Kosten und unabsehbare Pflichten. Und auch wenn ich ihnen in Sachen „Heizungswissenschaft“ nicht weiterhelfen kann, so kann ich die aktuell sehr aufgeheizte Debatte zumindest aus zeitungswissenschaftlicher Sicht betrachten.

Existenzielle Ängste vor der Wärmewende

Insbesondere in den letzten acht Wochen, angestoßen durch eine kampagnenhafte „Bild“-Berichterstattung, wurde sehr erfolgreich das Gespenst eines erbarmungslosen Robert Habecks heraufbeschworen, der das heizende Deutschland nachts heimsucht, um Frauen, Kindern und Senior:innen ihre wärmenden Heizungen zu entreißen und sie frierend mit einem Berg an Schulden zurückzulassen.

Das Bemerkenswerte: die Berichterstattung verbreitete bei Menschen so erfolgreich existenzielle Ängste vor der Wärmewende, dass selbst Personen, die gar nicht unmittelbar betroffen sind, eine unbegründete Wut auf die Grünen entwickeln, allein aufgrund des Phantoms einer möglichen Kostenexplosion. Auch einer der Senioren, der mich zuletzt fragte, müsste sich eigentlich gar nicht mit dem Thema „Heizung“ beschäftigen, da es ihn gar nicht direkt betrifft. Dennoch ist es „Bild“ gelungen, nicht nur verängstigte Senior:innen aufzuschrecken, sondern auch der Öffentlichkeit ihre Agenda aufzudrücken und andere Medien mit dem Fokus auf den Heizungsstreit zu inspirieren.

Wie beispielsweise den „Spiegel“, der diese Woche mit einem aus heizungs- und zeitungswissenschaftlicher Sicht interessanten Cover auffiel: Zu sehen ist da ein abgekämpfter Habeck im Blaumann, der den Lesenden mit einer Rohrzange in der Hand und Resignation im Blick anschaut. Ein reingerammter Hammer steckt hilflos in der Tür des Kastens. Titel: „OPERATION WÄRMEPUMPE“, darunter steht: „Teuer und umstritten: Mit grünem Übereifer in Chaos“.

„Spiegel“-Titel mit Robert Habeck-Karikatur und der Überschrift "Operation Wärmepumpe"
Karikatur auf dem aktuellen „Spiegel“-Cover

Der Ton der Kritik am Titelbild ist in Teilen verschnupft bis entsetzt. Einige Reaktionen klingen so, als habe man hier eine Art Majestätsbeleidigung begangen, andere empfinden das Cover als „Hetze“. Und im Subtext vieler Tweets (etwa unter dem Hashtag #fuerhabeck) schimmerte das Gefühl mancher durch, im Kampf gegen die Klimakrise vom „Spiegel“ verraten worden zu sein.

Als Zeitungswissenschaftlerin muss ich an dieser Stelle erstmal eine Lanze brechen, für eine derartige karikaturale in Coverform gestaltete Kritik an Politiker:innen. Journalismus muss natürlich Handeln und Walten der Regierenden bewerten, Berichterstatter:innen dürfen beruflich nie Freunde der Parlamentarier:innen sein. Und mit dem Privileg der Macht, das Regierende erhalten, kommt eben auch das Recht einer Öffentlichkeit und der Medien, diese Regierenden zu kritisieren, wenn sie ihre Macht nicht im Dienste der Bevölkerung einsetzen. Als politische Figur gehört es zum Job, auszuhalten, wenn man auf dem „Spiegel“-Cover verspottet wird.

Kohl mit traurigem Minihasen, Merkel als FDJ-Mädchen

Helmut Kohl hatte dort gewissermaßen ein eigenes exklusives Abo, einen Stammplatz. Den ehemaligen Bundeskanzler sah man mal als unterwältigenden Magier, der unter dem Titel „Der Aufschwung“ einen traurigen Minihasen aus dem Hut zauberte, mal prangte in riesigen weißen Lettern „Der Minuskanzler“, während Kohl als kleines Männchen hinter der Wucht der Buchstaben geradezu verschwand; auf einer anderen Ausgabe las man „Abschied mit Schimpf und Schande“ und sah eine zertrümmerte Kohl-Statue.

Auch mit Angela Merkel ging man auf dem „Spiegel“-Cover nie besonders zimperlich um. Einmal sah man sie als Katharina die Große gezeichnet, die mit dem süffisanten Blick einer Adeligen, abschätzig in die von ihr regierte Welt blickte: „Die neue Selbstgefälligkeit der Angela M.“ Nach der sogenannten Flüchtlingskrise, während der sie die deutschen Grenzen offen gelassen hat, zeigte der „Spiegel“ sie als Mutter Teresa, was eine neue Wendung des mokanten Mutter-Motivs war. Untertitel: „Merkels Politik entzweit Europa“. Ansonsten sah man die ehemalige Kanzlerin auch schon als Mona Lisa, als „Trümmerfrau“, als Steinfigur, die im Begriff war von Martin Schulz weggeschnipst zu werden, gleich zwei mal als in den Seilen hängende Boxerin, als FDJ-Mädchen, als lächelnde Krankenschwester mit einer tödlichen Spritzen in der Hand (zu erkennen am Totenkopfsymbol, hoho), als Reittier der Brüder Lech und Jaroslaw Kaczynski (WTF. „Wie die Polen Europa nerven.“ Nochmal: WTF.), und zusammen mit Sigmar Gabriel als vermummte Banditin, die die Bevölkerung mithilfe von Steuern beraubt.

Die Frage ist also nicht, ob man Politiker kritisieren darf. Die Frage im Falle des aktuellen Covers ist: Kritisiert man einen Politiker für die richtigen Gründe mit den richtigen Mitteln? Die journalistische Verhandlung ökologischer Regierungsarbeit muss dabei austarieren, ob sie Klimajournalismus betreiben möchte oder eben politischen Journalismus, und ich behaupte, dass es hierbei Divergenzen gibt. Politischer Journalismus kritisiert die Kosten des Gebäudeenergiegesetzes, die Umsetzung der Heizungswende und die verantwortlichen Personen im Amt. Klimajournalismus warnt zum Beispiel davor, dass die Wärmewende zu lange dauert, oder vor den globalen Konsequenzen der verlorenen Zeit – und ein politischer Klimajournalismus würde beispielsweise fragen, warum nicht viel mehr viel schneller getan wurde und rückt diejenigen in den Fokus, die Entscheidungen politisch blockieren.

Publizistische Antihaltung des Boulevards

Um also die Kritik am Cover und auch die Entrüstung über diese Darstellung Habecks verstehen zu können, muss man einerseits berücksichtigen, aus welchem journalistischen Winkel geschaut wird. Andererseits muss man für ein vollständiges Bild die negative Bewertung vor dem Hintergrund einer mehrwöchigen medialen Kampagne der Boulevardmedien betrachten. Erst in diesem Kontext erscheint sie als kaprizierter Schlusspunkt eines andauernden Erschießens der Überbringer schlechter Nachrichten, und damit einhergehend wie eine Verschiebung des ökologischen Diskurs hin zu einer Skandalisierung zäher operationeller Fragen, die so oder so gelöst werden müssen. Dieses Cover erscheint nun symbolisch wie die Bebilderung eines monatelangen Diskurses, bei dem über die Farbe des Feuerlöschers gestritten wird, während das Haus bereits brennt.

Der Klimaschutz muss sich hierbei nicht nur gegen interne Parteikämpfe und externalisierte Kulturkämpfe auf gesellschaftlicher Ebenen behaupten, sondern auch gegen eine publizistische Antihaltung von Seiten eines Boulevards, der das Hysterischfinden von Klimabestrebungen zum Markenkern gemacht hat und wirtschaftlich davon profitiert. Hinzu kommt die Lobbyarbeit der fossilen Industrie, die kommunikativ pariert werden muss – und das alles mit Botschaften, die eher unbeliebt sind, weil Veränderungen sich immer erstmal erklären und legitimieren müssen.

Mit einer populistisch agierenden CSU, die den Umweltschutz fehlideologisiert, indem sie ihn zum Identitätskampf macht, einem unberührt wirkenden Kanzler, bei dem man nicht mitbekommt, was er eigentlich umsetzt, um diese Jahrhundertherausforderung zu lösen, und einer blockierenden FDP, die aus Lobbyinteressen und ökonomischem Selbstbehalt heraus alles tun muss, um Nachhaltigkeit zu verhindern, erscheint nun das Einstimmen seriöser Medien in die politisch-populistische Kritik gegen die Grünen nicht nur wie ein praktisches und damit dankbar angenommenes Abarbeiten an Regierenden (was in einer pluralistische Presselandschaft ja legitim und geboten ist). Sondern doch auch wie eine Verrückung des Klimadiskurses zugunsten einer reinen Bewertung darüber, wie gut politisch kommuniziert und wie schlecht handwerkliche Fehler ausgeglichen werden. Auch daher rührte vielleicht die Frustration am „Spiegel“-Cover, insbesondere bei Klimajournalist:innen und Aktivist:innen, denn die rhetorischen Taktiken sind so erkennbar wie ermüdend in Anbetracht der eigentlichen Probleme.

Verkehrsminister Volker Wissing sagte beispielsweise am Sonntag im „Bericht aus Berlin“, dass man durch die Geschwindigkeit von Habeck bei den Heizungsmaßnahmen die Bevölkerung verliere. Man müsse so vorgehen, dass die Menschen mitgenommen werden und auch die Kommunikation müsse verbessert werden, denn diese habe offensichtlich für Verärgerung gesorgt und zu Widerständen in der Bevölkerung geführt.

Ja, ach was! Ich als falsche Heizungswissenschaftlerin habe diese Verärgerung und die Widerstände auch bei den Menschen mitbekommen, die mich aufgrund meines vermeintlichen Heizungswissens kontaktierten – und ich würde behaupten, diese rühren in erster Linie von den unerträglichen Fehlinformationen, welche die Bevölkerung von einem tendenziösen Boulevard und einer agitierenden FDP wie Union bekommen. Man betrachte beispielsweise den Einsatz des Wortes „Heizungsverbotsgesetz“ durch Michael Kruse, den energiepolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Auf die Frage „Wer plant oder plante, das Heizen zu verbieten?“ von DLF-Interviewer Christoph Heinemann antwortete Kruse: „Das ist ja jetzt Sprachakrobatik, was Sie machen.“

Da können die Grünen noch so nahbar kommunizieren, wenn sich die politische UND die publizistische Sphäre sich so energisch an den Heizungen abarbeitet, bis die Bevölkerung Klimaschutz für einen Angriff der Zukunft auf ihre private Gegenwart hält. Oder wie der Klimaforscher Mojib Latif über den Heizungsstreit zusammenfassend im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland sagt:

„Es entsteht aber bei mir der Eindruck, dass die Ängste nur benutzt werden, um die Wärmewende zu blockieren. Und am Ende des Tages blockiert man den Weg in die Klimaneutralität.“

„Übereifer“?

Damit stellt sich auch die Frage, was eine Unterzeile wie „Mit grünem Übereifer ins Chaos“ eigentlich aussagt? Wie kann das Ergreifen von Maßnahmen zur Rettung unserer Zukunft als übereifrig bezeichnet werden, wenn wir schon aufgrund fossiler Lobbyarbeit und Desinformationskampagnen dreißig Jahre zu spät dran sind?

Am 4. Mai war wieder mal der sogenannte „Welterschöpfungstag“ oder „Erdüberlastungstag“. Das ist der Tag, an dem wir unsere ökologischen Kapazitäten für das Jahr eigentlich schon aufgebraucht haben. Der Umweltorganisation Germanwatch zufolge bräuchten wir drei Erden, wenn alle Länder pro Einwohner so viele Ressourcen verbrauchen und Emissionen produzieren würden wie Deutschland.

Das heißt, wir leben gerade auf Pump, was die Naturgüter angeht und sind offiziell im ökologischen Minus. Und die Mehrheit der Regierung tut immer noch so, als könne man das Problem einfach wegscholzen. Dass diejenigen sich angreifbar machen, die unpopuläre Veränderungen anstreben und politisch somit von den Status-Quo-Bewahrern mit Leichtigkeit als Feindbild etabliert werden können, ist nicht verwunderlich. Dass aber medial dann unkritisch in die Antagonisierung eingestimmt wird, ist ernüchternd. Es wäre die Aufgabe der etablierten Presse, sich nicht in parteipolitische Machtprofilierung und Boulevardverkaufsstrategien reinziehen zu lassen und stattdessen die Bevölkerung über den durch interne Blockaden verschlechterten Zustand der deutschen Klimapolitik unermüdlich aufzuklären.

Derweil ist in Frankreich in Anbetracht der Dürren im Süden des Landes eine neue Alarmiertheit in den Diskurs gekommen. Die französische Regierung antizipiert eine Erwärmung um über 4 Grad im Jahr 2100 – so das pessimistischste Szenario –, stellt sich auf Überschwemmungen, Waldbrände, Wirbelstürme ein und erarbeitet derzeit Maßnahmen, um knapper werdenden Ressourcen wie Wasser besser zu verwalten, sowie einen Hitzewellenplan, um die Bevölkerung zu schützen. Eine öffentliche Konsultation dazu beginnt diese Woche und soll bis zum Ende des Sommers dauern, um das Vorgehen in einer öffentlichen Auseinandersetzung zu verhandeln.

Die ökologische Krise ist zu existenziell, um in einer Parteiprogrammatik des Themas zu verharren, wie es sich auf dem „Spiegel“-Cover darstellt. Oder in Personalisierung. Klar, die liegt einerseits in der Funktion eines Covers als Eyecatcher, im besten Falle verkaufsfördernd und auch online gut teilbar. Aber sich an der Figur Habeck ästhetisch so abzuarbeiten ist auch Ausdruck der Hilflosigkeit und des fehlenden Vokabulars, um die abstrakten Herausforderungen der Klimakrise anders zu übersetzen als den Boten zur visuellen Piñata zu machen. Interessant ist jedoch, dass etwa die „Wirtschaftswoche“ bei demselben Protagonisten und demselben Thema tatsächlich die sachlichere Form fand.

Und nur mal so als Vorschlag: Wie wäre es mal mit einem Chef einer Ölfirma auf dem Cover des „Spiegels“? Warum wissen wir eigentlich nicht, wie die Hauptverursacher der Klimakrise aussehen? Was ist denn beispielsweise mit den CEOs von Exxon, Shell, Big Oil oder RWE?

Es ist falsch, dass Nachbarn, die in Mietwohnungen mit Fernwärme wohnen, mich, die falsche Heizungswissenschaftlerin, fragen, warum der Habeck nächsten Monat mit einer Rohrzange bewaffnet vor ihrer Tür stehen wird und 30.000 Euro von ihnen stehlen möchte. Die publizistische Aufgabe wäre es eigentlich, meinen Nachbarn und uns allen zu zeigen, wer die Menschen sind, die die Zukunft rauben. Am liebsten groß auf alle Cover gedruckt. Denn sie sind die eigentliche Karikatur unserer Gegenwart.

Transparenzhinweis: Samira El Ouassil schreibt auch für den „Spiegel“ eine Online-Kolumne.

22 Kommentare

  1. inhaltlich kein dissenz.
    nur die bitte um korrektur von 4 prozent in vier grad bzw . kelvin.
    ansonsten: mittlerweile zu müde, zu dem ganzen shice an kampagne noch was zu schreiben… :-(

  2. Danke für diesen ausgeglichenen Artikel.
    Die Karikatur finde ich sehr gelungen:
    Der „Kasten“, in dem der Hammer steckt, ist eine Gastherme, also das, was abmontiert werden soll (auf die grobe Tour), die Wärmepumpe ist der größere Kasten im Hintergrund.
    DAS Argument pro WP wäre, dass sich die höheren Einbaukosten durch bei steigenden Gas- und Ölpreisen viel schneller amortisieren, wenn die Strompreise (halbwegs) konstant bleiben…

  3. Ich finde es wirklich bedenklich, dass die Atmosphäre so vergiftet ist, dass eine sachliche Debatte über die dringend notwendige Wärmewende (Wärmepumpen, Aus- und Umbau von Fern- und Nahwärme) kaum noch möglich ist. Sachliche Argumente oder eine lösungsorientierte Diskussion gibt es nur vereinzelt. Vieles ist nur noch Bauchgefühl, ohne substanziellen Hintergrund. Dabei gibt es gute Studien sowohl zu Wärmepumpen in Bestandsgebäuden, als auch zu Wärmenetzen. Häufig musste ich sogar in „Qualitätsmedien“ (Tagesschau, Zeit, Spiegel, Lanz…) lesen/hören, dass man für die Wärmepumpe eine Fußbodenheizung und eine gute Dämmung benötigen würde. Was natürlich so nicht stimmt. Das alles verunsichert Menschen, sorgt für Wut und verzögert die Wärmewende.

  4. Danke für den sehr guten Artikel mit seinen vielen Facetten! Danke auch für den Hinweis auf die medialen Kampagnen einiger Boulevardmedien, der das – leider erwartbare – gesamte Ausmaß der Verantwortungslosigkeit dieser Blätter aufzeigt.

  5. Den ganzen populistischen Mist, den CDUCSU, BILD und andere verbreitet haben, hätte man wahrscheinlich nicht verhindern, aber erschweren können, wenn die Kommunikation der Bundesregierung zum Thema besser gewesen wäre. Allerdings: Da sitzt eine Partei in der Koalition, die naturwissenschaftliche Fakten ignoriert (E-Fuels für den Pkw-Verkehr, Vorwand „Technologieoffenheit“), die kriminelle Geldwäsche fördert (Ablehnung der Obergrenze für Barzahlungen) und es schafft, die nächstliegende und am schnellsten wirkende Maßnahme zur CO2-Reduzierung (Tempolimit) verhindert.

  6. @mycroft #2
    „Auf die grobe Art abmontiert werden“ ist wohl eher übertrieben. Die Novelle des GEG sieht vor, dass neue Heizungsanlagen die Wärme zu 65 % aus erneuerbaren Energien gewinnen müssen. Vereinfacht gesagt reduziert dies die Wahlmöglichkeiten aktuell im Neubau auf WP und Fernwärme, in der Altbausanierung sind auch Biomasseanlagen (im Wesentlichen Pelletheizungen) erlaubt. Es gibt keine Pflicht, seine Heizung zu tauschen – nur wenn ein Austausch (aus welchen Gründen auch immer) geplant ist, sind Gas- und Öl weitestgehend raus. Bestandsanlagen sind bis 2044 geschützt. Für besonders ineffiziente Altanlagen bestimmter Größenordnungen gibt es außerdem weiterhin die bereits bestehende 30 Jahre Altersgrenze, die ist nicht neu.
    Insbesondere für die Fälle eines (energetisch) unsanierten Bestandsgebäudes, dessen alte Öl-/Gasheizung ausfällt und dann gg Wärmepumpe ausgetauscht werden muss, entstehen damit Probleme bezüglich der höheren Kosten und technischen Umsetzbarkeit – dazu sind Kommunikation/Dialog nötig, aus meiner Sicht durchaus auch mit der unbequemen Konsequenz, dass Eigentum nicht nur Vorteile haben kann.
    Ebenso ist der Zeitstrahl für die Bereitstellung der benötigten Menge an Wärmepumpen (+Installationskapazitäten) als quasi-dominantes System ein Problem. Das Gesetz sieht zwar weitere Technologien vor, aber keine davon ist in der Masse verfügbar.
    Im Gesetzesentwurf sind schon Ausnahmeregelungen für Härtefälle enthalten und in der Regierungsabstimmung kann man sinnvolle weitere Änderungen aufnehmen.
    Der Rest ist dann halt Panikmache und Fearmongering der von Frau Ouassil beschriebenen Gruppen.
    (meine Aussagen beziehen sich auf den Entwurf der Gesetzesnovelle von Ende März)

  7. Die semi-geschickte Kommunikation der Grünen wäre auch ohne FDP nicht besser, „kriminelle Geldwäsche“ hat nichts mit Klimawandel zu tun, E-Fuels brauchte man nicht zu verbieten, wenn man einfach Strafsteuern auf CO2-Ausstoß einführt, so dass die Bereiche, wo E-Fuels dann noch das Mittel der Wahl wären, die Preise für Autofahrer unerschwinglich machen (ich _weiß_, dass die FDP auch gegen Strafsteuern wären), und Tempolimit macht Wärmepumpen so oder so nicht überflüssig.

    Also wären die Argumente:
    – Wärmepumpen machen unabhängig von Russland
    – Wärmepumpen verwenden hauptsächlich die Energie, die auf dem eigenen Grundstück anfällt
    – es gibt grundsätzlich mehr Stromquellen als Gasquellen, so dass der Gaspreis stärker steigen müsste
    – man könnte auch Abwrackprämien für Heizungen einführen
    – alles mit Öko und Klimaschutz, um auch die Grünenwähler abzuholen

  8. Tatsächlich empören sich fast alle über das Gesetz, ohne es tatsächlich auch nur in groben Zügen zu kennen. Deswegen kleine Aufklärung: Kein Eigenheimbesitzer oder Vermieter muss seine funktionierende Heizung ausbauen. 1. Wenn die Öl- oder Gasheizung noch ordnungsgemäß läuft, kann sie weiterhin betrieben werden. 2. Auch Reparaturen sind möglich. Ist die Heizung also nur defekt und kann repariert werden, darf sie weiterhin laufen. 3. Sobald eine Heizung 30 Jahre in Betrieb ist, sind viele Immobilienbesitzer zur Modernisierung verpflichtet. Diese Regelung ist aber nicht neu, sie besteht schon lange. 4. Ausnahmen bestehen für Niedertemperatur- und Brennwertkessel und für selbstnutzende Eigentümer, die seit Februar 2002 in ihrem Eigentum wohnen. 5. Ferner soll es laut der Vorlage eine allgemeine Härtefallregelung geben. Sie greift, wenn der Einbau einer Heizung, welche die Erneuerbaren-Vorgaben erfüllt, „aus besonderen Gründen wirtschaftlich unzumutbar ist“. 6. Die 65-Prozent-Vorgabe gilt auch nicht für Hausbesitzer, die über 80 Jahre alt sind und eine neue Heizung einbauen lassen. 

  9. Laut der vom Bundeskabinett verabschiedeten Novellierung des GEG – also dem Entwurf, um den es in der aktuellen Situation geht – muss ich meine funktionierende Heizung bis Ende 2030 endgültig stilllegen, obwohl mir der Bezirksschonsteinfeger jedes Jahr sagt, bei diesen Abgaswerten wäre vorzeitige Ersetzung eine ökologische Sünde. (Ok, die Heizung wird dann halt irgendwo außerhalb der EU weiterlaufen, toll…)
    Der wichtige Punkt ist: Keine der Optionen, die mir die Novellierung – im Gegensatz zur jetzt gültigen Fassung – lässt, wird mir der lokale Stromnetzbetreiber genehmigen, weil das Stromnetz bei uns schon an seiner Grenze ist. Und das ist in unzähligen Quartieren in Deutschland so. Weiß man eigentlich schon, seitdem E-Mobilität ein Thema ist, denn flächendeckende Aufladeinfrastruktur hat dasselbe Problem.
    Aber alles nur Angstmache und schlechte Kommunikation!?

  10. @10
    Bisschen trollig, auf einen Beitrag mit sechs Punkten, so unspezifisch zu fragen, zumal und dann die Quelle zu einigen der Aussagen selbst zu verlinken.
    Hier die Punkte, die nicht neu durch die Novelligerung hinzukämen:
    Ersatz ineffizienter Heizkessel älter als 30 Jahre: § 72 GEG
    Grundsätzliches Wirtschaftlichkeitsgebot für alle Regelungen des GEG: § 5 GEG
    https://geg-info.de/geg_novelle_2023/index.htm

  11. #11
    Es wurde nachträglich ein Kommentar weiter oben eingefügt. Meine Antwort erfolgte auf den Beitrag von @libebknofne, der vorher die #8 hatte.

    Und da scheint es mir nicht plausibel, von einer „vorzeitigen Ersetzung“, „ökologischen Sünde“ etc. zu schreiben.

    Beim Thema „trollig“ fällt mir vor allem ein, dass ich mir wünschen würde, dass die Namen der Kommentatoren, wenn es schon keine Klarnamen sind, dann aber durchgängig dieselben blieben.

    Danke im Voraus

  12. # Sechskant
    Daß der Einbau einer Wärmepumpe grundsätzlich keine weiteren Maßnahmen erfordern würde, ist so nicht richtig. Die Effizienz kann in manchen Gebäuden nur mit weiteren Maßnahmen, z.B. einer Fußbodenheizung, sinnvoll erreicht werden. Viele Faktoren, Baujahr des Gebäudes, Art und Qualität der Ausführung, Einbaumöglichkeiten für eine WP (Mindestabstand zu benachbarten Gebäuden!), Altlasten (Asbest!) u.a. spielen eine Rolle für die entstehenden Kosten. KVA für eine Doppelhaushälfte aus den 80ern mit ca. 150 qm Wohnfläche: ca. 100K €, inkl. Fußbodenheizung und Dämmmaßnahmen, ohne die die ganze Aktion keinen Sinn macht. Das „One-fits-all“-Prinzip ist ein handwerklicher Irrtum.

  13. Habe das 25 € Abo frisch abgeschlossen und die ersten zwei Artikel gelesen. Alles richtig gemacht – Danke!!!

  14. @Dieter Breitbach
    Hören Sie hier auf Übermedien
    „Holger ruft an:
    Wie und warum schüren Medien Angst vor dem geplanten Heizungsgesetz?“
    Da werden auch die oft genutzten „100K€“ demystifiziert.

    Sie haben also einen Altbau mit Asbest und schlechter Dämmung als Doppelhaushälfte. Welche Kosten würden denn anfallen, wenn Sie alles so liessen, wie es ist?

    Asbest wurde bis Ende der 70er verbaut. Also ein umbei 50+ Jahre altes Heizungssystem wollen Sie weiter betreiben, bei der Preisentwicklung für fossile Brennstoffe, die zu erwarten ist?
    Asbest ist da wohl ein Problem mit oder ohne Wärmepumpe, alte Heizungsanlage ebenso wie alte Fenster und ältere Heizkörper.

    Und dennoch muss keine Komplettsanierung (100K€) erfolgen.
    Hochtemperatur WP und bessere Heizkörper gingen auch und hätten eine bei weiten bessere Effizienz als die alte 70er Jahre Heizung.

    Aber anyway:
    Das wäre also wahrscheinlich ein ausgedachtes Extrembeispiel und somit ein klassischer Härtefall.

  15. #14
    a) Es ist kein „ausgedachtes Beispiel“, sondern aus glaubwürdiger Quelle aus meinem Umfeld (es handelt sich also nicht um meine eigene Immobilie).
    b) Asbest wurde in Deutschland 1982 für Neubauten verboten. Ein älteres Gebäude kann also durchaus asbestbelastet sein (vermutlich sogar ohne Kenntnis durch den Eigentümer) und eine zehn Jahre alte fossile Heizung aufweisen. Ist bei Einsatz einer WP eine Dammung notwendig, kommen bei Asbestbelastung erhebliche Mehrkosten auf den Eigentümer zu. Beispiele bei Gebäuden im öffentlichen Besitz gibt es genügend und kann ich bei Bedarf benennen. Nur, da zahlt der Steuerzahler, ohne daß es jemanden interessiert. Oder soll der private Eigentümer das Gebäude abreißen? Schlafende Hunde muß man nicht wecken. „Asbestbelastung“ wird hierzulande nämlich sehr eng gefaßt, da reichen schon ein paar Pinselstriche, die mal in den 50ern aufgetragen wurden, weil man nichts anderes hatte. Auch dafür kenne ich ein Beispielgebäude in städtischem Besitz.
    c) Für ein Objekt, das sich tatsächlich in meinem Besitz befindet und Teil einer WEG ist, liegt mir ein KVA für Dämmung, PV und Fassade vor (ohne Heizung): 1,5 Mio. € für 70 WE.

  16. zu c:
    „c) Für ein Objekt, das sich tatsächlich in meinem Besitz befindet und Teil einer WEG ist, liegt mir ein KVA für Dämmung, PV und Fassade vor (ohne Heizung): 1,5 Mio. € für 70 WE.“
    Und das hat jetzt was genau mit dem Artikel zu tun?

    zu b:
    Was Sie von dem Umgang hierzulande mit Asbest halten, interessiert mich jetzt wirklich nicht. Mein Vater ( Maurer ) ist mit 76 an Spätfolgen einer Asbestose gestorben.
    Und das hat jetzt was genau mit dem Artikel zu tun?

    zu a:
    Wenn die Bekannten zu einer Komplettsanierung gezwungen sind, dann nicht „wegen“ der Wärmepumpe, sondern weil die Immobilie in einem schlechten Zustand ist.
    Wärmepumpen können auch mit Hochtemperatur-Vorlauf betrieben werden und das wäre immer noch günstige, als der reine Betrieb der fossilen Heizung. Ganz besonders in absehbarer Zeit.

    Und das hat jetzt was genau mit dem Artikel zu tun?

  17. Den Verweis auf Asbest halte ich für lachhaft. Da hat jemand mindesten 40 Jahre geschlafen und absolut GARNICHTS gemacht.
    Einen generellen Investitionsstau jetzt den Wärmeerzeugern zuzuschreiben ist einfach nur unredlich.

  18. „„Auf die grobe Art abmontiert werden“ ist wohl eher übertrieben.“
    Das ist eine Karikatur. Natürlich soll es übertrieben sein.
    Dennoch muss der Wurm dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Es gibt Argumente pro WP, die nichts mit Klimawandel zu tun haben, es gibt Gründe pro Wärmedämmung, die nichts mit Klimawandel zu tun haben UND nicht mit WP, und EFHs haben auch Nachteile, aber die hätten sie auch so.
    Fernwärme und Pellets haben andere Vor- und Nachteile, aber für Leute, die ihre Heizungen einfach behalten wollen, sind vermutlich auch gegen die.
    Mein Punkt ist, dass Habeck die Vorteile von WPs (und anderen prinzipiell möglichen Systemen) besser kommunizieren sollte, und das er die unterschiedlichen Gruppen anders ansprechen muss. Die Eigenheimbesitzer machen sich andere Sorgen als Mieter, die sich sorgen, dass ihr Vermieter ihr MFH saniert und dann die Miete erhöht.

  19. @14 Benjamin Herr Grimmer: Wie schön! Danke für die Unterstützung und herzlich Willkommen bei Übermedien!

  20. Nur mal so viel:
    Der einzige Grund, weshalb ein Wirtschaftsminister den Erklärbär für Wärmedämmungen, Fußbodenheizungen u.ä. spielen soll, ist doch, dass Kampagnenfluten gegen alles was „grün“ genannt wird im Dauerfeuer von den üblichen Verdächtigen losgelassen werden, dass jeder Shitstorm dagegen ein laues Lüftchen ist.
    Fake-News, Verleumdungen und first of all, unwissende Dummheiten, vorgetragen ohne jede Scham, beherrschen alle Kanäle und noch der dümmste Schwachkopf darf in den Medien zur „Meinungsvielfalt“ beitragen, als wäre false-balancing noch nie ein Thema gewesen.
    So haben Union und FDP es mit Springer mittlerweile durch fatale Themensetzungen geschafft, die AfD auf Umfragehoch zu jazzen, weil deren Themen omnipräsent sind.

    Springer? Eh klar. Aber wo sind die anderen Medien?
    Habeck hätte-, könnte-, sollte …
    Die Zelebration des „market place of ideas“ ist knapp 80 Jahre nach Goebbels ganz gewiss keine demokratische Tugend mehr, sondern eine Dummheit.

    Und sollten die Grünen jemals wieder eine Koalition mit der FDP eingehen, gehören sie aus dem Parlament geprügelt.

  21. Zeitungswissenschaft und Heizungswissenschaft scheinen tatsächlich enger verwandt, als vermutet.
    Denn auf dieser Medienseite (hoffentlich versteht das nicht jemand als Mädchen-Seite) wird munter über Heizungen diskutiert.

    Aber klar: Das eher putzige als böse Habeck-Spiegelbild ist ja nun wirklich kein Grund zur Aufregung.

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