Zaubern mit Zahlen (1)

Mit niemandem sind die bayerischen Wähler so zufrieden und unzufrieden wie mit Markus Söder

Screenshot: BR24

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist der Spitzenpolitiker, mit dessen Arbeit die Bayern am zufriedensten sind, knapp gefolgt von seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Mit keinem führenden bayerischen Oppositionspolitiker sind die Wähler ähnlich zufrieden wie mit diesen beiden. Das ist ein Ergebnis des Bayerntrends, einer repräsentativen Umfrage, die Infratest Dimap regelmäßig für den Bayerischen Rundfunk erstellt.

So verbreitete es der Bayerische Rundfunk gestern:

BR24 Bayerntrend, März 2023: Zufriedenheit mit Politikern
Grafik: BR24

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist der Spitzenpolitiker, mit dessen Arbeit die Bayern am unzufriedensten sind, knapp gefolgt von seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Mit keinem führenden bayerischen Oppositionspolitiker sind die Wähler ähnlich unzufrieden wie mit diesen beiden. Das ist ein Ergebnis des Bayerntrends, einer repräsentativen Umfrage, die Infratest Dimap regelmäßig für den Bayerischen Rundfunk erstellt.

Vom BR gibt es dazu keine eigene Grafik oder Meldung, deshalb haben wir das einfach mal visualisiert:

BR24 Bayerntrend, März 2023: Unzufriedenheit mit Politikern
Grafik: Übermedien

Hm? Ja. Tatsächlich geben die Ergebnisse der Umfrage beides her. Das Problem ist, dass die verschiedenen abgefragten Politiker dramatisch unterschiedliche Bekanntheitswerte haben. Deshalb haben viele Menschen bei den Oppositionspolitikern auf die Frage: „Sind Sie mit der politischen Arbeit von … sehr zufrieden / zufrieden / weniger zufrieden / gar nicht zufrieden?“ weder mit dem einen noch mit dem anderen geantwortet – sondern gar nicht.

Das lässt sich aus der BR24-Grafik (und ebenso natürlich aus unserer Version) aber nicht ablesen. Ein Balkendiagramm, bei dem zum Beispiel für den AfD-Fraktionschef Ulrich Singer angegeben ist, dass nur 6 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden sind, suggeriert, dass 94 Prozent unzufrieden sind. Tatsächlich haben aber nur 18 Prozent der Befragten die Frage überhaupt beantwortet. Die anderen antworteten mit „Kenne ich nicht“ oder „weiß nicht“ oder „keine Angabe“.

Anders gesagt: In den zu 100 Prozent fehlenden Werten in der BR24-Grafik stecken zwei sehr unterschiedliche Kategorien: Unzufriedenheit und Unbekanntheit. In welchem Verhältnis sie zueinander stehen, ist für das Publikum nicht erkennbar:

Die Demoskopen von Infratest Dimap haben das Ergebnis ihrer Umfrage selbst in einer Weise dargestellt, die den Unterschied sichtbar macht:

Grafik: Infratest Dimap

Natürlich kann man argumentieren, dass es für Oppositionspolitiker womöglich ein noch größeres Problem ist, wenn sie niemand gut genug kennt, um ihre Arbeit überhaupt bewerten zu wollen. Trotzdem sind Zufriedenheit und Bekanntheit zwei verschiedene Größen. Die BR24-Grafik behauptet, das eine zu messen, zeigt aber vor allem das andere.

Sinnvoller könnte es sein, einen Saldo aus positiven und negativen Urteilen zu bilden. Oder nur diejenigen Wahlberechtigten nach einer Bewertung zu fragen, die den jeweiligen Politiker kennen. Oder eben, auf so einen problematischen Vergleich ganz zu verzichten.

In seiner Analyse der Daten hat der BR in verschiedenen Formaten immerhin mehr oder weniger deutlich darauf hingewiesen, dass die fehlende Bekanntheit das eigentliche Problem der Oppositionspolitiker ist. Das ändert aber nichts daran, dass die von dem Sender gewählte Darstellung der Ergebnisse in die Irre führt.

8 Kommentare

  1. Finde die Frage nach Zufriedenheit bei Oppositions-Politikern total schwierig. Wird das genau so noch woanders abgefragt?
    Würde den Typen von der AfD nie wählen und seine Politik wäre bestimmt eine Katastrophe, aber wie er sich im Landtag in der Opposition schlägt? Keine Ahnung.
    Und sollte er nicht so unanständig zuspitzen und polemisieren wie andere AfDler im Bundestag, wäre ich dann einigermaßen zufrieden?
    Ich will nicht, dass er eine größere Rolle in der Politik spielt, aber zufrieden…

  2. @Jochen, Niggi
    Die Größenordnung eines absoluten Saldo skaliert allerdings auch mit der Bekanntheit. Aiwangers +9 sind ja als relativer Anteil relativ ziemlich exakt gleich mit Söders +12, wären als Türmchen aber deutlich auseinander.

    Anderer Aspekt:
    Wenn nur ein derart geringer Anteil der Bayern überhaupt antwortet z.B. für Herrn Hagen, dann ist die Repräsentativität ja auch völlig dahin. „Die Bayern sind zufrieden/unzufrieden mit Herrn Hagen“ ist dementsprechend von vornherein nicht zutreffend.

    Zitat Niggi:
    „Oder eben, auf so einen problematischen Vergleich ganz zu verzichten.“ Genau das.

  3. Wenn die Überschrift lautete „von denjenigen, die den Politiker kennen, beurteilen ihn/sie positiv …“ könnte man mMn damit
    leben.

  4. Ist ja immer ein Problem für Demoskopie auf Landesebene, dass Oppositionspolitiker (und teilweise sogar Landesminister) weitgehend unbekannt sind. Schwierig, das unverzerrt darzustellen.

    „Sinnvoller könnte es sein, einen Saldo aus positiven und negativen Urteilen zu bilden. Oder nur diejenigen Wahlberechtigten nach einer Bewertung zu fragen, die den jeweiligen Politiker kennen.“

    Das würde zu ähnlichen Verzerrungen führen wie das Vorgehen des BR – siehe den verlinkten Text zur „Quatschdemoskopie“: Die Chefin einer Kleinpartei könnte „beliebter“ darstehen als der Ministerpräsident, auch wenn nur zehn Prozent des Wahlvolks je ihren Namen gehört haben.

    „Oder eben, auf so einen problematischen Vergleich ganz zu verzichten.“

    Sinnvollste Lösung, widerspricht aber dem Selbstverständnis der Medien und der Erwartungshaltung des Publikums. Kompromissvorschlag: Vier statt zwei Säulen. „Zufrieden“, „unzufrieden“, „mir unbekannt“, „kann ich nicht beurteilen“ – letzteres wäre vor der Wahl in Berlin meine häufigste Antwort gewesen.

  5. Die Überschrift sagt alles: „Zaubern mit Zahlen“ Die Konsumenten der Medien werde jeden Tag mit Umfragen konfrontiert.
    Das ist ein grundsätzliches Problem, denn damit wird Meinungsmache betrieben. Es geht sicher nicht nur um die Darstellung, sondern auch ganz entscheidend, wie die Zahlen entstehen.
    Letztlich Statistik, die wie bekannt, leicht manipuliert werden kann.
    Alles eine Frage des Glaubens.
    Zurzeit sichtbar an den tollen Werten der CDU/CSU, wobei die 16 Jahre Merkel total ausgeblendet werden. Alle Probleme heute hat die Ampel zu verantworten. So einfach ist es, Meinung mit Umfragen zu manipulieren.

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