Wochenschau (146)

Möge das Wissen um die Problematik der „Star Wars“-Welt mit euch sein!

Es war einmal gestern in unserer Galaxis … Die Republik wird von Unruhen erschüttert. Handelsrouten werden von Klimarebellen blockiert. Während der Kongress endlose Debatten führt, entsenden die Regierenden Tweets aus dem Herzen der Republik.

Am 4. Mai wünschen sich „Star Wars“-Fans traditionell „May the 4th be with you“ in Anlehnung an den aus den Filmen bekannten Gruß „May the force be with you“. Das scheint ein für viele Politiker unwiderstehlicher Anlass zu sein, nahbare Nerdigkeit zu zeigen. Allerdings sind solche popkulturelle Anbiederungen kontraproduktiv, wenn durch sie auffliegt, wie wenig man sich in der Welt, auf die Bezug genommen wird, wirklich auskennt. Das gilt insbesondere beim „Star Wars“-Universum, das politischer ist, als es gemeinhin den Anschein hat.

Justizminister Marco Buschmann präsentierte sich mit einer Figur aus der „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“ namens Grogu, dem Schützling des Helden. Da Grogu lange Zeit als „Baby-Yoda“ bezeichnet wurde, kann man die nicht-ganz-richtige „Yoda“-Benennung noch nachsehen, aber die Yoda-typische Satzstellung, die Buschmann versucht, hat mit der gezeigten Figur erstmal nichts zu tun. Grogu ist noch zu klein, um sprechen zu können.

Auch der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder zeigte uns seinen Grogu und wünschte uns als angeblich großer Fan des Franchise, das für ihn was „Religiöses, Spirituelles und auch etwas Mythologisches hat“, einen frohen „Star Wars“-Tag:

Die Bundestagsfraktion der SPD präsentierte Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Hintergrund eines violettes Neonlichts, das vermutlich die Anmutung eines Lichtschwerts haben soll:

Schönes Motiv, nur leider ist in der „Star Wars“-Mythologie gerade eine lilafarbene Klinge nicht ganz unproblematisch. Während grüne und blaue Schwerter gemeinhin von den Jedi (die Guten) und rote Klingen von den Sith (die Bösen) geführt werden, ist die ultraseltene lila Klinge, die man mit Mace Windu (gespielt von Samuel L. Jackson) verbindet, ein Zeichen von Neutralität:

„Mace Windu mag ein Jedi sein, aber er ist in ständiger moralischer Unsicherheit. Dies wurde besonders deutlich, als er Jango Fett ohne eine Sekunde zu zögern tötete oder als er im Begriff war, dasselbe mit Palpatine zu tun.“

So gesehen passt das violette Lichtschwert vielleicht doch gut zu Scholz.

Die SPD-Bayern hielt sich nicht mit einer Kindchenschemanipulation des politischen Publikums auf und druckte direkt Darth Vader aufs Plakat, um uns aufzufordern, uns der Rebellion anzuschließen.

Christopher Lauer twitterte dazu:

„SPD Bayern bebildert ein ‚Join the Rebellion‘ Bild mit Darth Vader, knapp daneben ist auch vorbei würde ich sagen. Das ist so, als wäre auf den Uncle-Sam-Postern Adolf Hitler gewesen.

Und ja, das stimmt.

Der Futurismus und der Faschismus

In seinem berühmten Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ warf der Philosoph Walter Benjamin 1935 der Kunstrichtung des Futurismus und dem mit dem Faschismus sympathisierenden Dichter Filippo Tommaso Marinetti eine „Ästhetisierung der Politik“ vor. Sie ist laut Benjamin eine Strategie des Faschismus, die Kunst als Mittel zur Befriedigung der Massen und zur Legitimation der Gewalt einsetzte. Er meinte damit vor allem die Ästhetik des Faschismus, die er als eine Form der Selbstentfremdung und Vernichtung der Menschheit verstand und forderte dagegen eine „Politisierung der Kunst“, die die transformativen Möglichkeiten der Kunst für eine emanzipatorische Gesellschaftskritik nutzt.

Benjamin bezog sich dabei auf das 1909 im französischen „Le Figaro“ veröffentlichte „Futuristische Manifest“:

„3. Bis heute hat die Literatur die gedankenschwere Unbeweglichkeit, die Ekstase und den Schlag gepriesen. Wir wollen preisen die angriffslustige Bewegung, die fiebrige Schlaflosigkeit, den Laufschritt, den Salto mortale, die Ohrfeige und den Faustschlag. […]

9. Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schöne Idee, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.

10. Wir wollen die Museen, Bibliotheken und Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und jede Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht. […]

Aufrecht auf dem Gipfel der Welt, schleudern wir noch einmal unsere Herausforderung den Sternen zu!“

So kommen wir von diesem Manifest, das wie Nazi-Poesie klingt, zum Krieg der Sterne: „Star Wars“ ist ein legendäres Produkt der Popkulturindustrie, das prototypisch veranschaulicht, wie sehr eine Ästhetik des Faschismus selbstverständlicher Teil unserer Alltagscodes und unseres Referenzkosmos geworden ist. Eine ins Weltall verlagerte Verquickung von Western, Shogun Samuraifilmen, Rittersagen – und dem Dritten Reich.

Bei der Stilisierung des Imperiums ließ Regisseur George Lucas sich inhaltlich wie optisch vom Nationalsozialismus inspirieren, aber auch Kamereinstellungen übernahm er teilweise aus dem NS-Propagandafilm „Triumph des Willens“. Die Schlussszene in „Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung“ (1977), in der Luke Skywalker und Han Solo feierlich Medaillen von Prinzessin Leia für ihre Heldentaten umgehängt bekommen, sind ein offensichtliches Zitat der von Leni Riefenstahl dokumentierten Nazikundgebungen in Nürnberg in ihrem Propagandafilm „Triumph des Willens“ (1935).

Das von den Historikerinnen Nancy R. Reagin und Janice Liedl herausgegebene und von George Lucas genehmigte Werk „Stars Wars and History“ (2013) zeichnet die historischen Bezüge zum Dritten Reich nach, zum Beispiel unter anderem die Parallelen zwischen dem politischen Aufstieg von Kanzler Palpatine und Adolf Hitler. Auch der Begriff „Stormtrooper“ wurde wortwörtlich von Hitlers paramilitärischer Organisation, der Sturmabteilung, übernommen, ebenso die typische Form ihrer Helme. Auch die Parallelen zwischen dem Zweiten Weltkrieg und den Gefechten im Film hat der Historiker Cole Horton dargelegt. Als Vorlage für die Kampfsequenzen in „Star Wars“ diente Filmmaterial von Luftkämpfen zwischen den USA und Japan.

Bundeswehr im Sternenkrieg

Natürlich müssen die Übernahme und ein Remix der Ästhetiken nicht zwangsläufig problematisiert werden, insbesondere wenn sie kommerzialisierte Massenware und erzählerische Abkürzung für „Gut gegen Böse“ sind. Sogar bei Disneys „König der Löwen“ finden wir in der verwässerten Nacherzählung von Hamlet eine Eins-zu-eins-Übernahme von Leni-Riefenstahl-Inszenierungen beim Aufmarsch der Hyänen und der Zeichnung des antagonistischen Löwen Scar als Diktator.

Aber wir müssen darüber reden, wenn diese Stilisierung zur Idealisierung taugt und Weltraumfaschisten selbstverständlicher und von Fans bewunderter Teil unserer Popkultur geworden sind. Weltraum-Wehrmachtshelme, Sternen-„Sturmtruppler“, Offiziere, die aussehen wie die Gestapo. Gleichzeitig prangen all diese Motive wie selbstverständlich auf T-shirts, sind Faschingskostüme für Kinder, tauchen in lustigen Internetviedeos auf – und in der politischen Kommunikation.

So ist es tatsächlich problematisch, wenn die Bundeswehr sich mit den ästhetischen Codes des Sternenkrieges assoziiert:

Die Diskrepanz wird noch deutlicher, wenn man die imperiale Parade der Stormtrooper direkt beim Aufmarschieren bei der Bundeswehr beobachten kann und gewissermaßen eine Kameradschaft mit den imperialen Streitkräften, also Weltraumnazis, erfolgt:

Weltraumfaschisten vor Märchenkulisse

Die Autorin und Filmwissenschaftlerin Lindsay Ellis beschrieb in ihrem Videoessay über die Ideologie der „First Order“ ihre Irritation, als in den Disneyparks, zwischen Schneewittchen und Cinderella, plötzlich ein militärischer Aufmarsch von Weltraumfaschisten erfolgte, die in der inszenierten Fiktion dieser Parade junge Parkbesuchende für den Kampf gegen die Separatisten zu rekrutieren versuchen. Disney beschreibt diesen Märchen-Marsch vor seinem zauberhaften Dornröschenschloss auf seiner Webseite als „a daunting Demonstration of the First Orders obedience and strength“, eine „furchteinflößende Demonstration von Gehorsam und Stärke/Kraft.“

Durch den Kontrast Märchen/Militär wird die Unbehaglichkeit sehr deutlich, bei der Kombination Bundeswehr/Imperium wird dieses Unbehagen offenbar durch die ironische Pokuktur-Ästhetik und Anbiederung an Fantum neutralisiert. Man schätzt den reinen Wiedererkennungseffekt in seiner kommunikativen Wirksamkeit offenbar für größer ein, als die Gefahr, dass er durch die inhaltliche Irritation konterkariert wird.

Die Ironie will, dass sich die CSU-Politiker Doro Bär und Andreas Scheuer just in diesem Moment mit Floridas Gouverneur Ron DeSantis treffen, dem republikanisch-reaktionären Politiker und wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten, der Disney, zu dem „Star Wars“ gehört, hasst.

Disney hatte DeSantis öffentlich kritisiert wegen seines Verbotes, in Floridas Grundschulen sexuelle Orientierung und Transgenderfragen zu behandeln. Möge die politische Macht nicht bei ihnen bleiben.

7 Kommentare

  1. Es soll doch sicher „Benjamin“ statt „Bernjamin“ heißen, und „ironische Popkultur-Ästhetik“ statt dem, was im drittletzten Absatz steht, oder?

  2. 1. Die Kachel der Bayern-SPD ist witzig – auch wenn ich nicht weiß, wen die Gleichsetzung härter beleidigt: Markus Söder oder Lord Vader?

    2. Die ganze Faschismus-Nummer halte ich für dezent überinterpretiert. Klar ist Palpatine ein Galacto-Hitler, der sich durch die Krise der Republik hindurch an die Macht putscht. Klar hat sich Lucas ästhetisch bei Riefenstahl bedient, kein Geheimnis. Aber der Rezeptionsgeschichte von „Star Wars“ kommt man eher mit Adornos Kritik der Kulturindustrie auf die Spur, als mit Benjamins Kritik des Futurismus‘ (dessen Erben heute nicht die neuen Nazis sind, sondern die ‚disruptive‘ Silicon-Valley-Intelligenzija, Schnittmengen nicht ausgeschlossen).

    3. Wenn schon historische Parallelen, dann akkurat:

    „Auch der Begriff ‚Stormtrooper‘ wurde wortwörtlich von Hitlers paramilitärischer Organisation, der Sturmabteilung, übernommen, ebenso die typische Form ihrer Helme.“

    „Stormtroopers“ war tatsächlich der englische Name für die SA. Aber die trug Mützen. Der Sturmtruppen-Helm bei Star Wars erinnert vage an den Stahlhelm der Wehrmacht – sieht aber ganz anders aus ;-).

  3. Wenn man sich die Uniformen der Imperial Navy aus dem SW-Universum ansieht, finden sich stilistisch auch sehr deutlich Paralelen zu den Uniformen der japanischen Streitkräfte des Zweiten Weltkrieges, was sich vor allem in den Kopfbedeckungen niederschlägt.

    Die Schlussszene aus Star Wars Episode IV – A New Hope war einst als Abschluss der ganzen Saga gedacht, da sich George Lucas nicht ganz sicher war, ob Star Wars überhaupt so erfolgreich sein würde. Außerdem sollte diese Szene in riefenstahl-inspirierter Ästhetik wohl eher zeigen, wie selbstbewusst die Rebel-Alliance seit Vernichtung des ersten Todessterns geworden war.

    Da Starwars als Franchise zu Disney gehört, treten in den Disneyparks auch diese Figuren auf und wie in allen anderen Disney-Produktionen, die in den Parks präsentiert werden, auch die Bösewichter.

    Zudem möchte ich an dieser Stelle um Vertrauen in das junge Publikum (einschließlich Kinder) werben, welches reichlich eindeutig zwischen der Starwars-Fiktion und dem echten Leben unterscheiden kann.
    Keiner wird zum Nazi, nur weil dieser sich Starwars reihenweise ansieht und den Stawars Bösewicht mit tragischer Hintergrundgeschichte, Darth Vader, anhimmelt.

    Insgesamt ist der Starwars Day „May the 4th (be with you)“ meiner Meinung nach eher als Spielerei gedacht, egal welche Institution das macht. Man muss nicht alles all zu politisch aufladen.

  4. Die Sturmtruppen aus SW sind jetzt in rein militärischer Hinsicht auch nicht gerade Vorbilder.
    Imperiale Space Marines: „Wir leben für den Imperator, wir sterben für den Imperator.“
    Imperiale Sardaukar: „Wir töten für den Imperator, wir sterben für den Imperator.“
    Imperiale Sturmtruppen: „Wir stehen in der Gegend rum für den Imperator, wir sterben für den Imperator.“
    Wenn nur DIE irgendwo auftauchen, muss man sich keine Sorgen machen…

  5. „Imperiale Sturmtruppen: ‚Wir stehen in der Gegend rum für den Imperator, wir sterben für den Imperator.'“

    Vor allem kippen die immer gleich um, wenn man sie nur knufft. So wird das nichts mit dem Galaxis-Unterjochen.

  6. Was würde eigentlich fehlen, wenn Politiker/innen die auf solche dümmlichen Posts verzichten würden? Nichts. Also: es besser lassen. Wäre allerdings wieder ein Thema weg, mit dem sich unsere Branche so gerne befasst.

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