Hohe Kosten, wenige Abrufe

Niemand braucht die teuren Laber-Podcasts der Ministerien

Podcasts der Ministerien für Arbeit und Justiz
Screenshots: BMAS / BMJ

Es klingt wie ein schlechter Witz: 223.751 Euro hat das Bundesarbeitsministerium für elf Folgen eines eigenen Podcasts mit dem einschläfernden Titel „Das Arbeitsgespräch“ bezahlt. Die letzte Folge hatte laut „Spiegel“ gerade einmal 1.326 Hörer*innen. Einer davon war ich. Rund 300.000 Euro gab das Justizministerium für fünfzehn Folgen des Podcasts „Recht so?!“ aus – mit im Durchschnitt 4.000 Abrufen pro Folge, wie „Spiegel“-Journalist Anton Rainer bei einer Umfrage unter den Bundesministerien ermittelt hat.

Wären wir hier in einem True-Crime-Podcast, hieße die Frage: „Wie konnte es soweit kommen?“ So viel Steuergeld für Podcasts, die kaum jemanden interessieren?

Podcasts als Dauerwerbesendung

Das Podcast-Verbrechen fing einmal so an: Mit jeder neuen Aufmerksamkeitswelle für das neue Medium kamen neue Verdächtige hinzu. Zu den frühen Pionierleistungen von privaten Gelegenheitstätern gesellten sich bald die gewerbsmäßigen Serientäter: Medienhäuser und Streaming-Plattformen. Mit ihnen kam die Werbung in die Podcasts, erst unbeholfen und in radioartigen Werbespots. Dann heimtückischer – weil von Podcast-Moderator*innen selbst vorgetragen.

Die Art zu werben wurde mit der Zeit immer dreister. Heute gibt es Dauerwerbesendungen als Podcasts. Oder Podcasts als Dauerwerbesendungen. So genau kann das inzwischen niemand mehr unterscheiden. Auch deutsche Behörden haben zehn Jahre später Wind davon bekommen, dass Podcasts das neue heiße Ding sind. Also hat die Bundesregierung inzwischen auch Audioangebote in eigener Werbe-Sache.

Corporate Podcasts nennt die Branche dieses Phänomen. Hinter dem schicken Buzzword verstecken sich eigentlich Podcasts von Marken und Firmen. Corporate Podcasts sind wie eine bunte Seifenblase, die immer größer wird, aber noch nicht platzt. Und wer fällt drauf rein? Die dusseligen deutschen Behörden! Sie haben sich aber nicht in Eigenregie und mit bescheidenen Mitteln zum Podcasten entschieden. Sondern kaufen professionelle Beratung und technische Unterstützung teuer ein.

Viel Marke, wenig Podcast

In den vergangenen zehn Jahren ist eine ganze Branche aus Kommunikationsagenturen und Podcast-Produktionsfirmen gewachsen, die sich darauf spezialisiert haben, Großkunden wie Ministerien, Behörden und Stiftungen vom (Un-)Sinn solcher PR-Podcasts zu überzeugen.

Von dieser Branche wird seit mehr als zehn Jahren das Phänomen Corporate Podcasts heraufbeschworen. Sie versprechen Potenzial, Wachstum und Zukunft. Und? Wer kennt die wichtigsten Erfolgsgeschichten der beliebtesten Corporate Podcasts der vergangenen Jahre? Eben. Wer die Antwort weiß, arbeitet wahrscheinlich in einer Kommunikationsagentur oder einer Podcast-Produktionsfirma.

Und hier fängt das Problem an: Natürlich können Firmen und Marken gerne ihre Werbebudgets für Podcasts verpulvern, auch für sinnlose. Natürlich werden clevere Agenturen und Produktionsfirmen dabei zusehen, dass sie bei solchen Aufträgen – erst recht bei großen Kunden – das Maximum für sich herausschlagen.

Aber: Die recht erfolglosen Podcasts der Ministerien widersprechen der Außendarstellung, die die Corporate-Podcast-Blase pflegt. Eine ganze Branche reitet seit Jahren darauf herum, wie viel Podcast-Expertise bei der Konzeption und Beratung für die Kunden angeblich eingebracht wird. Doch genau hier kommt der Stich für die bunte Seifenblase: Bisher hat dieses Genre mehr Rohrkrepierer produziert, die den Kunden hinterher schöngeredet und schöngerechnet werden müssen. Seltenst kommen Erfolgspodcasts heraus, die Hörer*innen überzeugen und damit ihren eigentlichen Zweck erfüllen: Über den Podcast eine Firma, Marke oder Botschaft zu stärken. Stattdessen gibt’s eine große Portion Werbung, mit einer kleinen Portion Podcast-Vergnügen. Im Fall der Ministerien: finanziert von Ihren Steuern!

Wenig Aufwand, große Rechnung

Beim teuren aber unerfolgreichen Podcast des Bundesarbeitsministeriums waren sogar eine Kommunikationsagentur UND eine Produktionsfirma beteiligt. Zu den Aufgaben der Agentur zählte laut Ministerium folgendes: „Konzeption der Podcastreihe, Projektmanagement, Abstimmung, Gäste und BMAS, Unterstützung bei der Vorbereitung der Podcast-Folgen, Handling Dienstleister, Bewerbung, Erstellung der Teaser-Bilder, Online-Marketing, Evaluation“. Das teilt das Ministerium auf Übermedien-Anfrage mit.

Das klingt sehr aufwendig, dabei macht der Podcast, wenn man mal reinhört, einen ziemlich unaufwendigen Eindruck: Arbeitsminister Hubertus Heil redet mit (halb-)prominenten Gästen über – Überraschung – Arbeitsthemen! In elf Folgen. Moderiert wurden die Gespräche zusätzlich noch von einer ZDF-Journalistin. Was nicht nur format-technisch, sondern vor allem journalistisch ein ganz anderes Problem ist.

Eine Produktionsfirma war beim Podcast laut Arbeitsministerium zuständig für „Umsetzung und Produktion der Podcastreihe, Aufnahme vor Ort inkl. Remote-Einbindung, Postproduktion, Erstellung Audiosnippets, Transkription inkl. Sound- und Technikcheck“. Ganz schön hochtrabend für einen Gesprächspodcast. Andere (Hobby-)Podcaster*innen würden das einfach „podcasten“ nennen. Sie schaffen das zu deutlich geringeren Kosten.

Ein Viertel des Budgets für Werbung

Auf Übermedien-Anfrage betonte das Bundesarbeitsministerium mehrmals, dass man „aus vertragsrechtlichen Gründen“ keine Honorare der Auftragnehmer bzw. Unterauftragnehmer nennen könne. Nur ein einziges Detail wurde genannt: „Wir können jedoch bestätigen, dass von den 223.751 Euro 65.000 auf Werbung entfallen sind“. Klar, so ein Podcast soll ja seine Hörer*innen finden. Hat in diesem Fall nur nicht funktioniert. Auch nicht mit viel Werbegeld.

Stattdessen wurden hundertausende Euro für gerade ein paar Tausend Hörer*innen ausgegeben. Zwei Dienstleister für einen relativ einfachen Gesprächspodcast engagiert.

Womöglich ist das alles ein Beweis dafür, dass Corporate Podcasts doch nicht ganz die zukunftsträchtigen Selbstläufer sind, als die sie angepriesen werden. Dass solche Dauerwerbe-Podcasts von Bundesministerien dann noch weniger zünden, sollte niemanden überraschen. Vor allem nicht die Agenturen und Produktionsfirmen, die damit ihr Geld auf Kosten der Steuerzahler*innen verdienen.

Schon klar, die Corporate-Podcast-Branche würde ja niemals die Hand beißen, die sie füttert. Das ist nur meine naive Vorstellung, dass Expert*innen auch ehrlich rückmelden würden, wenn schon die erste grobe Podcast-Idee aus dem Ministerium Quatsch ist und das Geld woanders besser ausgeben wäre.

Der Kardinalfehler liegt schon in der Grundidee der Ministerien. Nur weil es dort erhöhten Sendebedarf gibt, heißt das nicht, dass jemand diese Botschaften auch empfangen möchte. Podcasts sind kein Rundfunk, staatlicher Rundfunk ist sowieso verboten und in dieser schönen neuen Medienwelt entscheiden zum Glück die Hörer*innen, welche Podcasts sie hören wollen. Laberpodcasts aus Berlin-Mitte gibt’s ohnehin schon genug.

8 Kommentare

  1. „Podcasts sind kein Rundfunk, staatlicher Rundfunk ist sowieso verboten“

    Ich finde, das ist das eigentliche Problem: Der Versuch staatlicher Stellen, pseudo-journalistische Formate zur Eigenwerbung zu etablieren. Vor allem, wenn sie sich dafür echte ÖR-Journalistinnen einkaufen, damit es seriös wirkt. (Andererseits – es klappt ja nicht, niemand will es hören.)

    „Schon klar, die Corporate-Podcast-Branche würde ja niemals die Hand beißen, die sie füttert.“

    Wie die für sich werben, kann man in zahllosen YouTube-Videos sehen. Sie wirken manchmal wie Coaching-Gurus, die einem für 3.000 Euro die Weisheit verkaufen, Erfolg hänge vom „Mindset“ ab. Der einzige Gebrauchswert solcher Produkte besteht darin, die Taschen der Anbieter zu füllen.

  2. Kleiner Hinweis: Es wurde kein einziger Cent an Steuergeld für Podcasts ausgegeben, da Staatsfinanzierung so nicht funktioniert. Aber interessierte Kreise benutzen diesen Unsinn nur zu gerne zur vermeintlichen Skandalisierung, wenn ihnen bestimmte Staatsausgaben nicht passen.

  3. @mikefomffm (#2)

    „Es wurde kein einziger Cent an Steuergeld für Podcasts ausgegeben, da Staatsfinanzierung so nicht funktioniert.“

    Öhm, was passiert denn dann mit Steuern? Polstert sich Lindner damit die Matratze? Sie haben ja Recht, dass Staatsausgaben nicht _allein_ durch Steuern finanziert werden (sondern auch durch Anleihen und das, was man despektierlich „Gelddrucken“ nennt). Dass für die Podcasts kein Steuergeld geflossen sei, müssten Sie aber belegen – wobei es eigentlich egal es, es geht ja um die Gesamtrechnung.

    „interessierte Kreise benutzen diesen Unsinn“

    Ich stehe der MMT durchaus aufgeschlossen gegenüber. Vom Bund der Steuerzahler oder Lindners Schwarzer Null halte ich gar nichts. Ich glaube allerdings, Sie tun ihrem Anliegen keinen Gefallen, wenn Sie jeden Hinweis auf mögliche Steuerverschwendung als „Unsinn“ aus „interessierten Kreisen“ abtun und an den Rand einer Verschwörungstheorie schieben.

  4. Ein sechsstelliger Betrag für eine vierstellige Zuschauerzahl? Wäre es nicht einfacher, 1.000 zufällig ausgewählten Menschen je 100 Euro zu schenken?

  5. @Kritischer Kritiker: Wenn sie tatsächlich „der MMT durchaus aufgeschlossen gegenüber“ stehen, warum informieren sie sich dann nicht über diese MMT?

  6. @mikefromffm (#5):

    Habe ich getan, wenn auch nur laienhaft. Die Kernthesen kenne ich. Keine davon behauptet meines Wissens, dass der Staat kein Steuergeld ausgibt – zumal ein Staat, der zum Leidwesen der MMT an der Schwarzen Null festhält und zumindest dem Anspruch nach keine Geldschöpfung betreiben will (tut er natürlich trotzdem, indem er sich über den Umweg von Banken frisches Geld bei der eigenen Zentralbank „leiht“).

    Der Sinn von Steuern liegt für MMTler weniger in der Staatsfinanzierung als in deren politischer Steuerungswirkung, das habe ich verstanden. Ändert aber nichts daran, dass der Staat sich auch aus Steuern finanziert. Denn egal ob er das Geld, das er als Steuern einzieht, irgendwann mal selbst in Umlauf brachte – pro Haushaltsjahr wechselt es zweimal den Besitzer. Einmal nimmt der Staat es ein, einmal gibt er es aus. Zum Beispiel für einen Podcast.

    Irre ich mich? Anscheinend kennen Sie sich aus, und das Thema ist interessant. Wäre nett, wenn Sie Laien wie mir ein paar Argumente nennen könnten, statt es bei steilen Thesen zu belassen.

  7. @Kritischer Kritiker: Ihre Auslassungen zur MMT legen nahe, dass sie vielleicht einige Überschriften zum Thema gelesen haben, aber sie haben keinerlei Kenntnisse über MMT. Eine weitere Diskussion ist dementsprechend sinnlos und ich habe es mir auch abgewöhnt, über die Phantasien anderer, was diese MMT wohl sein könne, zu diskutieren. Schönes Wochenende noch. PS: Sie finden im Internet zahlreiche seriöse Darstellungen zur MMT, fangen sich doch mal mit dieser an: https://www.pufendorf-gesellschaft.org/modern-money

  8. @mikefromffm:

    Verzeihen Sie, dass ich einem Eingeweihten zu nahe getreten bin. Wird nicht wieder vorkommen.

    Kleiner Nachtrag: Wenn Sie nur mit Leuten diskutieren, die schon auf Linie sind, und nicht einmal einen Satz zur Erklärung beitragen wollen, wirkt das auf mich ziemlich kontraproduktiv. Ich schreibe ja z.B. auch nicht: „Sie haben keine Ahnung von Marx, Diskussion also sinnlos, lesen Sie erstmal das Kapital!“

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