Die Autorin
Kathrin Hollmer arbeitet als freie Journalistin in München. Sie schreibt nicht nur über Filme und Serien, sondern diskutiert auch gern in Jurys darüber, insbesondere, wie Frauen und Diversität erzählt werden.
Es fühlt sich nicht gut an, einen Text über Serienmörder zu schreiben, wenn man eigentlich dafür plädiert, Serienmördern keine weitere Bühne zu bieten. Wenigstens eine Warnung vorab: Hier geht es um True-Crime-Serien, die dazu beitragen, dass Mörder wie Popstars verehrt werden, und auch um die Darstellung expliziter Gewalt.
An diesem Freitag (13.1.) erscheint die sechsteilige „Amazon Prime“-Serie „German Crime Story: Gefesselt“. Deren erste Folge läuft gerade einmal drei Minuten, da hat Oliver Masucci in seiner Rolle als Raik Doormann bereits eine leblose Frau die Treppe hochgeschleppt, sie in eine Badewanne gelegt, ihr übers Bein gestreichelt, mit der Säge angesetzt und die Leichenteile in einem Alukoffer zu seinem Auto getragen. Wenig subtil ist dann auch das folgende Intro: zu geheimnisvoller Musik blitzen attraktive Frauengesichter und nackte, gefesselte Frauenkörper auf.
Die Geschichte von Raik Doormann beruht auf wahren Ereignissen. „Hamburger Säurefassmörder“ wurde der Mann, der die Vorlage für die Serienfigur war, in den Medien genannt. Vor etwa 30 Jahren lockte er drei Frauen in seinen selbstgebauten Bunker und quälte sie. Zwei von ihnen überlebten nicht, ihre Leichen ließ er in Säurefässern verschwinden.
Kathrin Hollmer arbeitet als freie Journalistin in München. Sie schreibt nicht nur über Filme und Serien, sondern diskutiert auch gern in Jurys darüber, insbesondere, wie Frauen und Diversität erzählt werden.
Ähnlich wie bei Jeffrey Dahmer. Ebenfalls ein Serienmörder, ebenfalls eine Vorlage für eine erfolgreiche Serienproduktion. „Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer“ (Serienmörder-Serien müssen wohl umständlich heißen) erzählt die Geschichte eines mehrfachen Mörders in den USA. Die Serie aus dem vergangenen Jahr war die dritterfolgreichste Netflix-Serie überhaupt.
Die deutsche Produktion „German Crime Story: Gefesselt“ soll an diesen Erfolg anknüpfen. Sie erzählt, ganz state of the art im Serienkiller-Genre, größtenteils aus Doormanns Perspektive. Er wird als netter Typ von nebenan gezeichnet, der seinen Nachbarn grüßt, während er ein Mordopfer verschwinden lässt, und als schriller Kerl, der sich die Karten legt und Entführungen nach dem Horoskop plant. Als Zuschauer:in soll man also nicht mit den Opfern mitfiebern oder mit Nela Langenbeck (Angelina Häntsch), der ersten Frau bei der Hamburger Mordkommission, die ihm auf der Spur und damit wenigstens ein kleiner Ausgleich ist. Nein, man soll mitfiebern, ob und wie lange Doormann mit all dem durchkommt.
Doormann darf ausgiebig seine Taten verharmlosen, seine Unschuld beteuern; das Opfer, das überlebt hat, verhöhnt er vor Gericht: Sie habe doch „positive Signale“ gesendet. True-Crime-Formate, die aus der Perspektive von Serienkillern und anderen Verbrechern erzählen, geben automatisch ihren Erklärungen Raum. Bei Doormann geht sie so: Der einst erfolgreiche Kürschnermeister ertrug es nicht, dass er wegen der Pelzkrise seine Arbeit verloren hatte und den Hausmann spielen sollte, wie er im Film sagt, während seine Frau arbeiten ging. Er darf seine Theorien ausbreiten, denen zufolge schon die „Höhlenmensch-Frau“ den Mann nur akzeptiert habe, wenn der regelmäßig mit Mammut in die Höhle zurückkehrte. Was hätte er auch sonst tun sollen? Er fing an, Frauen zu entführen.
Auch das Fernsehen, speziell der Krimi, ist voll von gekränkten Männern wie Doormann und ihren Erklärungsmythen, Frauen zu missbrauchen oder zu töten (oder beides). Drei Beispiele aus dem vergangenen „Tatort“-Jahr: In einer Wiener Folge erstach ein Mann seine untreue Ehefrau, in Ludwigshafen fesselte und verbrannte ein Soldat seine Vorgesetzte, weil er nicht damit klarkam, dass eine Frau in der Hierarchie über ihm steht; wieder ein anderer, in Dortmund, tötete wahllos Frauen, weil ihn seine Mutter als Kind verlassen hat.
Auch Jeffrey Dahmer, der hauptsächlich schwule und Schwarze Männer tötete, wird in der gleichnamigen Netflix-Serie als gekränkter Mann portraitiert. Bei „Zeit Online“ schrieb Julia Lorenz dazu:
„Warum will mich immer jeder verlassen?“, ruft Evan Peters als Dahmer, als eines seiner Opfer aus der Wohnung flüchten will – damit auch der letzte Küchentischpsychologe schnallt, wieso hier gemordet wird. Dahmer beginnt, wie so viele True-Crime-Erzählungen, als persönliche Tragödie eines von der Welt verstoßenen Mannes, die möglichst klare Antworten auf die Frage geben soll, warum ein Mensch zum Monster wird.“
Es mag eine berechtigte Frage sein, warum ein Mensch mordet, das fiktional implizierte Verständnis geht aber oft zu weit.
Bei Doormann in „German Crime Story“ vermischt sich seine Auslegung vor Gericht mit Rückblenden. In einer davon wird suggeriert, die Frau, die überlebt hat, sei zwischendurch sowohl mit der Entführung (um selbst Geld zu erpressen) als auch mit den sexuellen Handlungen einverstanden gewesen. Auf Übermedien-Nachfrage erklärt Produzent Dietmar Güntsche:
„Diese erste Rückblende, die im Zuge der Entführung ein Einverständnis suggeriert, stellt die Perspektive Raik Doormanns dar, seine Darstellung der Ereignisse vor Gericht. Genau diese Perspektive wird später ad absurdum geführt, wenn wir in der zweiten Rückblende die Entführung dann aus der Sicht des Opfers, Elke Berger, sehen. In ihrer Schilderung/Rückblende wird deutlich, dass es sich bei der Tat um eine brutale Entführung – ausdrücklich gegen den Willen des Opfers – gehandelt hat. Der Täter hat auch im realen Fall die Entführung so dargestellt, dass es eine Absprache mit dem Opfer gegeben hat. Insofern ist diese Darstellung auch nahe am Gerichtsverfahren im realen Fall.“
In der Serie verschwimmen Rückblenden und Doormanns Lügen, und auch wenn diese Sequenzen widerspiegeln, was sich im Kopf des Täters abgespielt haben soll, reproduzieren sie trotzdem die Vorstellung, dass ein Nein gar nicht nein heißen muss.
Verstärkt wird das alles durch die Art, wie die Serie inszeniert und gefilmt ist: Die Kamera fährt immer wieder ausgiebig an den Beinen und Körpern der zukünftigen Opfer entlang, bevor Doormann sie in seine Gewalt bringt, und stellt die Frauen voyeuristisch und als Objekte aus: gefesselt, entblößt, manchmal zusätzlich auf Fotos mit Wunden und blauen Flecken, die Doormann den Frauen in seiner Gewalt zeigt. „Eine gefesselte Frau kann pure Schönheit sein“, sagt Doormann, der über unangenehm lange Strecken seine Fantasien ausbreiten darf. Hier wird Missbrauch ästhetisiert und erotisiert. Die ganze Serie ist frauenfeindlich geschrieben, inszeniert und gefilmt.
Während die Täter in Filmen und Serien eine große Bühne bekommen, wird die Opferperspektive größtenteils vernachlässigt. 2021 zeigte eine Studie der „Malisa“-Stiftung zur Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt im Fernsehen, dass nur in acht Prozent der Gewaltdarstellungen die Betroffenen ausführlich selbst zu Wort kommen. Analysiert wurde eine repräsentative Stichprobe der Programme von acht Fernsehsendern, die 2020 zwischen 18 und 22 Uhr ausgestrahlt wurden.
Die Netflix-Serie über Jeffrey Dahmer verlässt immerhin in der zweiten Hälfte der Staffel die Perspektive, wendet sich Hinterbliebenen und den Fehlern der Polizei zu, außerdem Dahmers Nachbarin, die ein Denkmal für die Opfer fordert, damit man sich nicht nur an den Mörder erinnert. Am Schluss der Serie werden alle Opfer mit Foto und Namen eingeblendet.
In journalistischen und sozialen Medien ist es zwar noch nicht selbstverständlich, den Tätern bei rassistischen Angriffen, Terroranschlägen und Amokläufen keine Bühne zu geben, aber das Bewusstsein wächst. Es werden Opfer benannt – Stichwort „Say Their Names“, wie nach dem Anschlag in Hanau 2020. In der Fiktion ist die Faszination des Bösen einfach zu lukrativ.
Im November kündigte Netflix zwei neue Staffeln von „Monster“ an, in denen andere Serienmörder im Mittelpunkt stehen sollen. Man will also, wie man es sonst von Superheld:innen kennt, eine Art Serienkiller-Filmuniversum schaffen.
Der Drehbuchautor Mitch Dyer kommentierte das auf Twitter:
[„Eine Bande psychotischer, frauenfeindlicher Serienmörder zu franchisen, als wären sie die verdammten Agenvers – unwirklich“.]franchising a bunch of psychotic, misogynistic serial killers like they’re the fucking avengers
unreal
— Mitch Dyer (@MitchyD) November 7, 2022
Auch der Titel „German Crime Story“ deutet auf eine Reihe hin. Das bestätigt der Produzent auf Übermedien-Nachfrage:
„Ja, German Crime Story soll eine Reihe werden, die spektakuläre True Crime Fälle aus Deutschland als High End-Events spektakulär umsetzt. Wir haben bereits weitere hochkarätige Fälle identifiziert und stehen in den Startlöchern, die Reihe fortzusetzen.“
„True Crime“ boomt schon länger. Es gibt unzählige Podcasts, fiktionale oder Doku-Serien sowie Print-Magazine, die echte Kriminalfälle mal sachlich und journalistisch, mal fiktionalisiert oder überspitzt aufbereiten. Und dann gibt es Produktionen, die dazu führen, dass Serienmörder wie Popstars verehrt werden. Merchandising inklusive. Man kann Hoodies mit dem Fahndungsfoto von Ted Bundy kaufen, der in den 70er Jahren mindestens 30 Frauen und Mädchen getötet hat und dessen Geschichte auch als Netflix-Dokuserie verfilmt wurde. Zac Efron verkörperte ihn außerdem 2019 im Spielfilm „Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile“. Filmstarts.de schrieb in der Ankündigung damals:
„Ted Bundy ist ein Serienmörder und -vergewaltiger, aber leider auch verdammt sexy und charmant.“
So werden mehrfache Mörder als „sexy Serienkiller“ verklärt und verkultet. Nicht erst durch Serienprojekte, auch durch die sensationsgierige Berichterstattung, die sich von Abgründen blenden lässt und lieber Einzeltäter ausstellt als das System, das Morde und Gewaltverbrechen an Frauen und marginalisierten Gruppen ermöglicht und deckt.
Der echte Jeffrey Dahmer bekam, das soll nicht unüblich sein bei inhaftierten Schwerverbrechern, Liebesbriefe ins Gefängnis. In der Serie beantwortet er seine „Fanpost“. Im Herbst 2022 konnte man seine markante Brille für 150.000 US-Dollar kaufen, auf einer Webseite werden Original-Gegenstände von ihm und seinem Umfeld wie Devotionalien vertickt: zum Beispiel Original-Fotos vom Tatort, Briefe und seine Bibel. Angehörige seiner Opfer könnten heute also verkleideten Fans des Mörders ihrer Söhne und Enkel begegnen. Vor Halloween hat zumindest der Online-Händler Ebay den Verkauf von Jeffrey-Dahmer-Kostümen verboten.
Auf TikTok werden Dahmer-Clips mit den Hashtags #sexy und #cute geteilt. Fans lassen sich sein Portrait tätowieren. In Onlineshops gibt es eigene Kategorien für sogenannte „Murderabilia“: Mörder-Fanartikel wie Ted-Bundy-Tassen, ein Jeffrey-Dahmer-Kochbuch oder Duftkerzen, die nach Dahmers Appartment riechen sollen.
In „German Crime Story: Gefesselt“ heißt der Mörder wenigstens anders als sein reales Vorbild. Doch auch die Serienfigur Doormann hat „Kultpotenzial“. Nicht auf die „sexy-charmante“ Art wie Dahmer und Bundy, sondern in extravagant-skurril: Doormann trägt Schnauzbart und seine Brille sieht aus wie die von Dahmer. Wenn er im Garten Würstchen grillt, tut er das im Pelzmantel.
Ein Problem an fiktionalen True-Crime-Formaten ist, dass sie zwangsläufig die Wirklichkeit und damit ihre Wahrnehmung verzerren. Sie fügen Dinge hinzu, überspitzen, malen Figuren und Szenen bunter aus als sie in echt waren, nicht nur weil nicht alles bis ins Detail dokumentiert ist, sondern auch zu Unterhaltungszwecken. In der Netflix-Serie wird der Kannibalismus von Dahmer bis zum Klischee überspitzt (er serviert seiner misstrauischen Nachbarin ein Sandwich mit vermeintlich menschlichem Fleisch). Dabei haben Serien und Filme, die auf wahren Fällen und damit auch auf echten Schicksalen echter Menschen und Familienangehöriger beruhen, eine besondere Verantwortung. Statt boulevardesk mit dem Ekel und Horror des Bösen zu spielen ist es längst überfällig, die Perspektive zu wechseln.
Regisseurin Maria Schrader macht in ihrem Kinofilm „She said“ über die Aufdeckung des Weinstein-Skandals vor, wie das geht. Im Mittelpunkt ist nicht das Monster, sondern seine Opfer, mutige Frauen, die öffentlich gegen den mächtigen Produzenten aussagten, und die hartnäckigen, aber empathischen Journalistinnen, die das System aufdeckten, das den jahrelangen Missbrauch überhaupt ermöglicht hat. Auf Missbrauchsszenen verzichtet der Film komplett; Weinstein kommt zwar zu Wort, so wie das journalistischen Standards entspricht, aber er bleibt nur eine Randfigur.
Schrader sagte dazu im Interview mit der Süddeutschen Zeitung:
„Es gibt schon viel zu viele Vergewaltigungsszenen in Filmen, ich möchte keine hinzufügen. In „She Said“ erzählen die Frauen selbst, was ihnen passiert ist. Es ist etwas anderes und ungewohnt, ihre Perspektive und Reflexionen zu erfahren, meistens liegt der Fokus ja auf den Tätern. (…) ‚She Said‘ ist kein Film über Harvey Weinstein. Es ist ein Film über eine kleine Gruppe von hauptsächlich Frauen, die seine Verbrechen und das System, das ihn geschützt hat, aufgedeckt haben. Wir erzählen die Geschichte aus ihrer Perspektive.“
Schraders True Crime ist keine Vorlage für Merchandise, der Täter bekommt keine weitere Bühne, keinen zusätzlichen Raum oder Macht. Die haben sich die echten Weinsteins, Dahmers und Doormanns dieser Welt schon genug genommen.
Solange Serienmörder Bühnen bekommen, finden sie weiterhin ihr Publikum. Das bedeutet nicht, dass man wahre Verbrechen nicht mehr fiktional und damit für ein großes Publikum aufbereiten soll. Es geht um das Wie.
Die Opfer des echten „Hamburger Säurefassmörders“ hießen übrigens Hildegard K., Annegret B. und Christa S. Der Name des Täters tut nichts zur Sache.
Persönlich finde ich, dass sich das True-Crime-Genre als ganzes nicht ändern muss. Es gibt zahlreiche Formate, die nicht sensationslüstern sind und die nicht versuchen, die Perspektive des Täters einzunehmen, sondern die Persönlichkeit der Opfer und die Sorgen der Angehörigen darstellen.
Weiterhin bezweifle ich, dass wirklich jemand glaubt, Frauen würden gerne entführt werden, _nur_ weil das jemand in einem semi-fiktionalen Krimi so behauptet, aber vllt bin ich auch naiv.
Aber wenn man damit tatsächlich die falschen Leute anspricht, was ist mit komplett fiktiven Kriminellen wie Walter White, Hannibal Lector, Dexter, die Sopranos und wie sie alle heißen?
Ich finde diesen Umgang mit dem Thema ja sehr gut:
https://www.youtube.com/watch?v=HxLaxQyBGjE
Vielen Dank für diese schöne, inhaltreiche Analyse!
Ein paar Gedanken habe ich dazu:
Ich verstehe die Problematik, die hier beschrieben wird (viel über den Täter zu erzählen), besonders bei echten kriminellen Taten. Aber es ist doch auch klar, woher das kommt: Die Täter sind aktiv und sie sind interessant. Die Opfer sind zufällig bzw. tun nichts „interessantes“, um in ihre Lage zu geraten. Was soll man da erzählen?
„Die Kamera fährt immer wieder ausgiebig an den Beinen und Körpern der zukünftigen Opfer entlang, bevor Doormann sie in seine Gewalt bringt, und stellt die Frauen voyeuristisch und als Objekte aus“ Dieses Phänomen stößt mir auch in sehr vielen fiktionalen Formaten auf (zum Beispiel „Game of Thrones“). Zu beachten finde ich hier allerdings, dass der objektifizierende Blick in dieser Serie ja tatsächlich einen erzählerischen Sinn hat. Eben weil ja immer mit der Täterperspektive gespielt wird.
„wird suggeriert, die Frau, die überlebt hat, sei zwischendurch sowohl mit der Entführung (um selbst Geld zu erpressen) als auch mit den sexuellen Handlungen einverstanden gewesen.“ Unabhängig von dieser konkreten Szene: Man kann nicht beides gleichzeitig wollen; mehr Opferperspekive, aber dann bitte nur das „reine“, ambivalenzfreie Opfer. Ich persönliche schätze es eher, wenn Motivationen und Situationen komplex sind.
„Auch das Fernsehen, speziell der Krimi, ist voll von gekränkten Männern wie Doormann“ Das stimmt und geht mir auch auf die Nerven. Ebenso wie das Krimi-Cliché, dass Frauen meist morden, um einen Peiniger loszuwerden, jedenfalls eher aus einer Verteidigungshaltung heraus und sei es per fies geplantem Giftanschlag (was erst recht zu einer starken Übernahme der Täterperspektive führt). In beiden Fällen wünsche ich mir komplexere Motivationen, statt Clichés.
„mit der Säge angesetzt“ Mich widern diese expliziten Gewaltdarstellungen an und ich wundere mich, dass das anscheinend so gut ankommt beim Publikum. Denn meinem Eindruck nach wird es immer mehr.
Der Gedanke aus Kommentar #3 kam mir auch schnell in den Sinn: Die Geschichte der Täter ist oft bei Serienkillern deutlich spannender. Die Opfer sind meist willkürlich gewählt und so gut wie jeder mit auch nur einem Fünkchen Empathie kann sich in deren Perspektive hineinversetzen und das immense Leid nachvollziehen. Insofern böte die Opferperspektive außer einer eher geringen Spannung nur ein recht triviales Mitleiden an. Die Täterperspektive ist da aus meiner Sicht schon spannender, weil die Taten monströs sind, die Täter aber immer noch Menschen. Damit bieten sie Identifikationspunkte für einen selbst, aber auch Abgrenzungsmerkmale; sie erzeugen also einerseits Nähe, andererseits Ekel, Wut, etc., was eine ambivalente Faszination verursachen kann. Deswegen finde ich das auch durchaus nachvollziehbar.
Nun kommt ein großes Aber: Ich würde diese Erzählungen dennoch gerne eher auf fiktive Charaktere bezogen sehen. Denn ich störe mich tatsächlich etwas daran, dass hier realen Serienmördern eine Bühne geboten wird. Sie werden zu Berühmtheiten mit eigenen Netflix-Produktionen, die ihren Namen tragen und somit leider auch in gewisser Weise Vorbilder. Ich würde da also nicht ausschließen wollen, dass dies durchaus Menschen inspirieren könnte. So nach dem Motto: „Wenn das von mir verübte Verbrechen nur spektakulär genug ist, dann werde ich durch Netflix und Co. berühmt und verewigt.“ Das sehe ich auch bei Personen wie Anna Sorokin problematisch, wobei bei der noch erschwerend hinzukommt, dass sie von Netflix Geld für die Rechte bekommen hat.
Da sehe ich auch den großen Unterschied zu Produktionen wie Dexter, die sich um fiktive Charaktere drehen.
Deswegen: Ich kann verstehen, dass man gerne aus der Täterperspektive erzählt und ich kann auch verstehen, dass man dafür gerne reale Taten nimmt, weil die durch die vermeintliche Authentizität mehr „berühren“. Aber ich sehe die Darstellung echter Serienmörder durchaus kritisch, weil hier unweigerlich Serienkiller zu Berühmtheiten werden – das lässt sich hier nicht vermeiden. Ob uns diese „guten“ Geschichten nun also die Inspiration möglicher Nachahmuntstäter wert sein sollte, da bin ich mir nicht ganz sicher, sehe es aber eher skeptisch.
Ich mag das True Crime Genre sehr gerne. Allerdings eher die mMn ursprüngliche und alte Art. „Medical Detectives“, Aktenzeichen XY, Autopsy – Mysteriöse Kriminalfälle , Snapped etc
In der ZDF Mediathek gibt es auch eine Reihe an einigen guten Crime Dokus.
Hier wird aber der Täter nicht zum Popstar gemacht. Und das Leid der Opfer und deren Hinterbliebenen bekommt mehr Gewicht.
Was da nun auf den Streaming Portalen veranstaltet wird, finde ich teilweise extrem fragwürdig bis krank.
Diese Art der Verarbeitung braucht kein Mensch, die Realität schreibt jeden Tag genug endlose Grausamkeiten.
Haben Sie eine andere Serie gesehen als Ich ?
Es wurde sehr schnell deutlich, dass der Täter ein pathologischer Lügner ist. Sein Charakter ist widerlich, seine Verhöhnung des Opfers vor Gericht ist schwer zu ertragen. Aber gerade das ist aus der Vorlage entnommen: Er ist bei der ersten Gerichtsverhandlung mit seinen Lügen durchgekommen.
Ich habe als Zuschauer mit Nela Langenbeck mitgefiebert, die Serie ist ziemlich eindeutig genau darauf angelegt – u.a. durch die Kämpfe der Kommissarin innerhalb der Polizei (auch das laut Presseberichten entsprechend der Vorlage).
Die Serie macht in der ersten Gerichtsverhandlung dem Zuschauer deutlich, warum ein Opfer von Gewalt vor Gericht einen eigenen Anwalt als Fürsprecher braucht (Dies wäre seit dem ersten Opferschutzgesetz 1986 über eine Nebenklage möglich, warum dies damals nicht erfolgte weiß Ich nicht)