Was Redaktionen im Praktikum zahlen

Bieten: Praktikum. Suchen: eine Person, die sich das leisten kann.

„Es ist ein Teufelskreis. Der Journalismus schreit immer nach mehr Vielfalt. Aber es wird nichts dafür gemacht. Das ist absurd.“

Das sagt die 21-jährige Paula, die eigentlich anders heißt. Sie studiert Journalismus in Berlin und macht derzeit ein Praktikum  in der PR-Branche. 850 Euro bekommt sie da im Monat. Ein journalistisches Praktikum könne sie sich nicht leisten, weil in den Redaktionen, für die sie sich interessiert hätte, viel weniger bezahlt wird. Paulas Eltern verdienen so viel, dass sie kein Recht auf BAföG hat, aber so wenig, dass sie sie nicht wirklich unterstützen können. Für das Leben und die Miete in Berlin muss Paula also größtenteils selber sorgen. Dabei braucht sie das Praktikum nicht nur, um Erfahrungen und Arbeitsproben zu sammeln, sondern auch für ihr Studium. Fünf Monate Praxis sind in der Studienordnung ihres Bachelors vorgeschrieben. Paula sagt, junge Menschen wie sie würden dadurch in eine „unmögliche finanzielle Lage“ gezwungen.

Job-Anzeigen für Praktikumsstellen
Screenshots: WDR, Madsack-Gruppe, „Spiegel“, FAZ

Ob der Einstieg in den Journalismus gelingt, ist sehr davon abhängig, ob man es sich leisten kann, schlecht oder gar unbezahlte Praktika zu machen. „Wo keine Villa ist, ist auch kein Weg“ kommentierte Autor Olivier David bei Übermedien im vergangenen Jahr. Die oft geringe Vergütung engt Nachwuchsjournalist*innen wie Paula ein und zeigt, wie unzugänglich die Branche für die jungen Menschen ist, die von ihren Eltern nicht oder nur wenig unterstützt werden können. Nebenbei zu arbeiten ist für viele, auch für Paula, schwierig. Denn journalistische Praktika sind in der Regel Full-Time-Jobs.

Praxisphase im Studium meist Pflicht

Pflichtpraktika sind an vielen Unis und Ausbildungsstätten im Fachbereich Journalismus üblich. An der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz etwa müssen Studierende im Master Journalismus Praktika in drei Redaktionen leisten. Mindestdauer gesamt: zwölf Wochen im Zeitraum der Semesterferien. Journalismus-Professor Tanjev Schultz vom Journalistischen Seminar der Uni Mainz erklärt das so: „Weil eine ‚Generalistenausbildung‘ (alle Medien) sonst nicht in die vier Semester des Masterstudiums passen würde. Dafür halten wir die Semesterferien in der Regel aber auch weitgehend frei von Hausarbeiten und anderen Studienleistungen und Prüfungsarbeiten.“

Auch die Freie Universität Berlin (FU) macht das so. Wer in der Regelstudienzeit studieren möchte, sollte das im Bachelor vorgeschriebene Praktikum in die Semesterferien legen. „Einzelne Studierende nehmen auch ein Urlaubssemester, um zum Beispiel ein vier- bis sechsmonatiges Praktikum zu absolvieren“, schreibt die Studienberatung der FU auf Übermedien-Anfrage. Im Master an der FU sei das Praktikum freiwillig.

An der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ist auch in den Masterklassen ein Pflichtpraktikum vorgesehen. Leiterin Henriette Löwisch bestätigt, dass sowohl die Ausbildung als auch der Master jeweils sechs Monate Praktika erfordern: „In der Praktikumsphase haben die Journalistenschülerinnen und Journalistenschüler keine anderen Pflichtveranstaltungen […]. Bei den Kompaktklassen findet die Praktikumsphase im Anschluss an die DJS-Ausbildung statt, bei den Masterklassen in den vorlesungsfreien Zeiten.“

Was fordern Gewerkschaften und Vereine?

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) setzt sich für die Belange von Praktikant*innen in allen Branchen ein. Auf Übermedien-Anfrage fasst Philipp Siewert, zuständig für Jugendpolitik beim DGB, die Forderungen zusammen: Freiwillige Praktika sollten, so der DGB, generell durch das Mindestlohngesetz abgedeckt sein nicht erst nach einer Dauer von drei Monaten. Für Pflichtpraktika fordert der Verband die Einführung einer Mindestvergütung in Höhe des aktuellen BAföG-Satzes. Das sind für unter 25-Jährige, die nicht zu Hause wohnen, derzeit 814 Euro

Auch Rebecca Roth von den „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“ (NdM), die dort zuständig ist für das Mentoring-Programm, schlägt Redaktionen vor, sich am Mindestlohn zu orientieren. Für Roth steht fest: Wenn Redaktionen es mit diversitätsbewusstem Recruiting ernst meinen, müssen Sie Praktika angemessen vergüten. Sonst würden bestimmte Nachwuchsjournalis*innen automatisch ausgeschlossen, insbesondere Journalist*innen aus Arbeiter*innenfamilien.

Einen eigenen Verband haben Praktikant*innen im Journalismus nicht hinter sich stehen. Wäre das nicht eine Aufgabe für den Deutschen Journalisten Verband (DJV)? Schließlich tritt der für über 30.000 Mitglieder der Branche und für faire Löhne ein. 

Tatsächlich steht auch die Bezahlung von Praktika auf der Agenda des DJV. Zumindest theoretisch. Eine „Praktikumsoffensive“ zusammen mit der Jugendpresse Deutschland und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union von ver.di ist 15 Jahre her. Und wie ist das aktuell? Konkrete finanzielle Forderungen hält man beim DJV für „illusorisch“, sagt Pressesprecher Hendrik Zörner auf Übermedien-Anfrage. Verhandlungen für eine gerechtere Bezahlung von Praktika im Journalismus führe der DJV derzeit nicht. Was aber mindestens gegeben sein sollte, sei „das Honorar, das die gemeinsamen Vergütungsregeln für Freie an Tageszeitungen vorsehen“. Diese Forderung ist sicher streitbar, denn das würde heißen, dass die Texte von Praktikant*innen genauso entlohnt werden wie die von freien Mitarbeitenden, auch wenn Praktikant*innen in einer Ausbildungssituation andere Qualität abliefern als erfahrene Freie.

Der Deutsche Fachjournalisten-Verband verweist auf einen Leitfaden aus dem Jahr 2008. Wie man auf die dort geforderten 300-700 Euro Vergütung für Praktika kommt, sei heute nicht mehr nachzuvollziehen, man arbeite aber derzeit an einer aktuellen Stellungnahme.

Nochmal einschreiben, bitte!

In den meisten Fällen macht es einen deutlichen Unterschied, ob es sich um Pflichtpraktikant*innen (etwa im Studium) oder freiwillige Praktikant*innen handelt. Denn: Wer ein Pflichtpraktikum absolviert, hat keinen Anspruch auf Mindestlohn. Das führt zu skurrilen Situationen. Zum Beispiel, dass sich Nachwuchsjournalist*innen, die eigentlich die Uni schon abgeschlossen haben, wieder an einer solchen einschreiben müssen, damit sie einen Praktikumsplatz bekommen. Das berichten Personen, mit denen wir für diesen Text gesprochen haben. 

Tatsächlich antworten einige Medienhäuser auf die Übermedien-Anfrage, dass sie vor allem oder gar ausschließlich Pflichtpraktikant*innen einstellen, zum Beispiel der Hessische Rundfunk. Eine Mitarbeiterin, die für Ausbildung und Personalentwicklung zuständig ist, sagt: „Der HR bietet für Studierende oder Menschen in Ausbildung ausschließlich Pflichtpraktika an.“ 

Screenshot: WDR

Auch der WDR schreibt in der aktuellen Stellenbörse, man biete keine journalistischen „Schnupperpraktika“. Auch nach einem abgeschlossenen Studium gebe es nur Plätze für Praktikant*innen, die ein journalistisches Aufbaustudium absolvieren. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) schreibt auf ihrer Karriereseite, dass die Bewerber*innen für ein Praktikum an einer Uni eingeschrieben sein müssen.

Wie viel zahlen die Redaktionen?

Auch wenn es rechtlich nicht verpflichtend ist, bezahlt man die Pflichtpraktikant*innen beim Hessischen Rundfunk. Wer in den ersten drei Semestern ist, bekommt 288 Euro brutto, alle höheren Semester 583 Euro. Darüber hinaus stellt der HR 170 Euro „Praktikumshilfe“ für Menschen in Aussicht, die zur Zwischenmiete nach Hessen kommen. Unbezahlte Praktika, so heißt es, fände man „unmöglich“ und legt sich fest: „Das käme für uns niemals in Frage.“ Mit Abstand am meisten innerhalb der ARD bezahlt der Bayerische Rundfunk. Unabhängig von der Praktikumsart gibt es dort 774 Euro monatlich. Derzeit, so der BR auf Anfrage, laufen Tarifverhandlungen, in denen der Sender selbst eine Erhöhung des Gehalts ab April 2023 auf 874 Euro vorschlagen hat.

Bei anderen ARD-Anstalten sieht man das offenbar anders. Beim rbb werden Pfichtpraktika generell nicht vergütet. Beim NDR nur in Ausnahmefällen. Radio Bremen zahlt erst nach drei Monaten. Und beim mdr und beim SR sind Pflichtpraktika ebenfalls unvergütet (ausgenommen Jahres-Pflichtpraktika).

„Ich frage mich wirklich, wie die Sender sich das vorstellen“, sagt Paula. Ein unbezahltes Praktikum käme für sie nicht in Frage. Anders war es bei Volontärin Lisa (Name geändert), die im Laufe ihrer Ausbildung einige Praktika absolviert hat darunter unbezahlte und im Höchstfall mit 450 Euro Vergütung. Sie sagt: „Meine Eltern konnten mir Studium und Ausbildung finanzieren und haben das auch getan.“ Dementsprechend habe sie auch Praktika machen können, die andere nicht machen konnten. 

Es sind aber nicht nur die ARD-Anstalten, die Praktikant*innen teilweise un- oder unterbezahlt beschäftigen.  Die „taz“ bietet ihren Praktikant*innen 200 Euro im Monat. In Ausnahmefällen seien es auch mal 300 bis 400 Euro. Die Entscheidung liege bei den zuständigen Ressorts. Zusätzlich gebe es bei der taz ein Abo für die Praktikumszeit. Das kostenlose Abo wird als als „nicht-monetäre Vergütung“ gesehen. Bemerkenswert, da es ja eigentlich selbstverständlich sein sollte, Zugang zu dem Medium zu haben, für das man berichtet.

Wie man mit einer Zeitung unterm Arm und mit 200 Euro Gehalt in Berlin essen, bahnfahren, leben können soll, bleibt offen. Schon die Wohnungssuche vor dem Praktikum wird bei diesem Budget zur Lotterie. Wobei man da Chefredakteurin Ulrike Winkelmann zufolge ja helfe: „Bei Zimmer-/Wohnungssuchen unterstützen wir viele Praktis, manchmal kommen sie bei jemandem aus der taz auch (vorübergehend) privat unter.“

Bei der FAZ klingt das etwas verbindlicher: Dort bietet man den Nachwuchsjournalist*innen in Frankfurt am Main vergünstigtes Wohnen im FAZ-Wohnheim an. Bezahlt werden die Praktikant*innen seit vielen Jahren mit einem Fixum von 400 Euro monatlich. Wer es mit vielen oder langen Texten ins Blatt schafft, bekommt Aufschläge.

Der „Spiegel“ vergütet Praktika in den ersten beiden Monaten mit 520 Euro. „Ab dem dritten bzw. vierten Monat“ steigt das Gehalt auf 800 Euro monatlich. Eine Unterscheidung zwischen Pflicht- und freiwilligen Praktika gibt es nicht. Außer, wenn das Mindestlohngesetz bei den freiwilligen Praktika greift. Die Vergütung scheint im direkten Vergleich mit anderen Redaktionen höher zu sein, allerdings schreibt der „Spiegel“ auch: „Praktika beim SPIEGEL dauern in der Regel längstens drei Monate.“

Mindestlohngesetz und Spargründe

Die 520 Euro in den ersten beiden Monaten begründet der „Spiegel“ damit, dass man so einen unerwünschten Wechsel in der Versicherungspflicht ausschließen möchte. Gemeint ist damit, dass Personen mit einem Einkommen bis zu 520 Euro einerseits weiterhin von der Familienversicherung profitieren können und andererseits, dass das BAföG nicht gekürzt wird, sofern man es denn erhält.

Das ist einer von vielen verschiedenen Gründen, die Redaktionen anführen, wenn man sie fragt, wie und warum sie sich für ihre Vergütung von Praktika entschieden haben. Schnell beantwortet war die Frage bei der „taz“. Chefredakteurin Winkelmann wisse nicht, warum die Summe von 200 Euro so festgelegt wurde. „Diese Art Bezahlung gibt es schon recht lange, aber ihre Ursprünge kenne ich nicht.“ Sie versicherte aber: „Die Bezahlung der Praktikant*innen ist immer mal wieder Gegenstand taz-interner Debatten.“

Bei der FAZ orientiere man sich mit den 400 Euro am Durchschnittsgehalt für Praktikant*innen. Macht der WDR (450 Euro) ähnlich – allerdings auf die Gehälter innerhalb des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks bezogen. 

Bei der Axel Springer SE orientiere man sich ebenfalls „an den in der Branche üblichen Vergütungen“, allerdings gibt es dort nicht das eine Praktikant*innen-Gehalt. Man gehe davon aus, dass es bei Praktika „unterschiedliche Erfahrungslevel und Motivationen“ gebe, sagt Pressesprecher Christian Senft. 

Deshalb werde auch in der Vergütung unterschieden, die im niedrigsten Fall (bei „Politico“) 300 Euro betragen kann. In der Regel erhält man als Pflichtpraktikant*in bei Axel Springer 650 Euro (Bachelor-Studierende) beziehungsweise 800 Euro (Master). Wer ein freiwilliges Praktikum macht, bekommt den Mindestlohn, also rund 2.080 Euro monatlich – aber erst ab einer Dauer von drei Monaten. 

Aber wie begründet man unbezahlte Praktika? Mit dem Mindestlohngesetz. Zumindest verweisen die beiden ARD-Anstalten rbb und mdr darauf. Eine Vergütung im Pflichtpraktikum sei nicht vorgeschrieben. Man könne zwar etwas zahlen, ist als Unternehmen aber gesetzlich nicht dazu verpflichtet. Und Radio Bremen nannte den „Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit“ als Grund dafür, dass man bei Pflichtpraktika unter drei Monaten Dauer nicht zahle. 

Diese Begründung ist nicht neu, sie ist immer wieder Teil der Diskussion rund um die Bezahlung von journalistischen Praktika. Medienhäuser führen die finanzielle Situation des Unternehmens als Grund an, weshalb sie Praktikant*innen pauschal nicht mehr Geld bieten können. 

Individuelle Lösungen? – Eher nicht.

Für viele Unternehmen kommt eine Lösung, die sich nach den einzelnen Praktikant*innen richtet, nicht in Frage. Ob man auf individuelle Lebenssituationen eingehe, beantwortet beispielsweise der „Spiegel“ mit: „Nein, wir vergüten einheitlich, um (…) zwischen Abteilungen Gerechtigkeit sicherstellen zu können.“ Das Recherchenetzwerk „Correctiv“ (400 Euro monatlich für alle Praktikant*innen) teilt mit: „Wir behandeln alle Praktikant*innen gleich.“

Stellt sich die Frage: Haben die Medienhäuser am Ende gar kein Problembewusstsein dafür, wenn Praktikant*innen schlecht bis gar nicht bezahlt werden? Von „Correctiv“ heißt es dazu: 

„Da wir nur im Rahmen einer Ausbildung oder einer Berufsorientierung Praktika anbieten, gehen wir davon aus, dass der Lebensunterhalt zusätzlich anders gesichert ist.“ 

Auf Nachfrage, was das genau bedeuten soll, heißt es, dass das Praktikum oft Teil einer Ausbildung sei. In diesen Fällen könne der Lebensunterhalt ganz unterschiedlich gesichert werden beispielsweise durch einen Lohn in der Ausbildung. Das ist ein schräger Vergleich. Denn das mag zum Beispiel für Mediengestalter*innen in Ausbildung stimmen, die ein Lehrlingsgehalt bekommen und über ihren Betrieb sozialversichert sind. Angehende Journalist*innen, die meistens von Unis und Journalistenschulen kommen, sind ja eben in einer ganz anderen Situation. „Correctiv“ nennt außerdem „Ausbildungsförderungen, Bafög, Stipendien oder Studienunterstützungen, die bei einem Praktikum weiterbezahlt werden und besonders Menschen mit wenig Geld bei ihrer beruflichen Entwicklung helfen sollen“. Fazit: Man sieht die Lösung offenbar nicht in besserer Bezahlung von Praktikant*innen durch die Betriebe, sondern in der Subvention durch externe Stellen.

„Das geht schon irgendwie“

Nicht alle Nachwuchsjournalist*innen beziehen BAföG oder profitieren von Stipendien. So zeigt es auch das Beispiel von Paula. Viele müssen zusätzlich arbeiten, mache bringt das an ihre Grenzen.

So sagt Lisa, die mittlerweile Volontärin bei einer Zeitung ist und einige Praktika hinter sich hat, im Gespräch mit Übermedien:

„Ich habe dann halt von Montag bis Freitag mein Praktikum gehabt und Samstag und Sonntag Schichten in meinem Werkstudentenjob gemacht. Das heißt, ich hatte überhaupt kein Wochenende. Man sagt immer, dass das schon irgendwie geht. Aber es geht eigentlich nicht.“

Ein Thema, das auch die Studienberatung der FU Berlin beschäftigt. Dort sieht man, so die Studienberatung, dass Studierende durch geringe Vergütungen im Praktikum „unter relativ hohem Druck“ stünden. Müssten sich die Hochschulen, die Nachwuchsjournalist*innen ausbilden, also mehr für die Belange ihrer Studierenden einsetzen? Schließlich ist das Praktikum ja ein gewollter und vorgeschriebener Teil der Ausbildung. 

In einem Punkt sind sich die DJS, FU Berlin und das JS Mainz einig: Man leite in der Regel keine Stellenanzeigen für komplett unbezahlte Praktika weiter. Und sowohl am Journalistischen Seminar in Mainz als auch an der FU Berlin rechnet man Werkstudierenden-Jobs, etwa in Redaktionen, zur Pflichtpraktikumszeit an. An der DJS ist das nicht der Fall.

Keine Lobby

Halten wir fest: Einen Verband, der sich speziell für die Interessen von Praktikant*innen einsetzt, gibt es nicht. Ausbildungsstätten sehen zwar das Problem, aber haben nicht wirklich eine Lösung, wenn es darum geht, faire Verhältnisse im Praktikum herzustellen. Und auch Medienhäuser bemühen sich nicht merklich darum, die Zustände zu verbessern. Heißt: Praktikant*innen sind meistens sich selbst überlassen.

Darunter leiden aber mutmaßlich nicht nur Einzelne, sondern auf Dauer auch der Journalismus insgesamt, meint Volontärin Lisa:

„Wenn man sich als Branche dazu entscheidet, dass man Praktika als Voraussetzung dafür nimmt, in diesem Beruf zu starten und nichts dafür zu zahlen, dann muss man als Branche damit leben, was man dann für Personen bekommt als Nachwuchsjournalist*innen. Nämlich die, die sich das leisten können.“

Dass es den Medien an Diversität mangelt, ist nicht neuEs fehle Medienhäusern aber auch an etwas Grundlegendem, meint Paula:

„Ich finde, es ist auch eine Sache des Respekts, wenn Redaktionen dir für Leistung Geld zahlen.“

Stattdessen zeigten diese oft ein „reines Dominanz-Verhalten“, meint die 21-Jährige. „Die Redaktionen wissen ganz genau, dass sie beliebt sind und viele Personen da ihre Praktika machen möchten. Sie können es sich rausnehmen, für das Praktikum nichts zu zahlen“. Die Frage ist nur, wie lange das noch funktioniert. Denn auch Redaktionen sind auf gute Leute angewiesen. Paula sagt: „Da frage ich mich auch, ob ich für so einen Arbeitgeber arbeiten möchte, der so mit seinen Mitarbeitern umgeht. Wahrscheinlich nicht.“

8 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen tiefen Einblick in die deutsche Paradedisziplin »Ausbeutung am Arbeitsplatz«.

    Was im Praktikumsektor stattfindet, ist nichts anderes als ungeniertes Melken junger Talente. In der Industrie haben sie diese Schieflage bereits bemerkt. Das werden viele Praktika völlig selbstverständlich mit 1.000 Euro vergütet. PR- und Werbeagenturen und offensichtlich auch Redaktionen haben den Schuss nicht gehört. Dort schläft man selig weiter. Ab und an schielt die HR-Abteilung müden Auges auf die Konkurrenz, denkt »prima, die machen’s auch nicht anders« und orientiert sich weiterhin »an den in der Branche üblichen Vergütungen«. Ist der Horizont so eng wie der Gotthard-Tunnel, kommt genau so ein Bullshit raus.

    Derweil sitzen im Nebenzimmer fleißige Kollegen und hauen alle vier Wochen einen dramatischen Artikel über Deutschlands Fachkräftemangel und Nachwuchsprobleme ins Blatt.

  2. Und beim Praktikum hört es ja nicht auf – das Volo kann genau so ein großes Problem sein. Denn Volontär:innen müssen nicht mal mit dem Mindestlohn bezahlt werden, da sie in einem „ausbildungsähnlichen Verhältnis“ und damit in einer rechtlichen Grauzone sind.
    Aus meinen eigenen Erfahrungen aus der Verlagswelt (Buchverlage) kann ich sagen: Die finanzielle Situation war durchweg schwierig und ohne finanzielle Rücklagen wäre mein Weg so nicht möglich gewesen.
    Ich habe nach dem Studium 6 Monate lang ein freiwilliges Praktikum gemacht (bei einem der damals zwei Kinderbuchverlage in Deutschland, die überhaupt ein freiwilliges Praktikum angeboten haben, denn Pflichtpraktikant:innen muss man ja nicht bezahlen). Danach wollte ich gerne ein Volontariat beginnen. Einen Platz zu finden, war extrem schwierig. Es gibt wenige Stellen und viele Bewerber:innen, was oft dazu führt, dass man wegen „zu wenig Erfahrung“ abgelehnt wird. Stellen bekommt man, wenn man 2 bis 3 Praktika gemacht hat.
    Dadurch hat sich für mich die absurde Situation ergeben, dass ich mir ernsthaft überlegen musste, mich noch einmal an einer Uni einzuschreiben, den Semesterbeitrag zu bezahlen, um dann unbezahlt ein Pflichtpraktikum an einem Ort zu machen, an den ich erst hätte hinziehen müssen.
    Dazu kam es glücklicherweise nicht, nach siebenmonatiger Suche, fand ich eine Stelle als Volontärin. Aber viel länger wäre das nicht möglich gewesen und ich hätte mich nach anderen Jobs umsehen müssen.
    Und danach kamen viel Arbeit als quasi volle Arbeitskraft, obwohl ich ja eigentlich hätte ausgebildet werden sollen, für (und da hatte ich schon Glück) den damaligen Mindestlohn von unter 10 Euro in einer teuren Großstadt.
    Ich bin heilfroh, dass mein Volontariat vor dem Einfall in die Ukraine beendet war, sonst hätte ich mir das Leben hier nicht mehr leisten können.

  3. Erstmal danke für den sehr informativen und spannenden Text!

    Es wäre in dem Rahmen natürlich auch interessant, wie die Vergütungssituation bei Übermedien aussieht.

  4. Hmm, bei einigen Medien klingt das, als wäre die Praktika-Bezüge seit Jahren oder Jahrzehnten nicht der Preisentwicklung angepasst worden…
    Ansonsten: sind das dieselben Medien, die mit Betroffenen nicht über Armut reden können, ohne dass das für mindestens eine beteiligte Partei peinlich wird? Oder die der Politik die Schuld am Fachkräftemangel geben?

  5. Hallo, ein spannendes Thema. Aber wieviel Praktikanten arbeiten bei Stern, Spiegel, ARD/ZDF. Das Gros praktiziert doch bei Radio Degerloch, beim Patrioten oder irgendeiner IT-Klitsche. Könnte es sein, dass Sie als Praktikantin bei Übermedien ein bisschen den Blick für die Untiefen des Journalismus vergessen haben? Die Realität heißt „Nordheide Wochenblatt“, „Glückstädter Fortuna“ oder „Radio Ennepe Ruhr“. Bei solchen Medien kriegen sie keine 200 Euro und / oder eine Unterkunft beim Redakteur
    . Da bringen Sie Geld mit und wohnen als Auswärtige in der Jugendherberge. Davon lese ich im Text nichts. Schade.

  6. #6
    Muss natürlich jeder selber wissen, wie tief er im Rahmen seiner Berufsausbildung sinken möchte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich unter der Millennial-Generation viele junge Menschen finden, die gegen Gebühr bei Radio Degerloch Kaffee kochen wollen.

    Diese Generation hat andere Pläne und mischt mit ihrem Anspruch gerade ordentlich den Arbeitnehmermarkt auf. Das ist gut so und wurde höchste Zeit.

  7. Ist nicht die Frage die man stellen müsste die, ob die Redaktionen denn überhaupt Praktikanten haben wollen, die sich ein kostenloses Praktikum nicht leisten können?

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