Wissenschaftler, Journalist und PR-Berater in einem

Die Wunderwaffe der Waldorfschulen gegen einen kritischen Blogger

Wenn man als Journalist zum Thema Waldorfschulen recherchiert, kann es passieren, dass man unaufgefordert Post von einem „Institut für Verbraucherjournalismus“ (ifv) bekommt. Es schreibt Christoph Fasel, der sich als wissenschaftlicher Direktor, aber auch als Kollege vorstellt: „Als ehemaliger langjähriger Investigativ-Reporter des STERN weiß ich, wie wichtig (…) die professionelle Quellenkritik ist.“

Freundlicherweise hat Fasel für Journalisten, die zum Thema Waldorfschulen recherchieren, Vorarbeit bei der professionellen Quellenkritik geleistet: Im Auftrag des Bundes der Freien Waldorfschulen und der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland (AGiD) hat er untersucht, ob ein bekannter Waldorfschulen-kritischer Blogger „eine glaubwürdige Quelle für seriösen Journalismus sein“ könne. Und, siehe da: „Das Ergebnis unsere [sic] Untersuchung ist eindeutig.“

Fasel spoilert es im Text seiner Mail nicht gleich, aber er hat seine Untersuchung und eine Pressemitteilung angehängt. Die eine trägt die Überschrift: „Keine Quelle für Qualitäts-Journalismus“, die andere: „Vorsicht vor unseriösen Quellen!“.

Praktisch, wenn jemand wie Fasel nicht nur einen Wissenschaftler-Kittel trägt, sondern auch einen Journalisten-Hut aufhat. Was man allerdings nicht sieht: dass er auch in einem PR-Berater-Anzug steckt.

Fasel hat nicht nur seine Untersuchung des Waldorfschulen-Kritikers im Auftrag der Waldorfschulen gemacht. Er steht auch sonst in deren Lohn, als Berater für Krisen-PR.

Das könnte erklären, warum sein vermeintlich wissenschaftlich fundiertes Urteil über den Kritiker so eindeutig ausfällt, und warum er es ungefragt durch die Gegend schickt. Trotzdem ist es verblüffend, wie unseriös die Arbeit ist, die dem „Anthro-Blogger“ unseriöses Arbeiten unterstellt.

Ein Rachefeldzug?

Oliver Rautenberg
Oliver Rautenberg

Der Mann, vor dem die Anthroposophen und ihr PR-Berater im Wissenschaftler-Kittel warnen, heißt Oliver Rautenberg. Seit 2013 trägt er in seinem Blog „Wirres aus der Welt der Anthroposophie“ zusammen. Es ist eine Blog-typische Mischung aus kommentierten Fundstücken aus anderen Quellen und eigenen kritischen Auseinandersetzungen mit dem Tun oder Sagen verschiedener Anthroposophen oder anthroposophischer Einrichtungen. Es war 2021 für den Grimme-Online-Award nominiert.

Als seine Mission gibt Rautenberg an, über das weitgehend unbekannte „okkult-magische Weltbild“ der Lehre von Rudolf Steiner informieren zu wollen, die die Grundlage von Privatschulen, Alternativmedizinern, Bio-Bauern und zahlreicher Firmen ist. Er nennt es „antiaufklärerisch und wissenschaftsfeindlich“.

Ein persönliches Erlebnis brachte Rautenberg nach eigenen Angaben dazu, sich mit der Anthroposophie zu befassen: Nach der Geburt seines zweiten Kindes sei es zu Komplikationen gekommen, die in der anthroposophischen Klinik ausschließlich mit anthroposophischen Mitteln und alternativmedizinischen Verfahren behandelt worden seien – ohne Erfolg. Es kam zum Konflikt mit dem Krankenhaus, und Rautenberg begann, sich in das Thema einzulesen.

Fasel macht daraus in seiner Studie, dass Rautenberg „selbst öffentlich zugibt, einen persönlichen Rachefeldzug“ gegen die Anthroposophie zu veranstalten. Das sei die „erklärte Intentionalität“ des Bloggers.

Doch Rautenberg selbst spricht gar nicht von Rache, er weist dieses Motiv gegenüber Übermedien auch zurück. „Ich empfinde mich nicht als von Hass getrieben und hege keine Rachegefühle“, sagt er.

Fasel meint auf Nachfrage, es sei zulässig, in der Studie trotzdem das Wort „Rache“ zu verwenden: „Wir Journalisten lieben ja die Zuspitzung. Umgangssprachlich nennt man es Rache.“

Viele verschiedene Auftraggeber

Wer ist Christoph Fasel? Ihn „rührig“ zu nennen, wäre eine Untertreibung. Er hat unter anderem für „Bild“ und den „Stern“ als Journalist gearbeitet, war Chefredakteur der deutschen Ausgabe der Kleinzeitschrift „Reader’s Digest“, hat Journalistenfachbücher geschrieben und „Nutzwertjournalismus“ propagiert, mit Samuel Koch dessen Autobiographie geschrieben, sich als Medienberater und Blattentwickler betätigt, PR-Agenturen gegründet, als Professor an privaten Fachhochschulen gewirkt. Er hat, so scheint es, nicht nur alles schon mal gemacht, sondern vieles davon auch schon gleichzeitig.

Eine Berufung zum Chef der renommierten Henri-Nannen-Journalistenschule 2005, die er selbst als „Lebensaufgabe“ bezeichnete, endete nach nur einem Dreivierteljahr im Debakel: Fasel ging angeblich auf eigenen Wunsch, aber nach massiven Protesten von Schülern, die ihm unter anderem vorwarfen, sich nicht genügend auf diese Aufgabe zu konzentrieren. Fasel hatte kurz zuvor noch das „Institut für Verbraucherjournalismus“ gegründet, das anfangs von der ING-Bank mitfinanziert wurde. Außerdem war er Gesellschafter einer PR-Agentur. Es gab den Vorwurf, dass das ohnehin schon zu viele Aufgaben waren, die er zudem nicht immer sauber trennte.

Aber das ist ja lange her.

Heute hilft er mit sich wissenschaftlich gebenden Gutachten aus, berät Zeitschriftenverlage, hat eine Kommunikationsagentur mit seinem Sohn, hält Vorträge und leitet weiter das „Institut für Verbraucherjournalismus“, das inzwischen an die Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden angegliedert ist. Fasel schickt eine eindrucksvolle Liste seiner Auftraggeber. „Mein ifv und ich“, schreibt er, hätten als Berater und Coach unter anderem für das Bundeskriminalamt, Rita Süssmuth, Volkswagen Financial Services und mehrere Verbraucherzentralen und Sparkassen gearbeitet. Und eben für die Anthroposophische Gesellschaft und die Freien Waldorfschulen.

Alles nichts

Keine Quelle für Qualitäts-Journalismus
Deckblatt der Fall-Studie des ifv

Zwei Fragen gibt die „Kurz-Analyse“ seines Instituts über den „Anthro-Blogger“ vor, klären zu wollen: Handelt es sich bei Rautenbergs Texten um Beiträge, die „als handwerklich redlicher und damit professioneller Journalismus“ bezeichnet werden können? Und: Können seriöse Medien seine Äußerungen „als Fakten-Quelle ohne Bedenken nutzen“?

„Die Analyse bedient sich dabei des aktuellen Stands der Journalismusforschung der darin wissenschaftlich konsensualisierten Krititerien“, heißt es zur Methode. Zur Definition dessen, woran man „Qualitäts-Journalismus“ erkennt, greift der Wissenschaftliche Direktor Christoph Fasel unter anderem auf ein Standardwerk des Journalisten Christoph Fasel zurück 1)Fasel, Christoph: Textsorten. Konstanz, 2008..

Er streift die Merkmale von qualitätsvollem Journalismus in Tageszeitungen (u.a. „lesenswert gestaltete Titel, Motti und Bildunterschriften“), erwähnt Medien, die gegen den Trend erfolgreich seien („Die Zeit“, „Landwirt“, „Landlust“, „Salzburger Nachrichten“), diskutiert vor 100 Jahren aufgestellte „Relevanzkriterien“ (Aktualität, Exklusivität, Nutzwert, etc.). Im Gegensatz zu „professionellem Journalismus“ würden in der „deprofessionalisierten Kommunikation“ häufig Nachricht und Meinung vermischt, erläutert Fasel in der Studie, „beim Bloggen jedoch wird dieser Handwerksfehler zum Prinzip erhoben.“ Deshalb habe „der ‚Blog‘ in der Reihe der professionellen Textsorten des seriösen Journalismus keinen Platz“.

80 Texte von Rautenberg hat die Studie „unter die Lupe genommen“. Im Detail setzt Fasel sich mit zwei Ausnahmen nicht mit ihnen auseinander; er beschreibt nur eine Masche: Rautenberg suche sich immer ein besonders skurril erscheinendes Detail, weise es pauschal der Anthroposophie zu, bewerte es negativ und hole keine Stellungnahme der Gegenseite ein. „Damit fertigt der Blogger ein einseitiges, oft unzutreffendes und unvollständiges Bild der entsprechenden Zusammenhänge, die er verbreitet.“

Das Fazit der Studie könnte nicht vernichtender ausfallen: Die Analyse des ifv habe „in keinem der Blog-Einträge redliches journalistisches Handwerk feststellen“ können. Fasel behauptet also nicht nur, dass man Rautenberg nicht trauen könne, weil er manchmal daneben liege, nein: Pauschal wird jeder untersuchte Beitrag als unsauber abqualifiziert.

Ohne dass das im einzelnen belegt wird. Oder auch nur angegeben ist, welche 80 Beiträge sich die Forscher angeblich angeschaut haben, wie diese Stichprobe ausgewählt und nach welcher Methode sie überprüft wurden.

Anthroposophen als Querdenker?

Nur zwei Blog-Einträge diskutiert Fasels Analyse konkret. Einen, der auf einem Bericht des „Tageblatt Lëtzebuerg“ beruht, in dem es darum geht, dass damals, im April 2021, an einer Waldorfschule in Luxemburg nur eine Minderheit der Schüler und Lehrer Masken getragen hätten. Fasel hält den Aussagen in dem Zeitungsartikel, die man nicht einfach unbesehen glauben dürfe, „Fakten“ entgegen, die er einfach einer Pressemitteilung des Bundes der Freien Waldorfschulen entnommen hat. „Tatsache“ sei etwa, dass die Waldorfschulen „ein Spiegel unserer Gesellschaft“ seien und die Impfquoten von Schülern und Lehrern dem Schnitt der Gesellschaft entsprächen.

Die Pressemitteilung, die er als Quelle angibt, trägt übrigens das Autorenkürzel „CF“. Das „CF“ steht für „Christoph Fasel“.

Der zweite Blog-Eintrag, mit dem sich die Analyse befasst, stellt unter dem Titel „Studie über Querdenker: Akademisch, spirituell und rechtsoffen“ Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie über die politische Soziologie der Corona-Proteste vor. Ein größerer Teil der Einwände, die Fasel formuliert, zielt nicht auf den Blog-Eintrag, sondern auf die Studie selbst. Nachdem er detailliert die Methode kritisiert und die Schlussfolgerungen verworfen hat, verblüfft er mit einer eigenen Antwort:

„Tatsache ist: Selbstverständlich finden sich auch Corona-Leugner und Impfgegner in den Reihen anthroposophisch denkender Menschen – und zwar im selben Verhältnis, wie sich für die gesamtdeutsche Bevölkerung solche Einstellungen feststellen lassen.“

Eine Quelle für diese „Tatsache“ nennt er nicht. Eine Begründung ebenso wenig. Das ist wohl einfach so.

Eine Klage

Ein Ergebnis von Fasels Analyse ragt besonders negativ heraus, es wird auch in der Pressemitteilung eigens hervorgehoben. In der Studie lautet es so:

„Besonders kritisch sieht das ifv das Faktum, das [sic] angenommen werden muss, dass Rautenberg sogar fragwürdige Tatsachenbehauptungen aufstellt und verbreitet. Ein Umstand, der übrigens durch deutsche Landgerichte geprüft wird.“

Das steht so da, ohne Quellenangabe, ohne Bezug, ohne Erläuterung, um welche Tatsachenbehauptung es geht, warum angenommen werden muss, dass sie fragwürdig ist, welche Landgerichte das auf wessen Antrag wann prüfen. Es ist der Gipfel der Unseriösität in einer unseriösen Arbeit, die nicht nur keinen wissenschaftlichen, sondern auch keinen journalistischen Kriterien genügt – auch nicht den von Fasel in seiner eigenen Arbeit formulierten. Oder wie er selbst es formulieren könnte: Das Raunen hat in der Reihe der professionellen Textsorten des seriösen Journalismus keinen Platz.

Aber in seiner Studie.

Auf Nachfrage erklärt Fasel, dass sich diese Passage auf die Auseinandersetzung um eine Äußerung von Rautenberg beziehe, die sich gar nicht in Rautenbergs Blog oder Twitter-Feed findet. Es geht um einen Beitrag der BR24-Reihe „Possoch klärt“ vom Dezember 2021, in dem Rautenberg als „Spezialist zum Thema Anthroposophie in Deutschland“ auftaucht.

Darin sagt der Moderator, dass es „durchaus prominente Unterstützer von Homöopathie und Anthroposophie“ im Dritten Reich gegeben habe. „Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden aber viele anthroposophische Organisationen verboten. Und das war’s dann fürs Erste. Das hat uns Oliver Rautenberg erklärt.“

Die Anthroposophische Gesellschaft sieht darin eine falsche Tatsachenbehauptung und eine Verunglimpfung: Die meisten Anthroposophischen Vereinigungen seien schon von den Nazis verboten worden. Rautenberg selbst sagt, er könne sich nicht erinnern, das dem BR so gesagt zu haben und weist darauf hin, dass die angegriffene Aussage die des Moderators ist – er selbst habe über die Anthroposophie im Dritten Reich in seinem Blog differenzierter berichtet.

Der BR erklärt, dass das Zitat belegt sei und vom Moderator korrekt wiedergegeben wurde. Man habe der Anthroposophischen Gesellschaft aber vorgeschlagen, einen erläuternden Kommentar unter das Youtube-Video zu setzen, der den historischen Sachverhalt noch differenzierter darstellt. „Wir wollen exakt sein und sind weiter an einer präzisen historischen Darstellung interessiert“, heißt es aus der Redaktion.

Von dem Angebot habe die Anthroposophische Gesellschaft aber bislang keinen Gebrauch gemacht. Stattdessen klagt sie nun vor dem Landgericht Hamburg gegen Rautenberg; die Verhandlung ist für 23. Januar 2023 angesetzt.

Bemerkenswert ist, dass dieser Streit, der sich um eine Veröffentlichung des Bayerischen Rundfunks dreht, einen entscheidenden Teil des vernichtenden „Fazits“ einer Studie ausmacht, die vorgeblich Rautenbergs eigene Veröffentlichungen im Blog und auf Twitter zum Thema hat.

Fasel meint schon zu wissen, wie der Prozess ausgeht: „Kein Anwalt würde das ohne Aussicht auf Erfolg vor die Pressekammer bringen.“ Er formuliert im Gespräch mit Übermedien auch: „Wir [!] haben einen Gerichtstermin mit Rautenberg“, und sagt: „Ich habe empfohlen, das juristisch zu machen.“

Kein Journalist

Gleich dreimal weist Fasel in seinem nur 17 Seiten langen Gutachten darauf hin, dass Rautenberg, der im Hauptberuf Kaufmann ist, sich als „freier Journalist“ bezeichne, das aber auch dürfe, weil der Begriff nicht geschützt sei. Je mehr Fasel das betont, umso deutlicher macht er, dass er findet, dass Rautenberg der Begriff eigentlich nicht zusteht. „So darf niemand arbeiten, der sich Journalist nennen will“, stellt er im Namen des ifv fest.

Fasel macht sich sogar die Mühe zu widerlegen, dass Rautenberg ein Wissenschaftler ist – eine Behauptung, die Rautenberg nach eigener Aussage nie aufgestellt hat. Fasel schreibt:

„In einem offiziellen Briefwechsel taucht in Bezug auf den Blogger Rautenberg einmal der Begriff ‚Wissenschaftler‘ auf. Wie dieser Begriff in die Debatte eingebracht wurde, ob von Rautenberg selbst oder von einem Dritten, ist in dieser Untersuchung nicht zu klären.“

Auch hier fehlt in der Studie jeder Hinweis, um was für einen „offiziellen Briefwechsel“ es sich handeln soll. Es bleibt: Raunen.

Ebenso deutet die Studie die Frage an, wer den „Anthro-Blogger“ bezahlt. Auf Twitter weigere er sich, „Transparenz über seine Finanzierungsquellen zu geben“. Rautenberg sagt, er habe gar keine „Finanzierungsquellen“, über die er Auskunft geben könnte.

Im Gespräch mit Übermedien sagt Fasel, dass er sich nicht vorstellen könne, dass es keine Geldgeber im Hintergrund gibt, zum Beispiel die Skeptikervereinigung GWUP: „Wer hat die Zeit, so viele Tweets rauszuhauen“, fragt er.

Pressesprecher, PR-Berater

Aber wer bezahlt eigentlich Christoph Fasel? Als Auftraggeber der Studie sind die Anthroposophische Gesellschaft und der Bund der Freien Waldorfschulen benannt, aber darüber hinaus fehlt jeder Hinweis auf einen möglichen Interessenkonflikt des Forschers.

Dabei sind seine Verbindungen zu anthroposophischen Organisationen mannigfaltig. Zum Beispiel sprach er mehrmals bei der Tagung „Öffentlich wirken“, hinter der zahlreiche anthroposophische Organisationen und Firmen stecken. „Öffentlich wirken“ beschreibt sich selbst auch als „Praxis-Offensive der Konferenz anthroposophischer Medienschaffender und Journalisten (KoPrA)“. Fasel sagt, er sei selbst kein Mitglied. Die Veranstalter beschreiben ihn als einen der „regelmäßigen Dozenten“ der Veranstaltung.

2019 firmierte Fasel als Pressesprecher der anthroposophischen Filderklinik. In einer Pressemitteilung des Krankenhauses ist er als Ansprechpartner unter „Redaktion Interne und Externe Medien“ angegeben.

Im Juni 2022 gab Fasel einen „Tagesworkshop Krisenkommunikation“ für die Freien Waldorfschulen in Hessen im Rudolf-Steiner-Haus Frankfurt. Ein Foto aus der Pressemitteilung zeigt ihn vor einem Vortragsdia mit dem Thema: „Wie Waldorfschulen sich gegen Angriffe professionell publizistisch und juristisch wehren können“. Die Pressemitteilung zitiert seine Antwort auf die Frage, was das Besondere in der Öffentlichkeit an Waldorfschulen sei: „Ihr tut soviel Gutes und redet nicht darüber!“

Fasel beim Workshop Ausriss: Waldorfschule Hessen

Im Gespräch mit Übermedien sagt Fasel, er sei kein Anthroposoph, finde viele von deren Ideen interessant, sei als Journalist aber gerne unabhängig. Seit Anfang des Jahres habe er einen Beratervertrag für Krisenkommunikation mit dem Bund der Freien Waldorfschulen, der mit 2500 Euro monatlich honoriert werde.

„Ich bin nicht Partei“, sagt er trotzdem. „Ich bin käuflich. Als Wissenschaftler kann jeder meine Expertise buchen. Aufgrund journalistischer Erkentnisse stelle ich Fakten zusammen.“

Ganz klare Kante

„Ich bin ein Aufdecker“, sagt Fasel über seine persönliche journalistische Arbeit, zu der die Enthüllung der dubiosen Methoden eines „Krebsheilers“ 1996 gehört. „Der ist kein Journalist“, sagt er über Rautenberg, „das empört mich auch.“ Er sehe keinerlei aufklärerischen Impetus in seiner Arbeit.

Rautenberg wiederum sagt: „Gegen die Grundsätze sauberer journalistischer Arbeit, die Herr Fasel in der ersten Hälfte seines Papiers zu Grunde legt, verstößt er in der zweiten Hälfte selbst gleich mehrfach. Mein Fazit: So darf niemand arbeiten, der sich Journalist nennen will.“

Fasel sagt, die De-Professionalisierung des Journalismus sei ein Thema, das ihm grundsätzlich am Herzen liegt, da zeige er „ganz klare Kante“: „Bürgerjournalismus kann niemals professionelle Informationsaufbereitung und -präsentation ersetzen“, sagte er 2011 bei in einer Ringvorlesung in Innsbruck, deren Textfassung er per Mail nachliefert. Sie endet mit der Forderung: „Es ist an der Zeit, die Spreu vom Weizen zu trennen.“

In dieser Tradition könnte man seinen Einsatz gegen den „Anthro-Blogger“ sehen – wenn er selbst dabei professionell vorginge. Stattdessen hat er ein Auftrags-Pamphlet gegen einen lästigen Kritiker geschrieben, das nicht einmal grundlegendste wissenschaftliche Ansprüche erfüllt und schlampig geschrieben ist wie eine übernächtigt hingeschluderte Seminararbeit.

Schwerer aber wiegt der nicht erklärte Interessenskonflikt: Der PR-Berater Christoph Fasel gibt Waldorfschulen und anderen Anthroposophen Tipps, wie sie sich gegen Angriffe publizistisch wehren können, und dann zieht er seinen Berater-Anzug aus, zieht sich einen Wissenschaftler-Kittel an und liefert seinen Kunden ein Gefälligkeitsgutachten.

Er fordert darin letztlich nicht nur, Rautenbergs Blog-Einträge und Tweets nicht mit professionellem Journalismus zu verwechseln, sondern gar nicht als Quelle bei der Recherche zu berücksichtigen. Erstaunlichweise im Gegensatz zu dem, was anthroposophische Vereine als PR verschicken.

Im Dienst eines besseren Journalismus steht er damit nicht. Nur im Dienst seiner Kunden.

Fußnoten

Fußnoten
1 Fasel, Christoph: Textsorten. Konstanz, 2008.

11 Kommentare

  1. Witzig, gerade sah ich, wie sich Böhmermann in seiner Sendung der Anthroposophie und der Waldorfschulen annahm und nun begegnet mir dieser Artikel, das passt wie „Faust auf Auge“.

  2. werde hier mal wieder beeindruckt: Danke für Hintergründe und Einordnung, von solchen Vorwürfen bleibt sonst zu viel hängen, sicherlich auch ein Ziel der Klagewellen. Rautenberg hat schon viel Kante und ist ein guter Grund auf Twitter zu verweilen, weil er alle Formen von Schwurbeleien angeht. Auch Bent Freiwalds Bericht über Waldorf auf krautreporter.de ist sehr lesenswert und differenziert. Alle denen die Qualität auf krautreporter.de für ein Abo zu durchwachsen ist, können Bent Freiwald auch direkter unterstützen: https://steadyhq.com/de/das-leben-des-brain/about

  3. Vielen Dank für die ausführliche Analyse, für genau solche Texte bin ich hier Abonnent.
    Solche Auftragsgutachten als unabhängige Wissenschaft zu betrachten gehört vermutlich zum Auftrag als PR-Berater, alle diese Funktionen aber direkt selbst zu vereinen und auch noch Zitate eigener Bücher einzubauen ist schon Außergewöhnlich.

  4. Kleiner Hinweis: Herr Fasel hat nie „als Professor an Unis gewirkt“, sondern war Professor an einer kleinen privaten Fachhochschule. Das macht schon einen Unterschied.

  5. Hammer. Nomen est Omen, so ein Ge-Fasel – fällt mir spontan ein.

    Mein Hintergrund sind Erfahrungen mit Sekten (und Aufklärung zu Sekten) im Umfeld des Buddhismus. Was Prof Dr Fasel da macht ist der klassischer Angriff von Kult-Apologeten ggü Kritikern: die haben ne niederträchtige Motivation – wie Hass und Rache – und werden von sinistren Kräften finanziert (geldgeile, korrupte Motive, unlauter durch und durch). Diese Unterstellung einer angeblich niederen Motivation – um die Glaubwürdigkeit des Kritiker anzugreifen und seine Kritik abzuwehren – wird dann mit hanebüchenen Behauptungen, die unbelegt bleiben, wild spekulativ, und die auf die weitere Zerstörung der Glaubwürdigkeit des Kritikers zielen, unterfüttert. Klassische Damage Control Taktiken von Sekten.

    Ach, wie dich diese Muster doch gleichen.
    Danke für diesen aufklärenden Artikel und dem
    Blogger für seine engagierte Wahrheit. Schön und wirklich wichtig, dass er Fairness und Redlichkeit durch seriöse Medien erfahren darf, was wiederum seiner Aufklärung nutzt.

    Noch eine Ähnlichkeit, Trump bedient sich des selben Musters wie Prof Dr Fasel: was er selbst unredliches tut, wirft er der Gegenseite vor.

  6. Danke für die detaillierte Ausleuchtung dieses unsäglichen Vorgangs. Das ist tatsächlich eine empörende Schmutzkampagne. Gekonnt die Schwächen unserer „Wissensgesellschaft“ ausnutzend: Wenn die Form an der Oberfläche stimmt, wirkt etwas ja sofort fundiert, wissenschaftlich und seriös. Schickes Deckblatt mit hochtrabender Institution samt Logo, paar Fußnoten, Verweise auf irgendwelche Studien – für einen tieferen Blick auf den tatsächlichen Nonsens dahinter reicht es ja oft nicht mehr. Wenn das dann aber fast alles „Marke Eigenbau“ ist, hat das ja schon fast parodistischen Wert. Für dessen Herausarbeitung bin ich „Übermedien“ immer wieder dankbar.
    Grundsätzlich: Die Waldis sollen ihren Stiefel doch durchziehen; ich glaube tatsächlich, dass es vielen Menschen „im Kleinen“ mit dem Anthro-Brei ganz gut geht. Sollen doch alle glauben, woran sie wollen, wenn sie damit glücklich werden. Natürlich sollte man auch die Abgründe ausleuchten; man kann Rautenberg ebenfalls nicht dankbar genug für seine Arbeit sein. Kritik sollten die Anthros dann schon aushalten.
    Richtig übel aber wird es ja erst, wenn die strukturgebenden Dachorganisationen Hochschulen gründen (dürfen), in denen ihre skurrile Ideologie als Wissenschaft oder zumindest als mit wissenschaftlichen Methoden vereinbar etabliert werden soll. Wer das für unlauter hält und sich dagegen stellt, wird mit Schmutz beworfen; wird schon was hängen bleiben.
    Besonders ärgerlich und hier gar nicht gesagt: Rautenberg ist Idealist und Einzelkämpfer mit vermutlich schmalem Budget; weiß ich nicht so genau. Beim Bund der Waldorfschulen und den verwandten Organisationen, das weiß ich jedenfalls sicher, steckt Geld dahinter, teilweise richtig viel Geld. Wohlhabende Eltern von Waldorfschulkindern und vor allem noch reichere „Mäzene“ im Hintergrund ermöglichen es, über Marionetten wie Herrn Fasel Einfluss darauf zu nehmen, was wir für Wissenschaft oder „guten Journalismus“ zu halten haben. Das ist natürlich nichts anderes als sehr fragwürdige Lobbyarbeit.
    Ich persönlich bin froh über jede kritische Gegenstimme, denn mit Rationalität, Aufklärung und Wissenschaft hat das, was in der Waldorfszene inklusive Ausbildungsstätten teilweise praktiziert wird, wenig bis nichts zu tun. Muss es meinetwegen auch nicht, aber der Versuch, es uns dann mit allen Mitteln als solches zu verkaufen, ist ein Problem. Wir haben es hier mit Menschen zu tun, denen „unsere“ Wissenschaft überhaupt nichts bedeutet, die sich aber sehr gern mit dem Nimbus der Wissenschaftlichkeit schmücken möchten. Diese Leute sollten nicht definieren dürfen, was Wissenschaft ist und was nicht. Und darüber hinaus möchte ich auch von Lobbyisten nicht erklärt bekommen, was guter Journalismus ist und was nicht.

  7. Vorab: Ich liebe Demeter auf dem Teller, schätze die Waldorf-Idee, solange sie zeitgemäß umgesetzt wird (doch, doch, das geht), und empfinde den ein oder anderen anthroposophischen Impuls als lebensbereichernd. Aber manchmal machen einem die Anthros und Waldis das Leben wirklich, wirklich schwer.

    Was für Hohlfrüchte saßen denn da bloß in dieser Vorstandssitzung, in der Fasel sein unterirdisches PR-Konzept präsentierte? »Ich, euer Berater Fasel schlage vor, dass ich, euer Wissenschaftler Fasel, eine diskreditierende Arbeit über Rautenberg schreibe, die dann ich, euer Journalist Fasel, den Redaktionen zukommen lasse.«

    Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte doch wenigstens ein klar tickender Geist in der Versammlung aufstehen und Fasel am Nasenring aus der Arena führen müssen. Aber hey, warum eine so gute Chancen verkriechen lassen, in den Medien mal wieder richtig Scheiße dazustehen?

    Den Böhmermann vom letzten Donnerstag gönne ich ihnen. Auf das dilettantische Gegengetöse in den nächsten Wochen bin ich gespannt.

  8. Herr Fasel faselt. So ist das mit PR – es ist weder Wissenschaft noch Journalismus, es ist Faseln…

  9. Was soll man noch sagen?
    Das war vor 50 Jahren schon so – hat sich nicht geändert. Im Gegenteil. Auch der Umgang mit Kritik. Die Ausbildung der Lehrer*innen lehrt das so, wie es Böhmermann in seiner Show gebracht hat. Und wer nichts weiß, muss alles glauben – und die Bewegung nährt sich aus dem Paradigma „wir wissen was, was ihr nicht wisst und wir können das auch nachweisen – aber eben nicht so, wie ihr euch das vorstellt“. Mit anderen Worten: wir haben unsere eigenen Regeln.
    Und Demeter: hat’s in die Supermarktregale geschafft – dank kosmischer Kräfte, die mit Kuhdung in vergrabenen Kuhhörnern eingefangen werden und „..die kranke Erde heilen“ und Präparaten aus Asche von Kartoffelkäfern, damit sie im nächsten Jahr nicht wiederkommen. Druiden aus Asterix hätten ihren Spaß.
    Kurzum: ich habe so eine Sozialisation hinter mir: das Grauen in Dosen. Ich kann’s nicht oft genug wiederholen. Dem Anthroblogger gebührt höchste Aufmerksamkeit und Unterstützung.

  10. Heute bittet AnthroBlogger um Unterstützung :

    „Durch Klagen und Abmahnungen habe ich Kosten in 5stelliger Höhe. Dank guten Anwälten hat noch kein Kläger gg mich gewonnen. Doch die Anwalts- und Gerichtskosten sind immens.
    Eine ‚Spende gegen Schwurbel‘ würde mir sehr helfen! “

    Seinen Paypal-Link hat er auf Twitter veröffentlicht
    https://twitter.com/AnthroBlogger/status/1660664448745451520

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