Podcastkritik (92)

„Plötzlich mächtig“ zeigt das Menscheln in der Politik

Exklusiv für Übonnenten
Zufriedener Hörer mit dem Logo des Podcasts "Plötzlich mächtig"
Screenshot: ARD Audiothek

Es ist 2021. Mitten in der Pandemie und knapp vor der Ukraine-Krise beginnt der Podcast „Plötzlich mächtig – Das erste Jahr im Bundestag“ vier junge Neulinge im Bundestag zu begleiten. Brisante Zeiten. Besonders spannend ist es da zu hören, welche Charaktere sich als Abgeordnete ihren Weg in die Bundespolitik bahnen. Und das Doku-Format zeigt nah am Menschen, wie anstrengend und teils auch frustrierend die Arbeit in der Politik sein kann – im Gegensatz zu dem Klischee des faulen, überbezahlten Abgeordneten, das gerne beispielsweise in den sozialen Medien kolportiert wird.

Der ARD Podcast ist die erste Kooperation der WDR-Popwelle 1LIVE, dem rbb24 Inforadio und dem ARD-Hauptstadtstudio. Bevor es zum Inhalt geht: Das an sich ist schon interessant. Verschiedenen Wellen, die effektiv zusammenarbeiten, versprechen mehr Kreativität, wahrscheinlich auch mehr Qualität (weil in diesem Fall lauter Experten und Expertinnen zusammenkommen: für junge Leute, für Politik, für Information, für die Regierung).

Hält dieses Versprechen? Gut getroffen sind vor allem die Menschen, die der Doku-Podcast unter die Lupe nimmt. Von den 280 „Neuen“ im Parlament haben sich die Redaktion vier Personen herausgepickt: „Erik von Malottki (SPD) will mehr Geld in Bildung investieren. Schahina Gambir (Grüne) gegen Rassismus kämpfen. Anne Janssen (CDU) möchte sich für eine bessere Corona-Politik einsetzen und Muhanad Al-Halak (FDP) will Menschen mit Migrationsgeschichte den Aufstieg ermöglichen“, heißt es in der Pressemeldung. Eine gute Mischung: aus verschiedenen Parteien, aus allen Himmelsrichtungen Deutschlands, mit Männern und Frauen besetzt, mit Migrationshintergrund und ohne, mit Familie und ohne, Akademiker und Handwerker.

Los geht es in der ersten Folge mit den beiden Herren. Gleich am ersten Tag und somit auch in den ersten Minuten des Podcasts macht der leicht überdrehte und sehr fröhliche Muhanad Al-Halak (FDP) ein Selfie mit Olaf Scholz – und wird von Parteikollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit den Worten „der deutsche Bundestag (ist) keine Selfie-Show!“ zurechtgewiesen. Und schon sind wir alle mittendrin im Bundestag. Im Reportagestil erfahren wir, dass der junge Politiker seit drei Tagen das gleiche Hemd trägt, weil einfach zu viel Chaos um ihn herum ausgebrochen ist. Das macht Al-Halak nahbar, man fühlt mit ihm, und es zeigt: dieser Politiker ist ein ganz normaler Mensch. Er ist einer von uns und er muss sich mit dem neuen Amt auch erstmal bekannt machen. Er ist nicht so wie „die Anderen“ oder „die Abgehobenen“, die von vielen in der Bevölkerung als zu realitätsfremd eingestuft werden: Al-Halak, ein gelernter Abwassermeister mit irakischer Migrationsgeschichte hat allein durch seine Biografie Seltenheitswe…

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