Neulich löste ein Gastbeitrag in der „Welt“ darüber, wie ARD und ZDF angeblich „Kinder sexualisieren und umerziehen“, so massive Proteste aus, dass Mathias Döpfner sich genötigt sah, sich zu Wort zu melden. Der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer schrieb einen Brief an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und distanzierte sich von dem Artikel, den viele als trans-feindlich empfanden und den er „unterirdisch“ nannte. Die „Welt“ veröffentlichte Döpfners Text als Kommentar „in eigener Sache“ unter der Überschrift: „Unser Haus steht für Vielfalt und Freiheit“.
Unter dem Artikel fragte die „Welt“ die Leserschaft: „Teilen Sie die Meinung des Autors?“ Die Antwort war eindeutig: Fast 2800 klickten auf den Daumen nach unten; nur 624 gaben ein Daumen-Hoch.
Das stand im krassen Gegensatz zur Bewertung des vermeintlich „unterirdischen“ Gastkommentars durch die „Welt“-Community: Hier stimmten fast 10.000 zu, nur 500 lehnten ab.
Döpfner mag mit seinem Text vielleicht aufgebrachte Teile seine Belegschaft oder einige Kritiker von außen besänftigt haben. Aber von der Leserschaft erntete er vor allem Buh-Rufe – ein erstaunliches Misstrauensvotum. Das wirft die Frage auf, wie sich eigentlich die Online-Kundschaft politisch positioniert, die sich die „Welt“ mit ihrem sehr lauten, provozierenden und vulgärliberalen Kurs erarbeitet hat.
Das Abstimmungstool mit den beiden Daumen-Symbolen erlaubt zumindest Hinweise darauf. Es ist unter allen Kommentaren eingebunden; man muss als Mitglied eingeloggt sein, um sein Votum abgeben zu können.
Korrektur, 10. August. Anders als wir es ursprünglich dargestellt haben, muss man nicht in jedem Fall zahlender Abonnent sein, um abstimmen zu können. Bei Artikeln, die ohne Paywall veröffentlicht sind, reicht auch eine kostenlose Registrierung – das Anlegen eines „‚Welt‘-Kontos“. Wir haben diesen Text entsprechend geändert und bitten den Fehler zu entschuldigen.
Poschardts Bundesclownsrepublik
Gemeinsam mit der Datenjournalistin Kira Schacht haben wir die Abstimmungsergebnisse unter den 1.733 in den vergangenen zwölf Monaten auf „Welt“ veröffentlichten Kommentaren ausgewertet. Ein Ergebnis: Kaum jemand gibt der Community so sehr, was sie will, wie „Welt“-Chefredakteurschef Ulf Poschardt.
Ein Kommentar von ihm war der einzige, der noch mehr Likes holte als der Gastbeitrag zur angeblichen Kinder-Indoktrination durch ARD und ZDF. Er trägt die für Poschardts intellektuellen Stil typische Überschrift: „Willkommen in der Bundesclownsrepublik Deutschland“. Er rührt darin Themen wie Corona, Ukraine, Atomausstieg, Kohleausstieg, Antiamerikanismus, Veganismus, „woke“, Digitalisierung, Autoindustrie und Antisemitismus zu einem wütenden Cocktail zusammen, wirft den Deutschen „moralischen Hochmut, Feigheit und Bequemlichkeit“ vor und urteilt: „Wir Deutschen sind ein schlechter Witz geworden.“
Dafür gab die Community über 10.000-mal den Daumen hoch. Bei nur 450 Gegenstimmen ergibt sich daraus eine hervorragende Zustimmungsquote von 96 Prozent.
Die Top 30
Die folgende Tabelle zeigt, welche „Welt“-Kommentare im vergangenen Jahr in absoluten Zahlen die meiste Netto-Zustimmung bekommen haben, gemessen an der Zahl der Likes minus der Zahl der Dislikes unter den Artikeln:
In der Top-30 liegen gleich zwölf Poschardt-Kommentare. Viele seiner Greatest Hits variieren das Thema einer überwältigenden Unzufriedenheit mit der Regierung und der Realität in Deutschland und im Westen insgesamt:
„Wladimir Putin kann nur tun, was er will, weil er den Westen in seiner Schwäche durchschaut hat: Vor allem Europa und die Deutschen sind dekadent geworden, sie gängeln ihre Leistungsträger und unterwerfen sich einem naiv-entrückten Zeitgeist.“ (Platz 5)
„Deutschland wird wirtschaftlich abgehängt, aber keinen interessiert es. Statt gegenzusteuern, predigt die grün dominierte Ampel den Verzicht, gängelt Leistungsträger und blamiert sich international mit der Energiewende. Wie sollen wir so die nächsten Herausforderungen bestehen?“ (Platz 8)
„Die jungen Moraldarsteller sollten wir höflich auslachen.“ (Platz 12)
„Eine selbstgerechte Koalition aus NGOs, Medien und Parteien hat den öffentlichen Diskurs nach links verschoben. Eine gehobene Mittelschicht erklärt anderen, wie sie zu leben haben. Und wer das infrage stellt, wird als ‚rechts‘ bekämpft.“ (Platz 13)
Was anderswo „niedergebrüllt“ wird
Doch manchmal schreibt selbst Poschardt nicht das, was die „Welt“-Mitglieder meinen. Ein bemerkenswerter Ausrutscher nach unten ist ein Kommentar mit dem Titel „Vom Schmerz der Modernisierung“, in dem es ebenfalls um den Anti-Trans-Gastbeitrag geht.
Darin referiert er ausführlich die Kritik, die in der „Welt“-Redaktion an dem Stück geäußert wurde, ohne sie sich zu eigen zu machen, und behauptet:
„Die WELT nimmt für sich in Anspruch, zu den Medienmarken mit dem größtmöglichen Meinungsspektrum zu gehören. Bei uns sollen stets auch die Stimmen zu Wort kommen, die anderswo ignoriert oder niedergebrüllt werden, weil sie dem allgemeinen Zeitgeist widersprechen (dass extremistische Positionen jeglicher Couleur davon ausgenommen sind, versteht sich von selbst). Daran halten wir auch in Zukunft fest, gerade in Zeiten, in denen immer mehr Medien sich scheuen, ihrem Publikum auch kontroverse Ansichten zuzumuten.“
Nicht einmal ein Viertel derjenigen, die abstimmten, war Poschardts Meinung.
„Wir. Wissen. Nichts.“
Die folgende Grafik zeigt die Netto-Zustimmung für alle Kommentare, die fünf ausgewählte „Welt“-Autorinnen und Autoren im vergangenen Jahr publiziert haben:
Zu den „Welt“-Kommentatoren, die sehr zuverlässig die Meinung der Community treffen, gehören neben Poschardt die „Chefreporterin Freiheit“ Anna Schneider, die verbitterte Ex-SPD-Politikerin Susanne Gaschke und der Polit-Komiker Henryk M. Broder.
Broders größter Erfolg gemessen in Netto-Likes ist sein Kommentar mit dem Titel „Wir. Wissen. Nichts.“ und dem Vorspann:
„Ich habe nichts gegen die Wissenschaft, abgesehen von Gender-Studies. Ich habe nichts gegen Wissenschaftler, die ihre Ansichten ändern. Ich wundere mich nur, dass wir vor einem Hochgebirge von Daten stehen – und trotzdem im Dunkeln tappen. Eine Zwischenbilanz nach zwei Jahren Corona.“
„Wer wissen will, wie die Corona-Stimmung in Deutschland ist, werfe einen Blick in die Bestsellerlisten. Dort häufen sich Titel, die der Wissenschaft und den Medien ein miserables Zeugnis ausstellen und die Demokratie in Gefahr sehen. Vieles davon ist so richtig wie deprimierend.“
Zuverlässig überwältigende Zustimmung lässt sich mit Kritik an ARD und ZDF ernten. Dafür steht nicht nur der Anti-Trans-Gastbeitrag, das belegen auch viele andere Kommentare mit Zustimmungsraten von 95 bis 99 Prozent:
Welche Meinungen sind am wenigsten kompatibel mit der „Welt“-Community? Ein Kommentar von Deniz Yücel stieß nach absoluten Zahlen auf die größte Ablehnung. „Lasst sie doch einfach kommen!“, war er überschrieben. Yücel forderte darin im November 2021, die „paar Tausend Migranten“, die an der Grenze zwischen Belarus und Polen gestrandet waren, in Europa aufzunehmen. Auf extrem wenig Zustimmung stießen auch ein Kommentar von Daniel-Dylan Böhmer mit dem Titel: „Lasst mehr Afghanen nach Deutschland rein!“ und einer von Jacques Schuster mit dem Titel: „Wer asylberechtigt ist und es nach Europa schafft, muss Aufnahme finden“.
Selbst wenn Poschardts Behauptung stimmen sollte, dass die „Welt“ einem besonders breiten Meinungsspektrum Raum gibt – die Community ist in ihren Meinungen ziemlich berechenbar.
Ein Kommentar der Wissenschaftsredakteurin Birgit Herden zur Kinderimpfung gegen Corona mit dem Titel „Eine kluge Entscheidung der Stiko“ hat dagegen eine Zustimmungsquote von gerade mal zwei Prozent. Die Leiterin des Wissens-Ressorts Pia Heinemann kam mit ihrem Kommentar „Wartet noch ein wenig mit dem Ende der Maskenpflicht!“ auf fünf Prozent Zustimmung. Herden, Heinemann und ein weiterer Kollege haben bei der „Welt“ gekündigt und verlassen sie zu Ende August.
Meinung schlägt Autor
Auch die beliebtesten Autorinnen und Autoren der „Welt“-Community können sich nicht auf die Zustimmung zu ihren Artikeln verlassen. Wenn sie die inhaltlichen Erwartungen der Mitglieder enttäuschen, senken die den Daumen. Als Porschefahrer Ulf Poschardt einmal unter dem Titel „Wer kein Auto will, muss Alternativen bekommen“ für den Ausbau von Nah- und Fernverkehr, für Wasserstoff-Busse und E-Taxis plädierte, stimmten ihm nur 16 Prozent zu. Henryk M. Broders Ukraine-Kommentar „Das Verhalten der Nato ist unterlassene Hilfeleistung“ erntete mehr Ablehnung als Zustimmung. Alan Posener, einer der fleißigsten Kommentarschreiber, erntete mit seinem Bekenntnis „Deutschland wird zu Recht vom Rest der Welt beneidet“ 86 Prozent Ablehnung. Und Frédéric Schwilden sah ausnahmsweise eine Mehrheit gegen sich, als er die Bestrafung einer trans Kommandeurin wegen einer Kontaktanzeige kritisierte („Deutschlands Freiheit wird auch im Darkroom verteidigt“). 70 Prozent wollten seiner These „Es ist ein Skandal, dass ein deutsches Gericht die individuelle sexuelle Freiheit nicht schützt“ nicht zustimmen.
Fazit
Natürlich ist die Aussagekraft der „Welt“-Daumen begrenzt: Nicht jeder, der einen Artikel liest, gibt im Anschluss sein Votum ab. Und vielleicht sind es gerade die, die das Gefühl haben, gegen einen empfundenen Meinungs-„Mainstream“ zu schwimmen, die besonders häufig die Kommentare bewerten und die Ergebnisse dadurch etwas verzerren.
Aber die Auswertung lässt doch näherungsweise ein paar Aussagen zu darüber, wovon die zahlenden und oder mindestens registrierten Online-Leser der „Welt“ überzeugt sind: Die Maßnahmen gegen Corona sind furchtbar, mit „Trans“ wollen wir nichts zu tun haben, und das Land geht vor die Hunde.
Wie wir die Daten analysiert haben
Die „Welt“ bietet Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit, über neue Online-Inhalte via RSS-Feeds informiert zu werden. Diese Feeds können von Apps, sogenannten Feed Readern, gelesen werden. Sie enthalten die Metadaten eines Artikels – zum Beispiel Titel, Autor, Vorspann oder Veröffentlichungsdatum – sowie einen Link zum Volltext.
Für diese Analyse haben wir ein Archiv aus dem RSS-Feed des Bereichs „Meinung“ aufgebaut. Es enthält alle Artikel, die im vergangenen Jahr unter dieser Rubrik veröffentlicht wurden – genau genommen in der Zeit vom 09. Juli 2021 bis zum 16. Juli 2022.
Für jeden dieser Artikel haben wir die Anzahl der Likes und Dislikes eingesammelt und analysiert. Ausgeschlossen haben wir Artikel, die kein Abstimmungs-Feld eingeblendet hatten – hauptsächlich gilt das für die Kolumne „Zippert zappt“ des Satirikers Hans Zippert – sowie Artikel aus der Reihe „Pro & Contra“, in der jeweils zwei Autor*innen mit entgegengesetzten Ansichten zu einem Thema diskutieren. So bleiben 1.733 Meinungsartikel mit insgesamt fast zwei Millionen Reaktionen, die in unsere Analyse mit eingeflossen sind.
9 Kommentare
„Nun geht die Corona-Politik zur offenen Verhöhnung der Bürger über“, „Diesmal hat es Lauterbach zu weit getrieben“ und „Die Welle der Vernunft rollt an Deutschland vorbei“ – sowie von Ulf Poschardt: „Auf dem Weg in den autoritären Staat fällt das nächste Tabu“.
Als Annette Dowiedeit …“
Fehlt da was oder mir nur das Leseverständnis?
Ansonsten jedenfalls sehr interessant auch wenn ich mich frage: und jetzt?
@fakirsessel: Da fehlte was, danke für den Hinweis!
Bei den beiden Tabellen finde ich es etwas unglücklich, dass bei den Balken für die Like-Bilanz ausgegraute Fläche zu sehen ist. Dadurch könnte man den fälschlichen Eindruck bekommen, dass die Balken auch den Like-Anteil abbilden.
Die Headline Machart der Welt ist ein bisschen wir beim Postillion: Der Leser muss nur die Überschrift lesen und bekommt schon, das, was er will. Im Falle des Postillion Lesers den Gag auf den Punkt gebracht und im Falle des Weltwutbürgers Puls.
BTW:
Habt ihr Rainer Meyer nur deshalb nicht in die Wertung mit reingenommen, weil er sonst mühelos Ulf Poschardt vom ersten Platz verdrängt hätte? :-D
@Alex: Aus mir nicht bekannten Gründen gelten die Texte von „Don Alphonso“ bei der @Welt nicht als Kommentar oder „Meinung“, deshalb fehlt darunter auch die Abstimmung mit den Daumen.
@Stefan Niggemeier: Interessantes Detail. Aber wenn es kein Kommentar oder „Meinung“ ist, muss es wohl oder übel echter „Journalismus“ sein, was der Don da fabriziert. ;-)
@4 Apropos „Postillon“: Übermedien hat etwas herausgefunden, was der Postillon schon vor 10 Jahren wusste:
„„Die WELT nimmt für sich in Anspruch, zu den Medienmarken mit dem größtmöglichen Meinungsspektrum zu gehören.“ […] gerade in Zeiten, in denen immer mehr Medien sich scheuen, ihrem Publikum auch kontroverse Ansichten zuzumuten.““
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Tun das nicht alle Pressehäuser. Mehr noch, behaupten Sie nicht alle objektiv und umfassend zu berichten; Oder hat sich inzwischen der Tenor durchgesetzt, dass man keine Wahrheit abbilden könne und deswegen eh nur Meinungen darlegen könne?
So oder so geht es vollkommen am Problem vorbei. Ich wette selbst die Bild kann für jedes Thema auf 1-2 halbwegs vertretbare Artikel verweisen und sich damit als meinungsvielfältig verkaufen.
Der Punkt ist eher, dass die genehme Meinung intensiv, imotional, immer wieder und vor allem präsent dargelegt wird, und konstruktiver Widerspruch nur gefunden werden kann, wenn man genau weiss nach welcher Artikelüberschrift man suchen muss.
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„Zu den „Welt“-Kommentatoren, die sehr zuverlässig die Meinung der Community treffen, gehören neben Poschardt die „Chefreporterin Freiheit“ Anna Schneider, die verbitterte Ex-SPD-Politikerin Susanne Gaschke und der Polit-Komiker Henryk M. Broder.“
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Vollkommen unnötig… Die nachfolgende inhaltliche Kritik hätte es voll und ganz getan…
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Die eigentliche Problematik, die ich im Artikel leider nicht angesprochen sehe, ist dass Medienerzeugnisse marktwirtschaftlichen Kriterien genügen müssen. Sie müssen entweder den Konsumenten oder den Werbeinserenten (heißt das so?) so weit nützlich erscheinen, dass sie dafür Geld ausgeben.
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Seriöser Journalismus ist teuer. Für fast jedes Thema müsste man sich erstmal einen Monat in eine Unibibliothek zurückziehen. Somit ist kontextorientierter und umfassender Journalismus praktisch nur mit den Mitteln des ÖRR realisierbar (enthält keine Unterstellung, dass dieser diesem Kriterium tatsächlich nachkommt).
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Auf der anderen Seite ist emotionaler ich-habe-recht (gilt sowohl für Leserschaft wie Journalisten) Journalismus, eine ziemlich billige Angelegenheit, basiert sie doch primär auf Rhetorik Skills und ist auch für den Konsumenten leicht verdaubar.
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Gibt es für diese Problematik Lösungen unterhalb von ich muss neben meinem Vollzeitjob zu jedem Thema erstmal Fachbücher in der Unibibo lesen?
@ Sebastian #8
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„Für fast jedes Thema müsste man sich erstmal einen Monat in eine Unibibliothek zurückziehen.“
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Muss man nicht. Es gibt Internet. Und damit meine ich nicht die Wikipedia, sondern alle möglichen wissenschaftlichen Publikationen.
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„Somit ist kontextorientierter und umfassender Journalismus praktisch nur mit den Mitteln des ÖRR realisierbar.“
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Viele freie (Fach-) Journalisten beweisen ständig das Gegenteil. Richtig ist, dass die aufwendige, auf Hintergrundwissen aufsetzende Recherche, die sie treiben, selten angemessen bezahlt wird, so dass fast immer ein Stück Idealismus mit im Spiel ist.
„Nun geht die Corona-Politik zur offenen Verhöhnung der Bürger über“, „Diesmal hat es Lauterbach zu weit getrieben“ und „Die Welle der Vernunft rollt an Deutschland vorbei“ – sowie von Ulf Poschardt: „Auf dem Weg in den autoritären Staat fällt das nächste Tabu“.
Als Annette Dowiedeit …“
Fehlt da was oder mir nur das Leseverständnis?
Ansonsten jedenfalls sehr interessant auch wenn ich mich frage: und jetzt?
@fakirsessel: Da fehlte was, danke für den Hinweis!
Bei den beiden Tabellen finde ich es etwas unglücklich, dass bei den Balken für die Like-Bilanz ausgegraute Fläche zu sehen ist. Dadurch könnte man den fälschlichen Eindruck bekommen, dass die Balken auch den Like-Anteil abbilden.
Die Headline Machart der Welt ist ein bisschen wir beim Postillion: Der Leser muss nur die Überschrift lesen und bekommt schon, das, was er will. Im Falle des Postillion Lesers den Gag auf den Punkt gebracht und im Falle des Weltwutbürgers Puls.
BTW:
Habt ihr Rainer Meyer nur deshalb nicht in die Wertung mit reingenommen, weil er sonst mühelos Ulf Poschardt vom ersten Platz verdrängt hätte? :-D
@Alex: Aus mir nicht bekannten Gründen gelten die Texte von „Don Alphonso“ bei der @Welt nicht als Kommentar oder „Meinung“, deshalb fehlt darunter auch die Abstimmung mit den Daumen.
@Stefan Niggemeier: Interessantes Detail. Aber wenn es kein Kommentar oder „Meinung“ ist, muss es wohl oder übel echter „Journalismus“ sein, was der Don da fabriziert. ;-)
@4 Apropos „Postillon“: Übermedien hat etwas herausgefunden, was der Postillon schon vor 10 Jahren wusste:
https://www.der-postillon.com/2012/09/welt-online-in-wahrheit-trick-um-rechte.html
„„Die WELT nimmt für sich in Anspruch, zu den Medienmarken mit dem größtmöglichen Meinungsspektrum zu gehören.“ […] gerade in Zeiten, in denen immer mehr Medien sich scheuen, ihrem Publikum auch kontroverse Ansichten zuzumuten.““
.
Tun das nicht alle Pressehäuser. Mehr noch, behaupten Sie nicht alle objektiv und umfassend zu berichten; Oder hat sich inzwischen der Tenor durchgesetzt, dass man keine Wahrheit abbilden könne und deswegen eh nur Meinungen darlegen könne?
So oder so geht es vollkommen am Problem vorbei. Ich wette selbst die Bild kann für jedes Thema auf 1-2 halbwegs vertretbare Artikel verweisen und sich damit als meinungsvielfältig verkaufen.
Der Punkt ist eher, dass die genehme Meinung intensiv, imotional, immer wieder und vor allem präsent dargelegt wird, und konstruktiver Widerspruch nur gefunden werden kann, wenn man genau weiss nach welcher Artikelüberschrift man suchen muss.
.
„Zu den „Welt“-Kommentatoren, die sehr zuverlässig die Meinung der Community treffen, gehören neben Poschardt die „Chefreporterin Freiheit“ Anna Schneider, die verbitterte Ex-SPD-Politikerin Susanne Gaschke und der Polit-Komiker Henryk M. Broder.“
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Vollkommen unnötig… Die nachfolgende inhaltliche Kritik hätte es voll und ganz getan…
.
Die eigentliche Problematik, die ich im Artikel leider nicht angesprochen sehe, ist dass Medienerzeugnisse marktwirtschaftlichen Kriterien genügen müssen. Sie müssen entweder den Konsumenten oder den Werbeinserenten (heißt das so?) so weit nützlich erscheinen, dass sie dafür Geld ausgeben.
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Seriöser Journalismus ist teuer. Für fast jedes Thema müsste man sich erstmal einen Monat in eine Unibibliothek zurückziehen. Somit ist kontextorientierter und umfassender Journalismus praktisch nur mit den Mitteln des ÖRR realisierbar (enthält keine Unterstellung, dass dieser diesem Kriterium tatsächlich nachkommt).
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Auf der anderen Seite ist emotionaler ich-habe-recht (gilt sowohl für Leserschaft wie Journalisten) Journalismus, eine ziemlich billige Angelegenheit, basiert sie doch primär auf Rhetorik Skills und ist auch für den Konsumenten leicht verdaubar.
.
Gibt es für diese Problematik Lösungen unterhalb von ich muss neben meinem Vollzeitjob zu jedem Thema erstmal Fachbücher in der Unibibo lesen?
@ Sebastian #8
.
„Für fast jedes Thema müsste man sich erstmal einen Monat in eine Unibibliothek zurückziehen.“
.
Muss man nicht. Es gibt Internet. Und damit meine ich nicht die Wikipedia, sondern alle möglichen wissenschaftlichen Publikationen.
.
„Somit ist kontextorientierter und umfassender Journalismus praktisch nur mit den Mitteln des ÖRR realisierbar.“
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Viele freie (Fach-) Journalisten beweisen ständig das Gegenteil. Richtig ist, dass die aufwendige, auf Hintergrundwissen aufsetzende Recherche, die sie treiben, selten angemessen bezahlt wird, so dass fast immer ein Stück Idealismus mit im Spiel ist.