„Born for this“

Die ARD kauft dem DFB Werbefilme ab – und verkauft sie dem Publikum als Dokumentationen

Die ARD preist „Born for this – mehr als Fußball“ als Doku-Serie über die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen an. Was sie nicht verrät: Das Format wurde vom DFB und seinen Werbepartnern Volkswagen und Adidas bezahlt.


Vor einiger Zeit hat man beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) gemerkt, dass die Inszenierung der Männer-Nationalmannschaft einen Tick zu weit gedreht wurde. Die maßgeblich von Direktor Oliver Bierhoff entwickelte und strapazierte Marke „Die Mannschaft“ (im Internet bitteschön immer: #DieMannschaft) geriet in Verruf.

Was für ein Glück für den von Skandalen gebeutelten Sportverband, dass man derzeit sein Image mit der Frauen-Nationalmannschaft aufpolieren kann. Und tatsächlich wirkt es so, als ob dieser Sommer, in dem einmal kein großes Turnier der Männer stattfindet, dafür aber die Europameisterschaft der Frauen, ein guter für den DFB werden könnte. Das Team spielt begeisternden Fußball und präsentiert sich auch abseits des Rasens erfrischend anders als die oft abgehoben wirkenden Herren.

Vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Spanien hat sich sogar Olaf Scholz, hauptberuflich Bundeskanzler, als Fan geoutet – und eine Forderung aufgestellt.

Der frühere Nationalspieler Oliver Bierhoff, der seit 2004 in Leitungsfunktionen beim DFB ist und heute als „Geschäftsführer Nationalmannschaften“ firmiert, reagierte so, wie Oliver Bierhoff immer reagiert. In der ARD-Sportschau vor dem Spanien-Spiel sagte er:

„Ich lade den Kanzler gerne ein und erkläre ihm die Zahlen“

Dabei wäre man zu gerne Zeuge: wie Bierhoff versucht, Scholz zu erklären, warum 60.000 Euro Prämie (bei Turniersieg) für die Frauen „equal“ zu den 400.000 Euro der Herren seien.

Ein Tweet des Kanzlers vor dem ersten Spiel war dagegen schon ganz auf PR-Linie:

Gut, das fällt jetzt nicht sofort auf. Es geht um den Hashtag #BornForThis. Den findet man im Zusammenhang mit Frauen-Fußball erstmals Mitte Juni, und zwar auf dem Twitter-Account der DFB-Elf. Im Tweet wird eine gleichnamige und bis dato dreiteilige Dokumentation beworben:

Einige Wochen und Jubel-Tweets später stehen die jeweils mehr als einstündigen Filme in der ARD-Mediathek bereit. Über ein Jahr lang wurde die DFB-Elf der Frauen begeleitet. Die Doku hebt sich stilistisch nicht sonderlich von ähnlichen Formaten ab, wie man sie etwa bei „Amazon Prime“ zu Männer-Profimannschaften wie dem FC Bayern oder Borussia Dortmund sehen kann: Hochglanz-Ästhetik, Showdown-orientierter Aufbau, viel dramatische und heroisierende Musik, zwischendrin mehr oder weniger deepe Interviews mit den Spielerinnen und Betreuer:innen.

In der ARD-Mediathek wird die Reihe als „weltweit erste serielle Frauen-Dokumentation“ [sic!] angepriesen, im Ersten strahlte man Episode 1 nach dem Spanien-Spiel aus. Bierhoff kam vor dem Spiel kurz auf das Werk zu sprechen und sagte dabei fast beiläufig:

„Aber ich finde, jetzt auch diese Aufmerksamkeit beim Turnier, jetzt ne dolle Doku, die wir übrigens auch finanziert haben, die hilft natürlich auch, dass dann auch wieder ein bisschen mehr Augenmerk auf den Frauenfußball erfolgt“

 

Wie bitte? Ne dolle Doku, die der DFB „übrigens auch finanziert“ hat? Wir fragen sicherheitshalber beim Verband nach und erhalten den Link zu einer Pressemitteilung über „Born For This“.

In der ARD-Mediathek steht die Sendung des DFB allerdings unter „Unsere besten Dokuserien“.

Screenshot: ARD Mediathek

Und von einer Finanzierung oder gar Gestaltung durch den DFB kein Wort. Wie passt das denn zusammen, wenn der DFB da selbst seine Hände im Spiel hatte? Und: Ist das am Ende überhaupt eine ARD-Doku?

Ja, wer war’s denn nun?

Der erst nach circa zehn Minuten in Folge 1 auftauchende Vorspann verrät nichts darüber, ob und wie die ARD an der Produktion beteiligt war. Einige Namen laufen durchs Bild, „directed by Martina Hänsel & Björn Tanneberger“ ist da zu lesen. Hinweise auf den DFB oder eine externe Produktionsfirma? Fehlanzeige. Im Abspann stehen dann eine ganze Menge Namen. Erstmal werden alle Spielerinnen, das Trainer:innen-Team, die Betreuer:innen genannt. Ein riesiger Cast. Dann folgen, wie üblich, Produzent:innen, Regie usw.

Googelt man die Namen, sieht man schnell: Die arbeiten wohl alle bei der Warner Bros ITVP Deutschland GmbH. Und ganz zum Schluss taucht auch das ikonische Warner-Brothers-Logo auf. Da wird der Produktionsfirma genauso gedankt wie dem DFB, der ARD und dem NDR selbst, außerdem Volkswagen und Adidas, Sky und Magenta-TV.

Screenshot: ARD Mediathek

Merkwürdig. Normalerweise werden Produktionsfirmen ja im Abspann genannt und eine womögliche Zusammenarbeit mit dem Gegenstand der Berichterstattung, also hier dem DFB und seinen Partnern Volkswagen und Adidas würde man ja nicht in einer Danksagung verschleiern – oder eben doch?

Eine Schulterblick-Kooperation

In einer ARD-Pressemitteilung wird das schon etwas transparenter. Da steht immerhin, dass ein Team von Warner Bros. International die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft begleitet habe. Von einer Finanzierung durch den DFB, von Volkswagen oder Adidas liest man aber auch dort: nichts. Der ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky lässt sich nur mit den Worten zitieren:

„Kooperationen bei solchen Projekten wie auch im gesamten Sport sind zur Finanzierung erforderlich, sorgen aber auch dafür, dass eine vielfältige Verbreitung des Themas stattfindet. Deshalb ist die ARD jederzeit dafür offen, mit Partnern gemeinsam solche Projekte zu stemmen.“

Wir haben der ARD deshalb Fragen gestellt: Ob der DFB die Doku-Serie nun finanziert habe. Ob die „Partner“ Volkswagen und Adidas ebenfalls an den Kosten beteiligt waren – und an der Produktion selbst. Wer nun eigentlich für den Inhalt der Dokumentation verantwortlich sei und warum in der ARD-Mediathek keine Hinweise auf eine finanzielle oder gestalterische Unterstützung durch den DFB und seine Werbepartner zu finden ist. Und wie man bei der ARD sichergestellt habe, dass bei einer solchen Produktion die Ansprüche an journalistische Sorgfalt und Distanz gegenüber den werblichen Interessen anderer Beteiligter gewahrt und verteidigt werden können.

Die Antwort:

„Die ARD ist eine der Lizenznehmerinnen der Dokumentation „Born for this“, die von Warner Bros. ITVP Deutschland produziert wurde. Bei einem Lizenzankauf besteht im Gegensatz zu einer Auftrags- oder Koproduktion kein redaktionelles Mitspracherecht.

Um jedoch schon während des Entstehens einen Eindruck von der Dokumentation zu bekommen, fanden Schulterblicke statt.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu Vertragsdetails wie zum Beispiel den Kosten grundsätzlich nicht äußern.“

Und was ist mit den Hinweisen auf eine Finanzierung durch den DFB, seine Werbepartner oder überhaupt einem Hinweis darauf, dass das gar keine ARD-Dokuserie ist?

„Im Abspann der Dokumentation, die in der ARD Mediathek verfügbar ist, sind alle beteiligten Partner transparent aufgeführt.“

Als Beleg wird uns, ja, der oben gezeigte Screenshot mit den Logos geschickt. – Wenn da alle Beteiligten drauf zu sehen sind: Wer dankt dann eigentlich wem?

Auch in einer DFB-Broschüre zu „Frauen im Fußball“ ist lediglich von einer „Produktion einer Dokumentation der [sic!] Frauen-Nationalmannschaft mit Warner Bros“ die Rede.

Dann fragen wir mal beim DFB nach: Hat der DFB die Doku-Serie nun finanziert? Wie viel hat das gekostet? Welche Rolle spielen Volkswagen und Adidas bei der Finanzierung? Hatten die Werbepartner bei der Produktion etwas mitzureden? Und wie sah die Kooperation mit ARD, Sky und Magenta aus? Hatten sie redaktionellen Einfluss auf das Produkt? Vom DFB heißt es dazu:

die Produktionskosten werden vom DFB, Warner Bros, Adidas und VW getragen. Zudem haben die drei Sender einen pauschalen Betrag für den Erwerb des exklusiven Senderechts im DACH [Deutschland, Österreich, Schweiz] beglichen. Adidas und VW waren über die Finanzierung hinaus nicht an der Produktion beteiligt.

Alle Partner eint das Ziel, durch diese hochwertige Produktion die Sichtbarkeit der Frauen-Nationalmannschaft und seiner Spielerinnen zu erhöhen, die Geschichten und Lebensentwürfe der Protagonistinnen darzustellen, Gesichter und Persönlichkeiten in den Fokus und ins Licht zu rücken.

(…)

Die ersten drei Folgen zeigen, dass weder Widerstände, noch kritische Töne innerhalb des Findungsprozesses von Team, Trainer*innenteam und Staff ausgespart werden. Es war allen Beteiligten wichtig authentisch zu bleiben und den Blick in das Innerste einer Mannschaft zu gewähren. Wir denken, dass das sehr gut gelungen ist.

Tür zu, Kamera raus

Das kann man natürlich schlecht beurteilen, wenn man nicht ein Jahr lang dafür bezahlt wurde, dabei zu sein. Aber kommen wir doch nochmal zum Thema „Equal Pay“. Als die Serie nämlich zeigt, wie der DFB mit den Spielerinnen in einem Hotel just jene 60.000 Euro Prämie aushandelt, geht alles ganz fix.

Auftritt Oliver Bierhoff. Erst darf er gegenüber einiger Vertreterinnen der Mannschaft die Bedeutung des Frauenfußballs und seine Unterstützung bekräftigen. Und zeigen, dass er genau wie Holger Blank, DFB-Geschäfstführer Marketing und Vertrieb, Unterstützer sei, „vom Frauenfußball und auch im Glauben daran“ und „nicht nur, weil wir beide Töchter haben, ne“. Und dann? Tür zu, Kamera raus. Anschließend dürfen sich die Spielerinnen „dankbar“ zeigen und Dinge sagen wie „für den Moment ist das in Ordnung“. Das war’s. „Equal Pay“: Abgehakt.

Logo sieht man Volkswagen und Adidas ständig

Nimmt dann aber doch den anderen Wagen: Torhüterin Almuth Schult hat einen VW ID.3 in der Einfahrt stehen. Screenshot: ARD Mediathek

Was dagegen nicht zu knapp daherkommt: Volkswagen und Adidas. Der Vorspann von „Born for this“ ist nicht zu unterscheiden von einem Adidas-Werbefilm, die Serie selbst auch kaum. Klar, möchte man einwenden, natürlich tragen die Spielerinnen ihre Trikots, und die sind nunmal von Adidas.

Selbst wenn’s brennt: Das Adidas-Logo ist immer zu sehen. Screenshot: ARD Mediathek

Aber auch sonst ist kaum mal eine Einstellung zu finden, in der keines der beiden Logos, von VW oder Adidas, zu sehen ist.

Vorne: Adidas-Logo. Hinten: Lea Schüller. Screenshot: ARD Mediathek

Imagefilm ja, aber nicht so

Keine Frage: Die Serie dient der Vermarktung des DFB, seiner Frauen-Nationalmannschaft und seiner beiden Werbepartner. Natürlich findet so ein Imagefilm sein Publikum. 1,68 Mio Menschen haben die erste Folge am Dienstag ab 23:15 Uhr im Ersten gesehen. Das ist viel. Und schafft eine Daseinsberechtigung.

Aber nicht in der ARD. Auch nicht als Lizenzeinkauf. Aber vor allem nicht ohne jede Transparenz – gerade beim DFB, der doch mindestens so häufig als Partner des Ersten (Länderspiele, DFB-Pokal) daherkommt, wie als Gegenstand kritischer Berichterstattung. Was kommt denn da als nächstes? Eine Doku über Philipp Amthor, in Auftrag gegeben von der CDU?

Inwieweit die ARD übrigens ihre „Schulterblicke“ überhaupt bei der Produktion geleistet hat, ist ungewiss. Warner Bros hat auf eine Anfrage von Übermedien nicht reagiert. Vom DFB haben wir erfahren:

„Auch während der EM sind die Warner-Kolleg*innen als Teil des Teams eingebunden und drehen aktuell wie geplant weitere Folgen.“

Ball und PR-Maschinerie des DFB rollen also weiter.


Nachtrag vom 21.7.2022: Wir haben erneut bei der ARD nachgefragt, ob in der Mediathek nicht darauf hingewiesen werden müsste, dass der DFB die Filme in Auftrag gegeben und gemeinsam mit Volkswagen und Adidas finanziert hat. Die Antwort:

Die Produktion von Warner Bros. International ist ein Lizenzkauf, den die ARD getätigt hat. Im Abspann wird auf die beteiligten Partner hingewiesen. Diesen Hinweis werden wir nun auch im Begleittext in der ARD Mediathek ergänzen.

Dort findet sich nun der wenig aussagende Satz:

„Ein Projekt von ARD, Sky, MagentaTV, Warner Bros., DFB, VW und Adidas.“

4 Kommentare

  1. „Dabei wäre man zu gerne Zeuge: wie Bierhoff versucht, Scholz zu erklären, warum 60.000 Euro Prämie (bei Turniersieg) für die Frauen ‚equal‘ zu den 400.000 Euro der Herren seien.“ Die UEFA hat bei den Männern Italien letztes Jahr eine Prämie von 8 Mio für den Titel gezahlt, der Frauen-Europameister bekommt dieses Jahr 660.000. Sollten die deutschen Frauen also Europameister werden, bekommt jede Spielerin fast 10% der Prämie, bei den Männern wären es 5 gewesen.

    Bierhoff labert häufig Blödsinn, hier aber nicht. Wer beim Frauenfußball eine in absoluten Zahlen gleiche Bezahlung fordert, der lebt auf einem ganz fernen Planeten.

    Mir gefällt auch nicht, dass man die Männer mit Geld zusch… während die Frauen zT Nebenjobs haben. Ich bin aber soweit zuzugestehen, dass zuerst der aufzuteilende Kuchen bei den Frauen die gleiche Größe haben muss, bevor man die Frauen in absoluten Zahlen gleich bezahlt. Vorzugsweise sollte das dadurch geschehen, dass man den Kuchen für die Männer ein ordentliches Stück kleiner macht.

    Allerdings: Wenn DiCaprio für einen Film obszöne 30Mio kassiert und J. Lawrence „nur“ 25, dann kommt auch niemand auf die Idee, dass es eine Pseudo-„Lösung“ ist, wenn auf einmal beide 30 kassieren, statt beide die mickrigen 25. Insofern wird das wohl leider nicht passieren.

    Dass der Kuchen der Frauen größer wird, haben wir übrigens als Konsumenten selbst in der Hand: Öfter zu Frauen-Matches ins Stadion gehen, mehr Medien zum Frauenfußball konsumieren, mehr Frauen-Fanartikel kaufen etc. etc. Allerdings tun das halt viel weniger als beim Mimosen-, äh, Männer-Fußball.

  2. „…präsentiert sich auch abseits des Rasens erfrischend anders als die oft abgehoben wirkenden Herren.“
    Meine Vermutung wäre, dass die Herren so abgehoben sind, weil sie das Geld an beiden Enden reingestopft bekommen.

    Aber offenbar wurde auch in die Doku Geld gestopft, also wird sich das mittelfristig hoffentlich angleichen.

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