Bremische Landesmedienanstalt

Erfolgreich verloren: Klage gegen die Brema abgewiesen

Eigentlich ist die Rechtslage klar:

„Die Landesmedienanstalt ist verpflichtet, für eine größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit Sorge zu tragen.“

So ist es im Bremischen Landesmediengesetz festgeschrieben, unter Paragraph 46. Doch die Praxis sieht manchmal anders aus. Da muss man erst langwierig vor Gericht ziehen, um der Bremischen Landesmedienanstalt (brema) zumindest ein paar Informationen aus der Nase zu ziehen, nämlich über den umstrittenen Podcast „Unreguliert – Frau Holsten fragt nach“.

Cornelia Holsten, die Direktorin der brema, hatte Anfang 2020 dieses neue Audio-Angebot gestartet und war damit auf ungläubiges Staunen gestoßen. Als erstes hatte Übermedien kritisch über die erste Folge berichtet.

„Haben Sie ein Ankleidezimmer, so wie Carrie Bradshaw?“

Holsten hatte damals ein sehr freundliches Gespräch mit einem „sehr tollen Gast“ (Holsten) geführt, einem Bremer Mode-Influencer, dessen Auftritt in sozialen Medien sie eigentlich zu beaufsichtigen hat. Statt nachzuhaken, mit welch fragwürdigen Mitteln er an seine Instagram-Follower gekommen ist und weshalb die Texte zu seinen Fotos teilweise abgeschrieben sind, stellte Holsten vor allem naive Fragen, etwa zur Größe seines Kleiderschranks. Auch andere Medien kritisierten das Gespräch: Zu unkritisch, zu distanzlos sei sie mit ihrem Gesprächspartner, dem Mode-Blogger, umgegangen.

Ihr erster Gast: „Influencer“ Maximilian Arnold Fotos: @maximiliang_arnold / brema

Ein anderes Problem, über das Übermedien berichtete: Der Podcast wurde kostenlos von einer Firma aus der RTL-Gruppe produziert – und das, obwohl die brema für die Aufsicht des Regionalprogramms von RTL Nord zuständig ist, was einen Interessenkonflikt darstellen könnte. „Arbeitete die Medienaufsicht hier also mit einem Sender zusammen, den sie gleichzeitig kontrollieren soll?“, fragte Übermedien damals.

Holsten und die brema mauerten daraufhin: Die Kritik an ihrer Gesprächsführung wies die brema-Direktorin zurück, einen möglichen Interessenkonflikt vermochte sie nicht zu erkennen. Auf kritische Nachfragen von Übermedien wollte Holsten damals nicht antworten. Als sich dann der Medienrat, das Beschlussgremium der brema, mit der Sache befasste, schloss er Zuschauer und anwesende Journalisten (auch Übermedien) von diesem Teil der Sitzung aus. Dabei ist die brema eine Anstalt des öffentlichen Rechts, finanziert aus Rundfunkbeiträgen. Vollständige Transparenz? Fehlanzeige.

Klage vor dem Bremer Verwaltungsgericht

Übermedien nahm das zum Anlass, gemeinsam mit Arne Semsrott von der Initiative „FragDenStaat“, auf offiziellem Weg an Details über den Podcast zu kommen. Semsrott verlangte „sämtliche vorliegenden Informationen in Bezug auf den Podcast“ und berief sich dabei auf das Bremer Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das jedem Antragstellenden „einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen“ gewährt.

Doch die brema mauerte weiter. Sie meinte, an das IFG müsse sie sich nicht halten. Semsrott reichte schließlich Klage beim Bremer Verwaltungsgericht ein, Mitte Mai wurde in der Angelegenheit mündlich verhandelt.

Brema-Direktorin Holsten vor Gericht Foto: E. Stengel

Das Gericht hat die Klage jetzt zwar als „zulässig, aber unbegründet“ abgewiesen, doch immerhin rückte die brema – vermutlich, um einer Verurteilung zuvorzukommen – während des Rechtsstreits einzelne zusätzliche Informationen heraus. Denn im Ergebnis stellte das Gericht fest, dass die Landesmedienanstalt durchaus dem IFG unterliegt, also auf Verlangen grundsätzlich Informationen herausgeben muss.

Direktorin Holsten und die von ihr beauftragte Anwaltskanzlei hatten zunächst argumentiert, dass sie überhaupt keine Auskünfte geben müssten. Das Bremische Landesmediengesetz (LMG) habe als Spezialgesetz Vorrang vor dem allgemeinen IFG und verlange lediglich die Veröffentlichung von Informationen über die Arbeit des Medienrats, in dem gesellschaftlich relevante Organisationen vertreten sind. Darüber hinaus gebe es keinen Anspruch auf Zugang zu Informationen.

Auch für Medienanstalten gilt das IFG

Das Verwaltungsgericht ließ das nicht gelten. Schon vor Beginn der mündlichen Verhandlung stellte die 4. Kammer klar, dass ein weitergehender Informationsanspruch nach dem IFG bestehen könne. Die brema dürfe nicht nur veröffentlichen, „was sie für veröffentlichungsfähig erachtet“, etwa bloß Informationen aus dem Medienrat. So hat das Gericht nun auch entschieden.

Auch das Argument, das Begehren auf Information sei nicht präzise genug gewesen, wies das Gericht zurück. An die Anträge solcher Klageverfahren nach den Informationsfreiheitsgesetzen dürften „keine zu hohen Ansprüche gestellt werden“, heißt es im Urteil, „da der Kläger in der Regel keinen Einblick in die behördlichen Vorgänge und Akteninhalte hat. Die Information über Art, Zahl und Inhalt der bei der Behörde zu der Sache vorhandenen Aufzeichnungen ist gerade Ziel der Klage“. Zudem sei die Art der Informationen nicht nur auf Dokumente oder Akten beschränkt, sondern umfasse „jede Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung“, also auch etwa Terminkalender, Sprechzettel, Vermerke oder Chatnachrichten.

Geheimhalten darf die brema lediglich das Protokoll jener nicht-öffentlichen Sitzung des Medienrats, der Journalisten nicht beiwohnen durften. Eigentlich hatten Übermedien und „FragDenStaat“ auch dieses Papier einsehen wollen, zumal sich Direktorin Holsten in der Sitzung vor dem Medienrat umfangreich erklären musste. Da das Gericht aber früh klarmachte, dass die Geheimhaltung hier rechtens ist, haben Übermedien und „FragDenStaat“ die Klage in diesem Punkt zurückgezogen.

Anfangs hatte die brema nicht nur jeglichen Auskunftsanspruch verneint, sondern auch behauptet, es gebe überhaupt keinen Verwaltungsvorgang und keine Akten über die Podcast-Produktion. Was auch naheliegend sei, wie brema-Direktorin Holsten vor Gericht ausführte: Der Podcast – den sie in ihrer amtlichen Funktion anbot – habe für sie keine große Bedeutung gehabt.

Auf juristischen Druck von Rechtsanwalt Thorsten Feldmann, der Übermedien und „FragDenStaat“ in dieser Sache vertrat, legte die Anstalt aber doch noch Terminkalender-Einträge und eine Mail-Korrespondenz zwischen Direktorin Holsten und RTL-Radio vor, die sie nachträglich entdeckt habe. Zitat: „Reiner Zufall, dass das noch da war“. Eine richtige Akte allerdings blieb Holsten schuldig, nach ihren Angaben hatte es diese, wie gesagt, nie gegeben.

„Conny, mach was draus!“

Holsten erzählte bei der mündlichen Verhandlung auch, wie sie auf die Idee für den Podcast gekommen war: Im Herbst 2019, bei einer „Media Night“ der Interessengemeinschaft „Medienmeile Bremen“, habe sie den Mode-Influencer Maximilian G. Arnold interviewt. Danach habe sie Lob aus dem Publikum für ihren Auftritt bekommen: „Conny, mach was draus!“ Sie habe nämlich den Ruf, „dass ich relativ witzig sein kann“. Also wollte sie mal ausprobieren, einen eigenen Podcast zu machen, um das Publikum über dieses aufstrebende Format aufzuklären. Mode-Blogger Arnold war dann ihr erster Gast, in der zweiten Folge sprach Holsten mit einem Kollegen, dem Direktor der Landesanstalt für Medien NRW (LfM), Tobias Schmid.

Am einfachsten wäre es wohl gewesen, wenn sie dazu ins Studio des Bremer Bürgerfunks „Radio Weser TV“ gegangen wäre. Aber wie sie vor Gericht sagte, sei das nicht möglich gewesen, denn als Aufsicht dürfe sie dort „nicht selber redaktionelle Arbeit machen“. Doch warum habe sie dann ausgerechnet ein Studio bei RTL Radio in Berlin gewählt, wollte der Kammervorsitzende Niklas-Janis Stahnke wissen. (Zunächst war die Rede gewesen von einem Studio der RTL-Schwester Audio Alliance, doch nach neueren Informationen war diese Firma offenbar nur als Dienstleister bei RTL Radio mit eingebunden.)

Holsten gab darauf keine klare Antwort. „Das ist so lange her“, sagte sie im Gerichtssaal. Dann rutschte ihr plötzlich ein Name heraus: Nina – um danach gleich anzumerken, dass sie zum Schutz der Persönlichkeitsrechte diese Person gar nicht hätte nennen dürfen. Gemeint war offenbar RTL-Radio-Geschäftsführerin Nina Gerhardt. Sie und Holsten kennen sich schon länger, und über Gerhardt kam offenbar der Kontakt zu dem Tonstudio in Berlin zustande. Das haben jedenfalls Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bremen ergeben. Sie hatte gegen Holsten wegen des Anfangsverdachts der „Vorteilsannahme“ ermittelt, stellte das Verfahren dann aber ein.

Anwalt Feldmann hätte nun gerne gewusst, was Holsten damals mit RTL Radio vereinbart hatte, bevor dort zwei Podcast-Folgen produziert wurden. RTL und Audio Alliance würden ihre Ressourcen sicher nicht „aus Jux und Dollerei“ zur Verfügung stellen. Darüber müsse es doch irgendwelche Unterlagen geben.

Doch Holsten und ihre Anwältin Claudia Nottbusch beharrten darauf, dass es keine schriftlichen Vereinbarungen gegeben habe. Und versicherten: RTL habe kein Geld bekommen und kein Geld bezahlt. „Das war damals nur ein Testballon für alle Beteiligten“, sagte Anwältin Nottbusch. Falls mehr daraus geworden wäre, wären vielleicht auch Vereinbarungen geschlossen worden – für die ersten Podcast-Folgen aber nicht, denn dafür sei „dieser Vorgang viel zu banal“ gewesen. Bekanntlich verzichtete Holsten nach der zweiten Folge und der geballten Kritik lieber auf eine Fortsetzung des Formats.

Was Nottbusch ebenfalls betonte: RTL Radio in Berlin unterstehe nicht der Medienaufsicht der brema, sondern werde von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg kontrolliert. Also habe keine Interessenkollision bestanden. Das hatte auch Cornelia Holsten stets so erklärt.

Gericht überzeugt: „keine weiteren Informationen“

Schon während der rund 75-minütigen Gerichtsverhandlung zeigte sich, dass die 4. Kammer die Klage wohl abweisen würde. Denn wenn die brema tatsächlich keine schriftlichen Vereinbarungen mit den Produzenten ihres Podcasts abgeschlossen habe, dann gebe es auch nichts, was die Anstalt dem Kläger übermitteln könne.

Und so lautet dann auch das Urteil: Nach der Befragung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung stehe „zur Überzeugung der Kammer fest, dass keine weiteren Informationen zu dem Podcast mehr vorliegen“. Die Beklagte hat hier eine so genannte Darlegungslast: „Bestreitet sie die Existenz entsprechender Aufzeichnungen, muss sie dies angesichts ihres diesbezüglich überlegenen Wissens substantiiert vorbringen und begründen“.

Dem habe Holsten Genüge getan, urteilt das Gericht: Die „glaubwürdige Direktorin“, ehemals selbst Richterin in Bremen, habe „in sich stimmig, nachvollziehbar, plausibel und glaubhaft geschildert“, dass sie nach Aufzeichnungen in Bezug auf den Podcast gesucht habe – aber nicht mehr aufzufinden sei, als Holsten preisgegeben habe.

Die Kammer ist ferner davon überzeugt, dass Holsten „dem Podcast in der Phase der Produktion der beiden veröffentlichten Folgen nicht die Bedeutung beigemessen hat, den dieser nach seiner Veröffentlichung in Teilen der Öffentlichkeit erfahren hat“. Dies erkläre, dass „keine besonderen Bemühungen bei der Dokumentation entsprechender Unterlagen bezüglich der Erstellung des Podcasts entfaltet wurden und es auch nicht zu schriftlichen Abreden mit Audio Alliance bzw. RTL kam“.

Vielmehr sei der Produktion ein „persönlicher Kontakt“ zwischen Holsten und einer Mitarbeiterin des Radios vorausgegangen, „der aus der Sicht sowohl der Direktorin der Beklagten als auch der Radiomitarbeiterin den Abschluss schriftlicher Verträge als überflüssig erschienen ließ“. Plausibel sei auch, dass „die Kontakte mit den beiden Gästen des Podcasts telefonisch erfolgt sind und diesbezüglich aufgrund der geringen Bedeutung des Podcasts für die Beklagte keine Aktenvermerke o. Ä. angefertigt wurden“.

Übermedien und „FragDenStaat“ werden keine Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Einen gewissen Erfolg sieht Rechtsanwalt Feldmann auch so: Zunächst sei nun geklärt, dass Landesmedienanstalten gegen IFG-Anfragen nicht immun sind. Außerdem habe die brema im Laufe des Verfahrens zumindest „ein bisschen Transparenz geschaffen“, und künftig werde sie interne Vorgänge vielleicht besser dokumentieren. Denn dazu ist sie verpflichtet. Eben damit interne Vorgänge – zum Beispiel die Produktion eines Podcasts – nachvollziehbar sind.

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