Bremische Landesmedienanstalt

Medienaufseherin geht Influencer auf den Leim

Fragt doch nicht nach: Conni Holsten

Jetzt hat also auch die Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt einen Podcast, und nach der ersten Folge fragt man sich, weshalb Cornelia Holsten eigentlich Direktorin einer Landesmedienanstalt ist.

Als Medienaufseherin ist sie dafür zuständig, Rundfunklizenzen zu erteilen und das Programm privater Sender zu überwachen. Außerdem ist es Aufgabe von Landesmedienanstalten wie der Bremischen, die Medienkompetenz der Bevölkerung zu stärken, also einen „kritischen Umgang“ zu schulen, und zu kontrollieren, was auf den Kanälen so genannter Influencer passiert, zum Beispiel bei Instagram.

Gut also, dass Frau Holsten mal so einen vor sich hat, den sie ganz direkt befragen kann: einen „sehr tollen Gast“, schwärmt sie, einen „sehr, sehr erfolgreichen Fashion-Blogger und Influencer“ aus Bremen, von dem Leute behaupteten, dass es „niemanden auf diesem Planeten“ gebe, „der sooo toll ‚Guten Morgen‘ sagen kann wie Sie in der Insta-Story“.

Podcast-Ausschnitt: Frau Holsten flirtet mit Maximilian G. Arnold.

Die Medienaufseherin legt gleich investigativ los. Sie will endlich herausfinden, wofür „der G-Punkt“ steht, womit sie das Mittelinitial in Maximilian G. Arnold meint. Zwar nennt sich ihr Gast längst Maximilian Georg Arnold, so steht es auch auf seiner Instagram-Seite, aber Frau Holsten ist das neu:

„Dass ich das nicht wusste! So viel zu der Frage, wie aufmerksam immer die Aufsicht ist.“

Stimmt. Viel besser als mit diesem Podcast hätte man tatsächlich kaum veranschaulichen können, wie tief diese Landesmedienbehörden schlafen, und wie besonders tief offenbar die Direktorin aus Bremen.

Mit Beinen und Badehose am Pool

Wie funktioniert das denn, wenn man dauernd auf Instagram Bilder postet, auf denen man Kleidung trägt oder Autos fährt, die einem Unternehmen zur Verfügung stellen, damit man all das dauernd auf Instagram postet?

Holsten fragt:

„Sind Sie eigentlich schon reich damit geworden?“

„Erinnern Sie sich noch an das erste Paket, das Sie bekommen haben? Stand das einfach vor der Tür?“

„Haben Sie auch manchmal einen Bad-Hair-Day?“

Und dann will Frau Holsten unbedingt noch mal den Schwank hören, von dem ihr Herr Arnold „mal diesen einen Abend erzählt“ habe, „von dem Badehosen-Post“, eine ihrer „Lieblingsgeschichten“, die Arnold ihr dann abermals erzählt: Wie er einst „aus der Türkei“ ein Bild hochgeladen habe, „mit meinen Beinen und der Badehose am Pool“, sein erstes Posting. Das ist die Geschichte.

Frau Holsten ist begeistert: „Das ist der Beginn einer großen Karriere!“ Könnten nicht viele von sich sagen. Und was Herr Arnold da mache, sei „der einzige Beruf, den man nicht erklären kann“, aber mit dem man gut Geld verdiene.

„Das hab ich auch nie verstanden, woher … diese ganzen Fashion-Regeln, woher Sie die kennen. Sie schreiben ja wirklich viel unter Ihre Bilder!“

Tja, hm. Woher hat der das alles?

Content Copier

Die Texte, die unter den Instagram-Fotos von Maximilian Georg Arnold stehen, hat Maximilian Georg Arnold aus dem Internet. Vor einigen Tagen postete er einen Text, der sich fast Wort für Wort auf BeautyHeadlines.com findet; und was Arnold vor drei Wochen schrieb, ist ein Absatz aus einem „Vice“-Artikel; und Sätze in einem weiteren Instagram-Post stammen von einem Schneider und Unternehmer namens Jack Liang, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Auch die Fotos, die Herr Arnold postet, sind nicht immer seine: das Haus, von dem er einmal behauptet, es stehe in Schweden und er halte sich dort gerade auf, steht tatsächlich in London, Fotos davon gibt es zuhauf.

Aber davon ist im Podcast keine Rede. Der ahnungslosen Frau Holsten stellt sich Herr Arnold als „Content Creator“ vor, weil das „professioneller“ klinge und „freundlicher“ rüberkomme, das sei „etwas völlig Seriöses“ – und all die „Fashion-Regeln“, naja: „Das kommt mit der Zeit.“

Gottseidank hakt Frau Holsten nach:

„Wie groß ist denn ihr Kleiderschrank? (…) Haben Sie ein Ankleidezimmer, so wie Carrie Bradshaw?“

„Mal Hand aufs Herz: Über oder unter 30 Paar Schuhe?“

„Müssen Sie sich eigentlich noch Klamotten kaufen oder kriegen Sie alles geliefert?“

Und, natürlich:

„Uh! Das Thema Boxershorts würde ja eine ganze Podcast-Folge füllen.“

Follower-Spamming

Herr Arnold hat übrigens rund 200.000 Follower auf Instagram. Auch deshalb, weil er eine Zeitlang immer wieder sehr vielen Accounts folgte in der Hoffnung, dass diese ihm dann auch folgen. Bis Februar 2017 seien es täglich so um die 1.000 Accounts gewesen, denen Arnold erst folgte, um sie dann wieder zu entfolgen, sagt der Datenanalyst Luca Hammer, der sich das für uns angesehen hat. Man nennt das die Follow-Unfollow-Methode. So habe Arnolds Account „täglich um die 200 neue Follower bekommen“, was später zwar abnahm, aber trotzdem weiter neue Abonnent*innen bescherte.

Weil Frau Holsten in „Unreguliert – Frau Holsten fragt nach“ nach all dem nicht fragt, haben wir Arnold eine Mail geschickt. Kurze Zeit später veröffentlichte er eine Insta-Story, in der er mal sein „Nutzungsverhalten“ ansprechen wolle, das er nun „rückblickend sehr, sehr kritisch“ begutachte. 2017 und 2018 habe er „Hilfsmittel“ genutzt, um Follower zu generieren. Darüber könne man ja „ganz ehrlich“ reden. Er glaube auch, es gebe nur wenige Leute, die „so deutlich“ sagen würden, dass sie Fehler gemacht haben.

Ein „absolutes Fehlverhalten“ sei das „nicht richtige Markieren von Zitaten und Texten mithilfe von Quellenangaben“ gewesen, das habe er „realisiert“. Für „authentischen, qualitativ hochwertigen Content“ stehe er nun mal, doch selbst solcher Content sei inzwischen „durch den Algorithmus“ meist gar nicht mehr groß zu sehen, klagt Arnold. Was er gemacht habe, sei aber „einfach nicht mehr tolerierbar“ und werde „natürlich auch unterlassen“. Auch auf Seiten, die einem Account Likes verschaffen, will Arnold nun angeblich verzichten. Er sei dort „mal unterwegs gewesen“ und habe sie „ausprobiert“.

Per Mail schreibt Arnold, sein vergangenes Nutzerverhalten bedrücke ihn „seit geraumer Zeit“, und mittlerweile strahle es „negativ auf Leute und Unternehmen in meinem Umfeld“ aus, deshalb wolle er „Verantwortung übernehmen“. Er glaube aber auch, „dass es generell um die Problematik eines berechtigten Misstrauens in das Medium Instagram geht“. Bei verschiedenen Accounts finde man „Anomalien“, schreibt Arnold. Er sei es leid, dass darüber geschwiegen werde, „obwohl es jedem bewusst war“. Aber er wolle nicht von sich ablenken.

Das einzige, was er „entgegenbringen“ wolle, sei: „Dass mein follow/unfollow nicht Bot-gesteuert war sondern ‚Fleißarbeit'“.

Medienaufseherin Holsten dankt am Ende des 17-minütigen Gesprächs ihrem Gast und sagt, sie habe „sehr viel“ gelernt von ihm, „nicht nur in Fragen, die Fashion and Style betreffen“ – was genau, sagt sie nicht. Und eigentlich wäre das nur ein egales Gespräch in einem egalen Podcast, aber: Die Frau, die hier die Fragen stellt, eine frühere Richterin, ist seit knapp mehr als zehn Jahren die oberste Medienaufseherin Bremens; zu Ihren „Tätigkeitsschwerpunkten“ gehört unter anderem „Influencer-Marketing“, zudem ist sie „Lehrbeauftragte zu Social Media Trends“ an den Hochschulen Bremen und Bremerhaven.

Mitarbeit: Marcel Nährig

20 Kommentare

  1. Durchaus auch bemerkenswert die offensive Antwort von Herrn Arnold. Wäre ja schön, wenn er das alles so umsetzt.

  2. Klingt aber verzeihbar, weil es ein wenig so wirkt, als würde die Dame heimlich auf den Herrn stehen.
    Und so ein bisschen Verliebtheit, was sich in der rosaroten Brille äußert, mag zwar unprofessionell sein, aber im Rahmen eines Blogs macht es auch menschlich.

  3. Wenn jetzt aber die „Dame“ einen Job hat, dessen Auftrag darin besteht, solche „Herren“ zu überwachen?! Sehen Sie dann da keine Konflikte?

  4. @Physeter
    Doch, klar.
    Aber wie geschrieben, im Rahmen eines Podcast kann ich da ein Auge zudrücken, wenn die restliche Arbeit und die anderen Folgen nicht ähnlich sind.

    Und ich schrieb ja auch, dass eben dieser Fehler, dieser Konflikt zwar unprofessionell ist, aber irgendwie auch menschlich.

  5. @Micha: Ja, Fehler sind menschlich, absolut. Aber das macht es nicht besser oder verzeihlicher. Aus professioneller Sicht – und in diesem Kontext ist der Podcast zu sehen, da sie ihn eben nicht als Privatperson veröffentlichte – hat Frau Holsten nicht nur auf ganzer Linie versagt, sondern sich für ihren Job samt Nebentätigkeiten völlig disqualifiziert, wenn sie einen nachweislichen Lügner und Betrüger in der Premiere grenzenlos anschmachtet und lobhudelt ohne einzige Nachfrage hinsichtlich des Gebarens – und ganz nebenbei nicht einmal die korrekte Bezeichnung ihres Gegenübers wiederzugeben in der Lage ist. Sie soll doch keine Reklame machen für Personen, Institutionen und Angebote, die zu beaufsichtigen sie beauftragt ist. Jede ihrer Entscheidungen bzw. der ihrer Behörde macht sich dadurch angreifbar, da sie notwendige kritische Distanz vermissen lässt. Privat kann sie natürlich verknallt sein, in wen sie mag, als Aufseherin aber bitte eben privat. Ganz nebenbei untergräbt sie jahrzehntelange Arbeit für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts.

  6. #5

    Was den „nachweislichen Lügner und Betrüger“ betrifft, so kann man Frau Holsten vorhalten, dass sie nicht die Textbausteine des Bloggers geprüft hat und nicht kontrolliert hat, ob alle Fotos von ihm sind. Sie hat, zugegeben, auch nicht einen Datenanalysten beauftragt, die Follower-Strukturen zu überprüfen.

    Na, was man natürlich so als erstes macht, wenn man einen harmlosen Plausch mit einem Blogger plant.

    (Dass das Gespräch schon von der inhaltlichen Ausrichtung her nicht das ist, was ich von einer Medienaufseherin erwarte, steht auf einem anderen Blatt.)

  7. Als dienstälterter Radio/Tv Gf in Deutschland sage ich, die Aufsicht darf sich nicht lächerlich machen, dann bitte die Medienanstalten in einer Behörde bündeln, wie es die Nachbarländer alle machen. Die Regulierung der Infulencer im Internet hat nicht geklappt, das kann eine Bundesbehörde viel besser machen. Schließlich werden vielleicht damit Wahlen beeinflusst.

  8. Sie hat noch ein paar sehr wichtige Fragen vergessen:
    „Was machen Sie, wenn sie an ihrem linken Saum eine Laufmasche finden?“
    „Haben sie schonmal eine Socke linksherum getragen?“
    „Was haben Sie dabei empfunden?“
    „Wenn Sie morgens einen Tchibo Latte getrunken haben, wirken Sie dann lebendiger auf ihren Fotos?“
    „Ist das Wetter bei ihnen auch so schön wie hier in Bremen?“
    „Wenn ihr Haargel alle ist, was nehmen Sie als Ersatz?“

    Ich wette, sie verdient ein kleines Vermögen. Echt peinlich. Wird Zeit für Egalitarismus in Deutschland. Dann schmerzt sowas auch nicht so bretthart, wenn man davon erfährt.

  9. Soll dieser Podcast eigentlich ein Privater sein? Wieso stellt sich Cornelia Holsten dann zu Beginn als Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt vor und sagt: „Oder im Klartext: Ich bin die Medienaufsicht!“ Ich nehme mal an, sie ist damit auch gleich die zuständige Aufsicht für ihren eigenen Podcast. („Narrenfreiheit“ wäre dann auch ein passender Titel gewesen.) Wenn sie nicht schon selbst die Chefin wäre, würde ich mir ja wünschen, dass ihr*e Chef*in sie zur Seite nimmt und ihr erzählt, dass das so nicht geht. Ich habe wenig Verständnis dafür, dass die Direktorin einer Landesmedienanstalt nun meint, selbst Inhalteproduzentin werden zu müssen.

    @Anarchrist:

    „Ist das Wetter bei ihnen auch so schön wie hier in Bremen?“

    Der Gesprächspartner kommt laut Instagram-Profil auch aus Bremen, d.h. er hat da mit der Chefin seiner zuständigen Aufsicht geschnackt, wenn ich das richtig sehe.

  10. @Telemachos
    „Der Gesprächspartner kommt laut Instagram-Profil auch aus Bremen,“

    Hallooo? Jemand zu Hause?
    Ich habe eine Liste doofer Fragen aufgestellt.

    P.S. Dass er in Bremen war beim Telefonat, steht wo?

  11. So ernst scheint der Herr seinen Wandel nicht zu nehmen. Sein Story-Highlight, in dem er Besserung lobt, hat er schon wieder gelöscht.

  12. … Frau Holsten ist nicht nur oberste Medienaufseherin Bremens, also des kleinsten Bundeslandes. Sie war auch bis letztes Jahr Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten und damit sogar die oberste Medienaufseherin von ganz Deutschland. Und das macht die Sache erst so richtig peinlich.

  13. @ Micha:

    „Klingt aber verzeihbar, weil es ein wenig so wirkt, als würde die Dame heimlich auf den Herrn stehen.“

    Für mich persönlich klingt es so, als ziele die Kritik des Artikels zu einem Großteil darauf ab, dass Frau Holsten sich nicht nur nicht auf das Gespräch vorbereitet habe, sondern grundsätzlich wenig über die Branche wisse. Und dieser Teil wäre dann nicht durch eine Schwärmerei erklärbar.

  14. @LLL

    Ich habe den Artikel schon verstanden, Teile auch die Kritik und wollte mit meinen Worten eigentlich nur durch die Blume sagen, dass ich da auch wenig Kompetenz sehe. Und eben die Lächerlichkeit, dass es sich alles eher nach einem Teenie anhört.

    Wenn sie diesen Podcast als Teenie-Podcast weiter führen will, von mir aus gerne.
    Ist halt nur ein Podcast.

    Das sie damit wenig Qualifikation für ihren Job gezeigt hat, das dürfte unbestritten sein. :-)

  15. Ich frage mich, wer Frau Holsten beraten mag. Ich gehe mal davon aus, dass ein Mensch in solch einer Position und mit einer Vorgeschichte als Richterin sich nicht hinsetzt und einfach mal nen Podcast raushaut. Da steckt mit Sicherheit ein Team dahinter. So. Und nun ist doch eigentlich klar, dass die Dame da einen Haufen naiven Müll verzapft und sich selbst offenlegt, meiner Meinung nach auch den Ruf eines solchen Amtes beschädigen kann. Warum sagt da niemand »Stop, Frau Holsten, das kannste so nicht machen!«
    Eigenartig, das.

  16. # „Erinnern Sie sich noch an das erste Paket, das Sie bekommen haben? Stand das einfach vor der Tür?“

    Alf Poier antwortete einst auf die Interviewfrage „Wann und von wem haben Sie Ihre erste Fanpost bekommen?“: „Um zehn Uhr vormittags, vom Briefträger.“

  17. Interessante und, für mich auch nachvollziehbare, Kommentare.
    Ich durfte Frau Holsten, kürzlich, im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs kennenlernen, für eine von der Bremer Landesmedienanstalt ausgeschriebenen Stelle. Zwei Tage nach diesem habe ich mich dazu entschieden, die Bewerbung lieber wieder zurückzuziehen.
    Dieses Gespräch war angelegt wie, im Grunde, jedes im öffentlichen Dienst, jedoch wurde ich währenddessen eindringlich auf die Unabhängigkeit der Anstalt verwiesen.
    Einer der Gesprächsteilnehmer fragte mich, ob es noch andere Kanäle geben würde, wo man Stellenangebote veröffentlichen könne und ich hatte direkt eine Antwort parat, nämlich den Newsletter für Stellenangebote im öffentlichen Dienst von Bremen und dass ich dieses dort nicht las.
    Natürlich spielen da weitere Faktoren eine Rolle, jedoch bin ich von dem Gespräch insgesamt enttäuscht und wundere mich sehr wenig, dass die Nachwuchsprobleme auch (und endlich) bei einer „Anstalt des öffentlichen Rechts“ angekommen sind und man sich dessen immer noch nicht bewusst ist.
    Die Führung sollte neu besetzt werden und ich bleibe einfach bei meiner Anstellung. :)

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