Eine Zeitreise durch die Regenbogenpresse

„Soeben gekrönt – Königin Elisabeth ganz privat“: 70 Jahre Queen-Klatsch

Seit sieben Jahrzehnten ist Elizabeth die Königin des Vereinigten Königreichs. Und: der deutschen Klatschpresse. Über kaum einen anderen Menschen wurden in den bunten Blättern so beharrlich Geschichten geschrieben und erfunden wie über die Queen.

War das immer schon so schlimm? Wie sah die Regenbogenpresse vor 70 Jahren aus? Wie hat sie sich seitdem verändert? Und was wird sich wohl niemals ändern? Wie zeigen es Ihnen – auf einer Reise durch die Jahrzehnte, zurück in eine Zeit, in der die bunten Blätter noch schwarz-weiß waren und ihnen die Wahrheit noch am Herzen lag (wenn auch nicht sehr lange).


1940er

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als Deutschland Stück für Stück wieder zusammengeflickt wird, blüht auch die Medienlandschaft allmählich wieder auf: Tageszeitungen schießen aus dem Boden, „Der Spiegel“ wird gegründet, „Die Zeit“ und: „Die neue Landpost“, Untertitel: „Wochenblatt für die Familie“. Sie ist eine der ersten Vetreterinnen der damals ebenfalls aufkeimenden Regenbogenpresse. Ihre Erstausgabe erscheint im März 1948 – „veröffentlicht unter Zulassung Nr. 182 der Militärregierung“. Wenig später verkürzt sie ihren Namen auf „Neue Post“, unter dem sie auch heute noch erscheint.

Damals sieht sie noch aus wie eine Zeitung – großes Format, lose Blätter, lange Texte –, unterscheidet sich inhaltlich aber schon recht deutlich von anderen Zeitungen: Statt trocken-politisch geht es unterhaltsam-seicht zur Sache („Was singen Sie in der Badewanne – oder pfeifen Sie?“, „Sind Frauen klüger als Männer?“), der Ton ist locker, verspielt, ironisch, und das Publikum vornehmlich weiblich.

Das lässt sich auch an den Werbeanzeigen erkennen, in denen eine Unmenge von Produkten angepriesen wird, die „für jede gepflegte Frau unentbehrlich“ sind: vom „Büsten-Kosmetikum“ („Wenn Ihre Büste spärlich entwickelt oder die straffe, feste Form verloren hat, verzweifeln Sie nicht!“) über Lippenstift („Gut aussehen heißt größere Chancen im privaten und geschäftlichen Leben!“) oder Schlankheits-Dragees („In 2 Monaten 12 Pfd. abgenommen!“) bis hin zum „weltberühmten, seit 20 Jahren unerreichten Original-Präparat zur spurlosen Totalbeseitigung von Damenbart und häßlichen Bein- u. Körperhaaren“.

Auf ihren Titelseiten locken Blätter wie „Neue Post“, „Revue“ oder „Quick“ schon damals gerne mit berühmten Persönlichkeiten. Für Königshäuser haben sie zu dieser Zeit zwar noch nicht viel übrig, dafür umso mehr für Filmstars wie Greta Garbo, Phyllis Calvert oder Margaret Lockwood, deren Gesichter (damals noch in schwarz-weiß) den Leserinnen großflächig entgegenstrahlen.

Und schon damals kann man die ersten Tricks der Redaktionen erkennen, die sie über die nächsten Jahrzehnte weiter perfektionieren werden, um auf der Titelseite auch bei minimaler Nachrichtenlage maximale Aufmerksamkeit zu generieren. So lautet die Schlagzeile über einem Leitartikel der „Neuen Post“ im August 1948:

Angst vor dem Schuheputzen:

Die [N-Wort] gehören zurück in den Busch!

Was zunächst wie die provokante Forderung der Redaktion oder gar die Haltung einer breiten Öffentlichkeit klingt, entpuppt sich nach Lesen des Artikels jedoch bloß als die Aussage von ein paar Studenten, die die „Neue Post“ am Rande der Olympischen Spielen in London getroffen hatte.

… da sagte ein junger Student: „[N-Wort] gehören nicht auf die Olympiade. Seht euch das doch an! Sie jagen den Weißen ja einen ganzen Haufen Goldmedaillen ab!“ (…)

„Ich sage euch,“, sagt einer, „die [N-Wort] gehören zurück in den Busch! Wenn das so weiter geht, dann werden wir in 50 Jahren den [N-Wort] die Schuhe putzen!“

Die „Neue Post“ selbst sieht das ganz anders:

Sie wollten nicht einsehen, daß nicht die Farbe der Haut, sondern das, was unter ihr steckt, den Wert des Menschen bestimmt. Sie würden lieber einen Rassenpartner, der sie begaunert, umarmen, als einen Andershäutigen „Freund“ nennen, wenn er ein guter Kerl wäre.

Eine progressive Haltung zeigt die Redaktion seinerzeit auch bei anderen Themen: Sie kritisiert beispielsweise den permanenten Schönheitszwang, den die Gesellschaft Frauen auferlege:

Nehmen wir z. B. die Frage der Schönheit. Von Frauen wird sie gefordert. Und brav und treu malträtieren wir unsere Haut mit Cremes, Massagen und Dampfbädern, ertragen geduldig die Qualen der Dauerwellen, reißen uns bei lebendigem Leibe störende Härchen aus den Augenbrauen, verrenken uns gleich nach dem Aufstehen sämtliche Gliedmaßen, und doch – eine etwas nettere Nasenspitze unserer Nachbarin sticht uns aus. Wie die Motten zum Licht, stürzen sich die Männer auf das netteste Lärvchen. Keine Chance den inneren Werten.

Aber was tun sie selber? Als ob wir Frauen nicht auch gerne gutaussehende Männer um uns sähen. Stürzen sie sich vielleicht in die geringsten Unkosten? Nehmen sie Unbequemlichkeiten in Kauf? Keine Spur.

Lügen als Beruf

Auch im Hinblick auf ihre eigenen Branche hat die „Neue Post“ damals eine eindeutige Haltung, wie sich in einem Artikel über die Amerikanerin Hedda Hopper erkennen lässt:

Hedda Hopper ist ein Begriff in den Staaten. Weit und breit gilt sie als die erfolgreichste Gossip-Journalistin, was in der deutschen Sprache ziemlich genau mit „Klatschbase“ übereinstimmt. Als Klatschbase läßt sie nichts zu wünschen übrig, und über den Wert der Wahrheit hat sie ihre eigenen Ansichten. Es kommt ihr wirklich nicht darauf an, ob die von ihr kolportierten Sensationen nur einen winzigen Kern enthalten.

Süffisant-empört berichtet die „Neue Post“, dass Hopper zum Beispiel geschrieben habe, Greta Garbo sei im Begriff, den Dirigenten Leopold Stokowski zu heiraten:

Es war eine herzerweichende Geschichte. Was tat es, daß sie von A bis Z aus dem Finger gesogen worden war! Die Leute lasen sie mit fast feuchten Augen, und der Grundstein zu Hedda Hoppers Ruhm war gelegt.

Sie habe „Lügen“ zu ihrem „Beruf“ gemacht, bilanziert die „Neue Post“:

Das Ganze ist die erfolgreichste Zeitungsklatschbase Mrs. Hedda Hopper, Hollywood, USA. Mit Verlaub: Wo sonst?

Da scheint die Redaktion noch nicht zu ahnen, dass die Antwort auf ihre Frage schon bald lauten wird, mit Verlaub: im eigenen Haus.


1950er

Zum Ende der 40er- und Anfang der 50er-Jahre gibt es in den Blättern drei entscheidende Entwicklungen:

  1. Es werden immer mehr. Neben der „Neuen Post“, „Revue“ und „Quick“ erscheinen auch „Bunte“, „Frau mit Herz“, „Frau im Spiegel“, „Neue Welt“, „Das neue Blatt“, „Neue Illustrierte“, „Frankfurter Illustrierte“ und etliche weitere Titel. Sie entwickeln sich prächtig: Viele der Blätter verkaufen Woche für Woche hunderttausende Ausgaben (und tun es in einigen Fällen bis heute).
  2. Die Titelschlagzeilen werden größer. Während sie zuvor auf vielen Ausgaben kaum zu lesen waren, nehmen sie jetzt mitunter ein Viertel der ganzen Titelseite ein. (Womöglich auch inspiriert von der „Bild“-Zeitung, die 1952 erstmals erscheint und schnell sehr erfolgreich ist.)
  3. Der Kreis der Protagonisten wird erweitert. Zwar spielen Hollywoodstars auch weiterhin eine große Rolle – Ingrid Bergman, Rita Hayworth, Humphrey Bogart –, doch entsteht bei den Blättern plötzlich auch ein reges Interesse für eine Kategorie von Prominenten, die sie bisher weitgehend außer Acht gelassen hatten. Denn im Jahr 1951 betritt eine junge Frau die Weltbühne, die die deutsche Klatschpresse so nachhaltig beeinflussen wird wie kaum jemand vor oder nach ihr: Soraya Esfandiary-Bakhtiary.

Die damals 18-jährige Tochter einer deutschen Mutter und eines persischen Vaters heiratet am 12. Februar 1951 den Schah von Persien. Ein Märchen wie aus „Tausendundeiner Nacht“, und dann noch mit einer Prinzessin deutscher Abstammung! Die Redaktionen sind sofort verzaubert. Allein diese Kennenlerngeschichte! Die „Neue Post“ schmachtet:

Nie lag ein schönerer Sommerabend duftend über Neuilly sur Seine bei Paris. Berückende Frauen, elegante Männer trafen sich im Park der Villa des persischen Botschafters. Man drehte sich lässig nach zarten Walzerklängen. Unter den Gästen war dem Rang nach ein bedeutender Mann, ein Kaiser, jung an Jahren, der Schah von Persien, seit Jahren Herrscher von Iran, Herr über jenes merkwürdiges Land der Teppiche, der Seide, des Haschischs, des Safranholzes, der Erze und der Oelquellen.

Er hatte ein energisches Gesicht, aber müde Augen. Er war erst vor einigen Stunden in Paris eingetroffen. An seiner Seite war ein Perser, der aufmerksam die Menschen musterte, die sich an ihnen vorüberbewegten. Plötzlich stutzte er.

„Da ist sie!“, flüsterte der Begleiter.

„Wundervoll! Wie heißt sie?“

„Soraya!“

„Wenn man es in die Sprache des Westens übersetzt: Stern des Lichts!“

„Soll ich sie um den nächsten Walzer bitten?“

Der Schah nickte.

So lernten sie sich kennen, der Schah von Persien, der Kaiser auf dem Pfauenthron, und ein Mädchen mit Namen Soraya.

Über dem Horizont stand im Morgengrauen mit warmem Schein Venus, der Stern der Liebenden.

Sorayas Stern war in dieser Nacht aufgegangen!

Und besonders hell strahlt er in Deutschland: Die Blätter nennen sie die „Märchenprinzessin“, die „Deutsche auf dem Pfauenthron“ (obwohl die Krönung gar nicht auf dem prunkvollen und vor allem: verschollenen Pfauenthron stattfand, sondern auf dem vergleichsweise schlichten Nader-Thron). Monatelang, jahrelang ziert Soraya fortan die Titelseiten; die Klatschpresse ist dermaßen besessen von ihr, dass sie im Volksmund sogar den Namen „Soraya-Presse“ bekommt.

Es ist der Beginn einer Ära, die auch 70 Jahre später immer noch anhält: der royale Rausch der Klatschredaktionen.

Prinzenhochzeiten und Königinnenkrönungen

Angefixt von den märchenhaften Soraya-Geschichten (die sich auch märchenhaft verkaufen), wenden sich Blätter vermehrt auch anderen Adeligen zu. Die „Revue“ zeigt im März 1952 über die komplette Titelseite das Foto einer – wie sie darunter in Schnörkelschrift jubelt – „Prinzenhochzeit“:

Die Vermählung des Kaiser-Enkels Prinz Wilhelm Karl von Preußen mit Armgard Freiin von Veltheim, genannt „Pünktchen“, wurde zu einem der glanzvollsten gesellschaftlichen Ereignisse der Nachkriegszeit. Sonderbericht in diesem Heft.

Die „Neue Post“ bringt im Januar 1952 eine große Titelgeschichte über „Unsere Deutschen Prinzen“, die sie exklusiv in ihren Palästen besucht hatte: „Um unsere Fürstenhäuser weht der Wind einer neuen Zeit. Die jungen Generationen der alten Geschlechter haben einen klaren Blick bekommen für die Forderung des Tages. Unsere Prinzen sind ganz moderne Menschen.“

Einen Monat später kommt plötzlich eine Nachricht, die um die ganze Welt geht und der deutschen Klatschpresse in ihrem frisch entfachten royalen Fieber gerade recht kommt: Der König von England ist gestorben – auf den Thron folgt ihm seine 25-jährige Tochter, die dieser Zeit gerade auf einem Staatsbesuch in Kenia ist: Elisabeth II. – Königin des Vereinigten Königreichs.

„Die Last der Krone ruht jetzt auf dem Haupte einer jungen Frau“, schreibt die „Revue“: „God save the Queen!“

In den Wochen darauf erscheint Elizabeth immer wieder auf den Titelseiten: „Elisabeth ganz privat“, „Elisabeths kosmetische Geheimnisse“, „Elisabeth II. – Ein Lächeln für die Welt“. Zu ihrer Krönung bringen die Blätter große Sonderberichte mit seitenlangen Fotostrecken: „Das Ereignis des Jahres 1953: Krönung in London!“

Direkt aus dem Kopf der Queen

Die „Neue Post“ belässt es nicht dabei: Sie veröffentlicht kurz vor der Krönung einen Artikel, der in jeder Hinsicht bemerkenswert ist – ein Text, der neben vielen anderen seiner Art den Ruf der Regenbogenpresse über Jahrzehnte hinweg prägen wird.

Er füllt im Mai 1953 die komplette Titelseite, ist überschrieben mit: „Königin Elisabeth – Der schönste Tag meines Lebens“, und er beginnt so:

London, 20. November 1947, – in einem rosafarbenen Schlafzimmer im ersten Stock des grauen, alten Buckingham-Palastes liegt ein 21jähriges Mädchen und starrt zur Decke.

Der Morgen ist nebelig und unfreundlich, aber Elisabeth, Prinzessin von Großbritannien, merkt es nicht. Sie ist selig: heute ist ihr Hochzeitstag. Sie springt aus dem Bett und läuft zum Fenster. Unten in der Mall, der großen Auffahrtstraße zum Palast, stehen schon Neugierige, die sich während der Nacht eingefunden haben.

„Mein Hochzeitstag“, flüstert Elisabeth. Dann fällt ihr Blick auf den Frühstückstisch, und sie lächelt. Zwischen Kannen und Geschirr steht ein Strauß weißer Nelken, ein Gutenmorgengruß von Philip.

Sie ruft ihre Zofe Bo-Bo. – Elisabeth und Margaret geben jedem, der ihnen nahesteht, einen Spitznamen. – „Komm, hilf mir mit dem Brautkleid!“

So geht es immer weiter: Über mehrere Seiten schildert die „Neue Post“ bis ins kleinste Detail, was Elisabeth macht und sagt, was sie denkt und was sie fühlt, als wäre sie ständig mit dabei, im Palast, in ihrem Zimmer, in ihrem Kopf. Quellen für das alles gibt sie nicht an; wahrscheinlich hat sie es einfach so gemacht wie die wenige Jahre zuvor von ihr noch süffisant kritisierte Hedda Hopper: von A bis Z erfunden.

Die Redaktion nennt diesen Text einen „großen Tatsachenbericht“.

Von mehr als 300.000 Menschen wird die „Neue Post“ zu dieser Zeit gelesen. Vielen davon dürfte klar gewesen sein, dass ein solcher Artikel keine Tatsachen abbildet, sondern allenfalls die Fantasie der Redaktion. Trotzdem kaufen sie die „Neue Post“ und ähnliche Blätter weiter. Es scheint sie nicht zu stören, dass die Redaktionen über den Wert der Wahrheit ihre eigenen Ansichten haben, dass es ihnen wirklich nicht darauf ankommt, ob die von ihr kolportierten Sensationen nur einen winzigen Kern enthalten – woran sich übrigens weder auf der Seite der Leserschaft noch auf der Seite der Redaktionen bis heute viel geändert hat.

Was in den Sternen steht

Die Queen-Berichterstattung der 1950er-Jahre besteht neben solchen „Tatsachenberichten“ und den schmachtenden Artikeln über die märchenhafte Welt der Royals noch aus einem weiteren Element: dem Übersinnlichen.

Schon damals wenden sich die Blätter für ihre Artikel immer wieder an „Experten“ aus der Welt des Paranormalen, an Wahrsager:innen, Hellseher:innen, Astrolog:innen. Die „Revue“ veröffentlicht kurz vor der Krönung „Das Horoskop Elisabeths“ – in dem ihr unter anderem „Intrigen und auch Feindschaft“ prophezeit werden (aufgrund der azurnen Isoliertheit des Saturn selbstverständlich). Auch das Horoskop von Prinz Charles – damals 4 Jahre alt – wird groß abgedruckt: In seinem Leben, so die Vorhersage, „spielen die Frauen eine außergewöhnlich große Rolle“, für ihn sei „Heiraten wichtiger als Regieren“:

„Mond“ und „Venus“ reichen sich bei ihm die Hand, wie es bei Don Juan der Fall war.

Auch die „Neue Post“ blickt 1952 in die Sterne und verkündet auf der Titelseite „Geheimnisvolle Prophezeiungen für Elisabeth“ – kleiner Auszug:

  • 17 Jahre hindurch Unruhe, Kriege, vor allem auch im Nahen Osten.
  • Dramatische Ereignisse zwischen 1955 und 1957 werden die USA zwingen, London um Hilfe zu ersuchen.
  • Bei Prinz Charles sind nach den kosmologisch zu errechnenden gesundheitlichen Dispositionen die Chancen fast gleich null, daß er jemals an die Regierung kommen wird.

Und wie lange wird Elizabeth regieren?

Die einen rechnen mit 38 Jahren und die anderen mit 49 Jahren. 49 Jahre einer Regierung unter Elisabeth II. 49 Jahre? Solange also wie Elisabeth I. regierte?

Und dann listet die „Neue Post“ eine lange Reihe von Punkten auf, die, wenn wir das richtig verstehen, belegen sollen, dass Elizabeth II. die heimliche Reinkarnation von Elizabeth I. ist. Oder so.

Die Quellen dafür sind „einer der erfolgreichsten Kosmologen unserer Zeit“ sowie „ein französischer Ägyptologe“, der „seit Jahr und Tag die Geheimnisse der Pyramiden erforscht“.

Und so bescheuert und willkürlich das alles klingen mag: Für die Redaktionen sind solche Artikel damals extrem lehrreich. Denn plötzlich erkennen sie, dass sich nicht nur die hübsch-glitzernden Märchengeschichten voller Friede-Freude-Königsglück gut verkaufen, sondern dass auch „geheimnisvolle Prophezeiungen“, mögliche „Intrigen und Feindschaften“ und „dramatische Ereignisse“ ziemlich gut funktionieren.

Und damit beginnt ein neues Zeitalter in der Geschichte der Regenbogenpresse – die Ära der Dramen und Skandale, die Ära der Privatsphärenverletzungen, aber auch: die Ära, in der sich die royalen Protagonisten erstmals gegen die Lügen der bunten Blätter wehren.


1960er & 1970er

Dabei geht es in Sachen Queen-Berichterstattung zunächst noch sehr versöhnlich zu, was vor allem an zwei Ereignissen liegt. Nummer eins: die Geburt eines Royal Babys, Edward, im März 1964 (was schon damals verzückte Schlagzeilenstürme auslöst).

Nummer zwei: Elizabeths erster Staatsbesuch in Deutschland im Mai 1965. Schon Wochen vorher stimmen die Blätter mit freudigen Artikelserien auf das historische Ereignis ein: Die „Revue“ veröffentlicht eine „glanzvolle Serie“ über „Die deutschen Verwandten“ der Queen, klärt aufgeregt die Frage „Wie begrüßt man eine Königin?“, heißt sie willkommen mit einer großen Titelschlagzeile („Deutschland grüßt Elisabeth“) sowie einem offenen Brief („Your Gracious Majesty“) und verabschiedet sie schließlich mit einem weiteren „großen Sonderbericht“ und dem jubelnden Fazit:

Elisabeth eroberte ein Land

Ihr Lächeln war es, das ihr die Herzen gewann.

Der Charme dieser Königin nahm vom ersten Tag ihres Staatsbesuchs in der Bundesrepublik an die Menschen gefangen.

Wilhelmine Lübke schwärmte von ihr.

Die Prominenz war verzaubert.

Für die fahnenschwingenden Kinder war sie wie aus dem Märchenbuch.

Und niemand merkte der lächelnden jungen Frau die Bürde ihrer schweren politischen Aufgabe an.

Außerdem bringt das Blatt noch eine weitere Titelgeschichte zum Queen-Besuch: Neben einem großen Foto von Prinz Philip heißt es: „Seine Frau, die Königin – Lesen Sie das Interview mit Prinz Philip auf Seite 16“. Wieder einer dieser Tricks, die sich bis heute gehalten haben, denn geführt wurde das Interview nicht von der Zeitschrift selbst, sondern von der BBC – die „Revue“ hat es bloß abgeschrieben.

In der „Neuen Post“ zeichnet sich derweil das erste große Drama ab: „Haben sich Königin Elizabeth und Prinz Philip auseinandergelebt“, titelt die Redaktion und lässt das Fragezeichen gleich mal weg, schließlich ist für sie die Sache eh schon klar. Hintergrund des „Skandals“ ist ebenfalls das BBC-Interview, in dem Philip die bevorstehende Ernennung seines Sohnes zum Prinzen von Wales auf Schloss Caernarfon als eine „mittelalterliche Zeremonie“ bezeichnet hatte.

Über diese Aussage seien „alle konservativen Engländer“ „zutiefst schockiert“, schreibt die „Neue Post“, „vor allem aber Königin Elizabeth“, denn „sie hängt sehr an dieser Zeremonie“:

Nun fürchtet sie zum erstenmal in den 21 Jahren ihrer glücklichen Ehe, daß sie sich dadurch ihren Mann entfremdet, daß er eigene Wege gehen wird, die ihn von ihr immer weiter wegführen könnten.

So geht es in den nächsten Jahren dann auch weiter:

Peinlich – alle konnten mithören: Der laute Ehestreit zwischen Königin Elizabeth und Prinz Philip

… heißt es beispielsweise im Juni 1977 auf der Titelseite der „Neuen Post“. Von der „ungewöhnlich temperamentvollen Auseinandersetzung“ erzähle man sich „in englischen Gesellschaftskreisen“: Grund für den Streit sei gewesen, dass Elizabeth beim Umkleiden etwas länger als sonst gebraucht habe, worauf Philip „einen erschreckenden Wutanfall“ bekommen habe.

Neben Elizabeth und Philip landen zu dieser Zeit immer häufiger auch andere Mitglieder des Königshauses auf den Titelseiten. Insbesondere Prinz Charles, dem die „Neue Post“ damals mit aller Kraft eine Liebesbeziehung mit Caroline von Monaco anzuhängen versucht:

Sensationelle Behauptung: Kronprinz Charles verlobte sich heimlich mit Caroline von Monaco

Der schwere Liebenskonflikt von Prinz Charles: Prinzessin Caroline soll Königin von England werden

Als sich Caroline kurz darauf tatsächlich verlobt, aber nicht mit Charles, sondern mit einem französischen Industriellen, schwenkt die Redaktion schnell um und titelt:

Königin Elizabeth: Ich habe die Braut für Charles gefunden

Es gebe „in Gesellschaftskreisen kaum noch Zweifel, daß Kronprinz Charles die luxemburgische Prinzessin Marie-Astrid heiratet“, behauptet die Redaktion diesmal – und liegt wieder daneben; die Prinzessin heiratet wenig später ihren Großcousin.

Soraya wehrt sich

So nehmen Gerüchte, Spekulationen und Erfindungen über das Liebes- und Privatleben der Royals immer weiter zu. Ganz besonders davon betroffen ist auch eine alte Bekannte der Regenbogenblätter: Soraya.

Deren Ehe mit dem Schah von Persien wird schon wenige Jahre nach der Hochzeit geschieden, was in den Zeitschriften wieder eine riesige Flut von Artikeln nach sich zieht. „Das neue Blatt“ etwa (das damals noch nicht im Bauer-, sondern im Axel-Springer-Verlag erscheint) druckt im April 1961 einen großen „Sonderbericht“:

Soraya: Der Schah schrieb mir nicht mehr

In dem „Exklusiv-Interview“ enthüllt Soraya höchstpersönlich viele Details aus ihrem Privatleben.

Allerdings: Es ist frei erfunden.

Und das lässt Soraya nicht auf sich sitzen: Als eine der ersten Prominenten überhaupt geht sie juristisch gegen die Berichterstattung vor und erwirkt eine Gegendarstellung, in der sie feststellt, dass das Interview nicht stattgefunden habe (die Redaktion veröffentlicht die Gegendarstellung wenig später – eingebettet in eine neue Soraya-Story). Darüber hinaus wird der Verlag zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 15.000 DM verurteilt. Zwar geht er dagegen in Berufung und legt später sogar eine Verfassungsbeschwerde ein, bleibt jedoch mit beidem erfolglos. Der Fall gilt bis heute als Meilenstein der deutschen Rechtsgeschichte.

Queen Elizabeth derweil lässt die Gerüchte und Lügen der Klatschpresse (sowohl der in Deutschland als auch der in Großbritannien) damals noch gänzlich unkommentiert, auch juristische Maßnahmen ergreift sie nicht. Das ändert sich erst ein paar Jahre später, zu Beginn der 1980er, als eine neue Figur in ihr Leben tritt, die nicht nur das Königshaus, sondern auch die internationale Klatschwelt für immer verändern wird – Diana Frances Spencer, besser bekannt als: Lady Di.


1980er & 1990er

Als 1981 bekannt wird, dass Prinz Charles die 19-jährige Diana heiraten wird, ist die deutsche Klatschpresse zunächst völlig begeistert. Die „Bunte“ startet schon zwölf Wochen vor der Hochzeit eine große Serie – „Der Prinz und die Jungfrau“ –, in der sie ausführlich über Charles, Diana, die Familienmitglieder und die Hochzeitsvorbereitungen schreibt und ungeduldig runterzählt: „Noch zwölf Wochen bis zur Hochzeit“, „Noch elf Wochen bis zur Hochzeit“, „Noch zehn Wochen …“ Und dann, endlich: „Dianas Märchenhochzeit – In Farbe: Die schönsten Fotos aus London“.

So geht es eine ganze Weile weiter:

Strahlende Diana, glückliches England – Mit jedem Tag wird sie schöner

Prinzessin Diana – Lady des Jahres

Happy Diana – Wie die Prinzessin in zwei Jahren zum Liebling der Briten wurde

Als sie Italien besucht: „Italien liegt ihr zu Füßen – Großer Farbbericht“. Als sie die USA besucht: „Endlich war sie da! DIANA – EIN AMERIKANISCHER TRAUM“ (dazu eine große Fotomontage: Dianas Kopf auf dem Körper der Freiheitsstatue).

Umso größer der Freudentaumel, als Diana 1982 ihr erstes Kind bekommt. Die „Bunte“ bringt eine Titelgeschichte nach der anderen („Alles über Diana und ihr Baby“, „Die schönsten Fotos: Dianas kleiner Prinz“), lässt einen „Starastrologen“ in das Horoskop des Babys schauen („Die wichtigste Person im Leben des Babys wird immer seine Mutter Prinzessin Diana sein“) und druckt eine ganze Spezialausgabe: „Diana im Glück – 140 Seiten in Farbe“.

Doch schon bald ändert sich die Stimmung. Die positiven Schlagzeilen verschwinden, fokussiert werden stattdessen immer mehr: Eheprobleme, private Krisen, „Dramen“ und „Skandale“. Woche für Woche gibt es neue Negativgeschichten über Diana und die Königsfamilie, die angeblich von Menschen aus ihrem Umfeld „ausgeplaudert“ wurden. Die „Neue Post“ titelt allein in den ersten Wochen des Jahres 1983 unter anderem:

Diana und Charles: Großer Ärger um den Hausfreund

(Quelle ist „eine Bedienstete“)

Darum will das Thronfolgerpaar zur Zeit kein zweites Kind: Diana nimmt jetzt die Pille

(eine „Vertraute der Königsfamilie“)

Diana: Sind Diana und ihr Mann tatsächlich Rabeneltern?

(irgendein „Priester“)

Diana: Das intime Tagebuch ihrer schweren Ehekrise

(„ein langjähriger Kammerdiener“)

Königin Elizabeth griff ein – Sie will Dianas Ehe unbedingt retten – Prinz Charles kehrte bereits ins gemeinsame Schlafzimmer zurück

(„heißt es in Hofkreisen“)

Ausweg aus der Ehekrise: Dianas neuer Schwangerschaftsplan

(„heißt es im Buckingham-Palast“)

Charles beim Eheberater – Dianas Probleme mit dem gemeinsamen Ehebett

(„in Gesellschaftskreisen erzählt man sich“)

Während Charles als Hobby-Knecht auf einem Bauernhof arbeitete: Dianas peinliche Ohrfeigen-Affäre mit Anne

(„plauderte eine Angestellte aus“)

Das unglaubliche Doppelleben von Charles – ein schlimmer Schock für Diana

(„enthüllte ein Küchenjunge“)

Diana mit Charles bei der Seelenärztin

(sagen „Eingeweihte“)

Nervenkrise: Dianas Kindermädchen rief verzweifelt um Hilfe

(„berichteten Wachposten“)

Dianas komplizierter Schwangerschaftstest in Australien und wie Charles alles erfuhr

(„berichteten Begleiterinnen der Prinzessin“)

Weltreise zerrt an den Nerven: Dianas Flucht mit dem Baby

(verriet „ein Sicherheitsbeamter“)

Diana: Der peinliche Irrtum des Frauenarztes

(heißt es „in Londoner Gesellschaftskreisen“)

Die Queen wehrt sich

Das Geschäft mit dem Privatleben der Royals nimmt (nicht nur in Deutschland) dermaßen Überhand, dass sich Königin Elizabeth im Februar 1983 gezwungen sieht, erstmals dagegen vorzugehen.

Sie befindet sich gerade auf einem Besuch in Mexiko, als die britische „Sun“ eine Serie von „Enthüllungen“ eines ehemaligen Palastangestellten ankündigt (u.a.: „Wie mir Diana barfuß ein Butterbrot schmierte“). Elizabeth beauftragt ihre Anwälte, rechtliche Schritte gegen die Zeitung und den ehemaligen Angestellten einzuleiten – mit Erfolg: Ein Gericht erlässt eine einstweilige Verfügung und untersagt der „Sun“ die Veröffentlichung weiterer geplanter Artikel der Serie. (Später erklärt sich das Murdoch-Blatt in einer außergerichtlichen Einigung dazu bereit, 4.000 Pfund an eine wohltätige Journalismusorganisation zu spenden.)

Ruhe kehrt danach aber nicht ein. Sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland wühlen die Blätter unermüdlich weiter im Privatleben der Königsfamilie, und wenn sie nichts finden, denken sie sich irgendwas aus. Und zwar nicht nur über Wochen oder Monate – sondern über mehr als zehn Jahre.

So titelt die „Neue Post“ Anfang der 90er immer noch Woche für Woche Dinge wie:

Prinzessin Diana: Neue Enthüllungen über ihr Ehe-Elend

Ehebruch, Selbstmordversuch, geheime Fotos – Prinzessin Diana am Rande des Abgrunds

Wer hätte das gedacht! Prinzessin Diana: Das neue intime Telefon-Protokoll

Großer Sonderteil: Seelische Grausamkeit: Dianas öffentlicher Nervenzusammenbruch

Prinzessin Diana: Wie Ehemann Charles seine Frau demütigte – Jahrelang verweigerte der englische Thronfolger den Beischlaf

Prinzessin Diana: Von der Familie verfolgt und kaltgestellt – Und Ehemann Charles besucht seine heimliche Geliebte

Prinzessin Diana: Nachruf auf ihre Ehe

Englands Thronfolger Prinz Charles klagt an: Die schlimmen Sünden von Diana – Wie König Juan Carlos von Spanien Diana in ihrer seelischen Not hilft

Prinz Charles: Die Männer-Krankheit, unter der Diana so sehr leiden mußte

Dianas Weg ins Unglück: Kronprinz Charles: Seine wahre Liebesgeschichte mit allen Details

Prinz Charles: Seine Treulosigkeit gegenüber Diana kannte keine Grenzen

Auch die Berichterstattung über Königin Elizabeth hat in dieser Zeit fast ausschließlich mit Diana und Charles zu tun:

Königin Elizabeth: Sühnetermin mit Diana und Charles vor dem Familiengericht

Königin Elizabeths gnadenlose Jagd auf Schwiegertochter Diana – Wie der gute Ruf der Prinzessin vernichtet werden soll

Wie sich die Demütigung abspielte: Diana von Königin Elizabeth in die Knie gezwungen

Prinzessin Diana: Zum Ehekrieg kommt nun auch noch Ärger mit der geizigen Schwiegermutter

Die Queen weißt immer fast alles – Wie Königin Elizabeth ihre Spione bei Diana und Charles einsetzt

Besonders deutlich wird diese Entwicklung im Oktober 1992, als die Queen zum zweiten Mal einen offiziellen Staatsbesuch in Deutschland abhält. Im Gegensatz zu ihrem ersten Besuch, den die Blätter mit entzückten Schlagzeilen begleitet hatten, dreht sich jetzt alles um das private Verhältnis zwischen der Königin und Diana:

Großer Sonderteil! Alles über den Deutschlandbesuch – Elizabeth: Als Königin beliebt, als Schwiegermutter gefürchtet

Ankunft der Paparazzi

Von früheren Jahren unterscheidet sich die Royal-Berichterstattung der 80er und 90er aber nicht nur durch die enorme Zunahme von Gerüchten, Spekulationen und Erfindungen, sondern auch durch ein Element, das es in dieser Form bis dato nicht gegeben hatte: Paparazzifotos.

Während die Redaktionen früher immer nur Fotos abgedruckt hatten, die der Palast selbst veröffentlicht hatte (Elizabeth und Philip lächelnd im Garten; Philip und Anne beim gemeinsamen Grillen) oder die bei öffentlichen Auftritten entstanden waren (Die Queen im Parlament; Prinz Charles auf einem Festbankett), sind die Artikel nun immer wieder bebildert mit Fotos, die heimlich aufgenommen wurden.

(Unkenntlichmachung von uns.)

Die „Neue Post“ zeigt 1992 eine Reihe von Fotos, die Diana im Badeanzug am Pool eines Hotels in Ägypten zeigen. „Flink streifte Diana zum Baden ihre Jogginghose ab“, kommentiert das Blatt daneben und stellt hämisch fest: „Irgendwie fühlte sie sich am Pool in Kairo beobachtet. Als sie die Kameras entdeckte, flüchtete Diana“.

Die Fotografen, deren Bilder aus Dianas und Charles‘ Privatleben auch in deutschen Redaktionen reißenden Absatz finden, verfolgen die beiden auf Schritt und Tritt. Ob im Skiurlaub („Hinter den Hüttenpfosten glaubten Charles und Diana sich allein zu zweit: Sie wollten die Aussicht genießen“), bei privaten Treffen („Aus der Ferne fotografiert: Charles verläßt mit Camilla Parker Bowles das Haus und steigt ins Auto“) oder im Kreis ihrer Familie („Die Prinzessin mit ihrem jüngsten Sohn bei ‚Wasserspielen‘“) – die Paparazzi lauern hinter jeden Ecke.

Charles und Diana sind zwar nicht die einzigen, denen es so geht, auch Prinz Andrew und Sarah Ferguson oder auch Caroline von Monaco werden immer wieder heimlich fotografiert, Letztere oft im Bikini, oft in Begleitung angeblicher Liebschaften („Enthüllende Fotos: Prinzessin Caroline auf der Liebesinsel“) – was wenig später zu einem weiteren Meilenstein in der Rechtsgeschichte führen wird, den Caroline-Urteilen –, doch auf niemanden haben es die Fotojäger so sehr abgesehen wie auf Diana.

Selbst nach ihrer Scheidung von Prinz Charles im August 1996 lassen die Paparazzi nicht von ihr ab, und so liegen sie auch ein Jahr später auf der Lauer, als sich Diana mit ihrem neuen Freund Dodi Al-Fayed in einem Hotel in Paris trifft. Um kurz nach Mitternacht verlassen die beiden das Gebäude und fahren – verfolgt von Fotografen – durch Paris. In einer Unterführung kracht der Wagen gegen einen Brückenpfeiler. Der Fahrer und Al-Fayed sterben noch am Unfallort, Diana erliegt wenige Stunden später ihren schweren inneren Verletzungen.

Die deutsche Klatschpresse reagiert auf Dianas Tod zunächst mit scheinbarer Trauer, geht aber schnell wieder in die Fließbandproduktion aus Gerüchten, Lügen und Paparazzifotos über, die auch die nächsten Jahre prägen wird.


2000er bis heute

Seit Dianas Tod gibt sich das Königshaus große Mühe, den Blättern kein Futter mehr zu liefern. Diana hatte sich insbesondere nach der Trennung von Charles zwar noch selbst in Interviews zu ihren Eheproblemen und anderen Dingen geäußert, doch seitdem ist man bemüht, möglichst wenig Privates nach außen dringen zu lassen, was auch (bis auf ein paar Ausnahmen, etwa Harrys „Party-Prinz“-Eskapaden, die Mitte und Ende der 2000er immer mal wieder für Schlagzeilen sorgen) größtenteils gelingt.

Für die deutsche Klatschpresse ist das natürlich doof, schließlich gehören die britischen Royals nach wie vor – mit Abstand – zu ihren beliebtesten Protagonisten: Bis auf Helene Fischer gibt es niemanden, über den sie häufiger berichten. Doch was berichtet man, wenn es nichts zu berichten gibt?

Dank jahrzehntelanger Übung wissen sich die Redaktionen da zu helfen. So besteht die heutige Royal-Berichterstattung vor allem aus vier Kategorien:

  • a) Verschwörungserzählungen
  • b) Nicht-Sensationen
  • c) Gemeinheiten
  • d) Lügen

a) Verschwörungserzählungen florieren ganz besonders seit Dianas Tod. Die Blätter verbreiten die wildesten Geschichten, nach denen es kein Unfall war, sondern Mord – in Auftrag gegeben wahlweise von Charles, Camilla, Elizabeth oder dem britischen Geheimdienst. Theorien, die sich auch 20 Jahre später noch halten; die „Freizeit Revue“ etwa insinuiert auch heute noch, Diana sei von „ganz oben“ beseitigt worden: „Die Spur führt zu Camilla“.

Beliebt ist auch die Geschichte, Dianas Grab sei in Wahrheit leer (und die Grabstätte nur errichtet worden, damit ihr Bruder daraus Profit schlagen kann), oder dass ein Frauenarzt Diana einen Embryo geklaut, seiner eigenen Frau eingepflanzt und das Kind dann heimlich großgezogen habe. Besonders oft und hartnäckig verbreiten die Blätter die Behauptung, Charles sei nicht der wahre Vater von Prinz Harry (wofür sie aber, wie bei all den anderen Erzählungen, keinen einzigen Beweis vorlegen.)

b) Nicht-Sensationen als Doch-Sensationen zu verkaufen, ist nach wie vor eines der größten Talente der Blätter, insbesondere bei der Berichterstattung über die Queen und ihre Familienmitglieder. Wenn „Echo der Frau“ zum Beispiel im Dezember 2004 titelt:

Schockierend! – Prinz Charles – So rächt er sich an seiner eigenen Mutter

… geht es Artikel darum, dass Charles sich angeblich geweigert hat „an einem gemeinsamen Mittagessen im Buckingham Palast teilzunehmen“.

Prinz William - Schock zum 38. Geburtstag! - Wird er seine Lieben nie wieder sehen?

Oder wenn „Das Neue“ im Juni 2020 über Prinz William verkündet:

Schock zum 38. Geburtstag! Wird er seine Lieben nie wieder sehen?

… und dahintersteckt, dass er manchmal eine Brille trägt.

c) Die Gemeinheiten betreffen sehr häufig Camilla (die Frau von Charles) und sehr, sehr, sehr häufig Meghan (die Frau von Harry). Aus irgendeinem Grund haben sich die Redaktionen vorgenommen, die beiden bei jeder Gelegenheit niederzuschreiben. Über Camilla wird zum Beispiel immer und immer wieder behauptet, sie sei Alkoholikerin (selbst dann, wenn sie bloß Apfelsaft trinkt). Und Meghan wird seit einigen Jahren nahezu jede Boshaftigkeit angedichtet, die man sich nur denken kann: Sie betrüge Harry mit ihrem 98-jährigen Schwiegervater, sie sei in Drogen-Skandale verwickelt, sie habe sich die Fehlgeburt ihres Babys nur ausgedacht und immer so weiter.

Auch die britische Klatschpresse hat sich seit einigen Jahren hart auf Meghan und Harry eingeschossen, und zwar so sehr, dass sich die beiden im November 2019 gezwungen sehen – ähnlich wie Elizabeth 36 Jahre zuvor –, rechtliche Schritte gegen die Berichterstattung einzuleiten. In einem öffentlichen Statement beschreibt Harry, wie „schmerzhaft“ die Lügengeschichten der Klatschmedien seien, die sich „in der heutigen digitalen Zeit überall auf der Welt als Wahrheiten wiederverwendet“ würden (jüngstes Beispiel: hier).

Für die Klatschmedien sei das alles „ein Spiel“, das schon seine Mutter Diana getötet habe. Und er könne nicht länger dabei zusehen, wie seine Frau den gleichen Mächten zum Opfer falle, darum werde er sich nun juristisch dagegen wehren.

Allerdings: Nur gegen die britische Klatschpresse – die deutsche darf ungestraft weitermachen. Was uns zu der Kategorie führt, die den größten Teil der heutigen Royal-Berichterstattung ausmacht:

d) Lügen.

Die Queen tobt: Charles & Camilla – Heimliche Hochzeit in Vegas

… verkündet „Echo der Frau“ beispielsweise im Februar 2005: Camilla habe vorgeschlagen, „still und heimlich in Las Vegas zu heiraten“, worauf Charles „begeistert“ reagiert habe, während die Queen „total entsetzt“ gewesen sei:

Natürlich stellte die Monarchin ihren Sohn zur Rede, versuchte, ihn von seinem Plan abzubringen. Doch vergebens. Wie so oft, wenn es um Camilla geht, stößt sie bei Charles auf Granit, bekam nur Bemerkungen wie „Ich mache mit meinem Leben, was ich will“ oder „Es ist egal, wo man heiratet – wenn man sich liebt“ zu hören.

Eine Quelle dafür gibt die Redaktion nicht an, nicht mal einen alibimäßigen „Kammerdiener“ oder „Vertrauten der Familie“, sie behauptet es einfach – und liegt komplett daneben: Charles und Camilla heiraten kurz darauf nicht in Las Vegas, sondern im Rathaus von Windsor.

Von solchen Geschichten wurden allein in den vergangenen Jahren hunderte, womöglich tausende veröffentlicht. Einige davon sind bei den Redaktionen dermaßen beliebt, dass sie sie immer und immer und immer wieder bringen. Wie „Das goldene Blatt“, das auf dem Cover schon 40 Mal verkündet hat, Charles und Camilla hätten sich scheiden lassen:

Oder Kates viertes Baby, das vermeintlich schon etliche Male geboren wurde:

Beziehungsweise: ihre Zwillinge.

Vertrauenswürdige, zuverlässige Informationsquellen

Und dann gibt es natürlich Geschichten wie die der „Frau mit Herz“ im Juni 2013:

Der Hörer in ihrer Hand beginnt zu zittern. Königin Elizabeth spürt, wie ihr schwindelig wird. Durch den Kopf der Monarchin spuken wirre Bilder des Grauens.

Ein eiskalter Schauer packt die Queen. Kaum hörbar wispert die sonst so beherrschte Elizabeth Stoßgebete, Tränen stehen in ihren Augen!

Verstohlen wischt sich die Queen eine bittere Träne der Angst von der Wange. Königin Elizabeth klammert sich verzweifelt an den Hörer.

Wie schon vor 70 Jahren, als die junge Elizabeth gerade den Thron bestieg und sich die „Neue Post“ dazu ihren großen „Tatsachenbericht“ ausdachte, sind die Blätter auch heute noch ständig mittendrin: im Palast der Königin, in ihrem Zimmer, in ihrem Kopf.

Und wenn sie nicht gerade ihre Gedanken lesen, schreiben sie über die Queen heutzutage unter anderem solche Dinge:

Zu den Märchen deutscher Zeitschriften hat sich die Queen in ihrer 70-jährigen Amtszeit kein einziges Mal öffentlich geäußert. Auch Kommentare zur britischen Klatschpresse gibt es so gut wie nie. Im Oktober 2020 aber macht Elizabeth eine Ausnahme und gibt ein Statement heraus, das zumindest indirekt auch als Kritik an all den pseudojournalistischen Medien zu verstehen ist. „Insbesondere in einer Zeit“, so die Queen, „in der so viele Quellen um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren“, sei es „von entscheidender Bedeutung, über vertrauenswürdige, zuverlässige Informationsquellen zu verfügen“.

Kurz darauf verkündet die „Neue Post“, Camilla habe sich scheiden lassen, Kate bekomme Zwillinge und Charles sei nicht der wahre Vater von Harry.

4 Kommentare

  1. Ein kleiner Hinweis: Der Vater von Elisabeth II. war nicht König von England sondern des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Das Königreich England existiert seit 1707 nicht mehr.

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