Wir haben das Gespräch eventuell irgendwann aufgezeichnet
Der Mann, zu dem n-tv am Samstagnachmittag um 14 Uhr nach Istanbul schaltete, war übernächtigt oder vielleicht auch nur überfordert. Er stolperte, sich räuspernd und verhaspelnd, durch Sätze und Gedanken. Zwischendurch schien er zweimal irgendwelche Gegenstände auf seinem Schreibtisch neu zu sortieren.
Fünf Minuten dauerte das Schaltgespräch, in dem der Journalist zu schildern versuchte, wie gerade die Situation vor Ort ist und welche Gerüchte aktuell im Internet kursieren. Ganz aktuell konnte er berichten, was die Nachrichtenagentur dpa erst einige Minuten später als Eilmeldung brachte: dass 2745 Richter abgesetzt worden seien.
Eine Stunde später, in den 15-Uhr-Nachrichten, schaltete n-tv erneut zu dem Kollegen in Istanbul. Er wirkte immer noch übernächtigt oder überfordert, stolperte wieder an denselben Stellen und hatte erneut brandaktuell die Nachricht von den abgesetzten Richtern. Kein Wunder: das Gespräch war eine Wiederholung des Gesprächs vor einer Stunde. In den 16-Uhr-Nachrichten lief es erneut.
Die Moderatorin kündigte das nicht entsprechend an, mit einer Formulierung wie: „Vor einer Stunde hatte ich Gelegenheit, mit unserem Kollegen in Istanbul zu sprechen“. Die Anmoderation war, im Gegenteil, exakt identisch mit ihrer Anmoderation der Stunde davor. Denn auch die war aufgezeichnet.
Das war im konkreten Fall unglücklich, denn während die Anmoderation gleich blieb, hatte sich der Beitrag vor dem Schaltgespräch geändert. In der 14-Uhr-Sendung endete er mit einem Zitat des türkischen Ministerpräsidenten. Die Moderatorin sagte entsprechend, bevor sie zum Interview überleitete:
„Soweit der türkische Ministerpräisdent Yıldırım.“
In den Sendungen um 15 und um 16 Uhr endete der Beitrag dagegen mit dem Satz des n-tv-Sprechers: „Die Situation, sie bleibt angespannt“. Weil ihr Gespräch mit dem Korrespondenten, samt dieser Überleitung, aufgezeichnet war, schloss sich daran verwirrenderweise dann trotzdem wieder die Formulierung an:
„Soweit der türkische Ministerpräisdent Yıldırım.“
Gut, das kann in dem Durcheinander einer Live-Sendung teilweisen Aufzeichnung schon mal passieren. Aber ist es nicht erstaunlich, dass die Nachrichten des RTL-Tochtersenders scheinbar live geführte Schaltgespräche als Aufzeichnung zeigen? Das Gespräch mit dem Journalisten in Istanbul ist keine Ausnahme, auch an diesem Nachmittag nicht: Die Schalte zu einer n-tv-Auslands-Expertin wird ebenfalls als Aufzeichnung wiederholt, aber wie live anmoderiert.
Auf Nachfrage sagt eine n-tv-Sprecherin:
Es kommt in der Tat vor, dass manche Schalten oder auch Studiogespräche wiederholt werden, wenn sich inhaltlich nichts maßgeblich geändert hat: Wenn wir jede Schalte neu bzw. live machen würden, kämen unsere Reporter nicht mehr zur Recherche.
Dass es hier zu einer nicht vollkommen korrekten Einleitung gekommen ist, ist zugegebenermaßen nicht ideal, nach zwei Tagen im Dauereinsatz wegen Nizza und Türkei aber durchaus entschuldbar. Auch bei n-tv arbeiten nur Menschen, die in der vergangenen Woche mit zahlreichen Sondersendungen und Breaking News eine enorme Leistung erbracht haben.
Eher verblüfft scheint man beim Sender auf den Hinweis zu reagieren, dass man solche Aufzeichnungen ja sehr leicht kenntlich machen könnte, durch eine Einblendung oder in der An- oder Abmoderation, bei anderen Sendern klassischerweise mit Formulierungen wie: „Das Gespräch haben wir vor der Sendung / am späten Nachmittag / am frühen Abend / aufgezeichnet.“
Der Zeitpunkt der Aufzeichnung sei doch eher zweitrangig, meint die Sprecherin, solange die Information noch aktuell ist. Aber man wolle die Anregung „gerne in der nächsten Redaktionssitzung diskutieren“.
Nicht, dass ich mir hier auch mehr Transparenz von n-tv wünschen würde, aber bei N24 werden die gesamten Nachrichten seit einiger Zeit aufgezeichnet und immer wieder wiederholt, bis „etwas neues“ passiert.
Diese Wiederholung von vormals live durchgeführten Schaltgesprächen ist bei n-tv seit ca. 10 Jahren Standard. Ausnahmen sind Schalten zur Börse, logischerweise.
Gut nachzuvollziehen ist das in der Morgenschiene, in der alle 30 Minuten Nachrichten gesendet werden.
@Freiwild
Bei N24 frage ich mich sowieso, wann da das Nachrichtenstudio mal besetzt ist, wenn ich an Paris im November, Nizza und die Türkei denke. Und das mit einer dicken „Welt“-Redaktion im Rücken, traurig.
Im Fall Nizza hatte n-tv nachts offenbar einen Redakteur (?) hingesetzt (den Mann kannte ich zumindest nicht), der unaufgeregt und recht spekulationsfrei berichtete und Gespräche mit Korrespondenten führte. Da war ich doch angenehm überrascht.
nachtrag: in meinem Beitrag oben (#1) fehlt natürlich ein zweites „nicht“, also: „Nicht, dass ich mir hier NICHT auch mehr Transparenz von n-tv wünschen würde,…“
Wer bei ntv oder N24 anständige Nachrichtensendungen erwartet glaubt auch das er auf dem ALDi/Lidl Grabeltisch qualitativ hochwertige Kleidung findet. Oder bei AstroTV Lebenshilfe erhält.
Ich hab Freitag nacht zwischen Twitter, Euronews, Al Jazeera, BBC und CNN hin und hergeschaltet. ntv24 ist bei mir nicht ohne Grund hinten bei 50+ auf der Fernbedienung, bei ARD/ZDF weiß ich auch nach einmaligem hinzappen das dort nichts zu erwarten ist. Vor allem En und AJ waren hilfreich, auf CNN haben sich nur ein halbes dutzend Ex-CIAler damit gebrüstet das sie wissen wie man richtig putscht. Was auch kein Wunder war.
Danke Stefan, für den interessanten Artikel.
Ich empfehle dazu: https://www.youtube.com/watch?v=CLYMoMxst1g#t=0m55s
Kenne ich auch so aus dem Radio. Vor allem bei hrinforadio war mir das nervend aufgefallen, hier wiederholen sich die Nachrichten fast viertelstündlich.
Was mir aber seit Jahren negativ auffällt ist dieses dämlich gestellte Frage-Antwort-Spiel und ich zweifel wirklich an den Zuschauern, die das benötigen, um einen Bericht besser zu verstehen.
Sicherlich hatte es „früher“ technische Gründe, wenn ein Reporter/Korrespondent 90 Sekunden lang seinen Text mit allen Infos aufsagen musste. Aber auch so würde es dieselben Infos beinhalten wie dieses doofe Frage-Antwort-Spiel, wo die Frage und die Antwort bereits vorher abgesprochen sind.
Ich finde es falsch, wenn man versucht, dem niedrigen Niveau der Zuschauer entgegen zu gehen. Man muss ein hohes Niveau halten und der Zuschauer muss sich anstrengen, mitzukommen oder die Logo!-Nachrichten oder die Nachrichten nochmal in der Mediathek schauen