Neue „anti-woke“ Universität

Eine Leuchtrakete im Kulturkampf – blind gefeiert von deutschen Medien

Ausrisse von Zeitungsüberschriften: "Der Freiheit mehr Luft", "Die erste antiwoke Universität der Welt", "eine Universität der Dissidenten"

Die Gründung einer neuen Universität in den USA ist nicht die Art Ereignis, die gemeinhin im fernen Deutschland Wellen schlägt. Die Aufmerksamkeit, die vergangene Woche in deutschen Medien der Gründung der University of Austin (nicht zu verwechseln mit der altehrwürdigen University of Texas Austin) zuteil wurde, hat vielmehr damit zu tun, wer dieses Unternehmen angekurbelt hat und warum.

Die Gründung der Uni ist nicht für die Uni-Welt wichtig, sondern eine Leuchtrakete in einem Kulturkampf: Die University of Austin versammelt die Protagonisten der verschiedenen Episoden, die seit Jahren die „Cancel Culture“-Panik in deutschen Zeitungen speisen. Und die vollmundigen Ankündigungen der Gründer*innen – vom designierten Unipräsidenten Pano Kanelos über die Journalistin Bari Weiss bis hin zur Autorin Caitlin Flanagan – werden genauso gewissenhaft transkribiert wie sonst diese Episoden.

In den USA erntete die Neugründung, neben vielem Applaus aus gewissen Ecken, jede Menge Häme. Viele Fragen blieben natürlich: Der neuen Universität fehlen ein Campus, eine Fakultät, Kurse, Student*innen. Von den überreichen Eliteunis abgesehen, sind Universitäten in den USA alles andere als erfolgsverwöhnt. Gemeinnützige Unis und Colleges mit geringer Strahlkraft haben finanzielle Probleme und verlieren Student*innen. Und sogenannte For-Profit-Colleges kämpfen mit einem Ruf als unlautere Abzocke. Wo genau sollte die University of Austin also hinpassen?

Keine Skepsis

In deutschsprachigen Zeitungen war von solcher Skepsis wenig zu hören. In der „Süddeutschen Zeitung“ titelte Christian Weber, die neue Uni wolle „der Freiheit mehr Luft“ erkämpfen. Die „Welt“ nannte das Unterfangen die „erste antiwoke Universität der Welt“. Die FAZ widmete der Gründung gleich zwei Artikel: Thomas Thiel sprach von „Forschern mit Denunziationshintergrund“ und Winand von Petersdorff beschrieb „eine Universität der Dissidenten“.

Fast alle Texte bringen die Gründung in Zusammenhang mit im deutschen Feuilleton gut dokumentierten Fällen um individuelle Professoren. Die „Welt“ weiß zu berichten: „Professorinnen werden aus dem Amt gedrängt, weil sie am klassischen Geschlechterbegriff festhalten. Professoren kündigen, weil sie die Denkverbote in der Lehre nicht mehr ertragen.“ Was die Uni in diesen Fällen allerdings verbessern würde, ist unklar.

SZ-Autor Weber bringt den Geologen Dorian Abbot ins Spiel, mit im Beirat der neuen Universität, der allerdings weder Student*innen, noch Kolleg*innen, noch der Unileitung zum Opfer fiel, sondern einem der berühmten „Twitter-Mobs“. Wie da die University of Austin Abhilfe schaffen soll, bleibt schleierhaft. Und dem Twitter-Mob fiel er eigentlich auch nicht zum Opfer, er blieb in Amt und Würden, mit der Rückendeckung seines Uni-Präsidenten, der bei der University of Austin im Beirat sitzt.

Irgendwas mit canceln

In der FAZ bringt Thomas Thiel die Unigründung mit dem Fall der Professorin Kathleen Stock in Verbindung, auch ein Gründungsmitglied. Auch hier scheint der Aufhänger einigermaßen egal, was sich schon daran ablesen lässt, dass Thiel Stocks Arbeitgeber falsch identifiziert. Frau Stock arbeitete bis vor Kurzem an der University of Sussex, nicht Essex. Frau Stock wurde nicht geschasst, sondern ging, unter öffentlichem Bedauern ihres Arbeitgebers. Und die Kontroverse ging auch nicht von ihrer Forschung aus (Frau Stock ist Spezialistin für Ästhetik), sondern von ihrem politischen Eintreten für eine Gruppierung, die Student*innen für transfeindlich hielten.

Dass Frau Stock sich Protesten vonseiten Student*innen ausgesetzt sah, und weit Schlimmerem im Internet, das ist natürlich problematisch. Aber schutzlos ausgeliefert war sie all dem nicht. Die Tories verliehen ihr einen Orden, die englische Universitätsministerin rief schon einmal die ihr unterstehenden Unis auf Twitter dazu auf, der Professorin eine neue Stelle anzubieten. Auch hier ist also unklar, was genau die neue Uni richten soll.

Im Wirtschaftsteil der FAZ stellt Winand von Petersdorff den Fall des University-of-Austin-Mitarbeiters Peter Boghossian ins Zentrum. Der wollte seinerzeit durch gefakte Studien auf angeblich fehlende Standards in Forschungsfeldern aufmerksam machen, die er „Grievance Studies“ nannte (ungefähr: Jammer-Fächer). Was der Artikel verschweigt: Die aus dieser Aktion erwachsenden Probleme hatten nichts mit fiesen Student*innen oder Campus-Linken zu tun, sondern mit dem Internal Review Board an Boghossians Uni, die ihm unethische Methoden vorwarf. Solche Ethikkommissionen sind in den USA seit dem National Research Act 1974 vorgeschrieben und würden Herrn Boghossian also auch zu seiner neuen Position an der University of Austin folgen, so sich diese denn um Akkreditierung bemühen sollte.

Zweifelhafte Studien

Es geht also eher um die Großwetterlage, welche die neue Uni nötig machen soll, nicht um die spezifischen Verbesserungen, die von dieser ausgehen werden. Von Petersdorff weist zumindest darauf hin, dass die Verteidiger der Meinungsfreiheit und die Opfer von Denunziation es ihrerseits mit der Meinungsfreiheit anderer nicht immer sehr ernst meinen. Ansonsten wird das Framing der Leitung der neuen Universität nicht nur übernommen, sondern als Fakt kolportiert. Zum Beispiel die Behauptung, dass Zensur und Selbstzensur an amerikanischen Colleges zunähmen. Dazu gibt es zwar Befragungen, die methodologisch viel zu wünschen übrig lassen. Wenn man sich die betreffenden Studien auch nur kurz ansieht, wird schnell klar, dass sie genau dazu angestellt wurden, um diese Art Resultat zu liefern.

So zitiert Webers Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“, was Kanelos aus einer Studie der Heterodox Academy wiedergibt (einem Think Tank, der von University-of-Austin-Gründungsmitglied Jonathan Haidt geleitetet wird). Thiel zitiert in der FAZ Niall Fergusons zu derselben Studie. Aus dieser Studie ergibt sich, so Weber/Kanelos/Haidt/Ferguson/Thiel, dass „62 Prozent der Undergraduates“ sich „wegen des Klimas auf dem Campus nicht trauten, offen ihre Meinung zu sagen.“ In der Studie selber wurden ungefähr 1100 Student*innen gefragt, wie „bereit“ („comfortable“) sie wären, „über kontroverse Themen über … Politik, Race, Religion, Sexualität und Gender“ zu sprechen, sowie über die spezifischen Themen der Präsidentschaftswahl 2020 und die Black Lives Matter-Bewegung“.

Die Liste stellt ziemlich klar, welche Art der Selbstzensur man bei dieser Befragung finden wollte – nämlich eine von Linken ausgehende, unter der Konservative leiden. Und die Fragestellung nach „comfortable“ legt auch nahe, in welcher Dimension man es finden wollte – nämlich im großen Stil. Dass ein*e Student*in nicht „comfortable“ sein könnte, sich über ein so aufgeladenes Thema wie Religion auszutauschen, ist ja nicht unbedingt ein Indiz für Selbstzensur – sondern verweist zunächst einmal reichlich tautologisch darauf, dass dieses Thema eben kontrovers ist.

So übernehmen deutschsprachige Medien die Behauptung, die Versuche, in Lehrpläne und Personalentscheidung einzugreifen, gingen vor allem von linken Student*innen und Kolleg*innen aus und hätten „konservative“ Meinungen zum Ziel (eine von Kanelos zitierte Studie von Eric Kaufmann ist noch spezifischer: Statt um Konservative geht es spezifisch um „Leavers“ in Großbritannien und „Trump-supporters“ in den USA). “Unliebsam” heißt hier also rechts.

Andere Arten von Zensur

Dazu muss bemerkt werden: Gerade in von Republikanern kontrollierten Staaten der USA wird derzeit massiv in Lehrpläne und Berufungen eingegriffen. Während Kanelos und Weiss über Cancel Culture klagen, verbieten republikanische Gouverneure mal fix ganze Forschungsgebiete, schmeißen Professor*innen raus und verbannen Texte aus dem Lehrplan.

Es ist nicht mal zwei Jahre her, dass der damalige Präsident Trump drohte, per Executive Order Universitäten zum Lehren konservativer Ideen zu verdonnern. Die Panik um die Critical Race Theory ist noch immer am Laufen – Glenn Youngkin gewann die Gouverneurswahl in Virginia Anfang des Monats mit dem expliziten Versprechen, Bücher zu Rassismus aus Lehrplänen und Uni-Curricula zu streichen. Aber das ist nicht die Art Zensur, die die Gründer*innen der University of Austin meinen. Das müssen sie auch nicht, ihr Herz schlägt eben woanders. Aber in der Berichterstattung wäre das der Vollständigkeit halber vielleicht doch erwähnenswert.

Nebenbei sollte man allerdings auch bei republikanischen Knebelversuchen dazu sagen: So potentiell gefährlich solche Versuche auch sind, sie sind Konstanten amerikanischer Politik und sie haben nur selten Erfolg. Auch unter Trump ist nicht viel passiert. Auch hier ist Panik möglicherweise unangebracht; aber eine Erwähnung in um Ausgewogenheit bemühten Zeitungen wäre es vielleicht doch wert.

Besorgniserregend ist überhaupt, dass das deutschsprachige Feuilleton das Framing der Universitätsgründer in spe als „Liberale“ übernimmt. Die „Süddeutsche“ kommentiert, es handele sich um „die liberale Elite des intellektuellen Amerikas.“ Das ist reichlich gewagt: Die Studien, auf die sich Kanelos bezieht, reden zwar von „heterodoxen“ Ideen, meinen aber eigentlich nur rechte. Bei den Beispielen, die zitiert werden, geht es immer um Konservative, nie um linke Professor*innen, die ja auch (ungefähr genauso selten wie ihre konservativen Kolleg*innen) ihre Jobs verlieren.

Arme berühmte unglückliche Professoren

Vor allem aber fällt auf, dass auf die Distanz die amerikanische Universitätslandschaft äußerst verkrümmt wahrgenommen wird. Das zeigt sich schon an den Protagonist*innen, auf die sich sowohl die University of Austin als auch ihre deutschsprachigen Rezipienten konzentrieren. Die University of Austin nimmt sich einer notleidenden Gruppe an: Berühmte Professor*innen, die an Elite-Unis auf Lebenszeit angestellt sind und sich dort nicht wohlfühlen. Dass kaum eine*r der Professor*innen der neuen Uni ihre alte verlässt, dass Niall Ferguson in Harvard und Stanford bleibt, Larry Summers in Harvard, Jonathan Haidt an der NYU, das kommt im deutschen Echo nicht vor. Die Geschassten, die Dissidenten, die Exilanten werden weiterhin in den von ihnen geschmähten Institutionen bezahlt werden. „Wir können nicht darauf warten, dass die Universitäten sich bessern“, so Kanelos in einem in vielen der Texte gebrachten Zitat. Auf die regelmäßigen Gehaltsschecks warten sie anscheinend weiterhin gerne.

Was aber schwerer wiegt: Durch die Fokussierung auf eminente Professor*innen geraten ganz zentrale Probleme der amerikanischen Uni aus dem Blick. Die eklatanteste Mundtotmachung an der amerikanischen Uni, und zwar eine, die linke und rechte gleichermaßen tangiert, hat nichts mit dem Absagen von Vorlesungen oder missliebigen Student*innen zu tun. Sie hat schlicht mit den zehntausenden Akademiker*innen zu tun, die Jahr für Jahr keine Stelle bekommen, oder sich auf so genannten adjunct professorships ihr Geld verdienen. Diese Kolleg*innen sind absolut abhängig von der Unileitung, den fest angestellten Kolleg*innen und den Verdikten der Student*innen – ihre Forschung und Lehre ist alles andere als frei. Wenn es in USA ein System gibt, das extrem zensuranfällig ist, wenn es ein System gibt, das schlecht gelittene Ideen vom Campus fernhält, dann ist es dieses – von Marktideologie getrieben, nicht von Student*innen mit they/them-Pronomina.

An diesem System aber hat die University of Austin kein Interesse – und das deutsche Feuilleton macht es ihr treuherzig nach.

48 Kommentare

  1. Vielen Dank, dass ihr über das Thema berichtet! Mich macht wahnsinnig, wie und mit welcher Schlagseite die Debatte in deutsch(sprachig)en Medien wiedergegeben wird. Schön, dass ihr hier einen Kontrapunkt setzt.

  2. @Kritischer Kritiker: Dieser Artikel kritisiert die Berichterstattung über eine neugegründete Universität und wirft ihr vor, unausgewogen, unkritisch und uninformiert zu sein. Nicht konservativ, rechts oder am besten gleich rassistisch.

  3. Es ist erschreckend, wie eine Strategie der Alt-Right bereitwillig aufgenommen und umgesetzt wird.
    Rein quantitativ wird das Thema „gendern“ zu 90% von den Gegnern bespielt, das Thema „Political Correctness“ fast ausschliesslich von Gegnern heraus gekramt, um Kritik abzubügeln ohne sich inhaltlich engagieren zu müssen und „Cancel Culture“ zum Scheinriesen, sobald man Einzelfälle ernsthaft anschaut.

    Aber willig springen aus allen Lagern die Überzeugten herbei, wenn die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird.

    Und, ein Hauch von Sarah umweht uns, natürlich ist es die „Identitätspolitik“, die den Siegeszug des Neoliberalismus ermöglicht hat.
    Unter dem tut man es ja nicht mehr.

    Die Identitätspolitik blockiert ja Kräfte, die sich, um das zu beheben, nun lieber von Alt-Right vor den Karren spannen lassen, die „lifestyle-Linken“ zu bekämpfen.

    Voll mein Humor!

  4. @Stefan Niggemeier (#3):

    Es ist weniger dieser Artikel im besonderen als die Generallinie: Noch nie habe ich hier eine Kritik an der Identitätspolitik und ihren Auswüchsen gelesen,* regelmäßig wird Kritik als unbegründet oder eben rechts zurückgewiesen. Sogar taz-Autoren wie Jan Feddersen werden ob ihrer „schrillen Kommentare“ abgewatscht, wenn sie nicht ganz auf Linie sind. Dass irgendwer auf Seiten der Identitätspolitik „schrill“ wäre, liest man hier nie – das sind immer nur Opfer oder Verteidiger von Opfern.

    Und Herr Gemein darf dann seinen Senf dazugeben und behaupten, Leute wie ich ließen sich von Alt-Right vor den Karren spannen. Was ich schlicht beleidigend (und vor allem ahnungslos) finde.

    Argumente wie die von Walter Benn Michaels, Thomas Chatterton Williams oder John McWhorter haben mit Alt-Right nichts zu tun. Sie werden in diese Ecke gerückt, damit Leute wie Gemein sie guten Gewissens ignorieren dürfen.

    Das halte ich für eine intellektuelle Bankrott-Erklärung. Man marschiert sehenden Auges in eine politische Katstrophe und stört sich nicht mal daran, denn Schuld sind halt immer die anderen. Ein hermetisches Weltbild, für Gegenargumente nicht mehr zugänglich.

    Früher war wenigstens die Kommentarspalte hier ausgewogen, aber die meisten vernünftigen Kritiker des Linksliberalo-Mainstreams sind inzwischen weg.

    *Doch, eine Ausnahme fällt mir ein: Katholische Schüler und Trump-Anhänger wurden beschuldigt, in Washington einen Ureinwohner bedroht und beleidigt zu haben. Das haben Sie damals gründlich auseinandergepflückt und kritisiert. Dafür vielen Dank.

  5. Ergänzung: Hier nochmal, aus ganz anderer Ecke, eine Ideologiekritik – Wolfgang M. Schmitt, seines Zeichens linker Film- und Ökonomie-Kritiker (und ein Freund von Samira El Ouassil, wenn man einer gemeinsamen Doku glauben darf), zerpflückt die Diversity-Regeln der Amazon-Studios: https://www.youtube.com/watch?v=HforSpGafXw

    Aber klar: Ein weißer Mann mit Krawatte, der nur seine Privilegien verteidigen will. Vermutlich heimlich ein Alt-Right-Fan.

  6. @Kritischer Kritiker: Ich habe keine Lust, auf diesem Niveau mit Ihnen zu diskutieren.

    (Übrigens war auch mein von Ihnen gelobter Artikel damals keine Kritik an der Identitätspolitik und ihren Auswüchsen, sondern an einer vorverurteilenden Berichterstattung.)

  7. „Ahnungslos“, diese Bescheidenheit ist überwältigend.
    Mal wieder Masse statt Klasse. Mit keinem Wort wird auf die, in diesem Artikel angesprochenen Fakten eingegangen. So wenig wie auch schon im Artikel über Professorin Stock. Feddersen wird „abgewatscht“ weil er „nicht auf Linie“ ist. Überheblicher kann man andere Kommentare, die eben nicht auf KK-Linie sind, nicht abkanzeln.

    Eklektizistisch sammelt KK rund-um-sich und liefert Belege für Dinge, die nie zur Diskussion standen.
    Amazon hat sich dumm angestellt? Ja nun. Reicht das jetzt für KKs Kriegszug gegen Identitätspolitik?
    Es gibt schliesslich auch andere Ansätze, wie http://act-out.org bspw..
    Amazon macht durchaus öfter mal dumme Dinge.
    Aber dadurch wird diese dumme Uni in Austin nicht zu einem Freiheitsfanal.
    Feddersens Bericht über Stock in der TAZ bleibt immer noch eine schlecht recherchierte dümmliche Polemik.

    Wokistan, Springer-Niveau. Und nicht mal gutes Springer-Niveau.

  8. Ich stimme Herrn Daub zu, dass die Universität, die sich gründen will, viel zu einseitig abgefeiert wird in den deutschen Medien. Allerdings muss ich mich wirklich wundern, was Daub sonst so schreibt –
    es ist ein starkes Stück zu argumentieren, dass Kathleen Stock ja freiwillig gegangen sei, man kann nicht ernsthaft behaupten, dass die persönlichen Drohungen ihr und ihrer Familie gegenüber da gar nichts mit zu tun gehabt hätten. Das ist schon sehr apologetisch gegegenüber ihren Kritikern, die sie nicht nur argumentativ, sondern auch persönlich angingen – etwas , was für mich an Unis nichts zu suchen hat. Auch die Einlassung gegenüber Boghossian ist genau das, was Daub den Medien vorwirft: unterkomplex. Kein Wort dazu, dass das Handeln dieser Ethikkommission sehr kritisch gesehen wurde, weil sie offenischtlich eine Agenda hatte. Der Vorwurf schlechter Recherche fällt hier auf den Autor zurück. Zudem hat das Team um Boghossian eben genau das entlarvt, was hier in einem Nebensatz als „angeblich“ schlechte Standards der Gender- oder „Grievance“-Studies bezeichnet wurde. Es ist nun mal, auch wenn das manche der Vertreter dieser „Wissenschafts“-Richtungen nicht wahrhaben wollen ein Zeichen schlechter Qualitätsstandards, wenn Unsinn wie der „Conceptual Penis“ am Ende publiziert werden. Daub ist in diesen Passagen genauso ungenau und unreflektiert, wie er das den kritisierten Medien vorwirft.

  9. Mehrere Sachen. Ich glaube, es ist die University of Texas at Austin (weil ich einen Bekannten an der UTSA habe und mal nachgucken musste, warum es so viele University of Texas gibt). Außerdem fehlt mir Jordan Peterson in der Liste der Namen, dafür ist Bari Weiss dabei und das finde ich jetzt schon fast lustig, weil die Welt damit einen ewigen Kreislauf der CC-Geschichten aus Übersee geschaffen hat. Denn Weiss sitzt ja jetzt an der Quelle für ihre Woke-Mob-CC-Geschichten.

  10. #9
    „dass Kathleen Stock ja freiwillig gegangen sei, man kann nicht ernsthaft behaupten, dass die persönlichen Drohungen ihr und ihrer Familie gegenüber da gar nichts mit zu tun gehabt hätten.“
    Das war auch, meiner Meinung nach, nicht so gedacht, dass da eine Betonung auf „freiwillig“ gelegt werden sollte, sondern darauf, dass die Uni sie nicht „geschasst“ hat.

    Ich denke, dass ist auch der fragilste Teil des gesamten Themas: Wie reagieren wir auf den pöbelnden und bedrohlichen Teil der Gegner, der bspw. via social-media seinen Weg bis auf die Straße und/oder den Campus findet? Natürlich ist das immer- und aufs schärfste zu verurteilen. Kann niemand sich etwas für Kaufen, aber sollte trotzdem selbstverständlich sein.
    Aber wie geht es weiter? Wie Margarete Stokowski so treffend festgestellt hat, wird es kaum dazu kommen, dass dieser Geist wieder in die Flasche gesteckt werden kann. Niedrigere Schwellen zu größten Reichweiten sind eine weitere mediale Revolution. Mit allen Vor- aber auch Nachteilen.
    Die toxischen Ideen und Impulse waren sicher auch vorher latent da und was an manchen Stammtischen, in Vereinen oder Gruppen so gedacht und gesagt wurde, war von der Qualität sicher mindestens gleichwertig. Es gab halt keine Mulitplikatoren.

    Die Menschen müssen geschützt werden. Dass eine „Pimmel“ Beleidigung größere exekutive Wellen Schlägt als reale Morddrohungen, ist so deutsch (Obrigkeit) wie falsch.

    Gleichzeitig ist es aber gefährlich, wenn die bloße Erwähnung von Vokabeln wie „CC, woke, PC, you name it“ dazu führt, dass der Diskurs abgewürgt werden kann.

    Will ich ein Framing schaffen und alle Kritik daran abwürgen, dann sorge ich für eine gezielte Provokation und danach wird nur noch über shitstorm und CC gequatscht und alle berechtigte Kritik mit weggebügelt.

    Der Boss/Endgegner dieser Strategie heisst dann:
    Der Neoliberalismus obsiegt, weil die Lifestyle-Linken mit ihren Befindlichkeiten abgelenkt sind/werden.

    Gleichzeitig muss Frau Kuhnke heimlich die Wohnung wechseln wegen Doxings ( wobei der Skandal ist, dass ihr Wohnsitz nicht bekannt sein darf ) und andere bekommen regelmäßig Drohungen von einem NSU-2.0. Menschen, die es also von allen Seiten abbekommen. Entweder weil sie die Aufrechten vom Kampf gegen den Klassenfeind abhalten oder weil sie den Biodeutschen nicht ausreichend Servilität erweisen.

    Ja, ich bin sauer. Und vielleicht sollte man so auch nicht kommentieren, aber es muss auch mal raus.

  11. @ #11

    Der Boss/Endgegner dieser Strategie heisst dann: Der Neoliberalismus obsiegt, weil die Lifestyle-Linken mit ihren Befindlichkeiten abgelenkt sind/werden.

    Nicht ansatzweise begriffen, worum es geht. Egal, weitermachen!

  12. „Frau Stock wurde nicht geschasst, sondern ging, unter öffentlichem Bedauern ihres Arbeitgebers.“ Sowas können auch Krokodilstränen sein.
    Eine Uni, die nur für eine bestimmte Blase gedacht ist, führt dazu, dass die anderen Blasen sich auf anderen Unis sammeln.
    Das kann eigentlich nicht der Sinn der Sache sein.

  13. Ja KK, hauptsache Du hast alles begriffen.
    Deshalb verlinkst du ja auch Wolfgang M. Schmitt roasting Amazon als gutes Beispiel.
    Nur, die schrägen Diversity Rules von Amazon sind von so ziemlichen allen Plattformen erwähnt und verrissen worden, und meines Wissens hat das überhaupt niemanden dazu veranlasst, Amazon zur Seite zu springen, oder gar einen Shitstorm o.ä. vom Zaun zu brechen.
    Wofür ist also dein Beispiel ein Beispiel, außer für den typischen wilden Eklektizismus, mit dem irgendein obskures Wokistan zwangshaft herbeigeschwurbelt werden soll?
    Wozu also ein Beispiel ohne nennenswerte Kontroverse zur Kontroverse? Willst du uns beweisen, dass man unglückliche Diversity-Rules sehr wohl opponieren kann?
    Das haste geschafft Glückwunsch!
    Dich braucht man zum Weitermachen ja nicht auffordern.

  14. @ #16

    Wozu also ein Beispiel ohne nennenswerte Kontroverse zur Kontroverse?

    Weil das nun mal die Regeln sind, die sich einer der größten Medienkonzerne der Welt für seine Produktionen gegeben hat – unter dem Banner der Wokeness. Und keineswegs zufällig, denn es ist die logische Konsequenz der identitären Fragmentierung der Menschheit in immer kleinere und immer spezifischere Gruppen von diskriminierten.

    Aber wenn Ihnen diese Regeln nicht gefallen, besteht ja noch Hoffnung. Freut mich.

  15. @KK
    Ihr zwanghaftes Dropping von Parolen wie „wokeness“ freut mich hingegen nicht.
    Lustig ist, dass Sie nicht erkennen, wie Sie exakt denselben Fanatismus vorexerzieren, den Sie anderen vorwerfen wollen.

    Sie werden auch keinen Kommentar von mir finden, in dem ich unsinnige Regeln befürworte oder gar fordere. Insofern ist es lächerlich, so zu tun, als sei dies bemerkenswert.

    Was sagt Amazon?
    „Amazon also noted that the Playbook is an “evolving document” that will update and change over time.“

    Die Kritik von allen Seiten ist dominierend. Verteidigung Amazons durch irgendeine vorgebliche „woke-community“, ist nicht existent.

    Die meisten Redeverbote in den USA werden erzwungen durch Evangelikale, durch Pro-Life Extremisten oder Trumpisten und Nationalisten.
    Die meisten Wellen schlagen die Beispiele, die Auftritte von Konservativen und/oder Gegner von BLM, LBGT etc.. betrafen.

    Einfach weil dieses Framing mittlerweile seit Jahrzehnten zum Arsenal der Alt-Right Propaganda gehört und von vielen unreflektiert übernommen wird.
    Irgendwelche Stamokap oder Querfront Relikte finden sich auch bei uns immer, das weiter zu befeuern.

    Sie, Fox-News und die BILD, geeint gegen den imaginierten Feind!
    Glückwunsch aber auch.

  16. @ #18

    13. Januar. Dann läuft mein Abo hier aus.

    Bis dahin kann ich nicht dafür garantieren, meinen toxisch-zwanghaften AltRight-Querfront-FoxNews-Bild-Eklektizismus-Fanatismus immer unter Kontrolle zu haben.

    Tschüss.

  17. @Stefan Niggemeier:

    Ich habe mich in Beitrag #5 im Ton vergriffen und bitte dafür um Entschuldigung. Mir ist schon klar, dass auf diese Weise nicht klar wird, worauf ich eigentlich hinauswill.

  18. Jemandem auf den Leim zu gehen ( e.g. alt-right framing ) heisst nicht, dessen Ideologie zu teilen.
    Jemanden zu zitieren bedeutetet nicht zwingend, dass der Zitierte auch die Meinung des Zitierenden mögen würde.
    Ich bin in Teilen anderer Meinung als Slavoj Zizek, kann aber seine Kritik durchaus verstehen. Die Form, wie er sie äußert, ist akzeptabel. Er würde sicher alles, was ich äußere, in der Luft zerreissen.
    Irrelevant.
    Der Freund meines Feindes nicht automatisch auch mein Feind.
    Wenn der Kapitalismus immer wildere Kapriolen schlägt, dann nicht weil sich irgendeine „Life-style Linke“ mit petit-fours aus feminism, anti-racism etc. abspeisen läßt.
    Meine Meinung.
    Vor allem, die Betroffenen werden schwer davon zu überzeugen sein, dass ihr Empowerment nun das „Richtige im Falschen“ ist, weil schliesslich erst der Kapitalismus überwunden werden muss, was dann all ihre Probleme gleiich mit erledigen wird.
    Intellektuell reizvoll, aber praktisch nicht zu vermitteln.
    Was also bringt dann dieses ganze „Woke“ Gezeter?

    Die Falschen sind begeistert. Ihr Framing geht auf. Sobald jemand PC schreit, ist der Inhalt der Kritik erledigt, sobald jemand CC wittert, wird Antisemitismus auf einmal hoffähig, Reichweiten sind garantiert.
    Wenn Jasmina Kuhnke nicht zur IBA geht, weil in unmittelbarer Nähe der Bühne, wo sie auftreten soll, Menschen ausstellen, die, in persona, der Deutschen eine Abschiebung organisieren wollten ( man ahnt wohin ), wird sie der Intoleranz beschuldigt. Niemand käme auf die Idee, Professorin Stock wegen ihres Rücktritts Intoleranz zur Last zu legen. Frau Kuhnke aber, die wegen Doxings umziehen musste, weil sie und ihre Kinder dadurch in Lebensgefahr waren, die aber ist „intolerant“.

    Und da sehe ich eben eine gefährliche Entwicklung.

  19. @#22: Wer hat Kuhnke Intoleranz vorgeworfen? Und was war die Doxing-Sache? (Hab die Geschichte nur am Rande verfolgt.)

  20. @ #22:

    Wenn der Kapitalismus immer wildere Kapriolen schlägt, dann nicht weil sich irgendeine „Life-style Linke“ mit petit-fours aus feminism, anti-racism etc. abspeisen läßt.

    Nur um das nochmal klarzustellen: Es geht nicht um Rassismus-Kritik vs. Kapitalismus-Kritik. Oder darum, dass es jemanden vom „Substanziellen“ (dem Kapital) ablenken würde, wenn er sich mit etwas „Akzidenziellem“ (Rassismus, Sexismus) beschäftigt. Das wäre die vulgär-marxistische Hauptwiderspruchs-These, und die ist in der Tat Unsinn.

    Es geht um die spezifische, identitätspolitische Form, die jegliche Kritik an Rassismus oder Sexismus heute dominiert. Allein diese Form ist mein Problem: Weil sie abgrenzt, wo Annährung gefragt wäre. Weil sie die Differenz in einer Weise betont, dass sie das Gemeinsame erschlägt. Weil sie den Opferstatus zu einem Argument macht, das keine anderen Argumente neben sich duldet.

    Das Bedürfnis, nicht länger diskriminiert zu werden, teile ich selbstverständlich.

    (Was Kuhnke vs. Buchmesse betrifft, bin ich – das nur am Rande – nahe bei Deniz Yücel.)

  21. „Der Freund meines Feindes nicht automatisch auch mein Feind.“ Sondern?

    „man ahnt wohin“ Ja. Ihre Heimat wird von Hochwasserkatastrophen, Judenfeindlichkeit und Gewalt an Schulen heimgesucht, aber immerhin erschießt die Polizei nur alte weiße Männer. Es ist nicht alles schlecht.

  22. Doxing Jasmina Kuhnke:
    https://taz.de/Doxing-von-Autorin-Jasmina-Kuhnke/!5760862/
    #25
    „„Der Freund meines Feindes nicht automatisch auch mein Feind.“ Sondern?“
    Er ist der Freund meines Feindes. Punkt.

    Wer Kuhnke Intoleranz vorwirft? KK nannte ein Beispiel, Deniz Yücel.
    Zumindest lese ich das so. Ich stimme ihm auch nicht zu.

    https://bostonreview.net/politics-philosophy-religion/jason-stanley-what-mill-got-wrong-about-freedom-of-speech

    J.Kuhnke:
    „Nun habe ich erfahren, dass der Verlag Jungeuropa „glücklich“ verkündet, dass er in „Halle 3.1 (Stand G1) „direkt neben den großen Bühnen des ZDF“ ausstellen darf. Verleger von Jungeuropa ist Philip Stein, ein Rechtsextremist.
    Stein ist Leiter des rechtsextremen Gemeinschafts-Projekts „Ein Prozent für unser Land“ und hat öffentlich geschrieben, dass ich abgeschoben werden solle. Es ist damit absehbar, dass über den Verlag und Autor*innen hinaus weitere Rechtsextreme die Messe besuchen werden, was die Gefahr für mich persönlich gegenwärtig macht. “
    https://katja-diehl.de/rassismus-und-neurechte-auf-der-frankfurter-buchmesse-jasmina-kuhnke-sagt-auftritt-ab/

  23. Der Freund meines Feindes dürfte meinen Feind unterstützen und mich bekämpfen.
    Jedenfalls halte ich es für sinnlos, auf etwas anderes zu hoffen.

    Dass man Kuhnke „Intoleranz“ vorwirft, habe ich auch schon mitbekommen, allerdings ist das Stock auch schon passiert.

  24. #27 Der Freund meines Feindes dürfte meinen Feind unterstützen und mich bekämpfen. Jedenfalls halte ich es für sinnlos, auf etwas anderes zu hoffen.
    Es gibt z.B. in der Politik zahlreiche Gegenbeispiele. So simpel sind Menschen zum Glück nicht gestrickt, dass man das in einfache Dichotomien auflösen könnte.

    Kuhnke wurde wegen der Weigerung, die IBA zu besuchen, Intoleranz vorgeworfen. Stock aber nicht wegen der Aufgabe der Professur.
    „Niemand käme auf die Idee, Professorin Stock wegen ihres Rücktritts Intoleranz zur Last zu legen. “ schrieb ich.

    Wegen Ihrer Haltung zu trans Menschen, würde auch ich ihr Intoleranz bescheinigen wollen, nach dem, was ich bislang gelesen habe.

  25. „Es gibt z.B. in der Politik zahlreiche Gegenbeispiele.“ a) waren das dann wirklich _Freunde_ oder eher lose Verbündete? b) die Existenz von Gegenbeispielen rechtfertigt so oder so nicht, dass man sich darauf verlassen sollte.

    „Kuhnke wurde wegen der Weigerung, die IBA zu besuchen, Intoleranz vorgeworfen. Stock aber nicht wegen der Aufgabe der Professur.“ Sowohl Kuhnke als auch Stock wurde bereits _vor_ der jeweiligen Aktion Intoleranz vorgeworfen. Aber gut, die beiden Fälle sind nicht komplett identisch.
    „Wegen Ihrer Haltung zu trans Menschen, würde auch ich ihr Intoleranz bescheinigen wollen, nach dem, was ich bislang gelesen habe.“ Tja, sehe ich auch so.

  26. Dialektik des Widerstands: Kuhnke hat Jungeuropa zur bundesweiten Bekanntheit verholfen, weit über die rechte Szene hinaus. Ähnlich schon vor einigen Jahren die Antifa-Aktion, die gegen Kubitscheks Antaios-Stand vorging. (Im Falle Kuhnkes ging die Werbewirkung wenigstens in beide Richtungen.)

    Würde mich freuen, wenn irgendwelche Rechtskonservativen mal den linken Theorie-Verlag ca ira in ähnlicher Weise angingen – der hätte höhere Auflagen wirklich verdient.

  27. „Kuhnke hat Jungeuropa zur bundesweiten Bekanntheit verholfen, weit über die rechte Szene hinaus.“ Manchmal kommt mir das wie eine Verschwörung vor, für die Freunde seiner Feinde Werbung zu machen.
    Aber dann denke ich mir: Quark, ‚Bekanntheit‘ heißt nicht, dass jeder davon was gelesen hat. Oder gekauft.

  28. Auf jeden Fall wird wieder etwas gefunden, was man Frau Kuhnke anlasten kann.
    Eine lose-lose Situation.
    Manchmal fragt mensch sich schon, wo denn da die Fronten verlaufen.
    Etwas wie „Die Nazis sind ja nur wegen der ganzen Gegendemos ein Thema. Ohne die Antifa, wären die gar kein Problem“, sollte als Strategiebeschreibung 2021 langsam wirklich jedem zu blöd geworden sein.
    Diese Netzwerke und Unterwanderungen haben alle stattgefunden, während die Masse angestrengt ignorierte.

  29. „Auf jeden Fall wird wieder etwas gefunden, was man Frau Kuhnke anlasten kann. Eine lose-lose Situation.“
    Ich kann’s nicht ändern.
    Gilt aber umgekehrt auch für Jungeuropa – wenn die Kuhnke känzeln wollen, bekommt Kuhnke mehr Aufmerksamkeit und Reichweite.
    Möglicherweise ist das also eher ein Nullsummenspiel.

  30. @Frank Gemein (#32):

    Etwas wie „Die Nazis sind ja nur wegen der ganzen Gegendemos ein Thema. Ohne die Antifa, wären die gar kein Problem“, sollte als Strategiebeschreibung 2021 langsam wirklich jedem zu blöd geworden sein.

    Da haben Sie sich mal wieder einen schönen Pappkameraden gebastelt. Keine gültige Verallgemeinerung meiner konkreten Kritik. Korrekt wäre: „Wenn man öffentlich gegen Rechte agiert, reicht es nicht, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen – man muss auch unerwünschte politische Folgen einkalkulieren und ausschließen.“

    Anders gesagt: Man sollte für eine Win-Lose-Situation sorgen. Die Buchmesse-Aktionen waren bestenfalls Win-Win-Situationen. Im Falle der Antaios-Proteste würde ich sogar zu einem Lose-Win-Ergebnis tendieren.

  31. „man muss auch unerwünschte politische Folgen einkalkulieren und ausschließen.“

    Was dann den Aussteller davon befreit, gegen Rechte zu agitieren, oder auch nur den Rechten die eigene Plattform zu verweigern.
    Merke, wenn ich nicht gegen Rechte agitieren kann, weil das denen Aufmerksamkeit verschafft, dann biete ich denen besser eine Plattform und hoffe still, dass es keiner merkt, dass die da sind.

    Dass die Deutschen eine seltsame Vorstellung davon haben, was ein „win“ ist, weiss man ja nicht erst seit Stalingrad 1943, aber glauben Sie ernsthaft, der Zwischenfall auf der IBA habe Buchverkäufe oder Wahlergebnisse für Rechts befeuert? Interessante These, nur leider komplett gegen jede Empirie.

  32. Merke, wenn ich nicht gegen Rechte agitieren kann, weil das denen Aufmerksamkeit verschafft, dann biete ich denen besser eine Plattform und hoffe still, dass es keiner merkt, dass die da sind.

    Nein. Wenn sie eine Plattform auf der Messe haben, an der ich nichts ändern kann, sollte ich ihnen nicht noch eine zusätzliche Plattform (in den Massenmedien) verschaffen.

    Interessante These, nur leider komplett gegen jede Empirie.

    Es handelt sich um einen (unfreiwilligen) Fall von Marken-PR. Große Unternehmen geben viel Geld für sowas aus, um ihre Bekanntheit zu steigern. Für eine empirische Erfolgsanalyse bräuchte es

    1. Eine Umfrage zu Bekanntheit und Image der Marke in der avisierten Zielgruppe vor einer Kampagne.
    2. Eine Umfrage zu Bekanntheit und Image der Marke in der avisierten Zielgruppe nach der Kampagne.
    3. Einen Vergleich beider Umfragen.

    Haben Sie das vorliegen? Ich nicht, aber ich habe auch nicht von Empirie geredet.

  33. @KK / #19: Schade.

    Aber auch schade, dass Sie sich m.E. strategisch etwas verrant haben, auch wenn Sie manchmal durchaus recht haben. Salopp gesagt: Durchgeknallte Wokies sind in ihrer mindestens ebenso großen strategischen Verwirrtheit zwar nervend, aber (zumindest außerhalb gewisser Blasen) nicht die große Gefahr für Freiheit, Wissenschaft und Vernunft, als die sie gelegentlich dargestellt werden. Diese Gefahren kommen aus ganz anderen Ecken. Ich wünschte mir von woken ebenso wie von nicht-woken Linken etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit anderen Linken und mehr Fokus auf die gesamtpolitische Lage, sozusagen.

  34. @Earendil (#37):

    „Diese Gefahren kommen aus ganz anderen Ecken.“

    Das weiß ich doch. Nur muss ich hier ja niemandem erklären, dass die Urbans, Weidels, Bolsonaros oder Trumps dieser Welt gefährliche Leute sind. Dass Klimawandel bedrohlich ist und die Ausbeutung des globalen Südens zum Himmel schreit. Das ist doch hier – von einigen Trollen abgesehen – Konsens.

    Fast Konsens sind aber auch Identitätspolitik, „Critical Whiteness“ & Co., und das will ich einfach nicht stehenlassen – aus einer letztlich innerlinken Perspektive, im Bemühen um bessere Kritik.

    Der ganze Ansatz ist so verbreitet, dass man ihn für selbstverständlich hält. Dabei war er noch vor zehn Jahren nicht einmal auf linksradikalen Antira-Camps mehrheitsfähig. Heute beschwert sich eine gewiss nicht radikale, junge Spiegelautorin anlässlich 20 Jahre Harry-Potter-Filme darüber, dass Harry männlich, weiß und hetero sei – und hält das vermutlich für den Gipfel sozialkritischen Bewusstseins.

    Passend dazu: J.K. Rowling erzählte gerade, dass sie ihr Haus inzwischen mit Morddrohungen tapezieren könne – und die kommen halt nicht von rechten Frauenhassern und Rassisten wie bei Frau Kuhnke. Sie kommen von Leuten, die sich für das moralisch Beste und Sensibelste halten, was die Menschheit bislang hervorgebracht hat.

    Die Drohungen gegen Kuhnke muss ich bei Übermedien nicht zum Thema machen – jeder kennt und verurteilt sie. Rowling dagegen dürfte hier in die Kategorie Stock fallen: Die Drohungen schon „problematisch“, aber Rowling privilegiert und ihre „Opfer“ schutzlos. Überhaupt dürfe man die Sache nicht zu hoch hängen, sonst betriebe man die Sache der Rechten.

    Darf ich das schrecklich finden?

  35. Ich wollte es ja sein lassen, aber:
    „Die Drohungen schon „problematisch“, aber Rowling privilegiert und ihre „Opfer“ schutzlos. Überhaupt dürfe man die Sache nicht zu hoch hängen, sonst betriebe man die Sache der Rechten.“

    Sicher, man darf nicht mal jegliche Kritik als „wokistan“ diskreditieren und als KK seinen üblichen Strohmann bauen.

    Der Teil, wo irgendjemand hier im Forum was ähnliches geäußert hat, findet sich jetzt wo genau?

    „junge Spiegelautorin anlässlich 20 Jahre Harry-Potter-Filme darüber, dass Harry männlich, weiß und hetero sei – und hält das vermutlich für den Gipfel sozialkritischen Bewusstseins.“

    Genau unser Problem. Und den Rest, die paar Nazis, unterwanderten Behörden, strukturell benachteiligten Minderheiten, den weiss man ja sowieso.

    Höhö und Schenkelklopf!

    Danke reicht.

  36. „Diese Narbe verheilt nicht – zum Glück“
    Elisa von Hof
    Das ist dann wohl die furchtbare junge „Spiegelautorin“.
    Grow the fuck up, Mann.
    Wenn das ein Problem darstellt, dass junge Menschen abgeschmackte Rollenklischees auch mal selbstverständlich hinterfragen, dann wird es schwer einsam für den Frühvergreisenden.

    Wie schrieb sie:
    „Aber das ist okay. Widersprüche wie diese sind aushaltbar. Denn »Harry Potter« hat nicht bloß jede Menge Magie in unsere Kindheit gebracht. Mit der Figur Hermine hatten Mädchen endlich ein Vorbild, das gern las, lernte, seine Meinung sagte und für sich einstand, das seinen Kamm vergaß, aber nie die Hausaufgaben. “

    Ja, shocking. Bleib dran, du bist da etwas ganz großem auf der Spur!
    Ich sage dir besser nicht noch einmal, wo und von wem man ähnliches findet.

  37. @Frank Gemein
    „Frühvergreisenden“

    Ohne Spaß, neulich fragte ich mich auch, ob wir hier unseren Übermedien-Amthor haben.

  38. @Micha (#42):

    Dass Herr Gemein nicht begreift, worauf ich hinaus will, bin ich gewohnt. Dass Sie seine absurden Fehl-Interpretationen teilen und noch eine dümmliche Beleidigung hinterherschieben, enttäuscht mich schon.

    Frau von Aue vom Spiegel hat auch als Erwachsene nicht begriffen, dass die Potter-Reihe keine eskapistische Kuschelphantasie mit „jeder Menge Magie“ ist, sondern eine Allegorie auf Faschismus, Ausbeutung und, ja, auch Diskriminierung.

    Deshalb beschwert sie sich über „Klassismus“ in Hogwarts (Hänselein reicher gegen arme Schüler). Sie merkt gar nicht, dass solche Details für Rowlings Welt zentral sind – weil es eben eine ungerechte Welt ist.

    Und mit Hermine, die denkt und nie ihre Hausaufgaben vergisst, hatten die Mädchen von 2001 (!) „endlich“ ein Rollenvorbild? Ernsthaft?

    Der Text ist eine gedankenarme Nostalgie-Schnurre, aber für die hiesige Berufsjugend anscheinend trotzdem ganz dolle fortschrittlich – denn es fallen (fast) alle nötigen Schlagwörter.

  39. LoL!
    So liest dann also der Orthodoxe Marxist HP. Bis jetzt kannte ich nur die theologischen Allegorien.
    Aber das kann durchaus mithalten!
    Aber ich bin ja auch ein Teil von Wokistan.

    Fundamentalismus einmal anders.

  40. @KK:
    „Verstehen Sie, was ich meine?“
    Ja und nein. Ich verstehe Ihr Unbehagen an linker Identitätspolitik, zumindest in Teilen. Und ich verstehe, dass es langweilig ist, rechte Positionen zu kritisieren, insbesondere wenn es nicht tiefgründig ist (was in Kommentarspalten naturgemäß so ist) und sich im Grundsatz alle einig sind. Ich glaube, da liegt auch ein Grund für die linke Lust an der Spaltung: andere Linke zu kritisieren ist einfach intellektuell befriedigender, als irgendwas gegen rechts zu schreiben. (Umgekehrt ist das für Rechte leider kein Problem, denn intellektuelle Langeweile ist für die im Gegenteil was ganz Tolles.)

    Dass bei Übermedien „Identitätspolitik, Critical Whiteness & Co.“ abgesehen von Ihnen quasi hegemonial sind, würde ich bestreiten. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass in deutschen Medien diese Sachen ganz überwiegend als Schreckgespenst dargestellt werden. Und auch wenn aus identitätspolitischen Ecken in der Tat viel bullshit kommt, finde ich es schön, wenn Übermedien die gängige Perspektive auf Themen wie Kathleen Stock oder die University of Austin hinterfragt und andere Akzente setzt. Denn der bullshit, der wiederum aus anti-woken Richtungen oft kommt, wird imho zu selten kritisiert.

    „Die Drohungen gegen Kuhnke muss ich bei Übermedien nicht zum Thema machen – jeder kennt und verurteilt sie. Rowling dagegen dürfte hier in die Kategorie Stock fallen: Die Drohungen schon „problematisch“, aber Rowling privilegiert und ihre „Opfer“ schutzlos. Überhaupt dürfe man die Sache nicht zu hoch hängen, sonst betriebe man die Sache der Rechten.
    Darf ich das schrecklich finden?“

    Dürfen Sie, aber Sie dürfen das auch gern differenzierter betrachten. Dass sich links oder progressiv wähnende Leute als Mob agieren und Morddrohungen gegen Leute wie Rowling oder Stock ausstoßen, ist natürlich scheußlich. Dennoch wird es der Sache und auch dem Anspruch als kritischer Kritiker ;) nicht gerecht, wenn man von inhaltlichen Gründen, sozialen Positionen und politischem Kontext abstrahiert. Kuhnke wird nicht nur für ihre politischen Äußerungen, sondern auch rassistisch attackiert; erstere dürften sicher manchmal kritikwürdig, aber niemals so eklig wie die transphoben Statements von Rowling und Stock sein; die sozialen Positionen und damit die Möglichkeiten, mit Anfeindungen umzugehen, sind tatsächlich verschieden, und der jeweilige Kontext (Gewalt gegen Transmenschen, rechte Kampagnen gegen pc, wokeness und CRT, aber umgekehrt auch „linke“ Hassmobs) sollte mitgedacht werden.

    Dennoch, ein bisschen „marxistische Orthodoxie“ (haha) finde ich hier ebenso erfrischend wie ein bisschen „wokeness“.

  41. @ Earendil (#47):

    Danke für die Antwort – und bitte um Verständnis, dass ich hier nicht mehr inhaltlich darauf antworte. Möchte Herrn Niggemeiers Stoppschild nicht überfahren.

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