Mehr Ächtung wagen?
Was ist der richtige journalistische Umgang mit der AfD? Sollte sie als normale Partei behandelt werden? Oder haben AfD-Vertreter mit ihren Positionen und Äußerungen eine rote Linie überschritten? Brauchen wir einen medialen Konsens, die AfD auszugrenzen? Wäre das legitim? Und: Wäre es hilfreich?
Sascha Lobo und Stefan Niggemeier diskutieren darüber in der dritten Folge unseres Übermedien-Podcasts.
„Zur Lage der Medien“ ist eine Coproduktion mit dem Podcast-Label Viertausendhertz.
Habt Ihr die Redezeit gestoppt? Sascha Lobo hat gefühlt 80% der Zeit verschwatzt und Stefan hat nur hier und da die eine oder andere berechtigt skeptische Zwischenfrage einwerfen können.
An meiner bewußt wertenden Formulierung könnt Ihr erkennen, welcher Position ich zuneige. Und aufgrunddessen wertet Ihr meine Aussage auch, so wie ich Eure werte.
Wozu führt das?
Zur Lagerbildung. Und wenn die politische Klasse das eine Lager bildet, die Bevölkerung aber das andere, kommt es zum Zerfall des politischen Konsens der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Es ist doch mitnichten so, dass Medienkonsumenten tumbe Rezipienten eines Journalismusbuffets sind. Konsumenten von Medienerzeugnissen wollen sich verstanden und repräsentiert fühlen. Wie sagt man so schön „Ich lese am liebsten meine Meinung in der Zeitung“.
Das ist auch der Grund, warum ich aufgehört habe, Lobo zu lesen und Niggemeier weiterhin – insbesondere auch nach dieser Diskussion – verehre. Ich schätze die skeptische Zurückgenommenheit in der Sache (Journalismus) und die persönliche Klarheit in der inhaltlichen Ablehnung ekelhafter politischer Positionen (NPD, AfD, Pegida, you name it).
Hat Journalismus die Aufgabe Kampagnen für die eine oder die andere Position zu machen? Auf jeden Fall! Aber nur dann, wenn es einen Medienpluralismus in Deutschland gäbe. Durch die Zentralisierung publizistischer Macht auf wenige Familien und deren Vasallen in den Chefredakteursetagen herrscht jedoch ein verzerrter Wettbewerb.
Sascha Lobo ist in diesem Wettbewerb vor allem Verkäufer seiner selbst. Stefan Niggemeier dagegen ein Vertreter eines längst vergessenen journaliatischen Ethos: Der Wahrheit verpflichtet zu sein, auch auf die Gefahr, das man sich irrt.
… ich glaube übrigens in diesem Podcast eine Antwort auf eine von Dir, Stefan, bisher unbeantwortet gebliebene Frage zu entdecken …
Ich fragte Dich:
1.Gibt es einen Medienbias … und
2. Wenn ja, warum?
Sascha Lobo hat die Antworten direkt indirekt vorgelegt:
Zu 1. JA natürlich und noch lange nicht genug!
Zu 2.) Weil er (Lobo) eine bestimmte Meinung hat, die denen, die über die Publikationsmittel verfügen, opportun erscheint und die ihn deshalb dafür bezahlen in ihren Medienerzeugnissen zu publizieren.
Du wiederum, Stefan, mit Deiner weniger ideologisch zugespitzten Haltung, verdienst Deinen Lebensunterhalt ja offenbar nicht mehr beim Spiegel …
… das Propagandamodell von Noam Chomsky als Blaupause …
Das Kern Problem ist die grundsätzliche Spaltung der Gesellschaft. Da die Medien ein Teil der Gesellschaft sind, tritt die Spaltung auch hier zu Tage. Logischerweise relative Öffentlichkeitswirksam.
Für diese Spaltung und Ihre Folgen gibt es eine unglaubliche hohe Anzahl von Gründen und wenn man medial anfangen sollte mehr „Ächtung“ zu wagen, wird diese Spaltung nur entsprechend schneller vorangetrieben.
Mit Facebook, Twitter oder „alternativen“ wie (neuerdings) Cicero, Compact oder der Jungen Freiheit stehen genug Möglichkeiten zur Verfügung, sich erfolgreich in der eigenen Informationsblase zu halten, ohne auf „etablierte“ Medien zurück greifen zu müssen.
Medial kann man nichts anderes tun als verstärkt auf Argumente und Fakten zu setzen.
Alles andere liegt in den Händen der Politik, die da bin ich mir als alter Kulturpessimist sehr sicher, auch in Zukunft versagen werden.
Etwa in Fragen der Ökonomie, der Integration und der Gesellschaftspolitik.
Das Versagen der Medien liegt eher darin, die politischen Fehler korrekt und transparent zu Erleutern. Schön zu erkennen an der Brexit Debatte. Jung gegen Alt. Dumm gegen Schlau. EU Faschisten gegen Demokraten. Landbevölkerung gegen Stadtmensch. Angst gegen Angst.
Auf die Idee, dass eine nachhaltig schlechte ökonomische Entwicklung der Auslöser für den Brexit ist, also ein großer Teil der englischen Bevölkerung ökonomisch abgehängt wurde, kommt man zwar auch. Aber wirklich ausdiskutiert wird diese These nicht. Meldungen überschlagen sich, verdrängen sich gegenseitig und haften bleibt nur das, das den eigenen Vorurteilen entspricht.
Medienschelte und das anprangern von „schlechter Politik“ wäre aber viel zu einfach.
Das Versagen der Bürger liegt darin, Themenkomplexe nicht verstehen zu wollen. Sie wollen einfach eine Autorität die Ihnen sagt was richtig und was falsch ist. Das können Studien sein, Institute, Parteien, Einzelpersonen oder „Experten“.
Der eigentliche Souverän, lebt in einem System, das er selber kaum versteht.
Ein Abwägen von Argumenten findet selten statt. Wo ich wieder bei der Spaltung der Gesellschaft bin. Hier prallen Glaubensgrundsätze aufeinander, die mit einem dogmatischen, religiösen Eifer verfochten werden. Unverrückbare Positionen. In Talkshows bestens präsentiert und am Ende des Abends nimmt jeder nur das mit, was er für sich selbst gebrauchen kann. Der Rest sind Nazis, Spinner, oder Gutmenschen.
Mehr Ächtung wirkt da auf mich eher wie ein Brandbeschleuniger. Eine Zuspitzung des Problems, das man nicht miteinander redet, sondern eher übereinander.
MfG
Nach allem was ich beobachte tänzelt die AfD zwar noch um ihr Programm – auch wenn einige erstaunte Medienmeldungen für mich überhaupt nicht erstaunlich waren, weil sie sich schon in früheren Programmen und Grundsätzen abzeichneten – aber permanent und immer weiter nach rechts tendierend. Und daher wundert mich auch die Haltung von Stefan so. Ich sehe bislang keinen Anlass zu sehen, dass jemals ein Rechtsruck der AfD auf irgendeiner Ebene abgewendet wurde – vielmehr haben sich die wirtschaftsliberalen in die ALFA verabschiedet und den Radikalen die Verantwortung überlassen.
Ich sage gleich mal vor weg, dass ich gegen ein anders Behandlung der AFD.
Im Gegenteil, ich finde das viele Dinge die man bei der AFD machen soll (z.b. Aufklärung), auch bei den anderen Parteien durchführen sollte.
Der Pro Mensch bei euch sollte auch mal wieder ins Internet. Ja, diese AFD Standpunkte fangen in ihren eigenen Gruppen an. Aber wir sind nicht mehr im Zeitalter der Nischenforen. Diese Vorwürfe und Parolen verbreiten sich Stück für Stück von einem mehr radikalen Menschen zu einem weniger Radikalen.
Gerade durch diese anders Behandlung der AFD bestärkst du die AFD Wähler. Und warum? Weil die Meisten Journalisten unwillig sind auch die anderen Parteien kritisch aufzuarbeiten.
Journalismus hat in meinen Augen immer die Aufgabe aufzuklären und nicht nur wenn eine Partei die rote Linie überschreitet.
Zu dem Thema mit den Gesetzesvorschlag: Wenn die Opposition ein Vorschlag einbringt, dann stimmt die Regierung dagegen und umgekehrt. Wenn der Antrag genial ist, dann bringt die Regierung selbst den Antrag nach einer kurzen Wartezeit ein. Dabei spielt die tatsächliche Partei keine Rolle.
Ich hoffe der Pro Mensch kann mir eine Frage beantworten:
Warum sollten die Journalisten nur Parteien, welche die rote Linie überschritten haben, kritisch betrachten?
Ich schliesse mich @1 an: Herr Lobo nimmt ein Großteil der Redezeit ein, leider weiß ich bislang immer noch nicht wo seine „rote Linie“ verläuft.
Ihr redet 60 Minuten im Kreis, ohne Erkenntnisgewinn für den Hörer. Hier fehlt ein wenig Struktur. Vielleicht im Vorfeld bestimmte Punkte anlegen die mit Rede und Gegerede beackert werden.
Warum nun die CSU weniger verachtenswert ist, als eben die AfD fehlen mir die Ausführungen. Vieles wird postuliert und behauptet ohne die Beweisführung auszuführen.
Wenn ich Lobos Punkte nehme, dann fällt die CSU genau da hinein.
P.S.
Mein Ex-Prof hat das lesenswerte Büchlein: Politik zwischen Destruktion und Gestaltung. Studien über Veränderung von Politik verfasst, das eindrücklich geschildert wie Politik sich, gerade im rechten Rand verändert und welche Strategien Politik und Gesellschaft dagegen haben.
Guter Podcast.
Wegen Spaltung: ich bin da ganz bei Sascha Lobo. Von den Querschüssen der AFD will ich mich, als Bürger der sich so gut als möglich ans Gesetz hält, stark fern halten. Ich finde, der Verfassungsschutz könnte auch schon ordentlich ermitteln. Schon die nicht Anerkennung der brandgefährlichen Situation in Medien und Real Life gibt den Nazis weiteren Spielraum. Wie Gauland vorgeführt wurde, so können auch andere AFD Mitglieder vorgeführt werden. Man kann in einer Demokratie auch mal einen wie Gedeon ins TV Zerren. In einer funktionierenden Demokratie, mit lebendigem Pressewesen, müsste das aber auf eine Vernichtung hinauslaufen.
Mir ist die Spaltung der Gesellschaft egal. Und wenn 50% der Meinung sind, Rassismus sei OK, oder Nein würde nicht Nein bedeuten (um mal ein anderes Beispiel zu nennen), dann wird es auch nicht legaler.
Kein Fußbreit der AFD, es ergiesse sich bitte jeglicher straf und zivilrechtliche Weg, den man gehen kann über diese Partei. Sie muss aufgehalten werden, denn es geht der AFD nicht um Teilhabe am politischen Prozess, sondern dessen Umbau, und im Rückschluss dessen Vernichtung im Sinne einer liberal demokratischen Ordnung (die ja eine dauernde Tendenz der Liberalisierung als Grundprinzip hat).
Ihr könnt die zweite Person auch weglassen.
Bei dieser Podcast-Reihe monologisiert zu 95% Sascha Lobo und wenn der andere auch nur einen halben Satz sagt, unterbricht ihn Sascha Lobo sofort wieder.
Die Fragestellung ist fernab jeglicher Realität . Die AFD ist weit davon entfernt, von irgendwem verschwiegen zu werden – im Gegenteil, nahezu alle Medien jazzen sie hoch. Das bringt Leser oder, besser noch, Klicks.
So wird dann sogar über das erste AFD Mitglied im Studentenparlament der Universität Kassel berichtet und Herr Gauland zu den Vorgängen in Baden-Württemberg im Fernsehen interviewt und dann dieses Interview im Radio mehrfach abgespielt . Schon eine im weitesten Sinne normale Quantität in der Berichterstattung über diesen Laden würde helfen.
Ich bin in dieser Diskussion auch ganz bei Herrn Niggemeier. Was Herr Lobo einfordert führt meiner Ansicht nach nicht zur Lösung des Problems, sondern verschärft dieses nur noch. Die Teile der AfD, die er damit zu retten hofft werden die Bevormundung (ein Wort das traditionell eher negativ belegt ist, in diesem Zusammenhang, aber nicht so gemeint ist) erkennen und entsprechend noch stärker zur AfD tendieren werden.
Zur Diskussion kann man sagen, dass es sich im Vergleich zu den letzten beiden Episoden schon deutlich gebessert hat, jedoch scheint es Herrn Lobo tatsächlich schwer zu fallen mit Widerrede konstruktiv umzugehen. Aufgefallen ist mir, dass er bei konkreten Beispielen immer in die Meta-Ebene wechselt und umgekehrt, bei einer versuchten Diskussion auf der Meta-Ebene sofort mit Einzelfällen kontert.
19:57
Niggemeier: „Ich will an keiner Stelle diese (AfD) Positionen verteidigen…“
Lobo (unterbricht): „Das verbirgst du bisher ganz geschickt…“
Zum Gruseln…
Ich bin auch der Meinung, daß man die AfD stoppen sollte. Je mehr man sich mit diesen Radikalen einläßt, desto mehr zwingen sie (Partei und die ihr wohlgesonnenen Medien) uns ihr Spiel auf. Mir immer noch rätselhaft, wie diese Gruppierung so schnell zweistellig werden konnte.
Wenn die Medien die AfD nicht weiter hochjazzen, besteht die Chance, sie 2017 aus dem Bundestag zu halten, zumal sie sich gerade mal wieder selbst zerlegt (Meuthen/Gedeon).
@6: die Beschreibung auf der Verlagsseite klingt interessant, hab’S mal auf meine TO-Read-Liste genommen. Danke für den Tipp!
Aus der Beschreibung:
„Sascha Lobo und Stefan Niggemeier diskutieren darüber in der dritten Folge unseres Übermedien-Podcasts.“
Nein, das stimmt nicht. Sascha Lobo hat gesprochen, und Stefan Niggemeier hat kaum mehr als Stichworte geben können. Zu viel mehr kam er nicht, auch wenn er sich immer wieder bemühte.
Inhaltlich bin ich in vielen Punkten nahe an dem, was Niggemeier gesagt hat – soweit er denn mal dazu kam, etwas zu sagen.
Was Herr Lobo fordert – nämlich dass die Medien die AfD als eine demokratisch inakzeptable Partei hinstellen – passiert doch eh schon ständig. Sich davon das Heil zu versprechen, dass das jetzt noch mehr geschieht, halte ich für ein wenig realitätsfern.
Folgenden Punkt konnte Niggemeier wenigstens andeuten (wirklich mal länger ausführen konnte er ja keinen einzigen Gedanken): Die Stigmatisierung einer Partei als rechtsextrem und undemokratisch mag recht gut funktionieren, wenn sich klar belegen lässt, dass die entsprechende Partei tatsächlich eindeutig rechtsextrem und antidemokratisch ist. Ist eine Partei jedoch amorph, grenzwertig, vielschichtig und im Wandel begriffen, dann funktioniert diese Stigmatisierung sehr wahrscheinlich sehr viel schlechter…selbst wenn sich die Medien noch so viel Mühen geben mögen. Zu meinen, man könne die AfD einfach in ähnlicher Weise (wenn auch mit anderen Mitteln) ächten wie die NPD und hätte dann auch einen ähnlichen Erfolg, erscheint als etwas blauäugig.
Erstaunlich finde ich auch, dass Lobo eine so offenkundige Doppelmoral rechtfertigt wie die, dass man eine AfD-Politikerin – und sie allein (!) – wegen der weit verbreiteten Praxis des Redigierens von Interviews bloßstellt. Und dieselben Medien, die schon auf einer solchen rein formalen Ebene Fairness und Gleichbehandlung nicht gebacken kriegen (und das nach Lobo auch gar nicht gebacken kriegen sollen?), die mögen den medienkritischen potentiellen AfD-Anhängern dann glaubwürdig nahebringen, dass man rechtsextrem ist, wenn man die AfD wählt. Dieselben Medien wohlgemerkt, die sich – insbesondere in Gestalt der ÖR – die Kritik gefallen lassen mussten, in der Flüchtlingskrise die Politik der etablierte Parteien allzu unkritisch mitgetragen zu haben.
Verzeihung – aber das klingt schon fast ein wenig naiv, bei aller grundsätzlichen Wertschätzung für Herrn Lobo.
Und wie sollen die Medien konkret umsetzen, was Lobo will? Keine Repräsentanten der AfD mehr zu Talkshows einladen? Nein, sagt Herr Lobo. Was sie dann aber machen sollen außer dem, was eh ihre Aufgabe ist, nämlich (im Beispiel der Talkshow) die Aussagen der Gäste kompetent und kritisch zu hinterfragen, das sagt er uns nicht. Da bleibt er vage.
Mit Abstand schwächster Teil der Reihe.
@1 eigentlich nichts hinzuzufügen.
Etwas verdanke ich dem unausgegoren Geschwafel des Mannes mit der Frisur (sorry Lobo!) aber doch:
Dies schöne Modell wie Gruppen wahrgenommen werden ( Hitlergruß und die anderen machen nix dagegen).
Dafür Danke.
Den Rest vielleicht nochmal besser durchdenken.
Das war schwach.
Niggemeier: BRAVO.
Diesen Ansatz „Gruppe definiert sich nicht darüber was alle tun, sondern was einige tun und die anderen unwidersprochen hinnehmen“ fand ich ebenfalls hochinteressant – und er war mir völlig neu. Kann jemand zu diesem Thema gute Einsteiger-Literatur oder -links empfehlen?
Und auch wenn Wiederholungsgefahr besteht: Sascha war definitiv zu dominant im Gespräch, die (in meinen Augen berechigten) Einwände von Stefan wurden mir zu pauschal beiseite gewischt, da hätte ich mir mehr Gedankengänge gewünscht. Eventuell kann man das ja in einem Folgepodcast mal noch mal aufgreifen?
Mir haben ein paar Aspekte gefehlt, andere wurden mehrfach durchgesprochen. Was ist z.B. mit folgender Überlegung:
Das GG zieht einem Parteienverbot strenge Grenzen. Es reicht für eine Partei – jedenfalls nach bisheriger Rspr des BVerfG – nicht aus, bloß „verfassungswidrig“ zu sein (das darf man also), sondern die freiheitliche demokratische Grundordnung muss auch in kämpferischer Weise, aktiv angegriffen werden (https://de.wikipedia.org/wiki/Parteiverbot). Was das bedeutet ist erstmal egal, Tatsache ist, dass es diese Grenze gibt und dass sie weiter hinten liegt, als die Feststellung was man gemeinhin als „verfassungswidrig“ ansehen würde, wenn man den Begriff ernst nimmt.
Verfassungsfeindlichkeit ist nach dem Grundgesetz grds. sanktionslos erlaubt. Das bedeutet übrigens auch, dass Muslime auch verfassungsfeindliche Ansichten vertreten dürfen, ebenso, wie die katholische Kirche, Punks, Kommunisten, Aristokraten, und die CSU …. Das Grundgesetzt schreibt dem Bürger (oder Zusammenschlüssen von Bürgern) keine Werteordnung unmittelbar vor.
Was Niggemeier nun letztlich sagt ist: Diese Grenze, die für ein Verbotsverfahren vor dem BVerfG materiell-rechtlich definiert wird, gilt auch für die anderen, mindesten für die Presse. Das würde jedoch bedeuten, dass man eine Partei erst dann „brandmarken“ darf, wenn das Gericht die Verfassungswidrigkeit festgestellt hat.
Diese Regelung ist aber die einer rein juristische Frage, die dem BVerfG Vorgaben für das Verfahren macht. Dies definiert nicht per se schon die Vorgaben für Journalisten oder Dritte für deren Meinungsäußerung. Journalisten sind grundsätzlich ebenfalls frei, sich ein verfassungsrechtliches oder wertemäßiges, moralisches Urteil über die AfD zu bilden. Und sie dürfen dies auch äußern.
D.h. wie Dritte und Journalisten diese „rote Linie“ oder das Flatterband definieren, steht also nicht im GG in Art. 21 Abs. 2 GG, sondern diesen müssen diese selbst herausfinden. Insofern hat Lobo grds. recht.
Man kann es sich nun einfach machen und wie Niggemeier sagen: Für meine journalistische Tätigkeit gilt einfach dasselbe Flatterband wir für das BVerfG.
Damit verlagert man aber die Frage auf eine rein juristische Ebene, was eigentlich unangemessen ist. Denn es gibt eben auch eine nichtverbotswürdige Verfassungsfeindlichkeit oder gar Verfassungswidrigkeit. Und das ist sozusagen eine moralische (und damit keine juristische) Grenze, die sich an einer Wertordnung orientiert, die im Grundgesetz durchaus zu finden ist; maßgeblich in Art. I Abs. 1 S. 1 und den folgenden Menschenrechten. Hier wurde im Grunde Kant umgesetzt, und ich halte es für eine vertretbare Position zu sagen, wenn jemand diese Werteordnung immer wieder in Frage stellt, dann finde ich als Journalist, dass diese Partei bei der Aufgabe der Willensbildung des Volkes in die Schranken gewissen werden sollte (21 GG) und ich übe meine Meinungsfreiheit und Gewissensfreiheit entsprechend aus.
Wie man das dann macht, und ob man diese Meinung vielleicht aus taktischen oder anderen Gründen als Journalist besser für sich behält ist der eigentlich Dreh- und Angelpunkt der Diskussion. Der wurde nur ansatzweise erwischt. Da es aber da dabei am Schluss um Vermutungen geht, wird es zugegebener Maßen auch schwer das zu vertiefen. Aber mich hätten die entsprechenden Kriterien der Diskutanten genauer interessiert und die Unterscheidung zwischen Recht, Moral und Gewissen.
Nun gibt es da am Schluss freilich möglicher Weise auch juristische Konflikte, weil es einen vollständigen Ausschluss der Drittwirkung von Grundrechten nicht gibt (vgl. Lüth-Urteil).. D.h. auch eine nichtstaatliche Organisation, wie ein Pressorgan, kann daran gebunden sein, Parteien nicht unredlich zu benachteiligen. Solche Einschränkungen der Pressefreiheit müssen allerdings auch irgendwo in gesetzlichen Schranken definiert sein und können sich dann auch zivilrechtlich auswirken, wobei auch generell unsachliche Beiträge erst einmal von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Ew gibt hier wohl am Ende ein deutliches Übergewicht der Meinungsfreiheit gegenüber einem Unterlassungsanspruch. Und Sascha Lobo will bei seiner Kritik der AFD auch offensichtlich ohnehin keine Gesetze verletzen. Aber auch darüber muss man sich natürlich Gedanken machen, wieweit einerseits juristisch andererseits aus selbstempfundender moralischer Verpflichtung zum Erhalt eines menschenfreundlichen Systems man das als Presse darf, die ja auch an der politischen Willensbildung mitwirkt.
Das all das aber Fragen sind, die mit „also für mich gilt halt nun auch einfach Art. 21 Abs. 2 GG, so wie für das Gericht“, als Beantwortung der Frage nach dem eigenen Flatterband erstens zu einfach vom Tisch gewischt werden und zweitens als Definition des eigenen Gewissens auch nicht überzeugend sind. Das Recht ist nur die ultima ratio. Wo man seine eigenen Grenzen zieht, muss man sich eben überlegen.