In eigener Sache

Übermedien unterwirft sich dem Presserat

Übermedien hat gestern die Selbstverpflichtungserklärung des Deutschen Presserates unterschrieben. Damit bekennen wir uns auch formal zum Pressekodex und erklären uns bereit, Sanktionen zu befolgen, die die zuständigen Gremien gegen uns aussprechen.

Konkret heißt das vor allem, dass wir uns verpflichten, eventuelle Rügen zu veröffentlichen. Es bedeutet aber auch, dass der Presserat überhaupt erst zuständig für uns wird. Als unabhängiges Online-Medium unterliegen wir nicht automatisch der Kontrolle durch diesen Verein, der von den beiden großen Journalistengewerkschaften und den beiden Verlegerverbänden getragen wird.

Prinzipiell gute Idee, aber …

Man sollte denken, dass dieser Schritt für ein Magazin wie unseres eine Selbstverständlichkeit ist. Aber so einfach ist die Sache nicht.

Es fängt damit an, dass der Presserat zwar prinzipiell eine gute Idee ist, in seiner sprichwörtlichen Zahnlosigkeit aber regelmäßig ein Ärgernis. Er nimmt es zum Beispiel hin, dass eine Zeitung wie „Bild“ der Selbstverpflichtung, die sie – wie wir jetzt auch – unterschrieben hat, einfach nicht nachkommt und Rügen in ihrer gedruckten Ausgabe nicht veröffentlicht. Er nimmt es auch hin, dass ein großer Verlag wie die Bauer Media Group diese Selbstverpflichtungserklärung einfach gar nicht abgibt. Er hat keine wirklichen Sanktionsmöglichkeiten.

Seit Herbst 2020 gibt es eine neue Situation. Der jüngste Medienstaatsvertrag hat eine sogenannte Regulierungslücke geschlossen: Für die Aufsicht über journalistische Online-Medien sind seitdem die Landesmedienanstalten zuständig – es sei denn, sie lassen sich von Selbstkontrollorganen wie dem Presserat kontrollieren. Der Presserat wirbt seitdem offensiv um unabhängige Online-Medien als, nun ja, Kunden: Sie zahlen ein bisschen Geld, müssen dafür aber nicht die konkreten Sanktionen fürchten, die Landesmedienanstalten tatsächlich haben, wenn ein Anbieter „den anerkannten journalistischen Grundsätzen“ nicht entspricht.

Beschwerden von uns, Beschwerden über uns

Insofern kann man uns natürlich vorwerfen, dass wir von der potentiell folgenreicheren automatischen Aufsicht durch die Landesmedienanstalten in die vergleichsweise weiche Welt des Presserats wechseln. Andererseits ist das Vorgehen der Landesmedienanstalten bisher einigermaßen undurchsichtig. Dagegen orientiert sich der Presserat, bei all seinen Schwächen, immerhin in einem halbwegs transparenten Verfahren an klar definierten Grundsätzen: am Pressekodex.

Hinzu kommt, dass wir uns selbst in unserer Berichterstattung über mangelhaften Journalismus immer wieder auf den Presserat und seine Entscheidungen beziehen; immer wieder beschweren wir uns auch selbst beim Presserat über andere Medien. Bei aller Kritik, die wir an diesem Gremium haben, wäre es sehr merkwürdig, wenn wir uns dann nicht auch selbst seiner Kontrolle unterwerfen würden.

Neulich hat sich eine Publizistin, über die wir geschrieben haben, beim Presserat über unsere Art der Berichterstattung beschwert. Sie bekam von ihm die Antwort, dass er für uns nicht zuständig ist. Das ist nicht nur für sie, sondern auch für uns frustrierend: Anstelle einer Einschätzung durch das Gremium, die für uns auch positiv hätte ausgehen können, blieb nur der öffentliche Eindruck, dass wir, ausgerechnet wir, uns einer solchen Überprüfung entziehen.

Das wird in Zukunft nicht mehr passieren.

Der Presserat ist nun für uns zuständig. Und wir werden seine Urteile über uns selbstverständlich transparent machen, selbst wenn sie für uns unangenehm ausfallen sollten oder wir mit ihnen nicht einverstanden sind.