Rüge des Presserats

Ohne Markennamen können „Bunte“-Leser mit Gesundheits­tipps nichts anfangen

Der Gesundheitsteil der Zeitschrift „Bunte“ ist ein Ort größter Zufälle. Im Heft vom 11. Juni 2020 zum Beispiel empfiehlt die Redaktion in einem Artikel „die besten Wirkstoffe für empfindliche Haut“, und schreibt:

Vitamin F ist eine Bezeichnung für bestimmte Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann und die daher von außen zugeführt werden müssen. Dazu zählen z.B. die Omega-3-und-6-Fettsäuren (z.B. Dado Sens).

Und was steht zufällig auf der Seite direkt daneben? Eine Anzeige für Dado Sens!


Eine Woche später hat die „Bunte“ „10 Tipps für die optimale Erholung“, darunter diesen:

Die meisten Menschen brauchen sieben bis acht Stunden Schlaf. Wer Schwierigkeiten hat, dem kann z.B. in Krisen vorübergehend ein Präparat helfen. Rezeptfrei gibt es Mittel mit müde machenden Antihistaminika, um das Einschlafen zu fördern und das Durchschlafen zu erleichtern (z.B. „Hoggar Night“).

„Hoggar Night“! Zufällig das Mittel, das auf der Seite davor eine Anzeige geschaltet hat:


In der folgenden Ausgabe empfiehlt die Redaktion gegen Kopfschmerzen Magnesium und schreibt:

Wichtiger Mineralstoff: Aus Untersuchungen weiß man, dass Magnesiummangel die Reizbarkeit der Nerven im Hirnstamm verstärken und zu Kopfschmerzen führen kann. Ist der Magnesiumhaushalt ausgeglichen, ist das eine gute Prophylaxe, um die Schmerzattacken zu verhindern (z.B. „Diasporal“).

Den Leserinnen könnte der Name „Diasporal“ bekannt vorkommen – von der Anzeige auf der Seite zuvor:


Eine Woche später empfiehlt „Bunte“ zur Spülung der Blase Goldrutenkraut („z.B. in ‚Aqualibra'“).

Das ist zufällig das Präparat, das im selben Artikel, nur vier Seiten zuvor, eine Anzeige geschaltet hat:


16. Juli. „Haustierbisse können gefährlich werden“, warnt „Bunte“:

Selbst eine harmlos wirkende Wunde sollte deshalb mit einem Desinfektionsmittel (z.B. „Betaisodona“) behandelt werden.

Gleich auf der gegenüberliegenden Seite findet sich die Anzeige eines Desinfektionsmittels: Betaisodona.


Eine Woche später geht es schon wieder um die tolle Wirkung der Goldrute:

Tabletten mit Goldrutenextrakt unterstützen bei akuter und chronischer Blasenentzündung, bei Harnsteinen und Nierengrieß sowie zur Prävention von Harnsteinen und Nierengrieß (z.B. „Aqualibra“ von Medice).

Auch in dieser Ausgabe hat Aqualibra auf der Doppelseite zuvor eine Werbung geschaltet.


Gravierender Verstoß gegen Trennungsgebot

Der Deutsche Presserat hat die „Bunte“ – auf unsere Beschwerde hin – für diese Praxis gerügt. Die Berichte stellten „einen schweren Verstoß gegen das (…) Gebot zur strikten Trennung von Redaktion und Werbung“ dar.

Es beginnt schon damit, konkrete Produkte zu nennen, ohne dass sie ein „Alleinstellungsmerkmal“ haben oder zum Beispiel mit Konkurrenzprodukten verglichen werden:

Eine beispielhafte, nicht aufgrund journalistischer Relevanz zu begründende Nennung nur eines einzigen Anbieters/Produkts überschreitet (…) regelmäßig die (…) Grenze zur Schleichwerbung.

Das ist keine neue Interpretation des Pressekodex. Der Presserat weist seit langem immer wieder darauf hin. Viele deutsche Zeitschriften ignorieren das auf ihren Gesundheitsseiten.

Dass die Produktnennungen in „Bunte“ teilweise auch noch mit Anzeigen korrespondieren, findet der Presserat besonders anstößig:

Durch diese Kombinationen kann bei Lesern der Eindruck eines sogenannten Koppelungsgeschäftes entstehen, also der Eindruck, dass die redaktionelle Berichterstattung von der Buchung der Anzeige motiviert oder zumindest beeinflusst ist. Unabhängig von einem tatsächlichen Vorliegen eines solchen Koppelungsgeschäftes ist bereits der entsprechende Anschein geeignet, die Glaubwürdigkeit der Presse zu beschädigen. Hier liegt ein gravierender Verstoß gegen das Gebot zur klaren Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen vor.


Wer kauft schon ein „Produkt mit Goldrutenkraut“?

Die „Bunte“ sieht in der Nennung der Produktnamen keine Schleichwerbung, sondern einen Service für ihre Leserinnen und Leser. Margit Pratschko, Ressortleiterin Medizin/Psychologie, erklärte in einer langen Stellungnahme gegenüber dem Presserat, erst durch die Nennung von Markennamen würden die Ratschläge und Hilfestellungen aus dem Gesundheitsteil für die Menschen umsetzbar.

Ihre Leserinnen und Leser würden kaum Verständnis dafür haben, dass man sie bei der Hilfe bei Alltagsproblemen und dem Aufzeigen von Linderungsmöglichkeiten auf halbem Weg allein lasse und ihnen zum Beispiel bei Schlafproblemen „müde machende Antihistaminika“ empfehle, ohne wenigstens beispielhaft einen Markennamen eines bekannten Produktes zu nennen und ihnen damit einen Anknüpfungspunkt zu geben.

Oder das Goldrutenkraut! Die Menschen, für die sie ihre Artikel schreibt, wolle sie nicht auf die Suche nach einem „Produkt mit Goldrutenkraut“ schicken, wenn es „problemlos“ möglich sei, wenigstens beispielhaft einen Vertreter dieser Gattung zu benennen. Der Presserat gibt die Stellungnahme der „Bunte“-Ressortleiterin so wieder:

Diese Nennung erfolge bei ihnen stets in sehr zurückhaltender Form und ohne jede werbliche Hervorhebung. Durch „z.B.“ werde aufgezeigt, dass es weitere Produkte gebe, die ebenfalls in Betracht kommen. Man gebe auch keine redaktionelle Empfehlung ab. Es gehe um Information und Hilfe, nicht um Reklame.

Und wie kommt es zu der auffälligen Häufung von Produktnennungen, die mit Anzeigen korrespondieren? Die Ressortleiterin erklärte es gegenüber dem Presserat so:

Die Themen ihrer Medizinseiten werden vorab kommuniziert und können von Anzeigenkunden gezielt belegt werden (natürlich ohne jeden Einfluss auf die Inhalte). Wenn ein Hersteller in einem Umfeld werbe, das zu der Indikation für sein „Produkt“ „passt“, sei die Wahrscheinlichkeit gar nicht so klein, dass es auch zu einer redaktionellen Erwähnung im gleichen Heft kommt.

4 Kommentare

  1. Immer diese Zufälle.

    Könnte Mal wer eine fake Gesundheitsfirma mit einer echt wirkenden Website aufsetzen? Irgendeine homöopathische Zuckerkugel aus Schweden, die gegen Rücken hilft oder so. Die Einführung in Deutschland stehe kurz bevor und damit auch eine große Werbekampagne. Was man denn da bei der Bunten so machen könne…

    Irgendein investigativer Medienwallraff wird sich doch dafür finden lassen?

  2. Also bei uns im Osten vor der Wende hätte die Bunte damit locker durchkommen können, denn von jedem Produkt gab es so im Schnitt 1-2 Marken. Heutzutage kann man wahrscheinlich für jeden Buchstaben des Alphabets ein Magnesium-Präparat finden, da ist die Chance mitnichten „gar nicht so klein“, zufällig das Präparat zu erwähnen, das unabhängig davon eine Anzeige schaltet.
    Wer so offensichtlich lügt, ist verkommen. Die von Bunte können einem leid tun, denn viel Menschlichkeit kann dann nicht mehr in einem stecken.

  3. Bei einem Präperat, was aus einer ganz bestimmten Pflanze gewonnen wird, und nicht von jedem Hersteller angeboten wird, kann man sich vllt. noch streiten, aber Magnesium ist ein Element.

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