„Ich will das wieder haben.“ Wie sich Fernsehleute nach dem Publikum sehnen
Als die Corona-Pandemie Anfang 2020 ausbrach, traf das auch das Fernsehen. Sendungen, die sonst Publikum im Studio hatten, mussten plötzlich darauf verzichten: überall leere Stühle, Stille, Ratlosigkeit. Wie ist das ohne Applaus? Und wenn nach Witzen keiner lacht? Wen sollen Warmupper anheizen, wenn niemand da ist? Und wie ist das für eine Sportreporterin, aus einem leeren Stadion zu berichten?
Inzwischen ist das Publikum vereinzelt zurück. Bei „Let’s Dance“ (RTL), zum Beispiel, waren kürzlich 150 Menschen zugelassen, mit Masken und auf Abstand. Auch im ZDF-„Fernsehgarten“ durften wieder 100 Menschen mitklatschen. Markus Lanz hingegen findet, seine ZDF-Talkshow sei ohne Publikum „konzentrierter, unaufgeregter“. Lanz-Produzent Markus Heidemanns sagt: „Wir werden ohne Publikum bleiben, auch wenn’s wieder möglich ist.“ Es habe eben Vorteile.
Und die anderen? Wir haben mit Menschen gesprochen, die im oder fürs Fernsehen arbeiten, und haben sie gefragt: Wie war das damals, als das Publikum plötzlich weg war? Wie sind sie dann damit umgegangen? Und wie geht’s nun weiter?
Plötzlich alle weg
Marco Laufenberg, Warmupper: „Die ersten Tage waren der Horror. Das ist ja meine Leidenschaft, was ich da mache, aber es stellte sich auch ganz banal die Frage: Wie zahle ich jetzt meine Rechnungen? Bis Mitte 2020 war ich ausgebucht – und plötzlich brachen im Viertelstundentakt die Jobs weg.“
Torsten Thelemann, Publikumsbeschaffer (TV-Tickets): „Es war ein Schock am Anfang. Wir dachten erst, das geht schnell vorüber. Aber dann sind wir komplett runtergeknallt und haben auch nur schwer Corona-Hilfsgeld bekommen, weil unsere Auftraggeber ja nicht schließen mussten und wir damit nicht unmittelbar betroffen wären. Die konnten weiterproduzieren, nur halt ohne Publikum. Unseren förderungswürdigen Status mussten wir uns erst mühselig erkämpfen. Ohne Kredit wären wir nicht mehr da.“
Ina Müller, Sabbelshow-Gastgeberin: „Die ersten vier Sendungen fanden im vorigen Jahr komplett ohne alles statt: ohne Shanties, ohne Frau Müller hinterm Tresen, ohne Band, ohne Gesang, und natürlich ohne Publikum. Wir durften einfach nichts – nur atmen und reden! Und selbst DAS wurde abgemessen und diskutiert. Ich hatte Angst, die Sendung so runterzurocken, dass sie nach Corona kaputt ist. Irgendwann waren wir bei zwölf Plexiglasscheiben in dieser sehr kleinen Kneipe. Dann hab ich geweint, und dabei kam die Idee, zum Beispiel die Musiker nach draußen zu verlegen. Und zum Glück war damals Tim Mälzer mein erster Gast, da konnte nicht viel schief gehen.“
Andrea Kiewel, „Fernsehgarten“-Moderatorin: „Auf einmal war all die Schönheit des ZDF-‚Fernsehgartens‘ nur noch Kulisse. Es fehlte das wichtigste: Leben. Lachen. Menschen. Ich musste mich völlig umgewöhnen, das gelang mir mehr schlecht als recht. Alleinsein gehört nicht zu meinen Stärken. Sonst hatten wir ja 5000 bis 6000 Gäste. Für die ist das Faszination und Luna Park zugleich. Man ist Teil von etwas Besonderem, etwas Großem, das fühlen die Zuschauer auf dem Lerchenberg ebenso wie mein Team und ich. So viel Sympathie, Vertrauen, Herzlichkeit – diese Show ist mein größtes berufliches Glück. Und mein Publikum ist meine größte berufliche Liebe.“
Anne Will, Talkshow-Moderatorin: „Die Entscheidung, bis auf Weiteres auf das Studiopublikum zu verzichten, war angesichts steigender Corona-Zahlen und der Hygienevorschriften alternativlos. Natürlich ist die Atmosphäre ohne die unmittelbare Reaktion aus dem Studiopublikum eine andere.“
Klaas Heufer-Umlauf, Showmaster: „Das war total merkwürdig alles. Standup ist ja sowieso eine künstliche Situation, an die ich mich erst mal annähern musste mit der Zeit. Und dann plötzlich diese Stille nach dem Schuss. Wir waren damals unsicher in der Redaktion: Wie machen wir kreativ aus der Not eine Tugend? Wir haben dann erst mal Lacher aus bekannten Sitcoms eingespielt. Und eingeblendet, aus welcher Serie die sind.“
Bettina Tietjen, Moderatorin „NDR Talkshow“: „Es ging ja damit los, dass wir bei den ersten Sendungen nicht mal mehr im Studio waren. Wir haben uns nur auf dem Bildschirm gesehen. Das fand ich furchtbar! Ich fasse sonst auch gerne mal jemanden an oder klopfe auf die Schulter, ich lache auch gerne laut – und bei diesen Videokonferenzen kann man sich ja nicht mal ins Wort fallen! Das ist gar nichts für mich. Es bremst jede Spontaneität.“
Frank Plasberg, Moderator „hart aber fair“: „Eine gute Talkshow ist immer auch eine Arena. Der Meinungsstreit unserer Gäste wird am besten vor Publikum ausgetragen. Das kann applaudieren, lachen, murren. Schon der Applaus zu Beginn der Sendung hat etwas Verheißungsvolles. Als wir plötzlich ohne Publikum senden mussten, wirkte unser großes Studio auf einmal sehr leer. Das war und ist immer noch kein gutes Gefühl. Und dann haben wir ja auch die Gäste viel weiter auseinandersetzen müssen. Unsere Sendung war aber immer genau auf das Gegenteil hin aufgebaut: kein Zurücklehnen in Sessel, keine räumliche Distanz zwischen den Gästen, mehr Nähe und dadurch mehr Direktheit. Corona und die nötigen Hygiene-Maßnahmen haben also in gewisser Weise den Kern unseres Sendekonzepts betroffen.“
Dieses ständige Probengefühl
Stephanie Baczyk, ARD-Sportreporterin: „Mein erstes Spiel ohne Publikum war in Aue. Gegen Sandhausen. Es war so unendlich leer, die ganze Atmosphäre: wie bei einem Trainingsspiel. Das fühlte sich alles falsch an. Das Fußballerlebnis im Stadion lebt einfach von den Fans, und ohne die ist es wirklich sehr traurig. Für mich als Sportreporterin hat das auch was mit Adrenalin zu tun. Ich bekomme ja sonst die Stimmung um mich herum mit, die ist wie eine Welle, auf der ich reite. Zum Beispiel das langsame Steigern, wenn es aufs Tor zugeht, bis hin zum Torschrei.“
Klaas Heufer-Umlauf: „Ich musste mir dieses ständige Probengefühl abgewöhnen: Dass ich nicht zwischendurch aufstehe und mir einen Kaffee hole. Man muss ja aufpassen, dass man da nicht unterspannt, wenn man das Gefühl hat, ja, gut, wir sitzen hier so rum und machen unser Ding. Man strengt sich anders an, wenn einen 1000 Leute angucken. Bei ‚Joko & Klaas gegen ProSieben‘ ist es der kuriosteste Wegfall, vor allem wenn du da so einen Quatsch machst. Ist ja noch merkwürdiger ohne Publikum, wenn ich Joko mit einem Kettcar überfahre – und dann klatscht nicht mal jemand.“
Ina Müller: „Meine ganze Sendung lebt ja davon, dass man angeduselt zu dritt in der Bank sitzt – immer ein bisschen zu nah dafür, dass man sich eigentlich nicht kennt und sich Dinge erzählt, die man vielleicht sonst nicht erzählt. Durch Corona waren die ersten Sendungen plötzlich wie ein Kammerspiel: ein Gast, eine Moderatorin, eine leere Kneipe, Punkt. Akzeptieren konnte ich das, aber ich konnte und wollte mich nicht daran gewöhnen. Ich will diesen Kneipenabend! Weil es den so nicht gibt, und weil der mir liegt. Ich will auch die Shantie-Jungs vorm Fenster, und ich brauche das Publikum. Diese zwölf Menschen sind ja so nah an mir dran, wir unterhalten uns zwischendurch, und sie schreiben Bierdeckelfragen, sind also wirklich Part of the Show.“
Ariane Alter, startete 2020 „Late Night Alter“ bei ZDF neo: „Das ‚Gruppenlachen‘, das mitreißt, der Motor sozusagen, fehlt. Also muss man zu Fuß los, das ist leider für alle mühsamer. Von außen fällt einem das fehlende Publikum sicherlich am meisten auf. Das ist ausgerechnet, wenn man neu startet mit einer Sendung, wie ich damals, ein Punkt, den man nicht auffangen müssen möchte, während man sich als Sendung zu finden versucht.“
Torsten Thelemann: „Wir haben die Zeit dann genutzt und unsere Systeme neu programmiert. Wir werden digitaler. Auch um Schlangen künftig generell zu vermeiden, werden viele Abläufe im Vorfeld der Veranstaltung neu organisiert.“
Marco Laufenberg: „Ich habe dann Kulissen geschoben und Gästebetreuung gemacht, erst mal. Jetzt spiele ich Applaus bei Sendungen ein, simuliere also Publikum. Hätte man mir das vor anderthalb Jahren gesagt, hätte ich die Leute ausgelacht. Aber ich versuche, das authentisch zu machen. Dass es so klingt, als würden da 50 oder 500 Leute sitzen. Empörung allerdings, okay, die kann ich nicht einspielen. Das bekommt man nicht simuliert. Auch Comedy ist nicht unkompliziert: Weil ich mit meiner Hand entscheide, wer wie gut ankommt. Auf Dauer ist das nichts. Aber insgesamt war es gut, bei ‚Ninja Warrior‘ zum Beispiel: Die Teilnehmer kommen so viel besser über den Parcours. Die haben sich anschließend dafür bedankt bei mir.“
Bettina Tietjen: „Wenn ich Lanz gucke, fehlt mir das Publikum gar nicht. Das ist alles immer so ernst, also keine Unterhaltungssendung. Da brauche ich niemanden, der klatscht, das stört mich eher. Bei anderen Sendungen, die sonst Publikum haben, vermisse ich es. Manche spielen ja jetzt auch Applaus ein, um einem vorzugaukeln, das wäre ein voller Saal. Das finde ich albern. Das ist ja nicht dasselbe.“
Klaas Heufer-Umlauf: „Jetzt spielen wir Applaus ein. Und zwar an den Stellen, an denen ich denke, dass es witzig ist. Also praktisch überall. Ich kann das ja jetzt endlich ohne das Publikum entscheiden. Nein, anders: Wir haben digitales Publikum. Das lacht tatsächlich! In der Nachbearbeitung spielen wir etwas Applaus oder Lacher zu, wir machen die Leute also lauter, das sind ja nicht so viele. Applaus gehört einfach dazu. Dieses Gemeinschaftsgefühl, Teil der Sendung zu sein, im Studio, aber auch zu Hause. Dass man sich nicht einsam fühlt.“
Ina Müller: „Ich bin einfach ein altes Zirkuspferd. Ich will, dass das Publikum sich amüsiert, das treibt mich an. Und Applause sind auch immer kleine Pausen zum Luft holen, nachdenken, und Bestätigung, dass es den Leuten gerade gefällt. Die Sendungen ohne Publikum brauchen einfach viel weniger Energie. Das fühlte sich immer an wie Laufen ohne schwitzen, irgendwie ungeil. Aber ich habe bei unserem ersten Redaktionstreffen sofort laut gerufen: ‚Wenn hier heute irgendjemand vorschlägt, Applaus oder Lacher von Band einzuspielen, dann kündige ich!‘. Hat dann glücklicherweise keiner getan. Als dann irgendwann wieder ein paar Leute rein durften, habe ich auf den Tresen-Button einen Shantie-Jingle gelegt.“
Stephanie Baczyk: „Im Stadion hört man nur noch die Spieler, die Trainer, den Schiedsrichter und sich selbst. Normalerweise wird ja alles vom Lärm verschluckt. Und nun waren wir Radioreporter/innen und der Sky-Reporter die einzigen, die rumgeschrien haben – alle anderen Kolleginnen auf der Pressetribüne sind ja ruhig. Man fühlt sich schon beobachtet und ich muss mich auch viel mehr fokussieren vor so einem Spiel. Auch die Spieler hören machmal, was von der Pressetribüne runterschallt. Ein Kollege hatte mal die Situation, dass die Spieler auf eine Entscheidung des Schiedsrichters warteten und mitbekamen, wie der Kollege die Situation noch mal zusammenfasste.“
Frank Plasberg: „Ein Applaus am Anfang oder mitten in der Sendung kann für eine Diskussion wie eine Sauerstoff-Dusche sein. Ein Gast, der humorvoll und schnell eine Frage pariert, wird durch das Lachen des Publikums belohnt. All das fällt jetzt weg. Die Sendung droht dadurch etwas steriler zu werden. Das merken die Gäste und auch ich besonders am Ende der Sendung, wenn es keinen Schlussapplaus mehr gibt. Das ist, als würde die Belohnung für 75 Minuten Anstrengung ausfallen. Die Sendung endet abrupt, man fällt ins Leere. Ich weiß, dass so ein Studiopublikum nicht immer das pralle Leben repräsentiert, die Wirklichkeit. Aber es ist doch eine Verbindung dahin, auch eine Mahnung, an die Zuschauer und Menschen zu denken, für die wir diskutieren. Diese Verbindung ist jetzt nicht mehr präsent.“
Das Gute daran
Klaas Heufer-Umlauf: „Ein Vorteil ohne Studiopublikum ist, dass man vielleicht einer gewissen Intimität im Fernsehen wieder zu vertrauen lernt. Je mehr Publikum im Studio ist, umso mehr spielt man auch für diese Leute und vergisst unter Umständen die vorm Fernseher. Leisere Momente, die sonst geschluckt werden von der Stimmung, bemerkt man jetzt auch viel mehr im Fernsehen. Das ist gut!“
Marco Laufenberg: „Wenn du eine Fünf-Stunden-Sendung hast – zum Beispiel: ‚Masked Singer‘-Finale mit ‚Red‘ davor und danach –, da wird das Publikum natürlich müde, und irgendwann fährt auch die letzte Bahn. Gerade wird mein Publikum nie müde, weil es halt in einer Kiste ist. Das macht es auch einfacher: Ich muss mich in Stunde fünf nicht mehr hinstellen, um die Leute zu animieren. Das ist ein Vorteil.“
Ariane Alter: „Bei technischen Problemen, organisatorischen Fragen, inhaltlichen Absprachen oder zweiten Anläufen musste keiner dem Publikum erklären, was los ist und/oder die Stimmung hochhalten. Für das Publikum sollte es ja keine Arbeit sein, sonder ein aufregender Abend, und dieses Gefühl aufrecht zu erhalten, ist Arbeit für das Team und mich und die spart man sich ohne Publikum. Allerdings muss ich sagen, dass das ja auch schöne Arbeit ist. Daher ist der Vorteil ein organisatorischer und kein emotionaler.“
Bettina Tietjen: „Jetzt ist die Dynamik eine andere. Klar, wir haben uns daran gewöhnt. Und manchmal störte es früher tatsächlich, wenn man sich gerade konzentriert unterhält und dann klatscht plötzlich jemand. Jetzt ist mehr Ruhe drin, wir haben auch weniger Gäste, wegen der Abstände. Die Reaktion der Zuschauer, egal worauf, ist so wichtig. Ob man jetzt etwas Ernsthaftes bespricht und es ganz still ist – oder wenn die Leute sich kaputtlachen. Ich sehe ja auch in den Gesichtern, ob die das gerade langweilig finden oder ob sie aufmerksam sind, amüsiert. So ein direktes Echo mögen auch die Gäste. Ich finde, das macht eine Talkshow wie unsere erst rund.“
Anne Will: „Im Gegensatz zu den Unterhaltungsshow-Formaten, zu denen die spontanen Lacher und Klatscher unbedingt dazugehören, leidet unser Format vergleichsweise wenig unter der Stille im Raum. Eher tut es der Debatte gut, lässt konzentriertere Gespräche zu, weil unsere Gäste sogar an sich selbst beobachten, dass sie weniger auf einen Effekt wie einen zustimmenden Applaus hin formulieren.“
Frank Plasberg: „Mir fällt nichts ein, was ich ohne Publikum genossen hätte, ehrlich. Mir fehlt sogar das Warm Up. Das mache ich ja schon immer selbst. Rund 20 Minuten vor der Sendung gehe ich ins Studio, unterhalte mich mit den Leuten, bringe sie in Stimmung. Das läuft immer ähnlich ab, ich beziehe ein paar Mitarbeiter mit ein in diese kleine Show. Das tut nicht nur den Menschen in Publikum gut, sondern das bringt mich selbst auch auf Touren. Ich will das wieder haben.“
Und wie geht’s jetzt weiter?
Ina Müller: „Wir drehen jetzt den Sommer über zwölf neue Folgen. Normalerweise fangen wir damit schon im Frühjahr an, aber uns war es wichtig, jede Lockerung, die eine normale Sendung wahrscheinlicher macht, mitzunehmen. Ich hoffe, dass da täglich etwas dazu kommt. Vor allem: Publikum!“
Bettina Tietjen: „Ich habe keinen Einfluss drauf, wann das Publikum zurückkehrt. Wir sind ja sehr vorsichtig, testen permanent, halten Abstand, haben Plexiglaswände. Auch die nerven mich ja schon total! Man hört ja kaum, was der andere sagt. Ich hoffe darauf, dass es bald wieder anders wird.“
Anne Will: „Ob wir irgendwann wieder Publikum im Studio haben werden? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.“
Klaas Heufer-Umlauf: „Wir fangen im September wieder an. Dann werden wir sehen, wie die Lage ist. Aber im Moment würde ich noch auf Publikum verzichten, das ist mir zu wacklig. Wir vom Fernsehen finanzieren uns ja auch nicht durch Ticketverkäufe wie ‚Rock am Ring‘, zum Beispiel. Deshalb verstehe ich es nicht, dass manche Show jetzt in so einer Pioniermentalität unbedingt die erste sein möchte.“
Torsten Thelemann: „Sehr viele Produktionsfirmen rufen mich gerade an und fragen: Können wir wieder? Was ist mit den Leuten, haben die Angst? Gibt es Vorbehalte? Noch vor vier Wochen gab es diese Anrufe gar nicht. Aber viele sehnen sich nach dem Dampf im Kessel. Und wenn es die Lage hergibt, möchte ich natürlich wieder arbeiten, darüber müssen wir nicht reden. Aber wir sind alle bestrebt, dass wir nicht eine vierte Welle bekommen. Ich werde nicht auf Teufel komm raus sagen: Alle rein, rein, rein! Damit Menschen keinen Schaden nehmen und wir im Herbst nicht wieder ins Messer laufen.“
Andrea Kiewel: „Inzwischen dürfen immerhin 100 Zuschauer bei uns sein. Ich habe ein wenig geweint vor Glück, als wieder echte Menschen klatschten und tanzten und lachten und sich freuten. Ich bin so unendlich besorgt, dass es der nicht enden wollenden Mahnerei gelingt, unbeschwertes Zusammensein vieler Menschen auf Festivals, in Fußballstadien oder bei mir im ‚Fernsehgarten‘ langfristig zu verhindern. Es fällt mir wahnsinnig schwer, das so hinzunehmen.“
Marco Laufenberg: „Ich komme jetzt über die Runden. Und ich muss nicht auf Teufel komm raus jetzt wieder Publikum in den Studios sitzen haben. Die Krise ist ja noch nicht vorbei. Wir als Fernseh-Typen haben auch eine Vorbildfunktion. Lieber noch vorsichtig sein. Und wenn Sendungen auch in Zukunft auf Publikum verzichten wollen, darf man nicht vergessen: Die Zuschauer sind ja nicht bloß Kulisse, sondern auch Zeugen dessen, was da passiert. Das ist nicht unwichtig, gerade bei politischen Formaten, und gerade bei öffentlich-rechtlichen Sendungen.“
Frank Plasberg: „Es soll wieder losgehen mit Studiopublikum. Wir haben zwar alle in der Krise noch einmal gelernt, das man vorsichtig sein sollte mit Voraussagen – aber im Moment ist geplant, dass wir nach der Sommerpause am 23.8. wieder Zuschauer dabei haben werden. Wie viele, wissen wir noch nicht. Auch noch nicht, ob sie getestet, geimpft oder was auch immer sein müssen. Ich freu mich jedenfalls sehr, dass wir unsere Arena wieder – zumindest ein wenig – füllen dürfen.“
Klaas Heufer-Umlauf: „Ich finde es faszinierend, dass es Leute gibt, die sich die Jacke anziehen und sagen, da geh ich jetzt hin. Deswegen freue ich mich immer, wenn die alle kommen. Aber es gibt ja auch eine Industrie dahinter, die Publikum irgendwo hinsetzt. Die kriegen dann 30 Euro und hauen auch ab, wenn die letzte S-Bahn fährt. Das ist so ein großes Wartezimmer, vor dem man auftritt. Und dieses Publikum hatte jetzt auch mal Zeit, ein bisschen nachzudenken: Wenn ihr also das nächste Mal beim ‚Supertalent‘ seid, dann seid mal sparsamer mit Standing Ovations – nicht mit Tränen in den Augen aufspringen, sobald da irgendein Hund durch einen Reifen springt!“
Fragen und Protokolle: Boris Rosenkranz
Heute bin ich die Miesmuschel, wenn ihr meint das gehört hier nicht hin, schmeißt es gerne weg.
Ich kann das ganze Geheule von Sub-Betroffenen nicht mehr hören.
Kein Publikum, Masken sind des Todes, kein Theater für die Feingeistigen oder Festivals für die Grobschlächtigen, ich muss meinen exzessiven Lebensstil um 10% beschränken und wir werden alle stärbän.
Nebenbei gehen 2 Schul-Jahrgänge einfach flöten, sind weder für ein Studium noch zum Arbeiten gewappnet, es sind Hunderttausende Menschen (größtenteils vermeidbar) gestorben, ganze Branchen haben 2 Jahren keinen Umsatz gemacht, die große Pleitewelle kommt erst noch inkl. globaler Finanzkrise, die Verschwörungshanserl bekommen immer mehr Zulauf weil nur noch Narrative zählen statt Fakten. Pfleger kriegen immer noch nicht mehr Geld oder mehr Kollegen. 50% der Corona Teststationen waren nur auf schnelles Geld aus und haben den Staat um Millionen betrogen.
Trump simmer los, Biden ist der Messias, der aber auch Stahl und Alu Strafzölle dann doch lieber behält, weil sie „innenpolitisch zu beliebt sind“. Freudestrunken zeiehen wir zum Rudelgucken in die Innenstadt, weil wir uns ja die letzten 2 Jahre nur zuhause alleine zur Bundesliga besaufen konnten, da muss man sich dann mit sich selbst beschäftigen, das geht so nicht. Also werden die ausgebleichten Deutschlandfähnchen von 2006 an die Rückspiegel gebappt und man geht sich im Rudel zu Fußball-Nationalismus besaufen, weil das viel geiler ist (bzw. der Alkoholismus dann gesellschaftlich akzeptiert wird).
Wir brauchen aber eine Lockerungsdebatte! Die Wissenschaftler hatten zwar so gut wie immer Recht in der Pandemie aber ein Habeck sagt „Wissenschaft ist nicht alles“, nein, es muss gesellschaftlich abgewogen werden! Wenn 20 Millionen 3% glücklicher sein können und man dafür nur ein paar Zehntausend anderer verrecken lassen muss, geil! Morgen Deutschland-Portugal, aber ohne Oma.
Was uns wirklich interessiert ist Baerbocks fucking Lebenslauf und ob Paul Zimiak total unabsichtlich was falsch verstanden hat.
Olaf Scholz mit ca. 0% Chance auf Kanzlerschaft kriegt ein 1-stündiges Kanzlerkandidateninterview in der Primetime, weil Tradition.
Und Andrea Kiewel ist nicht gerne allein.
Schönes Wochenende.
Anderermax on fire!
„Ein Gast, der humorvoll und schnell eine Frage pariert, wird durch das Lachen des Publikums belohnt. All das fällt jetzt weg. […] Das ist, als würde die Belohnung für 75 Minuten Anstrengung ausfallen.“
Diese Aussage von Plasberg fasst mein Unbehagen gegenüber Polit-Talkshows eigentlich ganz gut zusammen. Form über Inhalt. Emotionale Unterstützung anstelle von Erkenntnisgewinn als Ziel. Lanz hat zwar immer noch nicht so ganz verstanden, wann man den Terrier auspacken sollte und wann nicht, zumindest aber tut es der Sendung gut, dass sich die Gäste nicht darauf konzentrieren müssen (oder auch können), das Studiopublikum auf ihre Seite zu ziehen.
@Ritter der Nacht
Volle Zustimmung.
Frank Plasberg: „Eine gute Talkshow ist immer auch eine Arena.“
Dieser Satz dürfte paradigmatisch für Plasbergs Verständnis einer Talkshow stehen – und dafür, warum diese Sendung so brechreizerregend ist. Legitimer Nachfolger von Olaf Kracht (der aber immerhin wusste, dass er Trash macht). Das nur als Ergänzung zum Ritter der Nacht.
PS: Wenn du jetzt Olaf Kracht googeln musst: Genieß deine Jugend!
Andrea Kiewel hat endlich geblickt, dass es den sogenannten Mahnern in Wirklichkeit nur darum geht, dass niemand mehr in den Fernsehgarten kommt.
Ansonsten meine vollste Zustimmung zu #1 und #3.