Holger ruft an (29)

Kann man das Leben im Dritten Reich erklären, indem man Sophie Scholl nachspielt?

Podcast über "Ich bin Sophie Scholl"

Die ARD versucht mit dem Instagram-Projekt „Ich bin Sophie Scholl“, vor allem jungen Frauen die NS-Widerstandskämpferin nahe zu bringen. Sie sollen „emotional, radikal subjektiv und in nachempfundener Echtzeit an den letzten zehn Monaten ihres Lebens teilhaben.“

Unsere Autorin Nora Hespers fürchtet, dass dabei wichtige historische Zusammenhänge verloren gehen oder sogar ein irreführendes Bild über die junge Frau und die Zeit entsteht. Das Publikum werde mit seinen Fragen und Missverständnissen häufiger allein gelassen; das Social-Media-Team könne die Anforderungen, die an seine Kommunikation gestellt werden, kaum erfüllen.

Holger Klein spricht mit ihr über ihre Kritik an dem Projekt.

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

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5 Kommentare

  1. Freue mich eigentlich immer sehr auf das Format und bin dann jedes Mal ein bisschen enttäuscht, wenn es kaum Inhalt über den bereits zuvor veröffentlichten Text hinaus gibt. Lieber noch mehr auf inhaltliche Hintergründe eingehen oder auch das Prozedere bei der Texterstellung (sofern vorhanden) ansprechen. Wenn es da nicht viel über den Text hinaus gibt, ist es vielleicht einfach der falsche Gesprächsgegenstand.

  2. Hallo Holger und Nora,
    guter Podcast, bin immer ein Fan davon!

    dieser Podacast hätte durch aus mehr in die Tiefe gehekönnen, welche andere Widerständer gab es sonst so?
    Es wurden viele Themen angesprochen, die durchaus eine berechtigte Nachfrage würdrig gewesen währen; auch wenn es dann das übliche zeitformat sprengen würde

  3. @Ritter der Nacht: Danke für die Kritik, da ist was dran. Der Podcast bietet für uns aber auch die Möglichkeit, andere Leute für ein Thema zu erreichen, die gar nicht unbedingt die Artikel hier lesen (oder Übonnenten sind). Es ist insofern manchmal einfach ein anderer Zugang zum selben Thema, und dann doppelt es sich manchmal.

  4. Was ich an Frau Hespers schwierig finde ist, dass sie sich als Journalistin mit ihrer eigenen, sehr nahen Familiengeschichte auseinandersetzt und sich dadurch zur Expertin des deutschen Widerstands erklärt.
    Und dann stolpere ich über den Titel des Buches von Frau Hespers „Mein Opa, sein Widerstand gegen die Nazis UND ICH“. Psychologisch spannend, dass Frau Hespers sich in einem Buch, das sich eigentlich vor allem um ihren Großvater dreht, gleich im Titel selbst mitnennt.
    In Bezug auf das Thema, das im Podcast besprochen wird, wird schnell klar, dass Frau Hespers emotionalisiert und kein bisschen neutral ist.

    Und dann höre ich eine Menge Infos von Frau Hespers, die sie nicht belegen kann.
    Herr Klein fragt, ob Sophie Scholl denn 1942 wusste, was in Deutschland los war – und Frau Hespers behauptet mit der Inbrust der Überzeugung, dass Sophie Scholl das wusste. Interessanter weise bringt sie dazu aber KEINE EINZIGE Quelle. Sondern verweist lediglich auf die Berichte anderer Menschen. Und Herrn Kleins Frage, ob Sophie Scholl zu den kollektiv Verdummten gehörte, behauptet Frau Hespers wieder: „Nein, nein, nein, kann man in ihren Briefen lesen“ – aber ein Zitat/Quelle bleibt sie auch hier schuldig. Immerhin war Sophie Scholl auch 1942 noch im BDM, es könnte wohl durchaus sein, dass sie zu dem Zeitpunkt erst begann zu begreifen, was da in Deutschland passiert (siehe taz-artikel zu Sophie Scholl, mdr-Beitrag, ZDF-Beitrag mit der Scholl-Biografin Maren Gottschalk, alles ratzfatz zu ergooglen). Und dann erzählt Frau Hespers, „jemand“ hätte ihr geschrieben, es gäbe in Schleswig Holstein einen Bildband, in dem man Menschen an Lagern vorbeispazieren sah. Und man hätte die Menschen später gefragt, ob sie von den Lagern gewusst hätten – und sie hätten verneint.
    OHNE JEDE QUELLENANGABE! Und da stutzt auch Herr Klein nicht?
    Ich kann mir gut vorstellen, dass es derartige Bildbände gibt – und auch, dass es die erwähnten Reaktionen gab. Aber ohne Quelle ist das eben durch nur eine passende Story, mit der Frau Hespers ihr Narrativ stützt.

    Ich habe fast ein bisschen das Gefühl, dass Frau Hespers hier auf ein sehr erfolgreiches Projekt aufspringt, um ihr eigenes Buch zu bewerben, das just veröffentlich wurde. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
    Frau Hespers: Machen Sie doch einfach eine Lesereise!

  5. @Ben:

    Die Quellenangaben und Belege finden Sie im dazugehörigen Artikel hier auf Übermedien. Sie sind ja so fix im Googlen, da haben Sie das sicherlich auch schnell gefunden. Zudem bin ich im Hintergrund mit verschiedenen Historiker:innen in Kontakt, mit denen ich mich seit Beginn der Projektes austausche. Unter anderem auch mit Maren Gottschalk, mit der ich ein wirklich sehr gutes Gespräch hatte und die sich einige Kritikpunkte selbst genauer angesehen hat. Es hat also ein konstruktiver Austausch stattgefunden.

    Ansonsten kann ich Ihnen den guten Rat geben: Don’t judge a book by its cover. Aber gut, dazu müssten Sie jetzt das Buch lesen und dann würde es natürlich stimmen, dass ich hier Buchpromo mache, und das wollen Sie ja auf gar keinen Fall, dass ich mit meinen Recherchen der letzten 7 Jahre und der Arbeit an diesem Buch einen Cent verdiene. Da muss ich aber leider sagen: Das ist dann eine Behauptung, die Sie aufstellen, die Sie dann auch nicht belegen können. Aber ich biete Ihnen hier mal einen kleinen Service an. Das „Ich“ ist auf dem Titel, weil das natürlich eine persönliche und auch emotionale Geschichte ist. Wie sollte es anders sein, wenn der eigene Großvater von den Nazis ermordet wird. Das ist schwierig, da nüchtern draufzublicken. Auch auf das Leid und die Traumata, die meinen Vater geprägt haben – und damit halt auch mich. Aus der Nummer komme ich einfach nicht raus. Aber recherchieren heißt halt auch, Belege anzuführen, was ich in dem Buch tue. Das „Ich“ steht aber auch für die Zeit, in der wir jetzt leben. Denn es geht in dem Buch nicht nur um die Vergangenheit, sondern eben auch um uns im Hier und Jetzt, in der Gegenwart. Und da lebe ich nunmal – ebenso wie sie. Journalistinnen und Journalisten sind eben auch Menschen. So, jetzt habe ich hier tatsächlich Buch-Promo gemacht. Ich danke Ihnen herzlich für diese Gelegenheit.

    Ansonsten ist es tatsächlich so, dass es eigentlich immer eher schlechte Promo ist, wenn man Kritik an erfolgreichen Projekten übt. Damit macht man sich nämlich unbeliebt, wie ja auch ihr Kommentar zeigt. Eine Tatsache, über die ich mir übrigens bewusst war als ich den Artikel verfasst habe. Und ehrlich gesagt: Demokratie lebt von Widerrede und Kritik. Und auch das Projekt profitiert davon.

    Die Redaktion reagiert nämlich inzwischen auch darauf. Es wird mehr Kontext geliefert und auch in den Kommentaren selbst wird anders agiert.

    Es ging übrigens an keiner Stelle darum, ein erfolgreiches Projekt „zu Fall“ zu bringen (wie könnte ich auch, da überschätzen Sie meine Macht wirklich gewaltig). Aber ich sehe Gefahren und bleibe da auch bei meiner Kritik. Dass Sophie Scholl nicht komplett blauäugig da rein gegangen ist, zeigt übrigens auch der Account selbst. Darin sind unter anderem aufgeführt die Verhaftung ihres Bruders wegen §175, die Bücherverbrennung, erst gestern wurde eine Story veröffentlicht, in der sie Bezug nimmt auf die Vertreibung von Jüdinnen und Juden aus ihren Geschäften. Ihr eigener Vater stand dem NS-Regime mehr als kritisch gegenüber.

    Lesen Sie doch gerne die Bücher über Sophie Scholl, die veröffentlichten Briefwechsel mit Fritz Hartnagel, etc. Darin kommt durchaus einiges zur Sprache, was Sophie Scholl zu ihrer Zeit bereits wusste. Und wie sie das auch reflektiert hat. Ihrem Beitritt zur „Weißen Rose“ geht wirklich eine lange Phase der Reflektion voraus. Auch Sophie Scholl hat nicht eines Morgens die Augen aufgemacht und begriffen: Oh, das ist ja alles gar nicht gut, was hier läuft! Das fing schon deutlich früher an.

    Viel Spaß bei der Lektüre und beim Quellenstudium. Das meine ich sehr ernst. Denn genau das soll das Projekt ja bewirken: Dass Menschen es zum Anlass nehmen, um selbst tiefer in die Geschichte einzusteigen. Wenn das durch diesen Austausch hier erreicht ist, dann würde ich das als gelungen bezeichnen.

    Beste Grüße

    Nora Hespers

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