Populistisches Wahlprogramm?

Von wegen Kampfansage: FDP will ARD und ZDF weniger beschneiden als früher

Da ist er wieder, der medienpolitische Weltuntergang für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Liberale sagen ARD und ZDF den Kampf an“, melden Zeitungen der Funke-Mediengruppe wie das „Hamburger Abendblatt“ und die WAZ in ihren gedruckten Ausgaben. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) jault: „FDP-Beschluss ist populistisch“.

Und auch der bisherige ARD-Chefredakteur Rainald Becker, der – ausgerechnet – nun Koordinator seines Senderverbundes für die Bundestagswahl ist, schlägt Alarm und drückt den Liberalen einen Stempel auf:

Ist diese Aufregung gerechtfertigt? Passiert ist erst mal nur dies: Die Liberalen haben auf ihrem weitgehend virtuellen Bundesparteitag ihr Programm für die anstehende Bundestagswahl feingeschliffen. Auch wenn Medienpolitik eigentlich Sache der Länder ist, hat die Partei sich auch mit der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschäftigt. Das tun übrigens auch andere in ihren Wahlprogrammen oder -entwürfen, zum Beispiel (ganz knapp) die SPD und (ausführlicher) die Grünen.

Im Versprechen der FDP heißt es nun also:

„Wir Freie Demokraten wollen einen moderneren und schlankeren öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR), der sich primär auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen konzentrieren soll. Damit wollen wir den Rundfunkbeitrag absenken. Die Zahl der Fernseh- und Hörfunkkanäle, die von den Rundfunkanstalten betrieben werden, ist zu reduzieren. Nicht erforderliche Parallelangebote sind zu vermeiden.“

Die Formulierung war auf den letzten Metern noch etwas zugespitzt worden. Ursprünglich war nur davon die Rede, eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks solle sich „dämpfend auf den Rundfunkbeitrag“ auswirken und die Zahl der Kanäle solle „kritisch überprüft“ werden.

Doch zur Wahrheit gehört auch: Zur vergangenen Bundestagswahl 2017 hatten die Liberalen noch gefordert, der Rundfunkbeitrag müsse „mittelfristig auch auf die Hälfte gesenkt werden“.

Die Nachricht könnte also ebenso gut lauten: Die FDP will keinen Kahlschlag bei ARD und ZDF mehr. Ob die „Populisten“-Keule da gerechtfertigt ist, scheint angesichts dieser Entwicklung fraglich. Wenigstens in diesem Bundeswahlprogramm strebt die FDP keine Radikalkur mehr an, sondern hat – auch nach kurzfristiger Zuspitzung – erstaunlich weiche Formulierungen gewählt. Von den Forderungen der AfD, den Rundfunkbeitrag abzuschaffen und nur noch einen „Bürgerfunk“ übrig zu lassen, für den ja jeder freiwillig bezahlen könnte, sind die Liberalen weit entfernt.

Vergleichsweise zahm

Wenn sich der beitragsfinanzierte Rundfunk „primär“ auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen konzentrieren soll, bliebe auch noch Spielraum für anderes, also Unterhaltung und Sport. Und genau dort wollen ja auch Intendantinnen und Intendanten sparen, wie etwa NDR-Intendant Joachim Knuth immer wieder beteuert hat, jüngst etwa im Gespräch mit der Mittelstandsunion. Man scheint sich also vielmehr anzunähern.

Da scheint auch die Mahnung des DJV-Bundesvorsitzenden Frank Überall, der unter anderem für den WDR arbeitet, überzogen: „Eine Reduzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf ein Nischenangebot ist verfassungswidrig.“

Keine drei Minuten hat die FDP auf ihrem Bundesparteitag über den öffentlich-rechtliche Rundfunk diskutiert. Doch auch aus diesen kurzen Positionen wurde deutlich, wie vergleichsweise zahm die FDP zumindest für den Moment geworden ist, wenn es um den Rundfunkbeitrag und die damit finanzierten Apparate geht. Generalsekretär Volker Wissing merkte an:

„Wir haben ein Interesse daran, dass der Anteil möglichst gering ist, der vom verfügbaren Einkommen für die Rundfunkgebühren aufgewendet werden muss. Aber es ist doch völlig unrealistisch bei den laufenden Pensionslasten und den steigenden Kosten, dass man tatsächlich eine Absenkung der Rundfunkgebühren durchsetzen kann. […] Die Pensionslasten müssen ja erfüllt werden und schon deshalb gibt es Grenzen, was den Rundfunkbeitrag angeht. Und deshalb bitte ich, diesen Antrag abzulehnen.“

Durchgesetzt hat sich Wissing nicht. Ganz knapp – mit 185 zu 179 Stimmen – nahm der Parteitag die leichte Verschärfung an, die sich der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Jens Teutrine, gewünscht hatte.

Doch auch er gab sich in seinem kurzen Wortbeitrag milde. Teutrine wünschte sich lediglich, dass Öffentlich-Rechtliche „nicht zu viel Unterhaltungsprogramm“ bieten. Außerdem habe es „unsere Demokratie verdient, dass unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk wehrhaft ist“. Die Zuspitzung scheint eher eine Frage des Prinzips zu sein, um nicht ganz von alten Zeiten abzurücken:

„Beim letzten Mal wollten wir den Beitrag halbieren. Seien wir wenigstens noch so konsequent und setzen uns für eine Senkung ein.“

Der radikalere Widerstand gegen einen opulenten öffentlich-rechtlichen Rundfunk schlummert bei der FDP nun also vor allem in einzelnen Ländern. Zuletzt hatte der hessische Landesverband kurz vor Weihnachten 2020 angeregt, das ZDF zu privatisieren. Dagegen wirkt das, was die Liberalen ihren Wählerinnen und Wählern nun im Bundestagswahlkampf versprechen, wie der Versuch einer kosmetischen Korrektur des öffentlich-rechtlichen Systems.

3 Kommentare

  1. Danke für die differenzierte Darstellung. Populismus kann man der FDP aber durchaus vorwerfen, denn sie verspricht in ihrem Bundestagsprogramm etwas, das sie gar nicht halten kann, weil Rundfunk eben Ländersache ist. Dass man eine solche Forderung trotzdem reinschreibt, kann ja nur damit zu tun haben, dass man sich dabei Zustimmung erhofft. Dass andere Parteien das in die eine und andere Richtung genauso machen, macht es nicht besser – für keine Seite.

    (Disclaimer: Ich arbeite für öffentlich-rechtliche Programme.)

  2. Da muss man auch wirklich mal den Tribalism ablegen und anerkennen, was die FDP wirklich gesagt hat und wie sehr #AFDP in Bezug auf ÖRR keine faire Aussage ist. Danke für die Aufklärung!

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