Verharmlosende Berichte

Ach, das bisschen Plagiat: Franziska Giffey und ihre Helfer in den Medien

Mit schöner Regelmäßigkeit fliegt in der Politik jemand auf, der sich seinen Doktortitel mehr oder weniger dreist erschlichen hat. Der aktuelle Fall: Franziska Giffey, womöglich auch bei Erscheinen dieses Textes immer noch Bundesfamilienministerin. Giffeys Dissertation wurde von der Freien Universität Berlin, die ihr 2010 den Doktortitel verlieh, gerade ein zweites Mal begutachtet, und nun soll ihr – unbestätigten Gerüchten zufolge – der Titel endlich entzogen werden.

Dass das geboten ist, kann niemand mehr ernsthaft bestreiten. Die Dissertation ist auf VroniPlag online einsehbar – einschließlich extensiver Markierungen aller bisher entdeckten Fundstellen von Plagiaten. Siehe exemplarisch Seite 28 der Dissertation, auf der etwa die Hälfte des Textes aus vielfach umgestellten Übernahmen aus einer dort nicht genannten Quelle besteht:

Plagiate in Giffeys Dissertation Screenshot: https://vroniplag.wikia.org/de/wiki/Dcl/028

Bereits 2019 hatte die FU Berlin ein Prüfungsgremium eingesetzt, das zu der Schlussfolgerung kam, dass „27 Textstellen den Tatbestand der ‚objektiven Täuschung‘ erfüllen“ und dass „aufgrund der Systematik des Vorgehens auch von einem bedingten Vorsatz ausgegangen werden kann“.

Seltsame Rüge

Zu den Seltsamkeiten dieses Falls zählt, dass die FU trotz dieser eindeutigen Formulierungen nur eine Rüge aussprach, statt den Titel abzuerkennen – was die einzige im Berliner Hochschulgesetz vorgesehene Sanktion gewesen wäre. Neben der Darstellung der „objektiven Täuschung“ gab sich das Gremium auch viel Mühe, einige (rechtlich allesamt nicht haltbare)
Argumente zu finden, warum sich Giffeys Plagiat nun eben doch „von klassischen Plagiatsfällen unterscheidet“.

Nach Protesten aus Studenten- und Oppositionskreisen wurden drei externe Gutachten zu der Frage verfasst, ob die Rüge überhaupt zulässig war. Die zwei nicht von der FU beauftragten Gutachten verneinen das. Die FU sah sich genötigt, den Fall neu aufzurollen.

Das jetzt durchgesickerte vermutliche Ergebnis der zweiten Prüfung sollte also eigentlich niemanden überraschen. Wer auch nur minimale Recherche in diesem Fall betreibt, weiß um das Ausmaß der Täuschungen. Wer jemals an einer Universität einen Abschluss gemacht hat, weiß, dass selbst für Seminararbeiten in aller Regel eine Null-Toleranz-Politik gegenüber jeglichen Plagiaten herrscht. Und wer nicht naiv ist, fällt auch nicht auf die Ausreden und Nebelkerzen der Plagiatoren herein und verkauft die seinem Publikum als ernstzunehmende Beiträge.

Vage „Mängel“

Umso mehr muss man sich wundern über die auch in diesem Fall allgegenwärtigen Verharmlosungen betrügerischen wissenschaftlichen Fehlverhaltens: als bloße „Zitierfehler“, als „unsauberes Arbeiten“, als „geschummelt haben“. Im Fall Giffey herrscht weitgehende Einigkeit in den Medien, dass es sich bei den Problemen mit ihrer Dissertation nur um nicht weiter spezifizierte „Mängel“ handelt: So schreiben „Welt“, FAZ, RTL, t-online und viele andere. Der rbb denkt sich sogar noch eine ganz eigene mögliche Ausrede aus: „Die andere Lesart ist, dass hier eine Vollzeit-Politikerin und 2009, als sie die Arbeit schrieb, Mutter eines Kleinkinds lediglich an der einen oder anderen Stelle nicht ganz sauber zitiert hat.“

Das Gerede von „Mängeln“ könnte man mit viel gutem Willen wegdiskutieren, wenn man hofft, dass die betroffenen Medien das nur aus einer Agenturmeldung kopiert oder unkritisch aus dem ersten FU-Prüfbericht abgeschrieben hätten. Auch die herablassende Geringschätzung wissenschaftlicher Arbeit durch die Betrüger oder ihre Verteidiger wird oft ohne Kommentar weiterverbreitet: von Angela Merkels Kommentar, sie habe den damaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ja nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt, zu Guttenbergs Nebelkerze, er wolle dann einfach auf das Führen des Titels verzichten – aber behalten hätte er ihn natürlich, da nur die verleihende Uni den Titel aberkennen kann. Alles nicht so wichtig; wir versuchen erstmal, die Pedanten ruhigzustellen, und nutzen dann einfach die Früchte des Betrugs unter der Hand weiter.

„Einige wenige echte Plagiate“

Genau diesen Taschenspielertrick versucht Giffey nun auch, nur noch dreister. Und Berliner Leitmedien machen sich bereitwillig zu Helfershelfern, allen voran Julius Betschka im „Tagesspiegel“. Natürlich redet auch er über „die Mängel in Giffeys Arbeit“, schwadroniert, Giffey habe bezüglich ihrer politischen Ambitionen „längst vorgesorgt“ dadurch, dass sie den Titel „nicht gebraucht“*, und stellt den absurden Gedanken in den Raum, die FU würde über die politische Karriere von Giffey befinden – das sollten doch bitte „die Wähler“ im September. Wissenschaftliche Redlichkeit? Wird mit keinem Wort erwähnt.

Über politische Karrieren entscheidet nicht die FU
Ausriss: „Tagesspiegel“

Der „Tagesspiegel“-Kommentator wundert sich: „Über das jahrelange Verfahren einerseits und den Furor gegen Giffey andererseits.“** Denn es sei doch alles vergleichsweise harmlos: „Einige wenige echte Plagiate – Sätze ohne Quellenangabe – finden sich im Kapitel Begrifferklärungen.“ Denn, so Betschka: „Das unterscheidet den Fall von Plagiatoren wie Karl-Theodor zu Guttenberg.“ Nochmal zum Mitschreiben, da die Plumpheit kaum zu glauben ist: „Einige wenige echte Plagiate“ sind nicht so schlimm – und guckt doch mal da drüben, da ist ja ein noch viel dreisterer Fall! Können wir jetzt endlich über die Wahlen reden?

Die FU prüfe an Giffeys Dissertation „herum“, schreibt Betschka und zwar: „Wegen Mängeln, die zwar offensichtlich sind, aber nicht die wissenschaftliche Leistung der Arbeit insgesamt in Frage stellen oder grundsätzlich, im Sinne großflächigen Betrugs, an Giffeys Integrität zweifeln lassen.“ Frau Giffey wird das sicher dankbar gelesen haben. Man vergleiche den Satz mit der verblüffend ähnlichen Formulierung aus dem Prüfbericht der FU: „Drittens kam das Gremium zu dem Ergebnis, dass trotz der festgestellten Mängel nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden kann, dass es sich bei der Dissertation von Frau Dr. Giffey um eine eigenständige wissenschaftliche Leistung handelt.“ Dass selbst der FU-Bericht von „objektiver Täuschung“ und „Vorsatz“ in 27 Fällen spricht? Egal, beide Wörter werden von Betschka nicht einmal erwähnt.

Verharmlosende Darstellungen

Wie schafft es so ein Text ins Blatt? Ein Text, der den Eindruck erweckt, dass der Autor keine weiteren Recherchen angestellt hat, als den FU-Prüfbericht zu lesen – nicht die Dissertation selbst, die seit Jahren online einsehbar ist, nicht die drei Gutachten, aufgrund derer die FU das Verfahren gerade wiederholt, nicht die einschlägigen Verwaltungsgerichtsurteile, die alle hier relevanten Fragen berühren. Ein Text, der selbst die eine Quelle, die er benutzt, noch einseitig wiedergibt und eine ihrer zentralen Stellen, nun ja: plagiiert. Ein Text, der die rechtlichen Fragen entweder falsch oder gar nicht darstellt: die Rechtswidrigkeit der zunächst erteilten Rüge, die Unzuständigkeit des Prüfgremiums und seine juristischen Fehlinterpretationen, die Unerheblichkeit der „wissenschaftlichen Leistung“ nach mentaler Herausoperation selbst „einiger weniger“ Plagiate, die Unmöglichkeit des Ablegens des Titels …

Was ist los im Journalismus, dass in der Breite verharmlosende Darstellungen des betrügerischen Verhaltens von Politikerinnen und Politikern gang und gäbe sind? Ein erster Schritt wäre es, etwas aus der Wissenschaft zu lernen und einen solchen Artikel zurückzuziehen und sich dann bei seinem Publikum zu entschuldigen. Und in Zukunft die journalistischen Grundsätze, die den eigenen Artikeln zugrundeliegen, offensiv zu erklären und das Publikum ermuntern, einen an diesen Maßstäben zu messen.

*) Korrektur, 15. Mai. Betschka selbst spricht hier nicht von einem „Verzicht“ auf den Titel (der rechtlich gar nicht möglich wäre), wie unsere ursprüngliche Formulierung suggerierte.

**) Ursprünglich hatten wir Betschka so wiedergegeben, „das Ansinnen, ihr den Titel zu entziehen, sei ein ‚Furor gegen Giffey'“, und geurteilt, „an der Stelle wäre wohl selbst Giffeys Pressesprecherin etwas rot geworden“. Genau genommen bezieht sich die „Furor“-Formulierung in dem „Tagesspiegel“-Kommentar aber nicht auf das Verfahren an der Uni selbst, deshalb haben wir die Stelle geändert.

19 Kommentare

  1. Schöner Artikel, ich habe mich auch einige Male gewundert, dass man Plagiate bei Dissertationen von Politikern – wie bei Frau Giffey – nicht wirklich ernst nimmt. Wie sicher kann man sich der Integrität einer Führungspersönlichkeit sein, die sich ihren beruflichen Werdegang erschlichen hat? Wenn sie sich glaubhaft und frühzeitig (!) entschuldigt hätte, fände ich das toll. Aber die SPD und CDU (und viele Wähler?) scheinen der Frage keine allzu große Bedeutung beizumessen.

    „Und in Zukunft die journalistischen Grundsätze, die den eigenen Artikeln zugrundeliegen, offensiv zu erklären und das Publikum ermuntern, einen an diesen Maßstäben zu messen.“

    Den Teil fand ich am besten: Dass viele Artikel und Kommentare in großen Medien-/Nachrichtenportalen ohne fundierte Quellenangabe oder Verlinkung der Quellen verfasst werden, stört mich sehr häufig. Auch Gesetzesvorlagen oder andere Dokumente werden nur namentlich genannt, aber nicht verlinkt oder sogar direkt zum Download angeboten. Schlußfolgerungen in Kommentaren, Zusammenhänge, welche hergestellt werden, werden häufig gar nicht mit Quellen untermauert. Allein auf technisch/naturwissenschaftlich spezialisierten Websiten fallen mir gute Gegenbeispiele ein.
    Vielleicht könnte Übermedien mehr Beiträge zum Thema Quellenangaben im Journalismus bringen (auch Positiv-Beispiele!).
    PS: Wer Nachrichtenseiten kennt, die mit Quellen wirklich offen umgehen, dem wäre ich für Tipps sehr dankbar.

  2. Sehr gut zusammengefasst. Die Nonchalance auf mehreren Seiten ärgert mich auch persönlich: Guttenberg hat seine „Dissertation“ im selben Verlag veröffentlicht, in dem meine echte erschienen ist. Das Verlagsmotto kann man sich nicht ausdenken: Vincit veritas (die Wahrheit siegt).

  3. Mal ganz abgesehen davon, dass es wohl unbestreitbar ist, dass in dieser Dissertation „grossflächig“ abgeschrieben wurde und der akademische Titel deshalb aberkannt werden muss: Das ist nicht der erste Plagiatsfall, der auffliegt. Aber jedes Mal kommt der Anstoss von Dritten – nie fällt einer Uni selbst sowas auf. Und wie kann es sein, dass Jenen, die Doktorarbeiten abnehmen/kontrollieren und bewerten, solche grossflächigen Plagiate nie auffallen? Wie schlampig und/oder voreingenommen werden da Disserationen gelesen und beurteilt?
    Ich kenne übrigens auch Frauen, die promovierten und ihre Doktorarbeit schrieben, als sie gerade kleine Kinder hatten (was bei Frau Giffey als „mildernder Plagiatsumstand“ angeführt wird) – denen hätte kein Prüfer Milde entgegen gebracht, hätten sie gesagt: „Ach, ich musste da leider ein paar Seiten bei XY abkupfern, sonst wäre ich mit dem Wickeln nicht nachgekommen“. Und diese Frauen hätten das auch vehement abgelehnt – auf die Art wertet man akademische Leistungen von Müttern generell ab: „Ach, bei der hat doch niemand so genau hingeschaut, als sie die Dissertation ablieferte – die hatte doch den Mutterbonus“.

  4. Was das Verständnis angeht, dass Plagiator:innen von verschiedener (medialer) Seite entgegengebracht wird, habe ich aus dem Bauch heraus aufgrund persönlicher Erfahrung aus dem weiteren Kommilitonenkreis ( zugegeben mit einem Schuss Überheblichkeit ob der eigenen Leistung vielleicht) folgenden Verdacht:
    Millionen Facharbeiten in der Schule, sowie Haus- und Seminararbeiten und sogar Diplom-, Bachelor- und Masterarbeiten sind durch reines Kompilieren von Sekundärliteratur enstanden, zum guten Teil mit Nennung derselben gemäß nervig empfundener Zitierregeln, zum guten Teil aber auch ohne Nennung derselben.
    Abschreiben ohne eigenen nennenswerten Anteil, um den Abschluss unter Dach und Fach zu kriegen, ist aus meiner Sicht so gängig, wie auf der Bundesstraße „Tacho 20 drüber“ zu fahren. Die Sünder des Kavaliersdeliktes nehmen sich gegenseitig in Schutz und können die Aufregung derer, die es ehrlich durchgezogen haben, gar nicht verstehen, war ja auch so schon anstrengend genug, dieses ständige Umformulieren.

  5. Kleinkind?
    Angenommen, von Giffey oder sonst einer Politikerin würde behauptet, dass sie wegen eines Kleinkindes suboptimale Leistung erbrächte.

  6. Sie hat ihre Arbeit wenigstens noch selber erschummelt. Kenne zu viele, die haben sich die Studienarbeit einfach von den Kommilitonen schreiben lassen. Außerdem sehe ich die Meinung des Autors anders. Frau Giffey bekommt nun die dritte Schelte. Sie bekam eine, als die Vorwürfe aufkamen, dann bekam sie eine, als die Vorwürfe das erste Mal geprüft wurden und jetzt bekommt sie schon wieder eine. Nur aufgrund ihrer Verdienste für unsere Gemeinschaft wird ab und zu ein wenig Rücksicht genommen. Die wenigen Beiträge, die die Sache herunterspielen, sind nicht die Masse.

    Da ja bekannt ist, dass die Doktormutter von Frau Giffey die Arbeit durchgewunken hat, hätte es vor der Vergabe des Titels auffallen müssen. Das ist es aber nicht, daher scheint das Plagiat für die Doktormutter ja legitim zu sein.

    Abgesehen davon finde ich die Arbeit von Frau Giffey super schlecht. Wie kann man so unfähig sein und so lange Passagen 1zu1 übernehmen? Sowas MUSS einfach auffallen und zu Recht der Titel entzogen werden.

    Ist es Betrug oder Schlamperei? Schwer zu sagen. Auf jeden Fall ein schwerer Knacks im Lebenslauf von Frau Giffey.

  7. @1: T-Online macht was Quellenangaben unter den Artikeln angeht einen sehr guten Job, wie ich finde. Soweit ich weiß, die einzige Nachrichtenseite, die konsequent einen Quellenblock unter den Artikeln hat und sich auch nicht scheut, da die Artikel anderer Medien zu verlinken, wenn die die Vorlage für die eigene Meldung sind. Auch Verlinkungen auf Originaldokumente offizieller Stellen hab ich dort schon gesehen, auch wenn ich nicht einschätzen kann, wie oft das gemacht wird.

  8. „„Drittens kam das Gremium zu dem Ergebnis, dass trotz der festgestellten Mängel nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden kann, dass er sich bei der Dissertation von Frau Dr. Giffey um eine eigenständige wissenschaftliche Leistung handelt.““

    Kam der es-er-Fehler erst durch euch rein, oder habt Ihr ihn einfach nur mit zitiert?

  9. Dieser Fall zeigt eindeutig, wie wichtig akademische Titel für eine vom Anfang an geplante politische Karriere sind. Das Ganze wirft in aller erster Linie ein schlechtes Licht auf die politische Kultur in diesem Land: Wenn du es bis ganz nach oben schaffen willst, brauchst du (neben Seilschaft & Co.) das Commitment, dich schon früh ausschließlich für die politische Laufbahn zu entscheiden und einen Doktortitel. Das eine ist mit dem anderen schwer vereinbar und es ist quasi klar, das sowas Plagiate, nen Markt für Ghostwriter, etc generiert. Doktortitel ist in der Politik wie der affige Schlips: Hast du keinen, gehörst du nicht dazu und wirst dafür gemobbt wie Kevin Kühnert. Die Unis sind die wirklich Leidtragenden hier: ihr wissenschaftlicher Output wird dadurch geschmälert. Und wenn sie allzu forsch dagegen intervenieren, droht die Politik am Geldhahn zu drehen.

  10. @Björn Becker: Besten Dank, ich werde mir mal ein paar Artikel in den nächsten Tagen angucken.

  11. Etwas weniger Furor in der Berichterstattung über die Berichterstattung wäre gut. Der Fall G ist nicht so einfach wie vom Autor dargestellt, mit Guttenberg nicht im Ansatz zu vergleichen. Es gibt hier sehr viel was auf allen Seiten schief gelaufen ist, aber leider kein schwarz/weiß.

  12. @Alex
    Gewissermaßen richtig, aber ein Fehler in der Zuschreibung: Das ist nicht beschränkt auf die Politik. In meiner Firma wurden unabhängig vom Alter den PhDs/Doktoren auf derselben Stelle 1/6 mehr Anfangsgehalt gezahlt als den „normal“ Studierten. Wohlgemerkt wurde die Eignung völlig unabhängig davon festgestellt und floss darin nicht ein.
    Mein Bruder hat als Anwalt neben dem Beruf promoviert, weil PWC das damals so von ihm verlangt hat. Hat mit seinem eigentlichen Tun und der Arbeits nichts zu schaffen gehabt (Prozessrecht in der Diss, Arbeitsrecht im Beruf), hat ihm aber trotzdem seinen Anschlussjob gebracht, nachdem PWC Stellen abbaute und eine Gehaltserhöhung, sobald das Ding fertig war.

  13. Da hier ja schon die „faule-Studenten-die-alles-einfach-nur-abschreiben“-Karte gezogen wurde: Ein Kollege von mir hat in einer Hausarbeit (keiner Abschluss-, Bachelor-, Master- oder gar Doktorarbeit!) vergessen (wirklich vergessen!), eine (!) Quelle zu nennen.
    Die Hausarbeit wurde als nicht bestanden bewertet wegen Plagiatsverdachts.
    Es kann also doch funktionieren, aber wie es in einem bekannten Roman heißt, sind offenbar nicht alle Tiere gleich, manche sind halt gleicher als gleich.

  14. zu #12
    „Es gibt hier sehr viel was auf allen Seiten schief gelaufen ist, aber leider kein schwarz/weiß.“

    Mich interessiert, was Sie denken, was hier auf *allen* Seiten schiefgelaufen sei. Das meine ich ironiefrei, aber mit Skepsis gegenüber der Leistung von Fr. Giffey, nachdem ich das ganze Gutachten der FU durchgelesen habe. Sie hat Texte anderer wörtlich und sinngemäß ohne oder ohne klare Kennzeichnung übernommen, obwohl sie schriftlich Gegenteiliges erklärt hat (wie jede Doktorandin). An 27 Stellen. Und dann haben ihre Anwälte versucht, es auf Gepflogenheiten der Zitierweise zu schieben. Wozu das Gutachten sehr trocken bemerkt:

    „Es gibt keine wissenschaftlich anerkannte Zitierweise, die für wörtliche Zitate etwas anderes vorsieht als doppelte Anführungszeichen am Anfang und Ende des Zitats sowie die genaue
    Quellenangabe mit Seitenzahl(en).“

    Und auch die angeblich verwendete „amerikanische“ Zitierweise, *wenn* sie sie eingesetzt hat, hat sie a) inkorrekt und b) inkonsistent eingesetzt.

    Positiv ist scheinbar ins Feld zu führen, dass auch nach „Abzug“ der inkriminierten Stellen noch einiges an Substanz übrigbleibt (laut Gutachten). Das Problem ist nur: was ist von der Substanz zu halten? Wer bei der Literatur schludert, wieso sollte der bei empirischen Analysen plötzlich akribisch sein? War die Überforderung durch Doppelbelastung da nicht mehr gegeben? Die Willigkeit, fünf gerade sein zu lassen, oder die Uninformiertheit über geltende Standards? Soweit ich sehe, ist dieser Teil nicht überprüft worden (war auch nicht der Auftrag), aber gerade deswegen finde ich es schwierig, dieses Argument als Gegengewicht ins Feld zu führen.

    Mal ehrlich: Wäre sie nicht eine „wichtige Person“, dann hätte die Uni doch kurzen Prozess gemacht.

    #3 Inzwischen führen mehr und mehr Unis ein, dass Dissertationen standardmäßig mit einer Plagiatssoftware gecheckt werden (bei uns: „turn it in“), womit zumindest einige Fälle verhindert werden dürften – und wodurch noch mal ein Abschreckungseffekt gegeben sein dürfte.

  15. » Martin Spiewak:
    „Der Fall G ist nicht so einfach wie vom Autor dargestellt, mit Guttenberg nicht im Ansatz zu vergleichen.“

    Lieber Herr Spiewak, ganz davon abgesehen, daß Sie leider vergessen haben, ein Argument anzuführen, haben Sie Unrecht. Der Fall ist so einfach. Und er ist auch mit Guttenberg weit über den Ansatz hinaus zu vergleichen.

    Was man darüber wissen muß, steht übrigens (mit Argumenten und sowas!) in meinem Artikel bzw. ist dort verlinkt – und in einer redlich geführten Diskussion wäre es üblich, sich darauf auch zu beziehen. Kurz gesagt: Wer die Dissertation gelesen hat und die einschlägige Rechtslage kennt (die auch nur zu recherchieren ja offensichtlich so einige Journalisten für unnötig halten), darf sich tatsächlich ein Urteil erlauben. Und dieses Urteil ist genauso eindeutig wie bei Guttenberg, da beide weit über jede Bagatellgrenze hinaus plagiiert haben. (Daß Guttenberg *noch weiter* über diese Grenze hinausging, ist rechtlich irrelevant – wie ebenfalls jeder Sachkundige weiß.)

  16. » Frid0lin:
    „Wenn sie sich glaubhaft und frühzeitig (!) entschuldigt hätte, fände ich das toll.“

    Das ist ein weiterer Punkt, an dem der Tagesspiegel-Artikel an seinem eigenen Maßstab gemessen unzureichend ist. Angeblich geht es dort um Fragen nach der politischen Eignung, und das Die-Öffentlichkeit-hinters-Licht-Führen durch Giffey ist genauso wie bei Guttenberg und Schavan der noch wichtigere Punkt, was Rücktrittsforderungen angeht – aber den läßt Betschka einfach mal weg. (Giffey stellte das ja sogar zunächst für den Fall des Entzugs in Aussicht, will aber jetzt auf einmal mit einem hanebüchenen Argument nichts mehr davon wissen. Umso absurder, das zu verschweigen.)

  17. » Peter Sievert:
    „Die Sünder des Kavaliersdeliktes nehmen sich gegenseitig in Schutz“

    Diese Vermutung ist besonders relevant, wenn man den zweiten Absatz des Tagesspiegel-Artikels betrachtet, der eine offensichtliche Paraphrase des dritten Punktes der Schlußfolgerungen des FU-Prüfberichts ist – ohne diesen als Quelle zu nennen.

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