dpa-Angebot für Regionalzeitungen

Nachrichtenpodcasts für Zeitungen, die sich keine Nachrichtenpodcasts leisten können

Wie ist das eigentlich mit der Regionalzeitung vor der eigenen Haustür: Macht die „Aachener Zeitung“ mittlerweile nicht auch einen Podcast? Hat das „Darmstädter Echo“ nicht was am Start? Es wäre ja fast eine Überraschung wenn nicht. Sprießen Podcasts doch mittlerweile wie Schimmelpilze auf den feuchten Wänden der heruntergekommenen Verlagsgebäude. Und spätestens seit der „Kölner Stadtanzeiger“ mit Wolfgang Bosbach und Christian Rach genau die Charaktere in die Podcast-Landschaft gebracht hat, die gerade noch gefehlt haben, sollte auch dem letzten Geschäftsführer eines regionalen Medienhauses klar sein: Das. Brauchen. Wir. Auch.

Ist ja auch nicht falsch. Und was die Ausrüstung angeht, braucht es gar nicht so viel, um einen Podcast an den Start zu bringen. Das mit der Recherche hingegen kann dann je nach Thema durchaus aufwändiger werden.

Und da kommt die Deutsche Presseagentur (dpa) ins Spiel. Seit Mitte Februar bietet sie einen so genannten White-Label-Podcast an. Mit diesem Podcast überträgt die dpa das Prinzip Nachrichtenagentur auf das Genre Podcast: Jeden Morgen zehn Minuten aktuelle Nachrichten aus der Welt: professionell moderiert, mit Einordnungen von Korrespondent*innen.

Den Rest machen die Medienhäuser dann selbst: Wie klingen Intro und Outro? Gibt es regionale Inhalte? Wird Werbung ausgespielt? All das liegt nicht in der Verantwortung der dpa, die nur den überregionalen Part zuliefert.

„Unique Audio-Produkte“

Genutzt werden die dpa-Inhalte aktuell von drei Medienhäusern: Neben dem „Darmstädter Echo“ des Medienhauses VRM und dem Medienhaus Aachen („Aachener Zeitung“, „Aachener Nachrichten“) spielt auch die „Nordwest Zeitung“ (NWZ) einen solchen Podcast aus.

In einer Pressemitteilung erklärt der Vermarkter OMS, dass damit „unique Audio-Produkte“ entstehen würden. OMS ist ein Vermarktungsverbund von 32 Lokal- und Regionalzeitungsverlagen. Er hat den White-Label-Podcast bei der dpa in Auftrag gegeben. Das Ziel der Vermarkter:

„Wir wollen den Verlagen ermöglichen, mit geringstem Aufwand (in Aachen läuft das System vollautomatisch) und möglichst niedrigen Personaleinsatz ein konkurrenzfähiges Produkt anbieten zu können.“

Dass der Podcast nun aber wirklich einzigartig – sorry, unique – ist, dieser Eindruck drängt sich zumindest bei den „Frühnachrichten“ des Medienhauses Aachen nicht unbedingt auf. Individuell sind wirklich nur Intro und Outro. Regionale Inhalte gibt es keine.

Quelle: unklar

Trotzdem hält man es im Verlag für nötig, das Produkt als einen Podcast des Medienhauses Aachen zu bezeichnen. Eine Anfrage, warum diese Bezeichnung zutreffend sein soll, beantwortet das Medienhaus Aachen nicht. Auch, ob es künftig regionale Inhalte geben soll, bleibt daher im Unklaren. Warum sollen Nutzer:innen dann nicht einfach Nachrichten-Podcasts von überregionalen Häusern oder unabhängigen Podcastern hören? Ebenfalls nicht klar.

Aufmerksamen Zuhörer:innen dürfte klar sein, dass die überregionalen Inhalte kaum von den regionalen Medien selber kommen. Dass für das Medienhaus Aachen plötzlich Korrespondent:innen aus Warschau, Washington oder Rom berichten, dürfte die meisten Menschen zumindest skeptisch machen. Nur: Warum kann man dann nicht einfach kennzeichnen, dass die Inhalte aus dem Hause dpa kommen?

Bei der NWZ verweist man darauf, dass man ja von Anfang an auf die Zusammenarbeit mit der dpa verwiesen habe. Und es stimmt: Auf der Website der NWZ steht etwas von der Kooperation. Nur bei Spotify oder in anderen Podcatchern fehlt der Hinweis – also genau dort, wo User:innen den Podcast vermutlich eigentlich nutzen. Warum man den Hinweis hier nicht findet, beantwortet die NWZ trotz Rückfrage nicht.

Genau umgekehrt ist es bei „Gude, Südhessen“, dem Podcast des „Darmstädter Echos“: Hier findet sich der Hinweis auf die Zusammenarbeit in den Meta-Daten und ist daher in den meisten Podcatchern sichtbar. Auf der eigenen Website sucht man nach der Angabe hingegen vergeblich.*

*) Nachtrag, 28.03. Nach der Veröffentlichung dieses Artikels wurde der Hinweis, „dass die überregionalen Inhalte von der dpa kommen“, auf der Website des „Darmstädter Echos“ eingefügt.

Die dpa erklärt dazu, dass die Medienhäuser nicht verpflichtet seien, die Inhalte als Agentur-Material zu kennzeichnen. Rechtlich gibt es also kein Problem. Mehr Transparenz kann man sich als Hörer:in dennoch wünschen.

Der Computer kann Hessisch

Kurioser wird es bei „Gude, Südhessen“ beim Blick auf die Inhalte. Anders als das Medienhaus Aachen hat man sich dafür entschieden, regionale Inhalte zu produzieren. Für ein Regionalmedium ziemlich naheliegend. Damit der Podcast dann auch bei den Hörer:innen in Darmstadt ankommt, werden die Regionalnachrichten im typisch hessischen Lokalkolorit vorgelesen – von einer Computerstimme.

Und wie ausgefeilt diese Computerstimmen doch heutzutage sind: Da werden die „Kolleginnen“ auch mal schnell zu den „Kohl-Leginnen“. Gelegentlich werden sogar ganze Buchstaben verschluckt und die „basisdemokratische Partei“ ist dann eben „asisdemokratisch“.

Anders gesagt: Der Regionalteil des Podcasts hört sich so an, wie sich ein Zeitungsteil liest, bei dem vier Seiten von einem einzelnen Regionalzeitungsredakteur geschrieben und layoutet werden müssen.

Auf Anfrage erklärt der stellvertretende Leiter des Content Developments beim Medienhaus VRM, das „Gude, Südhessen“ veröffentlicht, dass die Produktion von täglichem Audio-Content, der von Menschen gesprochen wird, die Kapazitäten derzeit übersteige. Dabei sind die Texte ganz offensichtlich ausschließlich für die Audio-Verwertung geschrieben.

Was ist ein „hybrides Podcast-Format“?

Wofür man bei der VRM neben Texter:innen immerhin genügend Kapazitäten hatte, ist die Abmoderation mit realen Stimmen: Dabei wird unter anderem stets betont, dass man als Zuhörer:in soeben ein „hybrides Podcast-Format“ gehört habe.

Ein interessanter Spagat: Denn anscheinend erhofft sich die VRM Hörer:innen, die einerseits leidensfähig genug sind, sich die monotone Vortragsweise der regionalen Inhalte anzutun, andererseits aber Insider genug sind, um ein Verständnis davon zu haben, was ein „hybrides Podcast-Format“ sein soll.

Dabei könnte man die beiden Stimmen aus der Abmoderation sicherlich nutzen, um die ohnehin produzierten regionalen Inhalte einzusprechen.

Der Fokus: Regional oder egal?

Vielleicht würden sogar rein regionale Inhalte reichen – dann dürfte der ganze Spaß mutmaßlich sogar günstiger sein, als den dpa-Inhalt zu kaufen. Genau zu sagen ist das aber nicht, denn auf Anfrage wollte weder die dpa noch der Vermarkter OMS mitteilen, was die Audio-Produktion für die Verlage kostet. Der Geschäftsführer der OMS teilt aber mit, dass Zeitungen und Zeitschriften damit „kostengünstig in die Audiowelt“ starten könnten.

Am besten sieht es da noch bei der NWZ aus: Hier macht man sich die Mühe, Inhalte mit eigener Moderation zu produzieren. So kommt man noch am ehesten an ein vollständiges Podcast-Format heran. Wobei die Betonung hier auf dem ein liegen sollte.

Denn genau genommen ist das, was als „hybrides Format“ bezeichnet wird, natürlich eher: zwei Podcasts, die man in eine gemeinsame Audio-Datei geschnitten hat. Der überregionale Part der dpa endet sogar mit einer Verabschiedung, selbst wenn es danach mit regionalen Inhalten weiter geht.

Dass die Dialoge dabei teilweise wirken wie von einem Laientheater, das seit März 2020 nicht mehr proben durfte, schmerzt da fast noch am wenigsten.

Kurios mutet viel mehr an, dass sich alle Podcasts mit dem Intro und Outro ein eigenes Sounddesign verpasst haben. Nur passt dieses dann nicht so recht zum Audio-Design, dass der Basis-Podcast der dpa mit sich bringt.

Eine Lösung könnte natürlich sein, alle Inhalte von der dpa-Moderatorin sprechen zu lassen. Ein Sound-Design, eine einzige Moderatorin, ein Podcast mit Regionalteil und überregionalen Inhalten – dann wäre es wirklich ein Podcast.

OMS und dpa wären grundsätzlich bereit, auch regionale Inhalte herzustellen, wenn die Verlage das wollten. Doch so richtig begeistert ist die OMS davon nicht. Der Einwand: Wenn zu viele Verlage Moderationen von den dpa-Stimmen wollten, wäre das zeitlich nicht mehr machbar.

Dazu kommt: Die OMS findet es bereichernd, „wenn regionale und überregionale Inhalte von unterschiedlichen Menschen präsentiert werden“.

Die Strategie: Wo soll das hinführen?

Bleibt noch die Frage, was die Verlage mit ihrem unique Podcast eigentlich erreichen wollen. Die VRM teilt dazu folgendes mit:

„Unser werktäglicher Podcast ‚Gude, Südhessen!‘ ist ein kostenloses Audio-Angebot für unsere User:innen in Darmstadt und Umgebung. Wir bieten ihnen auf einem Gerät ihrer Wahl die wichtigsten Nachrichten des Tages aus der Welt und Deutschland, aber auch ihrer Region als Audio an. Das Angebot richtet sich sowohl an bestehende, als auch potenzielle Abonnent:innen, da wir für alle, die in ein Thema tiefer einsteigen wollen, die Links zu unserer passenden Plus-Berichterstattung anbieten.“

Also irgendwie: Alle Inhalte für alle. Und vielleicht klickt ja jemand auf die Plus-Inhalte und kauft ein Abo.

Die NWZ teilt mit: „Wir sehen den Podcast als Versuch, uns im Audiobereich auszuprobieren und dabei unsere Stärke auszuspielen: lokale und regionale Nachrichten.“

Einfach mal ausprobieren also. Und tatsächlich spielt der Fokus auf die regionalen Inhalte eine hörbar wichtige Rolle und ist im NWZ-Podcast im Vergleich zu den anderen beiden Medienhäusern klar erkennbar.

Und vielleicht ist es auch das viel zitierte Trial-and-Error-Prinzip mit dem Blick auf eine offenere Fehlerkultur, das hier verfolgt wird. Nur zieht dieses Argument halt weniger, wenn von vorneherein eine konsistente Strategie fehlt.

Eine andere Idee der regionalen Medienhäuser könnte natürlich sein, dass man nicht zwingend auf jeden Hype aufspringen muss. Vor allem dann nicht, wenn man selbst zugibt, keine ausreichenden Kapazitäten dafür zu haben. Aber immerhin: Die. Haben. Das. Jetzt. Auch.

Ein Kommentar

  1. Es gibt für Blinde und Sehbehinderte nur die Möglichkeit, sich etwas aus der Zeitung vorlesen zu lassen. Da ist dann auch mal eine Automatenstimme, die klingt wie HAL auf LSD hinnehmbar, wenn ich anders nicht an den Text komme. Wenn sich aber ein Lesefähiger von einem schlechten dystopischen Witz (womöglich auch noch vom Computer generierte) Lokalnachrichten beim Frühstück vorlesen lässt, gibt es nur die Frage, warum seine chronische Lesefaulheit ihn zu solch einem komplett absurden Verhalten bringt. Meine Freude habe ich als sprachlich Wertkonservativer aber natürlich daran, dass die billigen HALs vor allem mit dem krampfhaft ideologischen Leser:innen-Unfug nicht zurecht kommen. Hier gilt halt wunderbarerweise:
    -Rubbish in × Computer = Total Bullshit out-
    Das ist schön. Und lehrreich.
    Ausser halt für Hardcoreideologen.

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