Berichte zum 8. März

Peter Wackel und ein Kollagen-Shot zum Frauentag? Nee, is klar!

Am Montag war Internationaler Frauentag. Manche sagen auch Weltfrauentag. Oder Frauenkampftag. Und kurz zur Erinnerung für alle, die nicht wissen, warum es diesen Tag gibt: Er soll auf die Diskriminierung von Frauen weltweit aufmerksam machen. Weil Frauen leider immer noch das so genannte Pech haben, dass sie zum Beispiel seltener in Chef*innensesseln sitzen. Oder von Männern ermordet werden. Warum? Weil sie Frauen sind.

Es gibt natürlich noch viel mehr Gründe, warum es diesen Tag gibt. Aber die genannten sind die wichtigsten, die Frauen (und auch ein paar Männer!) an diesem Tag auf Schilder pinseln. Um dagegen zu protestieren.

Klar, dass dieses wichtige Thema auch überregionale und lokale Medien aufgreifen. Kolleg*innen fragen dann zum Beispiel bei Frauenhäusern nach, ob sich das Problem mit häuslicher Gewalt in der Pandemie verschlimmert hat. (Aktueller Stand: sie hat!) Oder junge Aktivist*innen werden von Redaktionen gefragt, was sie sich für ihre Zukunft wünschen. (Zum Beispiel, ganz simpel: Interesse für dieses Thema auch an den anderen 364 Tagen im Jahr!)

Grenzenlos kreativ – leider

Internationaler Frauentag also. „Leute, da müssen wir unbedingt was machen!“, hallte es mal wieder, wie jedes Jahr Anfang März, durch die Newsrooms der Republik. Okay, 2021 klang der Aufruf etwas blechern, der Ton bei der Zoom-Konferenz war mal wieder mies. Aber wurscht: Der Kreativität waren bei der Themenauswahl, wie man so sagt, keine Grenzen gesetzt. Leider.

Wackel-Haas im Frauentags-Interview Screenshot: nordbayern.de

Besonders originell waren die „Erlanger Nachrichten“, eine Lokalzeitung in Nordbayern. Sie interviewten einen richtigen Feminismus-Experten: Steffen Haas, in Teilen der Bevölkerung eher bekannt als Schlagersänger Peter Wackel. Ursprünglich aus der Nähe von Erlangen, lebt Wackel-Haas heute auf Mallorca. Dort ist – wenn nicht gerade Pandemie ist – sein Markt. Aus Peter Wackels Mund stammen so genannte Hits wie „Scheiß drauf (Malle ist nur einmal im Jahr)“. Aber er hat auch feministische Titel im Angebot: „Schwarze Natascha“, zum Beispiel, oder „Joana (Du geile Sau)“, die wahlweise mal eine „Drecksau“ ist oder ein „Luder“. Und „geboren, um Liebe zu geben“.

Schon April, April?

Jetzt werden Sie sagen: Ach, ein Schlagerfuzzi, der Lieder mit frauenfeindlichen Texten trällert, das passt ja richtig gut! Oder Sie fragen: Soll das ein Scherz sein, ihr Zeitungstypen? Sind die Sparmaßnahmen in den Redaktionen deutscher Tageszeitungen mittlerweile so ausgeufert, dass die Ausgaben vom 8. März und 1. April zusammengelegt werden müssen?

Scheint so. Denn tatsächlich titelten die „Erlanger Nachrichten“ am Montag, zum Weltfrauentag: „Dann dürfte man keine Schlager hören“. Im Interview sagt der Wackelpeter nämlich, dass man ja nicht jedes Wort in den Songs „auf die Goldwaage“ legen dürfe, oh nein! Bisschen Frauenfeindlichkeit und Sexismus ist schon ok. Und außerdem ist es ja heutzutage nicht mehr so schlimm. Früher waren die Texte „definitiv versauter als heute“, erinnert sich der Schlagersänger. Na, dann ist ja alles gut.

Stopp. Durchatmen. Nicht gleich alles schlecht machen. Alle Seiten betrachten. Versuchen, die Beweggründe zu verstehen, warum am 8. März ein „Gespräch über Party, Palmen, Weiber und ’n Bier“ – so steht’s tatsächlich im Teaser – erscheint. Ein Interview mit einem Schlager-Macker birgt ja auch Chancen, oder? Dass man ihn so richtig hart rannehmen kann, richtig kritische Fragen stellen. Doch sollte das einst der Zielgedanke gewesen sein, der der Redaktion bei der Zoom-Konferenz zur Frauentagsausgabe vorschwebte, scheitert das Interview schon mit der ersten Frage:

„Herr Haas, wie viele Liebesbriefe bekommt Peter Wackel?“

Danach wird er gefragt, wie viele Beschwerden von „Aktivistinnen“ ihn erreichen würden. Als sei das, was Peter Wackel singt, nur für sehr, sehr politisch denkende Frauen doof, für den Rest der weiblichen Weltbevölkerung nicht. Seine Antwort: „Eigentlich keine. Meine Lieder sind ja nicht so frauenfeindlich.“ Gut, ja, „Joana (Du geile Sau)“, das sei schon ein Weilchen her. 2007 erschienen. „Damals waren die Damen noch nicht ganz so aggressiv.“ Liegt also an den Frauen. Aber ein Frauenfeind ist der Wackelmann nicht.

Nunja, nunja

Und was sagt, nunja, seine Ehefrau zu Songs, in denen laut „Erlanger Nachrichten“ ein „sehr, nunja, machohaftes Frauenbild herrscht“?

Wackel erklärt, dass er seit mehr als 20 Jahren verheiratet sei, er mit seiner Frau die Lieder gemeinsam auswähle und sie sogar die „etwas versauteren Titel“ raussuche. So! Seine Frau nämlich ziert sich da nicht so. Frauenrechte und das ganze Gedöns – egaaal! Und weil sie obendrein eine Frau ist, kann das ja dann auch gar nicht frauenfeindlich sein!

Das ist ein bisschen wie mit dem Politiker, der sagte, er könne ja nix gegen Frauen haben, weil er eine Ehefrau und Töchter hat. Dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen selbst dazu beitragen können, dass Frauen diskriminiert werden, ist ja feministisches Fachwissen für Fortgeschrittene. Und das kann man von Herrn Haas beim besten Willen nicht erwarten.

Aber das Problem sind ja nicht nur Wackel und seine Texte, sondern die Tatsache, dass ihm eine Zeitung diese Plattform gibt. Am Welt-frauen-tag!

Erwartungsgemäß führte das zu Kritik. Eine Userin, zum Beispiel, entrüstete sich auf Instagram darüber, woraufhin die Erlanger Redaktion ihr eine Nachricht schickte, die sie dann wiederum veröffentlichte. Die Argumente der Redaktion: In der Zeitung seien an diesem Tag viele andere Texte zum Frauentag erschienen, zum Beispiel zum Thema Gewalt gegen Frauen. Außerdem habe Peter Wackel im Interview ja gesagt, dass er und sein Frauenbild „super respektvoll“ seien. Ah, ok. Das sagt Friedrich Merz ja auch.

Das Argument, man habe auch viele andere Texte zu Themen rund um den Weltfrauentag gebracht, und deshalb das Wackelinterview schon ok sei, ist wie: Man macht eine Zeitung über den Klimawandel und dann lässt man in einem Beitrag völlig unkritisch und unreflektiert jemanden zu Wort kommen, der ihn leugnet. Meinungsvielfalt geht anders.

Schuss in der „Konfi“

Der Weltfrauentag war auch für den Podcast „Glossip“ der Zeitschrift „Gala“ der Aufhänger. Unter dem Titel „Schönheit von Innen“ geht es in der aktuellen Ausgabe „passend zum Weltfrauentag – um starke, schöne Frauen“ und um „Frauen, die sich gegenseitig supporten und inspirieren“. Dass der Sponsor des Podcasts, ein „Schönheitsergänzungsmittel“-Hersteller, auf Englisch genau so heißt wie die Podcast-Folge, sei nur am Rande erwähnt. Es geht ja am Frauentag darum, was sich in unserer Gesellschaft verändern muss.

Ähähähähä, ein Gummibärchen Screenshot: Gala

Und im „Glossip“-Podcast geht es um die Beauty-Rituale der Redaktion, die auch im Home-Office fortgeführt werden. Ein gemeinsamer Kollagen-Shot bei der virtuellen „Konfi“ am Morgen, so cool! Dann geht es noch um Hautprobleme im Lockdown und dass man es halt nicht immer schafft, Obst und anderes gesundes Zeug zu essen, das gut für Haut und Haar ist – damit man auch immer aussieht wie ein frischer Pfirsich, das haben Männer ja so gern.

Weltweit gehen Frauen auf die Straßen, um – das ist neben Gewalt gegen Frauen und schlechten Karrierechancen ein weiterer Grund – dagegen zu protestieren, dass ihre Körper sexualisiert werden und ihr Aussehen stets kommentiert wird. Und die „Gala“ macht einen Beauty-Podcast. Aber, gut: Das ist, was sie kann. Und die Jungs vom Patriarchat freuen sich auch: Solange sich Frauen mit ihrer Lockdown-Haut beschäftigten, planen sie schonmal keinen Aufstand.

Feministische RTL-Theorie

Auch RTL dachte sich was ganz Neues aus: In der sogenannten „Girl-Power“-Ausgabe der Soap „Alles was zählt“ hielten die Jungs einfach mal komplett die Klappe. Eine Sendung nur mit Frauen. Revolutionär! Aber wäre es nicht wirkungsvoller, wenn man die Themen, mit denen Frauen zu kämpfen haben, auch in solchen – eher platten Formaten – thematisiert?

Klar, feministische Theorien sind nix für das RTL-Vorabendprogramm. Aber warum nicht mal einen Handlungsstrang ins Drehbuch schreiben, der häusliche Gewalt, Abtreibung, Diskriminierung am Arbeitsplatz thematisiert? Anstatt die Männer zu verbannen, die sich im Teaser-Video zur „Girl-Power“-Folge, dann doch wieder inszenieren durften. So richtig stereotypisch-männlich mit Bier und so.

Die Themen, um die es am 8. März geht – und die auch an allen anderen Tagen in Redaktionen eine Rolle spielen sollten – sind keine Frauenthemen. Sondern Menschenrechtsthemen. Männer können gerne und sollen sogar in der Berichterstattung zum 8. März ihre Klappe aufmachen, Frauen brauchen sie bei diesem Thema als Verbündete. Dass sie das können und wollen, bewies zum Beispiel Gert Scobel in seiner Sendung „Frauen ohne Macht“ vergangene Woche. Davon bitte mehr!


Nachtrag, 19.3. Nach der Kritik zahlreicher Leser*innen an dem Interview mit Peter Wackel zum Weltfrauentag haben die „Erlanger Nachrichten“ reagiert. Im „Wochenrückblick“ auf Instagram durfte Redakteur Christoph Benesch, Autor des Wackelpeter-Interviews, im Gespräch mit seinem Kollegen und einer Topfpflanze seinen Standpunkt gegen die Kritik „aus Frauenkreisen“ verteidigen. Es folgte noch heftigere Kritik. Eine Woche später entschuldigte sich die Zeitung nun, dass die „Berichterstattung zum Weltfrauentag und die folgenden Erklärungsversuche (…) die Gefühle vieler Menschen verletzt“ haben. Die Aufforderungen, in Zukunft reflektierter zu handeln, seien berechtigt und werden in die tägliche Arbeit einfließen, schrieb die Redaktion unter einem Post bei Instagram. Es soll ein Diskussionsforum zum Thema geben, außerdem werde die Rubrik „Wochenrückblick“ eingestellt.

17 Kommentare

  1. Ganz schwer zu sagen, was unsympathischer rüberkommt: die Hirnis, die im Text vorkommen, oder der gouvernantenhafte Text selbst, in dem Hirni-Beiträge über Hirnis in überheblicher Art zum gesellschaftlichen Problem hochgejazzt werden.

  2. Schlimmer als gedankenlose oder provozierend substanarme Beiträge zu einem Tag, der wie der Muttertag vor allem der Absonderung von staatstragenden und höchst allgemeinen Schuldbekenntnissen und Absichtserklärungen dient, ist allerdings die Ansicht der Autorin, alle Medien hätten eine selbstverständliche Pflicht, dieses Datum mit eben solchen weihevoll bundespräsidialen Erklärungen zu fluten und auf keinen Fall aus der Reihe der Mahner und Warner zu tanzen. Als würde es um die Begehung eines Staatstrauertags in einer nur nominellen Demokratie gehen, zu dessen Feier alles zu sagende schon rituell vorgeben sei. In so einem Staat wirklich zu leben wäre gefährlicher als jede Gedankenlosigkeit zum ‚Frauentag‘ ( dem 17. Juni des Staatsfeminismus) in einem Land, in dem keiner zum Klang der Weiheglocken mitmarschieren muss, wenn er dergleichen nicht sinnvoll findet. Und so ist auch ein Beautyspecial von Gala eben einfach ein Ausdruck von Freiheit. Alle, die nicht mitmarschieren, geniessen eben diese. Die Autorin mag so was nicht. Und ich nicht ihr Medien- und Staatsverständnis. 1:1 also.

  3. Autorin: Mal sehen, was Medien so zum Internationalen Frauentag schreiben. Ohje, Interview mit Schlagersänger mit schmierigen Texten. Ist ja nicht so cool.

    Kommentatoren: Gouvernantenhafter Staatsfeminismus zwingt uns zum Gleichschritt und das ist das wahre Problem!

  4. @Mr Re:
    Ist für designierte „mansplainer“ schwer zu ertragen, mal nicht gefragt zu werden.
    Ich denke, regelmäßige Frauenstreiktage holen diese Männlein ganz schnell vom hohen Ross.

  5. #4, #5, #6 bzw Eins, Zwei Drei! Wer im begeistert im Gleichschritt zum Klang der feministischen Weiheglocken marschieren will, möge das tun, er darf auch andere dazu auffordern, es ist ein freies Land. Aber sich fassungslos beklagen, dass einer den Aufforderungen zum staatstragenden Genderstammeln einfach nicht nachkommen, ja die Welt nicht retten will, indem er Radfahrende sagt, und nicht fassen können, dass solch unbotmässiges Denken und Sprechen noch erlaubt sein soll, da zeigt sich der gleichmacherische Ungeist mit seiner hässlichsten konformistischen Fratze. Diesen Anfängen gilt es zu wehren und jetzt raus aus meinem Kopf.

  6. @6: Erstens geht es in dem Artikel und den kritisierten Beiträgen nicht ums Gendern.

    Zweitens frage ich mich, warum jeder, der die deutsche Sprache vorm teuflischen Genderstern retten möchte meint, das in verquaster und aufgeblähter Sprache zu tun, statt einfach kurz und knapp zusammenzufassen, was er meint: Nä, kein Bock.

  7. Es gibt einfach zu viele Fräulein Rottenmeiers in diesem Land, die uns arme Heidis erziehen und jeglicher Natürlichkeit berauben wollen. Klara Sesemann findet das auch!

  8. @ #3 Mycroft

    Helene Fischer hätte auch gleich noch den Beauty-Podcast mit erledigen können

  9. @Mycroft: An Ihren Kommentar hatte ich auch gar nicht gedacht, nur an die ersten beiden Zusammenstellungen von copy-paste-Mimimi.
    Aber die beiden Herren sollen meinetwegen gerne „Radfahrer! Radfahrer!“ rufend ihren Widerstand kundtun. Tun sie wenigstens nix, womit man sich tatsächlich beschäftigen müsste.

  10. Sehr sprechende Kommentare, die viel über deren Autoren, aber wenig über den Beitrag sagen. Das „gesellschaftliche Problem“, zu dem die symptomatischen Beispiele angeblich „hochgejazzt“ werden, ist ja nun unbestritten ein sehr reales. Ohne jedes „Hochjazzen“. Ein Strohmannargument gegen die Kritik der Beispiele, die offenbar einen Angriff darstellen, denn man zählt Tore wie beim Gegner im Sport. In Themen, die im Artikel nicht einmal vorkommen, wird die „hässlichste … Fratze“ eines „gleichmacherischen Ungeists“ gewittert, aus „einem, der die Welt nicht retten will, indem er Radfahrende sagt“ (wo auch immer das herkommt), spricht letztlich doch ganz unverblümt einer, der nichts von einer Verbesserung der Verhältnisse zwischen den Geschlechtern hin zur wirklichen Gleichberechtigung hält. „Raus aus keinem Kopf“ – Wenn ich mir die Augen zuhalte, sind die Probleme einfach weg!
    Angesichts dieses Befundes kann man Autorin und Übermedien nurmehr bitten, sich des Themas um so häufiger und intensiver anzunehmen als bisher. „Und das nicht nur zum internationalen Frauentag“.

  11. Klar, das sich Beschäftigen mit kritischen Kommentaren ist viel interessanter als das Kommentieren des Artikels selbst. Ein alter weisser Schelm wer nun denkt, dass Kritik etwas ist, dass man der Presse überlassen sollte, oder der Regierung, wenn sie ihre Bürger ermahnt und das keineswegs dem Normalproll gestattet werden darf. Eine vorsichtige Schätzung nach 3 Jahren Übermedien läuft darauf hinaus, dass ca Dreiviertel der kritischen Kommentare sich mit den kritischen Kommentaren zu Artikeln hier beschäftigen. Lobe ich dagegen Übermedien, werde ich völlig in Ruhe gelassen. Den Kritiker kritisieren, das ist das neue Biedermeier.

  12. Nachtrag: Im Unterschied zu vollautomatischen Giftzwergen müssen sich Menschen, die an Austausch und Debatte interessiert sind, nicht hinter superlustigen Aliasnamen ducken.

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