An diesem Wochenende erscheint die 50. Ausgabe der „Podcast-Kritik“ bei Übermedien. Anlass genug für Holger Klein, mal mit den Autoren Sandro Schroeder und Marcus Engert über die Podcast-Landschaft in Deutschland zu sprechen und über die Podcast-Kritik im Speziellen.
Doch „es steht ein Elefant im Raum“, sagt Klein. Denn nach der jüngsten Kolumne gab es bei Twitter Kritik – unter anderem von Nora Hespers:
Liebe @uebermedien. Gerade die Geschichtswissenschaften sind aber ein hoch sensibles Feld. Es werden sowohl Frauen systematisch ignoriert als historische Personen als auch Werke von Historiker:innen. Allein deshalb ist es einfach wichtig, hier mit größerer Sorgfalt zu arbeiten.
Der Vorwurf: Engert habe bei seiner Auflistung empfehlenswerter Geschichts-Podcasts die von Frauen vergessen oder gar ignoriert.
Deshalb haben wir Hespers gefragt, ob sie Lust hat, in unserem Übermedien-Podcast über Podcasts und über ihre Kritik mit den Autoren zu diskutieren. Und sie hatte Lust!
Hespers sagt:
„Im Feld der Geschichte findet eine Diskriminierung von Frauen statt. Und es gibt eine Handvoll Frauen, die versuchen, das aufzubrechen – und wenn deren Arbeit dann übersehen wird oder der Eindruck ensteht, dass deren Arbeit übersehen wird, dann gibt es Unmut.“
„Das Thema ist mir nicht egal und das hat mich wirklich angefasst“, sagt Engert, der sich allerdings dagegen wehrt, dass seine Kolumne zum „Stellvertreter eines großen Problems“ gemacht wird, „das wir auch sehen“.
„Wenn wir es nicht sehen würden, dann wäre die Kolumne in ihren bislang fast 50 Folgen nicht fast pari pari mit Podcasts von Männern und Frauen besetzt.“
Außerdem geht es bei „Holger ruft an…“ um den umstrittenen und in den USA populärsten Podcaster Joe Rogan, die großen Player im Markt und die freie Podcast-Szene, um Wachstum und dessen Grenzen und um Trends, Quoten, Marktforschung. Und um Clubhouse. Das böse Wort fällt aber nur einmal. Versprochen.
(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)
Die Gesprächspartner*innen
Nora Hespers ist freie Journalistin bei Deutschlandfunk Nova sowie beim WDR und Podcasterin. Zusammen mit Rita Molzberger hostet sie seit 2017 den Mit- und Nachdenkpodcast „Was denkst du denn?“. Bei Twitter ist sie hier zu finden.
Marcus Engert war Mitgründer und Redaktionsleiter von detektor.fm. Seit gut zehn Jahren macht er Podcasts und denkt über die Zukunft von Radio und Audio im Netz nach. Er hat als Reporter und Autor u.a. für den BBC World Service, die ARD und die Nachrichtenagentur dapd gearbeitet. Heute ist er Reporter bei BuzzFeed News.
Sandro Schroeder berichtet seit 2016 regelmäßig über Podcasts. Er schreibt den Podcast-Newsletter Hören/Sagen. Nach seinem Journalistik-Studium arbeitete er als freier Journalist in Leipzig, bis 2016 auch für detektor.fm. Aktuell ist er bei Deutschlandradio insbesondere für Podcasts und Audio-Drittplattformen zuständig.
Schroeder und Engert sind die Autoren der Übermedien-Kolumne „Podcast-Kritik“.
Liebe Leute,
die aufgeregte Giftigkeit der Diskussion irritiert mich. Da ich nicht bei Twitter bin, habe ich die Debatte erst durch die aktuelle Folge von „Holger ruft an“ mitbekommen. Die 49. Podcast-Kritik „Gute Geschichte-Erzähler“ fand ich übrigens nicht zu beanstanden, auch wenn sie keine Neuigkeiten für mich bereithielt. „Geschichten aus der Geschichte“ und „Anno …“ höre ich regelmäßig – ebenso wie den Klassiker „Zeitzeichen“ (WDR) oder „Eine Stunde History“ (DLF Nova). „Das geheime Kabinett“ nervt – aber soetwas ist halt immer Geschmackssache.
Besonders fällt mir auf, wie sehr in den Kommentaren die Dinge durcheinander gehen: „Gerade die Geschichtswissenschaften sind aber ein hoch sensibles Feld. Es werden sowohl Frauen systematisch ignoriert als historische Personen als auch Werke von Historiker:innen. Allein deshalb ist es einfach wichtig, hier mit größerer Sorgfalt zu arbeiten.“
In den Geschichtswissenschaften werden Frauen sowohl als Historikerinnen als auch als historische Personen systematisch ignoriert? Das ist nach meinem Dafürhalten der Stand der Dinge und der Forschung bis maximal in die 1980iger Jahre (eher bis in die 1960iger Jahre). Und was bitteschön hat die „Wissenschaft“ in diesem Fall mit den Podcasts zu tun? Geht es hier wirklich um Wissenschaft? Oder vielleicht doch um Wissen und seine Popularisierung? Um welches „Feld der Geschichte“ soll es hier eigentlich gehen? Doch um die Podcasts?
Problematisch finde ich insbesondere die Annahme, dass nur Frauen adäquat über Frauen schreiben können. Ich hoffe sehr, dass ich hier ganz einfach etwas total missverstanden habe. In letzter Konsequenz müsste Mann/Frau nämlich immer von etwas selbst betroffen sein, um darüber schreiben zu dürfen. Dies würde sehr schnell zu einer individuellen Themenknappheit und ‚verbotenen Sektoren‘ führen.
Außerdem denke ich, dass die Kritik an der Podcast-Kritik total ungerecht mit Philipp Janssen und „Anno …“ umgeht. Dort werden doch regelmäßig Expertinnen zu unterschiedlichsten Themen eingeladen.
Zu den Anmerkungen von Julia empfehle ich den Bericht über die Situation von Frauen in den Geschichtswissenschaften von Karen Hagemann, mit folgendem Resümee: „Wie die Analyse der Entwicklung bis zur Gegenwart zeigt, förderte bzw. verhinderte das komplizierte Zusammenspiel einer ganzen Reihe von Faktoren, Mechanismen und Prozessen die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen in die bundesdeutsche Geschichtswissenschaft. Viele dieser Faktoren gelten für das gesamte akademische System.“ https://zeithistorische-forschungen.de/1-2016/5333 Marcus Engert sagt, dass das Thema ein Problem sei, „dass wir auch sehen“. Dass nur Frauen adäquat über Frauen schreiben könnten, habe ich in dem Gespräch nicht gehört. Eher hat Nora darauf hingewiesen, dass Frauen als Gegenstand historischer Frauen konsequent unterrepräsentiert seien – und dass es eher Frauen als Männer sind, die über Frauen forschen, dass auch diese manchmal davon abließen, um Nachteile zu vermeiden (weniger Aufmerksamkeit/Anerkennung erführen). Zusammengefasst: Frauen sind als Subjekte und Objekte historischer Forschung unterrepräsentiert.
Mir ist es deshalb unverständlich, warum die Konsequenz daraus so vehement abgelehnt wird. Die genannten Podcasts in der Kolumne machen Männer sichtbar, die sich mit Geschichte beschäftigen. Sie sind, weil sie sich an eine breitere Öffentlichkeit richten, so etwas wie ein Fenster (von vielen) zur Wissenschaft. Da könnte man schon auf die Idee kommen, dass es nicht ganz unwesentlich ist, welches Bild eine gewisse Auswahl von Podcasts vermittelt. Natürlich wird diese ein Kolumne nichts retten können an einem gesamtgesellschaftlichen Missstand. Aber es geht doch darum, wie man sich zu so einer Entscheidung stellt, ob es ein Bewusstsein dafür gibt, dass man bestimmte „Faktoren, Mechanismen oder Prozesse“ wie oben genannt, damit festigt oder sie aber unterläuft, indem man sich daran beteiligt, ein anderes Bild zu zeichnen, auf die Frauen hinzuweisen, die historisch forschen und darüber berichten. Das ist doch einfach eine Frage der publizistischen Verantwortung, die hier von Marcus Engert abgelehnt wird .
Was mich in der gesamten Diskussion wirklich grundsätzlich enttäuscht hat: Ich habe Übermedien für ein alternatives, dabei stets hoch professionelles Medium gehalten. Wenn nun ein Kolumnist die Verantwortung für seine Texte damit kleinredet, er habe ja nicht genug Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen, dann frage ich, auf welcher Basis von Verantwortung solche Texte entstehen. Niemand erwartet, dass die Menschen, die hier Podcastkritiken schreiben, eine Gesamtübersicht über alle Podcasts haben. Aber ich erwarte, dass andere Kriterien als der persönliche Geschmack, die persönliche Zugänglichkeit bei der Auswahl angelegt werden. Diversität würde ich hier als redaktionellen Wert begreifen. Dass es dabei immer wieder Fehler gibt, dass Diversität stets ein hoher Anspruch bleiben muss – geschenkt. Aber zumindest das Bemühen darum sollte erkennbar sein, und es ist frustrierend zu hören, dass es dafür offensichtlich gar kein Bewusstsein in der Redaktion zu geben scheint, wenn es dann mal berechtigte Kritik gibt. Selbst das im Gespräch erwähnte Literarische Quartett bekommt es hin, eine Ausgewogenheit mindestens von weiblichen und männlichen Schriftsteller*innen in der Sendung abzubilden. Ist das so schwer in einer Kolumne? Wenn Frauen wie Nora Hespers nicht immer wieder und unermüdlich darauf hingewiesen hätten, wäre das heute kein Standard. Und auch wenn es noch keine Standards für die Podcastkritik gibt, so könnten wir uns vermutlich schnell darauf einigen, dass die Ausgewogenheit von männlichen und weiblichen Schriftsteller*innen in der Besprechung durch die Literaturkritik ein Standard ist, der sich für Podcastproduzent*innen übernehmen ließe.
Und nicht zuletzt: Es war offensichtlich, dass Marcus Engert sich persönlich getroffen gefühlt hat durch die Kritik. Ich kann sogar gut nachvollziehen, dass so ein Shitstorm auf Twitter nicht das ist, was zu einer ruhigen und ausgewogenen, verständnisvollen Diskussion einlädt. Umso wichtiger wäre es hier gewesen, das Gespräch professionell zu moderieren, alle Beteiligten, die sich hier mit dem Ziel einer Klärung zusammengefunden haben, hätten das verdient. Wenn ein „Moderator“ (vielleicht hat auch Holgi sich gar nicht in der Rolle gesehen) einen der Gäste begrüßt mit den Worten, er habe den anderen „ans Bein gepinkelt“ – dann ist das kein Einstieg, der der Gästin den Weg ebnet zu einem Gespräch, wie man es sich hätte wünschen können.
Liebe @Jutta,
vielen Dank für deine Anmerkungen. Auf eine Sache möchte ich an der Stelle gerne eingehen. Nämlich dass nur Frauen über Frauen schrieben könnten. Das habe ich – meines Wissens und hoffentlich – so nicht gesagt. Aber ich möchte nicht ausschließen, dass ich mich da missverständlich ausgedrückt habe. Der Hintergrund zu dieser Aussage ist vielmehr, dass Historiker:innen, mit denen ich gesprochen habe, oft angeben, dass ihnen die Frauenthemen nahegelegt werden. Sie das aber bisweilen nicht gerne machen, weil sie eben nicht in eine Nische abgeschoben werden wollen. Weil eben nicht Frauen/weiblich gelesene Personen ausschließlich als Expert:innen für Frauen/weiblich gelesene Personen in der Geschichte sein wollen. Zu dem Thema habe ich vor zwei Jahren eine Live-Podcast-Folge vom Histocamp Berlin gemacht. Mein Eindruck – auch nach den Gesprächen vor Ort – ist, dass sich an dem Geschichtsbild der 80er an den Unis, von dem du oben schreibst, bis heute nicht viel geändert hat. Ich weiß nicht, ob ich hier etwas verlinken darf. Aber du wirst den Podcast dazu sicher finden.
Was Philipp angeht, den ich ebenfalls kenne und mit dem ich auch schon oft gesprochen habe, hast du natürlich Recht. Er nutzt seine Bühne und Reichweite, um für ein ausgeglichenes Verhältnis zu sorgen. Ich hätte das zum Beispiel in der Kritik erwähnenswert gefunden. Einfach, um das zu thematisieren. Und dennoch gibt es inzwischen viele – und wie ich finde gute – Podcasts von Frauen/weiblich gelesenen Hosts zur Geschichte. Die Liste ist ja inzwischen auch hier im Artikel verlinkt.
Herzliche Grüße
Nora
Liebe Nicola,
es freut mich, dass es ein Missverständnis war.
Karen Hagemann analysierte in ihrem Beitrag die Chancen bzw. die Unterrepräsentanz von Frauen innerhalb der Geschichtswissenschaft (als Teil des Wissenschaftssystems insgesamt). Ich denke immer noch, dass uns a) diese Diskussion auf ein anderes Feld führt, das nur sehr, sehr eingeschränkt mit der Blog-Kritik zu tun hat, und dass wir b) zwischen Frauen, die forschen, und Frauen, die als historische Subjekte erforscht werden, unterscheiden sollten.
Die Histocamps kenne und verfolge ich seit 2015 – den Blog habe ich daher leicht gefunden. Deine Einschätzungen über die Festlegung von Frauen auf „Frauenthemen“ usw. teile ich. Deshalb habe ich vermutlich auch so dünnhäutig reagiert.
Eigentlich sollte sich Marcus Engert regelmäßig mit Geschichts-Podcasts beschäftigen ;o)=
Liebe Nicola,
ja Mist. Leute zu enttäuschen, die einem eigentlich wohlgesonnen sind, ist besonders doof. Und dass du immer noch – und sogar besonders – enttäuscht bist, nachdem wir die Kritik an der Kolumne zum Anlass genommen haben, ausführlich darüber zu reden, ist ein deutliches Zeichen, dass da gründlich was falsch gelaufen ist. Nach der Enttäuschung über die Kolumne und der Enttäuschung über unsere Reaktion auf Twitter nun auch noch die Enttäuschung über den Podcast! Klingt wie eine Phrase, ist aber ernst gemeint: Das müssen wir besser hinkriegen.
Ich verstehe inzwischen – auch dank Nora – , warum gerade beim Thema Geschichte die Enttäuschung über die Auswahl in der Kolumne so groß war. Ich freue mich sehr, dass sie so kurzfristig zugesagt hat, mit uns zu diskutieren, auch noch in dieser merkwürdigen Konstellation (wir hatten die Folge zum 50. „Jubiläum“ der Reihe ja anders geplant). Und auch wenn das Gespräch manchmal mühsam ist und gelegentlich unversöhnlich klingt, glaube ich, dass es einiges klarer gemacht hat – auch was grundsätzliche Ansprüche von außen an die Kolumne angeht.
Das haben wir hier in der letzten Woche auch gelernt: Wie ernst das genommen wird, was wir da machen. Das ist manchmal belastend und anstrengend (insbesondere wenn man das Gefühl hat, dass die Verantwortung zu hoch ist, die einem da zugesprochen wird, oder man für generelle Versäumnisse verantwortlich gemacht wird), aber es ist natürlich auch ein Zeichen der Wertschätzung. Wir wollen versuchen, dem gerecht zu werden.
Ich würde für uns auch den Anspruch formulieren, dass wir natürlich mithelfen wollen, ein vielfältigeres Bild zu zeigen und nicht einen Status Quo und seine Machtverhältnisse zu verfestigen. Das schließt nicht aus, dass eine einzelne Kolumne auch frei und subjektiv und auch mal unbeeindruckt von solchen Erwägungen sein darf und muss. (Warum das im konkreten Fall dieser einen Folge ein Problem war, haben wir verstanden.)
Ich verstehe, dass es nicht reicht zu sagen: Wir bemühen uns. Aber ist wirklich gar nicht zu erkennen, dass wir uns bemühen? Zum Beispiel auch dadurch, dass wir das Thema nicht als lästigen Shitstorm abhaken, sondern uns ihm ausführlich in unserem eigenen Podcast widmen?
Sandro und Marcus machen sich – alleine, gemeinsam und mit uns – viele Gedanken darüber, welchen Podcasts sie Aufmerksamkeit widmen: große oder kleine Player, englische oder deutsche – und eben auch die Frage, ob Männer oder Frauen dahinter stecken. Ich finde, in 50 Folgen ist es ihnen gelungen, ein vielfältiges Bild von dieser Podcast-Welt zu zeichnen.
Wir haben uns in den vergangenen Tagen viel mit der Kritik beschäftigt – auch mit der an dem Podcast. Wir denken darüber nach, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.
Danke für die ausführliche Kritik. Niemand von uns geht einfach so darüber hinweg. Versprochen.
PS (habe ich vorhin vergessen – ebenso habe ich Nora nicht gegrüßt – Entschuldigung!):
Selbstverständlich hat es seit den 1980er Jahren sehr viel Wandel innerhalb der Geschichtswissenschaft und an den Unis gegeben. Ob es durch den Bologna-Prozess besser oder nicht noch schwieriger geworden ist, mag dahingestellt sein.
Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar, @Nicola. Auf einen Punkt möchte ich schnell eingehen:
„Das ist doch einfach eine Frage der publizistischen Verantwortung, die hier von Marcus Engert abgelehnt wird. (…) Wenn nun ein Kolumnist die Verantwortung für seine Texte damit kleinredet, er habe ja nicht genug Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen, dann frage ich, auf welcher Basis von Verantwortung solche Texte entstehen.“
Ich glaube nicht, dass ich oder wir das so gesagt haben. Selbstverständlich arbeiten wir uns in die Felder, die unsere Kolumnen berühren, auch ein. Wer daran Zweifel hat: Sie stehen alle online, wir lassen uns daran messen.
Was ich betont habe ist, dass auch dieses Einarbeiten an eine Grenze gelangt. Wir haben im Gespräch versucht, transparent zu machen, dass das mitunter ziemlich viel Aufwand ist, der nicht sichtbar, aber trotzdem da ist. Im konkreten Fall war der Punkt erreicht und überschritten und darum steht im Text auch, dass das eine sehr selektive Auswahl und eben keine Top5 o.ä. ist.
Ich und wir wissen, dass auch wir eine Verantwortung für Sichtbar- und Unsichtbarmachung tragen. Aber wir waren der Meinung, dass bei der Frage, ob wir dieser gerecht werden, die Reihe im Ganzen die Messlatte ist und nicht der einzelne Text – aber darüber kann man natürlich unterschiedlicher Ansicht sein.
Ich kenne das Gefühl der Wut. Nur weil ich keine Frau bin (oder, um es mit Noras Worten zu sagen: Weil wir Weiße Männer sind) heißt das nicht, dass ich nicht aus eigenem Erleben und eigener Biographie weiß, wie sich Diskriminierung und Benachteiligung anfühlt. Ist das für andere immens stärker der Fall als für mich? Klar. Bin ich tendenziell auf der privilegierten Seite gelandet? Bestimmt. Kann man sowas gegeneinander aufrechnen? Natürlich nicht! Aber ist all das deswegen für mich nur trockene Theorie? Nein.
Wir werden mit Sicherheit nicht allen und allem gerecht, wir sind unperfekt, in unserer Arbeit und als Menschen. Aber das Thema der unausgeglichenen Sichtbarkeit von Frauen im Podcasting, das, dachten wir, haben wir auf dem Radar. 50 Folgen, die fast 50/50 verteilt sind, sind kein Produkt des Zufalls. Ich kann nachvollziehen, dass hier ein anderer Eindruck entstanden ist, und damit ausgelöster Ärger, Wut oder Schmerz tut mir leid. Im Podcast habe ich versucht, die Gründe dafür zu beschreiben: es sind rationale, die gänzlich ohne Ansehen der Person zum Tragen kamen. Die müssen gar niemanden überzeugen, ich hätte all das nur eigentlich gern dargelegt, bevor geurteilt wird.
Wir hatten u.a. geantwortet, dass uns die Kritik getroffen hat. Auch das wurde kritisiert: es stelle „uns“ und nicht „euch“ in den Mittelpunkt, ein Dualismus, den ich hier zitieren muss, denn so sah & meinte ich es eigentlich gar nicht. Ich hatte gedacht, statt eines „ihr“ und eines „wir“ seien wir vielmehr im gleichen Team, und deswegen traf mich und uns die Kritik – ja, mich auch persönlich. Wenn das für eine verhärtete Tonalität gesorgt hat, tut mir das leid und zeigt auch, wie wenig egal mir dieses Thema ist.
Wie Stefan schreibt: Wir werden nicht einfach so weitermachen. More soon.
Lieber Stefan, danke für die ausführliche Rückmeldung. Ich sehe die Bemühungen, ich will nicht auf Fehlern herumhacken, die geschehen einfach. Und nur um es noch einmal klar zu stellen: Meine Enttäuschung resultierte vor allem aus dem Umgang mit der Kritik im Podcast und der Art des Gesprächs – um so mehr, weil es zur Klärung angesetzt war. Nora ist zu danken, dass sie bis zum Schluss nicht nur souverän durchgehalten, sondern auch noch kollegial und fachlich diskutiert hat. Die insgesamt gute Runde am Ende hat es dann noch etwas gerettet. Und ansonsten bleibe ich bei dem, was ich zu Übermedien bereits geschrieben habe, https://inkladde.blog/2019/12/30/wer-nutzt-soll-zahlen/ und zähle mich natürlich auch weiter zu den Unterstützer*innen eures Angebots, das ich sehr schätze, besonders auch übrigens wegen der Podcastkritik.
Danke auch dir @Marcus, für die erneut ausführliche Erklärung, hätte ich sie gestern Abend noch gesehen, hätte ich meinen letzten Kommentar an euch beide adressiert. Ich kann Teile deiner Argumentation durchaus nachvollziehen und hoffe jetzt einfach, dass meine Kritik an dem Gespräch verständlich geworden ist.
Als Vorwort: Ich habe die Ausgabe der Podcast-Kritik gelesen, um die es hier geht. Die folgende Diskussion um die es hier geht habe ich verpasst, bis zu diesem Beitrag. Mir war der bestehende Bias neu und ich hatte nicht sofort bemerkt, dass nur männergemachte Podcasts vorgestellt wurden. Ich möchte daher hier nicht auf die Diskussion eingehen, die ich selbst nicht mitbekommen habe, sondern nur auf die Wirkung die dieser Beitrag hier auf mich hatte.
Als einen Beitrag für ein Medium, dass sich der Medienkritik verschrieben hat, finde ich das hier einen Beitrag der teilweise ganz erstaunliche Schwächen hat.
Ich finde es erstmal gut, dass es den Beitrag überhaupt gibt und gemessen daran, dass mindestens ein Teilnehmer da noch mit heftigen Emotionen zu kämpfen hat, auch recht sachlich.
Aber:
1.) Die Einleitung kann doch nun wirklich nicht euer Ernst sein. Hier auf unserem Medienkritikportal hatten wir letztens einen Beitrag an dem es Kritik gab, deshalb fragen wir mal ganz sachlich eine der Kritikerinnen: Warum habt ihr uns ans Bein gepisst?
Und dass ist kein Satz, der irgendwann in der Hitze des Gefechts fällt, oder am Rande so rausgerutscht ist, sondern die Einleitung des Gespräches, also etwas wo man Gelegenheit und auch Verantwortung hat, darüber vorher nachzudenken. Super schwach, gleich in Minute eins.
2.) Vielleicht versteht sich Holger nicht als Moderator, das entspricht auch nicht dem Normalfall des Formates, aber in dem Fall ist das Format für diese Sorte Gespräch vielleicht einfach nicht das beste, denn das hätte ganz deutlich eine bessere Moderation vertragen können. Das hätte dann vielleicht auch verhindert, dass einer der Gesprächspartner die ganze Zeit über das spricht, wie er gerne verstanden werden möchte, während die andere sich allein darauf konzentriert was angekommen ist. Mal ein sanfter Hinweis darauf, dass beides gleichzeitig war sein kann und es weiterhelfen könnte die Validität des jeweils anderen zu bestätigen hätte da am Anfang einiges an Wiederholung einkürzen können.
Und Moderation hätte vielleicht auch Herrn Engert davor bewahrt, seiner Gesprächspartnerin permanent ins Wort zu fallen, um zu erklären das sie Unrecht hat. Was in einer emotionalen Debatte zwar irgendwie verständlich ist, ihm aber nicht gerade dabei hilft, den Punkt zu machen, dass er zuhört und grundsätzlich bereit ist Kritik anzunehmen.
3.) Eng verbunden mit 2. Ich denke das Gespräch hätte viel gewinnen können, wenn Sandro Schroeder sich mehr zu Wort gemeldet hätte, denn er scheint sich an dieser Stelle bereits zu einer konstruktiveren meta-Sichtweise durchgerungen zu haben.
4.) Wenn man zwei Autoren und eine Kritikerin einläd, um ein Thema mit feministischen Anteilen zu besprechen und dafür einen männlichen Moderator wählt, dann sollte man schon ganz, ganz,gaanz vorsichtig in der Frage sein, wieviel persönliche Meinung dieser Moderator mit einfließen lassen sollte – gerade wenn er der Auffassung der anderen beiden Männer zuneigt. Das wirkt dann nämlich sehr schnell, ohne dass es viel belastbare Belege dafür gibt, als würden sich drei Männer gegen eine Kritikerin verbünden und auf der Kante seit ihr hier manchmal haarscharf entlanggesegelt. (Wobei ihr wie gesagt mit der Einleitung da ganz eindeutig auf der falschen Seite der Kante angesetzt habt)
5.) Die ohne Zweifel vorhandenen Zwänge der Branche so relativ unwidersprochen als Erklärung durchgehen zu lassen, sieht euren sonstigen Beiträgen mal so gar nicht ähnlich.
– Wir machen das nicht hauptberuflich und haben nicht viel Zeit und daher kann man nicht von uns erwarten, dass wir einen Podcast suchen, der in unserem Beitrag ein Loch füllt, von dem ich behaupte, dass es uns bewusst war.
Ah ok, klar na dann…. Kein anderer Übermedienbeitrag ever….
@Soronume:
Danke, Luise, für deinen Kommentar. Die Punkte, die mich adressieren, und nicht zB Moderation oder Gesprächsrahmen, will ich kurz beantworten.
ad 2) Ich glaube nicht, dass die Beschreibung, ich sei Nora „permanent ins Wort zu fallen, um zu erklären das sie Unrecht hat“, zutrifft, oder dass ich darauf bestünde, nicht zuzuhören oder keine Kritik anzunehmen. Dass wir hier schreiben oder dass wir eine Dreiviertelstunde im Podcast darüber reden, zeigt doch wirklich das Gegenteil. Wir haben uns zudem alle den ganz ganz überwiegenden Teil des Gesprächs ausreden lassen, und wo das ausnahmsweise nicht der Fall war, hatte zB ich das Gefühl, ich sollte direkt reinzugehen, weil ich fand, da soll ein Punkt gemacht werden, der schlicht sachlich und inhaltlich nicht zutrifft. Damit wurde ja nun überhaupt nicht gesagt, dass die Kritiker*innen deswegen „Unrecht“ haben. Ich komme aber schlicht von einer *anderen* Position (zB Gesamte Kolumne > einzelner Text) und mit *anderen* Argumente (ich finde zB nicht, dass es eine Wechselwirkung von Kolumne und Wissenschaftsdisziplin gibt) und lande damit bei einer *anderen* Schlussfolgerung. Die Punkte, die mir vorgehalten wurden, sind darum ja trotzdem valide, man kann das alles anders sehen! Aber ich finde, dieser Befund läuft in beide Richtungen. Keiner hatte hier, finde ich, irgendeine Position inne, die total inakzeptabel ist.
ad 3) Ich habe viel mit Sandro gesprochen. Ich will ihm hier gar nix in den Mund legen, aber ich glaube, zu wissen, dass das nicht viel verändert hätte. Er hatte gute Gründe, sich zurückzuhalten.
ad 5) Mein Eindruck war jetzt eher nicht, hier bliebe irgendwas „unwidersprochen“ :-) Der Stand in dieser Diskussion war doch aber: Die Tatsache, dass es wenig Podcast-Kritik in dieser Tiefe gibt, kann dazu führen, dass wir, mangels anderer Projektionsflächen, zur Projektionsfläche für jedweden (ja berechtigten!) Missstand werden könnten. Das ist doch ein Punkt, wo man vielleicht verstehen kann, dass der für uns als Autoren Fragezeichen hinterlässt, oder nicht? Und wenn das schon für einen Bereich, den wir aktiv monitoren, nämlich die Sichtbarkeit von Frauen, nicht akzeptiert wird, weil der einzelne Text die Bewertungsgrundlage ist und nicht die Reihe, dann, glaube ich, dürfen wir schon sagen: So salopp, wie du das hier schreibst, ist das für uns nicht. Auch, weil wir ja das tun wollen, was auch du hier forderst: Kritik und Kritiker*innen ernst nehmen.
Ich kann nicht für Übermedien sprechen, aber ich muss dir auch sagen: Ich kenne nicht viele Redaktionen, die sich so tief und anhaltend mit vorgetragener Kritik auseinandersetzen, wie das hier passiert ist. Ich finde nicht, dass das Ergebnis davon sein sollte: „Kein anderer Übermedienbeitrag ever….“
Liebe Leute,
die aufgeregte Giftigkeit der Diskussion irritiert mich. Da ich nicht bei Twitter bin, habe ich die Debatte erst durch die aktuelle Folge von „Holger ruft an“ mitbekommen. Die 49. Podcast-Kritik „Gute Geschichte-Erzähler“ fand ich übrigens nicht zu beanstanden, auch wenn sie keine Neuigkeiten für mich bereithielt. „Geschichten aus der Geschichte“ und „Anno …“ höre ich regelmäßig – ebenso wie den Klassiker „Zeitzeichen“ (WDR) oder „Eine Stunde History“ (DLF Nova). „Das geheime Kabinett“ nervt – aber soetwas ist halt immer Geschmackssache.
Besonders fällt mir auf, wie sehr in den Kommentaren die Dinge durcheinander gehen: „Gerade die Geschichtswissenschaften sind aber ein hoch sensibles Feld. Es werden sowohl Frauen systematisch ignoriert als historische Personen als auch Werke von Historiker:innen. Allein deshalb ist es einfach wichtig, hier mit größerer Sorgfalt zu arbeiten.“
In den Geschichtswissenschaften werden Frauen sowohl als Historikerinnen als auch als historische Personen systematisch ignoriert? Das ist nach meinem Dafürhalten der Stand der Dinge und der Forschung bis maximal in die 1980iger Jahre (eher bis in die 1960iger Jahre). Und was bitteschön hat die „Wissenschaft“ in diesem Fall mit den Podcasts zu tun? Geht es hier wirklich um Wissenschaft? Oder vielleicht doch um Wissen und seine Popularisierung? Um welches „Feld der Geschichte“ soll es hier eigentlich gehen? Doch um die Podcasts?
Problematisch finde ich insbesondere die Annahme, dass nur Frauen adäquat über Frauen schreiben können. Ich hoffe sehr, dass ich hier ganz einfach etwas total missverstanden habe. In letzter Konsequenz müsste Mann/Frau nämlich immer von etwas selbst betroffen sein, um darüber schreiben zu dürfen. Dies würde sehr schnell zu einer individuellen Themenknappheit und ‚verbotenen Sektoren‘ führen.
Außerdem denke ich, dass die Kritik an der Podcast-Kritik total ungerecht mit Philipp Janssen und „Anno …“ umgeht. Dort werden doch regelmäßig Expertinnen zu unterschiedlichsten Themen eingeladen.
Zu den Anmerkungen von Julia empfehle ich den Bericht über die Situation von Frauen in den Geschichtswissenschaften von Karen Hagemann, mit folgendem Resümee: „Wie die Analyse der Entwicklung bis zur Gegenwart zeigt, förderte bzw. verhinderte das komplizierte Zusammenspiel einer ganzen Reihe von Faktoren, Mechanismen und Prozessen die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen in die bundesdeutsche Geschichtswissenschaft. Viele dieser Faktoren gelten für das gesamte akademische System.“ https://zeithistorische-forschungen.de/1-2016/5333 Marcus Engert sagt, dass das Thema ein Problem sei, „dass wir auch sehen“. Dass nur Frauen adäquat über Frauen schreiben könnten, habe ich in dem Gespräch nicht gehört. Eher hat Nora darauf hingewiesen, dass Frauen als Gegenstand historischer Frauen konsequent unterrepräsentiert seien – und dass es eher Frauen als Männer sind, die über Frauen forschen, dass auch diese manchmal davon abließen, um Nachteile zu vermeiden (weniger Aufmerksamkeit/Anerkennung erführen). Zusammengefasst: Frauen sind als Subjekte und Objekte historischer Forschung unterrepräsentiert.
Mir ist es deshalb unverständlich, warum die Konsequenz daraus so vehement abgelehnt wird. Die genannten Podcasts in der Kolumne machen Männer sichtbar, die sich mit Geschichte beschäftigen. Sie sind, weil sie sich an eine breitere Öffentlichkeit richten, so etwas wie ein Fenster (von vielen) zur Wissenschaft. Da könnte man schon auf die Idee kommen, dass es nicht ganz unwesentlich ist, welches Bild eine gewisse Auswahl von Podcasts vermittelt. Natürlich wird diese ein Kolumne nichts retten können an einem gesamtgesellschaftlichen Missstand. Aber es geht doch darum, wie man sich zu so einer Entscheidung stellt, ob es ein Bewusstsein dafür gibt, dass man bestimmte „Faktoren, Mechanismen oder Prozesse“ wie oben genannt, damit festigt oder sie aber unterläuft, indem man sich daran beteiligt, ein anderes Bild zu zeichnen, auf die Frauen hinzuweisen, die historisch forschen und darüber berichten. Das ist doch einfach eine Frage der publizistischen Verantwortung, die hier von Marcus Engert abgelehnt wird .
Was mich in der gesamten Diskussion wirklich grundsätzlich enttäuscht hat: Ich habe Übermedien für ein alternatives, dabei stets hoch professionelles Medium gehalten. Wenn nun ein Kolumnist die Verantwortung für seine Texte damit kleinredet, er habe ja nicht genug Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen, dann frage ich, auf welcher Basis von Verantwortung solche Texte entstehen. Niemand erwartet, dass die Menschen, die hier Podcastkritiken schreiben, eine Gesamtübersicht über alle Podcasts haben. Aber ich erwarte, dass andere Kriterien als der persönliche Geschmack, die persönliche Zugänglichkeit bei der Auswahl angelegt werden. Diversität würde ich hier als redaktionellen Wert begreifen. Dass es dabei immer wieder Fehler gibt, dass Diversität stets ein hoher Anspruch bleiben muss – geschenkt. Aber zumindest das Bemühen darum sollte erkennbar sein, und es ist frustrierend zu hören, dass es dafür offensichtlich gar kein Bewusstsein in der Redaktion zu geben scheint, wenn es dann mal berechtigte Kritik gibt. Selbst das im Gespräch erwähnte Literarische Quartett bekommt es hin, eine Ausgewogenheit mindestens von weiblichen und männlichen Schriftsteller*innen in der Sendung abzubilden. Ist das so schwer in einer Kolumne? Wenn Frauen wie Nora Hespers nicht immer wieder und unermüdlich darauf hingewiesen hätten, wäre das heute kein Standard. Und auch wenn es noch keine Standards für die Podcastkritik gibt, so könnten wir uns vermutlich schnell darauf einigen, dass die Ausgewogenheit von männlichen und weiblichen Schriftsteller*innen in der Besprechung durch die Literaturkritik ein Standard ist, der sich für Podcastproduzent*innen übernehmen ließe.
Und nicht zuletzt: Es war offensichtlich, dass Marcus Engert sich persönlich getroffen gefühlt hat durch die Kritik. Ich kann sogar gut nachvollziehen, dass so ein Shitstorm auf Twitter nicht das ist, was zu einer ruhigen und ausgewogenen, verständnisvollen Diskussion einlädt. Umso wichtiger wäre es hier gewesen, das Gespräch professionell zu moderieren, alle Beteiligten, die sich hier mit dem Ziel einer Klärung zusammengefunden haben, hätten das verdient. Wenn ein „Moderator“ (vielleicht hat auch Holgi sich gar nicht in der Rolle gesehen) einen der Gäste begrüßt mit den Worten, er habe den anderen „ans Bein gepinkelt“ – dann ist das kein Einstieg, der der Gästin den Weg ebnet zu einem Gespräch, wie man es sich hätte wünschen können.
Liebe @Jutta,
vielen Dank für deine Anmerkungen. Auf eine Sache möchte ich an der Stelle gerne eingehen. Nämlich dass nur Frauen über Frauen schrieben könnten. Das habe ich – meines Wissens und hoffentlich – so nicht gesagt. Aber ich möchte nicht ausschließen, dass ich mich da missverständlich ausgedrückt habe. Der Hintergrund zu dieser Aussage ist vielmehr, dass Historiker:innen, mit denen ich gesprochen habe, oft angeben, dass ihnen die Frauenthemen nahegelegt werden. Sie das aber bisweilen nicht gerne machen, weil sie eben nicht in eine Nische abgeschoben werden wollen. Weil eben nicht Frauen/weiblich gelesene Personen ausschließlich als Expert:innen für Frauen/weiblich gelesene Personen in der Geschichte sein wollen. Zu dem Thema habe ich vor zwei Jahren eine Live-Podcast-Folge vom Histocamp Berlin gemacht. Mein Eindruck – auch nach den Gesprächen vor Ort – ist, dass sich an dem Geschichtsbild der 80er an den Unis, von dem du oben schreibst, bis heute nicht viel geändert hat. Ich weiß nicht, ob ich hier etwas verlinken darf. Aber du wirst den Podcast dazu sicher finden.
Was Philipp angeht, den ich ebenfalls kenne und mit dem ich auch schon oft gesprochen habe, hast du natürlich Recht. Er nutzt seine Bühne und Reichweite, um für ein ausgeglichenes Verhältnis zu sorgen. Ich hätte das zum Beispiel in der Kritik erwähnenswert gefunden. Einfach, um das zu thematisieren. Und dennoch gibt es inzwischen viele – und wie ich finde gute – Podcasts von Frauen/weiblich gelesenen Hosts zur Geschichte. Die Liste ist ja inzwischen auch hier im Artikel verlinkt.
Herzliche Grüße
Nora
Liebe Nicola,
es freut mich, dass es ein Missverständnis war.
Karen Hagemann analysierte in ihrem Beitrag die Chancen bzw. die Unterrepräsentanz von Frauen innerhalb der Geschichtswissenschaft (als Teil des Wissenschaftssystems insgesamt). Ich denke immer noch, dass uns a) diese Diskussion auf ein anderes Feld führt, das nur sehr, sehr eingeschränkt mit der Blog-Kritik zu tun hat, und dass wir b) zwischen Frauen, die forschen, und Frauen, die als historische Subjekte erforscht werden, unterscheiden sollten.
Die Histocamps kenne und verfolge ich seit 2015 – den Blog habe ich daher leicht gefunden. Deine Einschätzungen über die Festlegung von Frauen auf „Frauenthemen“ usw. teile ich. Deshalb habe ich vermutlich auch so dünnhäutig reagiert.
Eigentlich sollte sich Marcus Engert regelmäßig mit Geschichts-Podcasts beschäftigen ;o)=
Liebe Nicola,
ja Mist. Leute zu enttäuschen, die einem eigentlich wohlgesonnen sind, ist besonders doof. Und dass du immer noch – und sogar besonders – enttäuscht bist, nachdem wir die Kritik an der Kolumne zum Anlass genommen haben, ausführlich darüber zu reden, ist ein deutliches Zeichen, dass da gründlich was falsch gelaufen ist. Nach der Enttäuschung über die Kolumne und der Enttäuschung über unsere Reaktion auf Twitter nun auch noch die Enttäuschung über den Podcast! Klingt wie eine Phrase, ist aber ernst gemeint: Das müssen wir besser hinkriegen.
Ich verstehe inzwischen – auch dank Nora – , warum gerade beim Thema Geschichte die Enttäuschung über die Auswahl in der Kolumne so groß war. Ich freue mich sehr, dass sie so kurzfristig zugesagt hat, mit uns zu diskutieren, auch noch in dieser merkwürdigen Konstellation (wir hatten die Folge zum 50. „Jubiläum“ der Reihe ja anders geplant). Und auch wenn das Gespräch manchmal mühsam ist und gelegentlich unversöhnlich klingt, glaube ich, dass es einiges klarer gemacht hat – auch was grundsätzliche Ansprüche von außen an die Kolumne angeht.
Das haben wir hier in der letzten Woche auch gelernt: Wie ernst das genommen wird, was wir da machen. Das ist manchmal belastend und anstrengend (insbesondere wenn man das Gefühl hat, dass die Verantwortung zu hoch ist, die einem da zugesprochen wird, oder man für generelle Versäumnisse verantwortlich gemacht wird), aber es ist natürlich auch ein Zeichen der Wertschätzung. Wir wollen versuchen, dem gerecht zu werden.
Ich würde für uns auch den Anspruch formulieren, dass wir natürlich mithelfen wollen, ein vielfältigeres Bild zu zeigen und nicht einen Status Quo und seine Machtverhältnisse zu verfestigen. Das schließt nicht aus, dass eine einzelne Kolumne auch frei und subjektiv und auch mal unbeeindruckt von solchen Erwägungen sein darf und muss. (Warum das im konkreten Fall dieser einen Folge ein Problem war, haben wir verstanden.)
Ich verstehe, dass es nicht reicht zu sagen: Wir bemühen uns. Aber ist wirklich gar nicht zu erkennen, dass wir uns bemühen? Zum Beispiel auch dadurch, dass wir das Thema nicht als lästigen Shitstorm abhaken, sondern uns ihm ausführlich in unserem eigenen Podcast widmen?
Sandro und Marcus machen sich – alleine, gemeinsam und mit uns – viele Gedanken darüber, welchen Podcasts sie Aufmerksamkeit widmen: große oder kleine Player, englische oder deutsche – und eben auch die Frage, ob Männer oder Frauen dahinter stecken. Ich finde, in 50 Folgen ist es ihnen gelungen, ein vielfältiges Bild von dieser Podcast-Welt zu zeichnen.
Wir haben uns in den vergangenen Tagen viel mit der Kritik beschäftigt – auch mit der an dem Podcast. Wir denken darüber nach, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.
Danke für die ausführliche Kritik. Niemand von uns geht einfach so darüber hinweg. Versprochen.
PS (habe ich vorhin vergessen – ebenso habe ich Nora nicht gegrüßt – Entschuldigung!):
Selbstverständlich hat es seit den 1980er Jahren sehr viel Wandel innerhalb der Geschichtswissenschaft und an den Unis gegeben. Ob es durch den Bologna-Prozess besser oder nicht noch schwieriger geworden ist, mag dahingestellt sein.
Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar, @Nicola. Auf einen Punkt möchte ich schnell eingehen:
„Das ist doch einfach eine Frage der publizistischen Verantwortung, die hier von Marcus Engert abgelehnt wird. (…) Wenn nun ein Kolumnist die Verantwortung für seine Texte damit kleinredet, er habe ja nicht genug Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen, dann frage ich, auf welcher Basis von Verantwortung solche Texte entstehen.“
Ich glaube nicht, dass ich oder wir das so gesagt haben. Selbstverständlich arbeiten wir uns in die Felder, die unsere Kolumnen berühren, auch ein. Wer daran Zweifel hat: Sie stehen alle online, wir lassen uns daran messen.
Was ich betont habe ist, dass auch dieses Einarbeiten an eine Grenze gelangt. Wir haben im Gespräch versucht, transparent zu machen, dass das mitunter ziemlich viel Aufwand ist, der nicht sichtbar, aber trotzdem da ist. Im konkreten Fall war der Punkt erreicht und überschritten und darum steht im Text auch, dass das eine sehr selektive Auswahl und eben keine Top5 o.ä. ist.
Ich und wir wissen, dass auch wir eine Verantwortung für Sichtbar- und Unsichtbarmachung tragen. Aber wir waren der Meinung, dass bei der Frage, ob wir dieser gerecht werden, die Reihe im Ganzen die Messlatte ist und nicht der einzelne Text – aber darüber kann man natürlich unterschiedlicher Ansicht sein.
Ich kenne das Gefühl der Wut. Nur weil ich keine Frau bin (oder, um es mit Noras Worten zu sagen: Weil wir Weiße Männer sind) heißt das nicht, dass ich nicht aus eigenem Erleben und eigener Biographie weiß, wie sich Diskriminierung und Benachteiligung anfühlt. Ist das für andere immens stärker der Fall als für mich? Klar. Bin ich tendenziell auf der privilegierten Seite gelandet? Bestimmt. Kann man sowas gegeneinander aufrechnen? Natürlich nicht! Aber ist all das deswegen für mich nur trockene Theorie? Nein.
Wir werden mit Sicherheit nicht allen und allem gerecht, wir sind unperfekt, in unserer Arbeit und als Menschen. Aber das Thema der unausgeglichenen Sichtbarkeit von Frauen im Podcasting, das, dachten wir, haben wir auf dem Radar. 50 Folgen, die fast 50/50 verteilt sind, sind kein Produkt des Zufalls. Ich kann nachvollziehen, dass hier ein anderer Eindruck entstanden ist, und damit ausgelöster Ärger, Wut oder Schmerz tut mir leid. Im Podcast habe ich versucht, die Gründe dafür zu beschreiben: es sind rationale, die gänzlich ohne Ansehen der Person zum Tragen kamen. Die müssen gar niemanden überzeugen, ich hätte all das nur eigentlich gern dargelegt, bevor geurteilt wird.
Wir hatten u.a. geantwortet, dass uns die Kritik getroffen hat. Auch das wurde kritisiert: es stelle „uns“ und nicht „euch“ in den Mittelpunkt, ein Dualismus, den ich hier zitieren muss, denn so sah & meinte ich es eigentlich gar nicht. Ich hatte gedacht, statt eines „ihr“ und eines „wir“ seien wir vielmehr im gleichen Team, und deswegen traf mich und uns die Kritik – ja, mich auch persönlich. Wenn das für eine verhärtete Tonalität gesorgt hat, tut mir das leid und zeigt auch, wie wenig egal mir dieses Thema ist.
Wie Stefan schreibt: Wir werden nicht einfach so weitermachen. More soon.
Lieber Stefan, danke für die ausführliche Rückmeldung. Ich sehe die Bemühungen, ich will nicht auf Fehlern herumhacken, die geschehen einfach. Und nur um es noch einmal klar zu stellen: Meine Enttäuschung resultierte vor allem aus dem Umgang mit der Kritik im Podcast und der Art des Gesprächs – um so mehr, weil es zur Klärung angesetzt war. Nora ist zu danken, dass sie bis zum Schluss nicht nur souverän durchgehalten, sondern auch noch kollegial und fachlich diskutiert hat. Die insgesamt gute Runde am Ende hat es dann noch etwas gerettet. Und ansonsten bleibe ich bei dem, was ich zu Übermedien bereits geschrieben habe, https://inkladde.blog/2019/12/30/wer-nutzt-soll-zahlen/ und zähle mich natürlich auch weiter zu den Unterstützer*innen eures Angebots, das ich sehr schätze, besonders auch übrigens wegen der Podcastkritik.
Danke auch dir @Marcus, für die erneut ausführliche Erklärung, hätte ich sie gestern Abend noch gesehen, hätte ich meinen letzten Kommentar an euch beide adressiert. Ich kann Teile deiner Argumentation durchaus nachvollziehen und hoffe jetzt einfach, dass meine Kritik an dem Gespräch verständlich geworden ist.
Als Vorwort: Ich habe die Ausgabe der Podcast-Kritik gelesen, um die es hier geht. Die folgende Diskussion um die es hier geht habe ich verpasst, bis zu diesem Beitrag. Mir war der bestehende Bias neu und ich hatte nicht sofort bemerkt, dass nur männergemachte Podcasts vorgestellt wurden. Ich möchte daher hier nicht auf die Diskussion eingehen, die ich selbst nicht mitbekommen habe, sondern nur auf die Wirkung die dieser Beitrag hier auf mich hatte.
Als einen Beitrag für ein Medium, dass sich der Medienkritik verschrieben hat, finde ich das hier einen Beitrag der teilweise ganz erstaunliche Schwächen hat.
Ich finde es erstmal gut, dass es den Beitrag überhaupt gibt und gemessen daran, dass mindestens ein Teilnehmer da noch mit heftigen Emotionen zu kämpfen hat, auch recht sachlich.
Aber:
1.) Die Einleitung kann doch nun wirklich nicht euer Ernst sein. Hier auf unserem Medienkritikportal hatten wir letztens einen Beitrag an dem es Kritik gab, deshalb fragen wir mal ganz sachlich eine der Kritikerinnen: Warum habt ihr uns ans Bein gepisst?
Und dass ist kein Satz, der irgendwann in der Hitze des Gefechts fällt, oder am Rande so rausgerutscht ist, sondern die Einleitung des Gespräches, also etwas wo man Gelegenheit und auch Verantwortung hat, darüber vorher nachzudenken. Super schwach, gleich in Minute eins.
2.) Vielleicht versteht sich Holger nicht als Moderator, das entspricht auch nicht dem Normalfall des Formates, aber in dem Fall ist das Format für diese Sorte Gespräch vielleicht einfach nicht das beste, denn das hätte ganz deutlich eine bessere Moderation vertragen können. Das hätte dann vielleicht auch verhindert, dass einer der Gesprächspartner die ganze Zeit über das spricht, wie er gerne verstanden werden möchte, während die andere sich allein darauf konzentriert was angekommen ist. Mal ein sanfter Hinweis darauf, dass beides gleichzeitig war sein kann und es weiterhelfen könnte die Validität des jeweils anderen zu bestätigen hätte da am Anfang einiges an Wiederholung einkürzen können.
Und Moderation hätte vielleicht auch Herrn Engert davor bewahrt, seiner Gesprächspartnerin permanent ins Wort zu fallen, um zu erklären das sie Unrecht hat. Was in einer emotionalen Debatte zwar irgendwie verständlich ist, ihm aber nicht gerade dabei hilft, den Punkt zu machen, dass er zuhört und grundsätzlich bereit ist Kritik anzunehmen.
3.) Eng verbunden mit 2. Ich denke das Gespräch hätte viel gewinnen können, wenn Sandro Schroeder sich mehr zu Wort gemeldet hätte, denn er scheint sich an dieser Stelle bereits zu einer konstruktiveren meta-Sichtweise durchgerungen zu haben.
4.) Wenn man zwei Autoren und eine Kritikerin einläd, um ein Thema mit feministischen Anteilen zu besprechen und dafür einen männlichen Moderator wählt, dann sollte man schon ganz, ganz,gaanz vorsichtig in der Frage sein, wieviel persönliche Meinung dieser Moderator mit einfließen lassen sollte – gerade wenn er der Auffassung der anderen beiden Männer zuneigt. Das wirkt dann nämlich sehr schnell, ohne dass es viel belastbare Belege dafür gibt, als würden sich drei Männer gegen eine Kritikerin verbünden und auf der Kante seit ihr hier manchmal haarscharf entlanggesegelt. (Wobei ihr wie gesagt mit der Einleitung da ganz eindeutig auf der falschen Seite der Kante angesetzt habt)
5.) Die ohne Zweifel vorhandenen Zwänge der Branche so relativ unwidersprochen als Erklärung durchgehen zu lassen, sieht euren sonstigen Beiträgen mal so gar nicht ähnlich.
– Wir machen das nicht hauptberuflich und haben nicht viel Zeit und daher kann man nicht von uns erwarten, dass wir einen Podcast suchen, der in unserem Beitrag ein Loch füllt, von dem ich behaupte, dass es uns bewusst war.
Ah ok, klar na dann…. Kein anderer Übermedienbeitrag ever….
@Soronume:
Danke, Luise, für deinen Kommentar. Die Punkte, die mich adressieren, und nicht zB Moderation oder Gesprächsrahmen, will ich kurz beantworten.
ad 2) Ich glaube nicht, dass die Beschreibung, ich sei Nora „permanent ins Wort zu fallen, um zu erklären das sie Unrecht hat“, zutrifft, oder dass ich darauf bestünde, nicht zuzuhören oder keine Kritik anzunehmen. Dass wir hier schreiben oder dass wir eine Dreiviertelstunde im Podcast darüber reden, zeigt doch wirklich das Gegenteil. Wir haben uns zudem alle den ganz ganz überwiegenden Teil des Gesprächs ausreden lassen, und wo das ausnahmsweise nicht der Fall war, hatte zB ich das Gefühl, ich sollte direkt reinzugehen, weil ich fand, da soll ein Punkt gemacht werden, der schlicht sachlich und inhaltlich nicht zutrifft. Damit wurde ja nun überhaupt nicht gesagt, dass die Kritiker*innen deswegen „Unrecht“ haben. Ich komme aber schlicht von einer *anderen* Position (zB Gesamte Kolumne > einzelner Text) und mit *anderen* Argumente (ich finde zB nicht, dass es eine Wechselwirkung von Kolumne und Wissenschaftsdisziplin gibt) und lande damit bei einer *anderen* Schlussfolgerung. Die Punkte, die mir vorgehalten wurden, sind darum ja trotzdem valide, man kann das alles anders sehen! Aber ich finde, dieser Befund läuft in beide Richtungen. Keiner hatte hier, finde ich, irgendeine Position inne, die total inakzeptabel ist.
ad 3) Ich habe viel mit Sandro gesprochen. Ich will ihm hier gar nix in den Mund legen, aber ich glaube, zu wissen, dass das nicht viel verändert hätte. Er hatte gute Gründe, sich zurückzuhalten.
ad 5) Mein Eindruck war jetzt eher nicht, hier bliebe irgendwas „unwidersprochen“ :-) Der Stand in dieser Diskussion war doch aber: Die Tatsache, dass es wenig Podcast-Kritik in dieser Tiefe gibt, kann dazu führen, dass wir, mangels anderer Projektionsflächen, zur Projektionsfläche für jedweden (ja berechtigten!) Missstand werden könnten. Das ist doch ein Punkt, wo man vielleicht verstehen kann, dass der für uns als Autoren Fragezeichen hinterlässt, oder nicht? Und wenn das schon für einen Bereich, den wir aktiv monitoren, nämlich die Sichtbarkeit von Frauen, nicht akzeptiert wird, weil der einzelne Text die Bewertungsgrundlage ist und nicht die Reihe, dann, glaube ich, dürfen wir schon sagen: So salopp, wie du das hier schreibst, ist das für uns nicht. Auch, weil wir ja das tun wollen, was auch du hier forderst: Kritik und Kritiker*innen ernst nehmen.
Ich kann nicht für Übermedien sprechen, aber ich muss dir auch sagen: Ich kenne nicht viele Redaktionen, die sich so tief und anhaltend mit vorgetragener Kritik auseinandersetzen, wie das hier passiert ist. Ich finde nicht, dass das Ergebnis davon sein sollte: „Kein anderer Übermedienbeitrag ever….“