Maischberger-Podcast

Ein Deal mit der ARD, von dem nur Spotify profitiert

Im September ist „Der Sandra Maischberger Podcast“ als Exklusivproduktion von Spotify als sogenanntes „Spotify Original“ gestartet. Zwei Monate später ist daraus eine offizielle Kooperation der ARD, genauer des WDR, mit der schwedischen Streamingplattform geworden. Der Sender beteiligt sich auch finanziell. Er feiert die Zusammenarbeit jetzt als besondere Errungenschaft und Grund zur Freude. Dabei war es wohl vor allem der Versuch, nachträglich ein Versäumnis zu korrigieren.

Der Fall wirft viele alte und neue Fragen zu zwei empfindlichen Themen auf: Wie gehen die Öffentlich-Rechtlichen mit privaten Plattformen um? Und was heißt das für die eigentlich plattform-neutralen Podcasts in Deutschland?

Ein Balanceakt

Die WDR-Spotify-Kooperation ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert und heikel. Sie ist unüblich, weil die direkte Zusammenarbeit einen Schritt weiter geht, als viele Sender bisher bereit waren zu gehen.

Es ist schon ein Balanceakt, eigene ARD-Programme auf Spotify zugänglich zu machen: Öffentlich-rechtlich finanzierte Inhalte im Tausch gegen Publikum und Reichweite auf einer kommerziellen Plattform. Das Risiko, einen potenziellen Konkurrenten zu unterstützen, gegen die Chance, von einem Momentanverbündeten zu profitieren. Ein Stückchen Kontrollverlust gegen ein Stückchen vom Kuchen. Das alte Dilemma im Umgang mit Plattformen, man kennt das auch von Facebook und Google.

Nicht ohne Grund wird seit Jahren politisch, abstrakt, theoretisch, langfristig über die Notwendigkeit von Super-Mediatheken und öffentlich-rechtliche Alternativen zu kommerziellen Plattformen diskutiert. Währenddessen war der WDR jetzt mal kurz pragmatisch. Bei Sandra Maischberger scheint die Kooperation zwischen der ARD-Anstalt und der Plattform Spotify ja auch naheliegend – und deswegen im Interesse beider Parteien. Aber das stimmt nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick überwiegen die Vorteile für Spotify – und es ist zweifelhaft, ob der WDR und die ARD sich da nicht einen Bärendienst erwiesen haben, und der Podcast-Landschaft gleich mit.

Was gewinnt die ARD durch diese Kooperation? Nicht viel: Sie holt das Maischberger-Format nur nachträglich aus der Spotify-Exklusivität heraus und in die öffentlich-rechtliche ARD-Audiothek. Ein Pyrrhussieg. Nichts gegen Sandra Maischberger, aber ihr Spotify-Gesprächsformat ist alles andere als innovativ oder bahnbrechend: Eine prominente Interviewerin spricht mit anderen Personen des öffentlichen Lebens über Persönliches und Politisches. Ich glaube nicht, dass es an diesem Format im öffentlich-rechtlichen Kosmos und in der Podcast-Welt so akut gemangelt hat, dass es dringend nötig war, diese Kooperation einzugehen. Ich zweifle deswegen auch, ob der Maischberger-Podcast der ARD-Audiothek viel nützen wird.

„ARD-Personalities positionieren“

„Uns ist es wichtig, ARD-Personalities über alle Mediengattungen und Plattformen hinweg als ARD Köpfe und Stimmen zu positionieren“, heißt es in der WDR-Pressemitteilung zur Begründung. Vom Für und Wider dieser Promi-Strategie mal ganz abgesehen: Das klingt wie ein Euphemismus dafür, dass dem WDR mit viel Verzögerung aufgefallen ist, dass Sandra Maischberger jetzt auch bei Spotify talkt. Als Personality, aber eben nicht als ARD-Personality. Spotify hat sich mit Maischberger profiliert. Und die ARD hat sich nachträglich dazugestellt. Wegen der Optik, für die Markenstrategie.

Die Kooperation wirkt wie ein verzweifeltes Nachsteuern. Und der WDR hat in seiner Hektik das Steuer ziemlich heftig in Richtung Spotify verrissen.

Über den Podcast bekommt Spotify beiläufig prominente Werbung in eigener Sache, in Wort und Bild innerhalb der öffentlich-rechtlichen ARD Audiothek. „Der Sandra Maischberger Podcast“ bleibt in der ARD-Audiothek auch optisch ein Spotify-Produkt. Das kleine ARD-Logo in der Ecke kann sich nicht gegen das dominante Markenbranding der Plattform durchsetzen, das mit Firmenlogo, „Spotify Original“-Schriftzug und seinem Gesamteindruck „SPOTIFY“ schreit.

Einige Landesrundfunkanstalten planen, die Podcast-Gespräche auch im Radio auszustrahlen, heißt es in der Pressemitteilung. Dass es sich um eine Kooperation handelt, dürften die Hörer*innen im linearen Radio zu hören bekommen wie schon in der digitalen ARD Audiothek: „Eine Kooperation von Spotify mit der ARD“, einmal am Anfang und einmal am Ende des Podcasts.

Genau genommen nutzt Spotify hier die analoge und digitale Reichweite der ARD für seine Marke – bisher war es andersherum. Dieser Gedanke dürfte für Spotify sehr wohl in die Abwägung der Kooperation eingeflossen sein.

ARD und Spotify: Wir sind (un)eins

Auf die Gretchenfrage, wie man mit Spotify umgeht, gibt es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sehr unterschiedliche Antworten – und eine gemeinsame Befürchtung. Fast alle Radiosender wägen ab, ob oder wie sehr sie sich perspektivisch selbst schwächen, wenn sie ihre Inhalte allzu bereitwillig auf Spotify anbieten. Einige ARD-Sender, wie beispielsweise der NDR, sind deswegen skeptisch und bieten nur sehr zurückhaltend eigene Podcasts bei Spotify an.

Der WDR hat mit seiner Spotify-Kooperation nun Tatsachen für die gesamte ARD geschaffen: Eine gemeinschaftliche Produktion, an der sich der WDR sogar finanziell beteiligt. Insofern hat der WDR die Verhandlungs- und Machtposition von Spotify gleich doppelt gestärkt. Zum einen wird es schwerer für andere ARD-Anstalten, sich komplett gegen die Streamingplattform zu verschließen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die ARD bei Linda Zervakis und deren „Gute Deutsche“-Format auf Spotify nicht konsequenterweise auch nachziehen müsste. Denn warum sollte die ARD ihre prominenten Mitarbeiterinnen so unterschiedlich behandeln? Am Ende profitiert davon Spotify, das sich erfolgreich sowohl Zervakis als auch Maischberger geschnappt hat, bevor die ARD dazu kam, mit den eigenen Moderatorinnen eigene Formate zu produzieren.

Einen zukünftigen Monopolisten stärken?

Es gibt noch eine größere, grundsätzlichere Frage: Wie positionieren sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten zu geschlossenen Plattformen? Podcasts sind immerhin eines der letzten Überbleibsel des plattform-neutralen Internets. Wie stehen die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland zu einer Plattform, die auf gutem Wege ist, ein Monopol im Audio-Bereich aufzubauen?

Spotify hat mittlerweile – insbesondere in Deutschland – als Plattform einen nicht unerheblichen Anteil des Publikums fest an sich gebunden. Und damit den ersten Schritt getan, die eine Plattform für Audio-Inhalte zu werden. Für Musik. Für Podcasts. Für personalisiertes Radio. Für eine geschmacksgetriebene, personalisierte Art des Hörens. Zum Teil mit Werbung versehen. Alles in der Hand einer Plattform, losgelöst von plattformunabhängigen, neutralen Wegen.

Eigentlich haben die öffentlich-rechtlichen Sender ein hohes Interesse, zumindest nicht exklusiv auf diese Zukunftsvision einzuzahlen, sondern Alternativen aufzubauen. Die ARD-Audiothek ist zwar so eine Alternative – aber wird die durch den Maischberger-Deal wirklich im selben Maße gestärkt wie zeitgleich Spotify?

Spotify hat das Podcast-Hören ent-technisiert

Ich bin keineswegs Fundamentalkritiker von Spotify als Podcast-Plattform. Ich sehe zwar sehr wohl die Gefahren, vor denen plattform-kritische Stimmen bereits seit Jahren warnen, wie beispielsweise Podcast-Urgestein Tim Pritlove. Aber ich will auch anerkennen, dass Spotify längst ein beliebter Weg ist, um Audio-Inhalte und Podcasts zu hören – das zeigen diverse Erhebungen. Insbesondere bei Menschen, die eben nicht schon seit zehn Jahren Podcasts hören und genau wissen, wie RSS-Feed, Podcast-Abo und Podcatcher genau zueinander finden.

Auch die Plattformkritiker*innen in der Podcast-Landschaft kommen, wenn sie ehrlich sind, kaum um diese Einsicht herum: Spotify hat das Podcast-Hören ent-technisiert – und damit die Zugangshürden vor allem für Weniger-Technikversierte gesenkt. Damit wurden neue Hörer*innen für das Medium akquiriert, für die Spotify mindestens vorübergehend die erste Schleuse in die Audio-Welt ist. Und damit auf dem besten Weg für Audio das zu werden, was Youtube für Videos ist.

Natürlich können sich Medienhäuser und Podcaster*innen trotzdem entscheiden, ihre Produktionen eben nicht auf der Streamingplattform anzubieten und erst recht nicht zu kooperieren. Aber sie verzichten damit womöglich auf einen Teil des Publikums. Es ist ein Publikum, das womöglich nicht mehr unbedingt bereit ist, die eigenen Nutzungsgewohnheiten aufzugeben, “nur” weil ein bestimmter Inhalt fehlt. (Falls es das Fehlen überhaupt bemerkt.)

Versäumnisse jenseits von Promi-Podcasts

Würde Spotify der ARD so einfach “Fest & Flauschig” für die öffentlich-rechtliche Audiothek anbieten? Und würde die ARD eine Podcast-Kooperation mit Amazon, Google oder Facebook eingehen und diese mitsamt Markenwerbung in die ARD-Audiothek aufnehmen?

Es war vergleichsweise leicht für Spotify, die Maischberger-Kooperation zu ermöglichen und zusätzliche Reichweite im ARD-Publikum einzustreichen, ohne das eigene Publikum zu verlieren. Und dem WDR fiel es anscheinend vergleichsweise leicht, beim Namen Maischberger den engen Austausch mit einer Plattform zu suchen. Ob der Maischberger-Podcast in der ARD-Audiothek nun den Lock-In-Effekt von Spotify bricht? Wohl kaum. Eine Kooperation bei „Fest und Flauschig“ hingegen hätte da wenigstens Potential gehabt – aber die würde Spotify aus genau diesem Grund wahrscheinlich nicht wollen.

Es ist ein Versäumnis der öffentlich-rechtlichen Medienhäuser, dass sie ihre Plattformen im Gegensatz zu Spotify nie geöffnet haben. Sich beispielsweise nie als „technischer“, neutraler Kanal zur Nutzung und Verbreitung von Podcasts etabliert haben. Es gibt auch keine öffentlich-rechtliche Podcast-App-Alternative, um alle Podcasts – auch jenseits des öffentlich-rechtlichen Angebots – zu hören. In den USA sieht das anders aus: Ein Verbund aus Public Radios kaufte die App „Pocket Casts“ und sicherte sich damit ein Stückchen Podcast-Infrastruktur langfristig ab, sowohl für die eigenen Produktionen und für die Podcast-Hörer*innen, aber auch darüber hinaus.

Es gibt also jede Menge lohnenswerte Betätigungsfelder für die öffentlich-rechtlichen Sender, um nicht nur die eigenen Podcasts mittelfristig vor Plattform-Monopolen und damit langfristig auch sich selbst vor Fremdbestimmtheit zu schützen. Das kurzfristige Konkurrieren und das anschließende Kooperieren bei Promi-Podcasts – selbst wenn sie von ARD-Persönlichkeiten kommen – ist keine gute Strategie.

6 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Artikel.
    Bin selbst kein großer Podcast-Hörer, finde es aber wichtig das Zusammenspiel der ÖR mit privaten Anbietern zu beleuchten.
    Zu „Fest und Flauschig“ sollte vielleicht ergänzt werden, dass dieses Format als „Sanft & Sorgfältig“ bei radioeins gestartet ist. Der Übergang hat die Leute bei radioeins schewr verärgert, daher finde ich es ein wenig merkwürdig, dass der WDR (der Sanft&Sorgfältig meines Wissens auch sendete) jetzt mit Spotify zusammenarbeitet.

  2. Das Problem ist doch, dass den Öffentlich-Rechtlichen nicht von Anfang an hier ein knallharter Riegel vorgeschoben wurde. Dass sie sich auf kommerziellen Plattformen so breit machen ist ein unmöglicher Vorgang. In Österreich betreibt der ORF wie viele YouTube-Kanäle? Keinen einzigen. Denn dort ist es klar gesetzlich geregelt, dass das schlichtweg nicht sein darf. Der ORF hat seine Mediathek – fertig! Und mit Spotify ist das natürlich genauso. Und mit Facebook. Und mit TikTok (wo sogar die Tagesschau peinliche Anbiederungs-Videos an die Jugend veröffentlicht).

  3. @HOLGER KREYMEIER

    Hmm. So absolut würde ich das nicht sehen.
    Ich schaue auch gerne Videos der ÖR auf Youtube und finde es sehr wichtig, dass sie dort abrufbar sind. Vor allem, weil man das junge Publikum sonst nicht erreicht. Und ich auch keinen Nachteil darin sehe, dass sie dort verfügbar sind. Schließlich kostet das meines Wissens nach auch den ÖR kein Geld.
    Und die Mediatheken sind nunmal nicht so nutzerfreundlich wie Youtube und werden es auch nie sein (die ARD Mediatheken App stürzt z.B. seit Wochen nur noch ab.)

    Spotify kenne ich nicht so genau — muss man dort immer zahlen wenn man Zugriff haben will?

    Und auch gegen Foren wie TikTok sehe ich erstmal kein grundsätzliches Problem (wenn sichergestellt ist, dass da keine Zensur durch China stattfindet)

  4. @2: „Dass sie sich auf kommerziellen Plattformen so breit machen ist ein unmöglicher Vorgang.“

    Ernsthafte Frage aus ernsthaftem Interesse: Warum?

  5. Die Idee einer öffentlich-rechtlichen Podcast-App, die für Fremdproduktionen geöffnet wäre, klingt in der Tat sehr sympathisch. Aber ich bin mir sicher, dass vor allem ProSiebenSat.1 Media und die RTL Group Sturm laufen würden gegen ein gebührenfinanziertes Konkurrenzprodukt zu FYEO und Audio Now. Und spätestens der nächste Rundfunkstaatsvertrag würde den Öffentlich-Rechtlichen hier einen Riegel vorschieben.

    Das Hauptproblem ist meiner Meinung nach, dass es die öffentlich-rechtlichen Sender eigentlich nur falsch machen können. Natürlich kann man kritisieren, dass sie mit ihren Inhalten kommerzielle Plattformen bespielen und damit einen Teil zur Monopolbildung beitragen. Aber hätten sie dies nicht getan, würde man ihnen jetzt wahrscheinlich vorwerfen, sich nicht auf die Hörgewohnheiten des Publikums eingestellt zu haben und dass sie ihre Inhalte auf den Plattformen anbieten müssten, die von möglichst vielen potentiellen Hörern genutzt werden.

  6. @Kreymeier

    Warum dürfen private Plattformen nicht als Distributionskanal benutzt werden? Das ist ja zumindest erstmal diskutabel und nicht einfach absolutistisch wegwischbar. In der Schweiz gibt es das Projekt SRF2024. Gemäss diesem Projekt ist es das Ziel die weggebrochene Userschaft U40 wieder zu erreichen. Die Direktorin des SRF interpretiert den öffentlichen Auftrag in dieser Hinsicht: der SRF wird seinem gesellschaftlichen Auftrag nicht mehr gerecht, wenn die Inhalte nur noch Ü60-jährige erreichen.

    Warum sollte also der ÖV eine teure Distributionsinfrastruktur aufbauen und unterhalten wenn die Kanäle heute schon verfügbar sind? Darüber zu diskutieren wäre spannend und würde uns weiterbringen. Wollen wir uns gebührenfinanzierte Plattformen leisten oder konzentrieren wir uns auf die Inhalte und deren Distribution? Ich persönlich finde letztere Option jedenfalls wesentlich sinnvoller und eher mit dem Gebühremodell vereinbar.

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