Möglicherweise haben Sie vergangene Woche ein Jubiläum verpasst: Am 5. Juni jährte sich zum 75. Mal der Abend, an dem John Coltrane zum ersten Mal Charlie Parker spielen hörte, und das war für den Jazz ungefähr so, als hätte ein junger Steve Jobs Alexander Graham Bell telefonieren gesehen1)Weil die Frage sich aufdrängt: Louis Armstrong wäre in diesem Bild Thomas Edison. und die Entwicklung vom ersten Telefon zum iPhone hätte dann nur noch 22 Jahre gedauert.2)22 Jahre später starb Coltrane nämlich schon. Manchmal trifft Genie auf Genie, und eine Kulturtechnik mutiert auf einen Schlag Jahrzehnte in die Zukunft. 1945 im US-amerikanischen Süden war das ein gigantischer Zufall, wer weiß, wie lange es sonst gedauert hätte, bis Coltrane erkannt hätte, was auf dem Saxophon alles möglich ist?3)Und er hat ja auch noch zehn Jahre gebraucht, bis er selbst interessant wurde, und bis sein Genie wirklich herauskam nochmal ein bisschen länger. Es ist ein glückliches Wunder.
Der Autor
Michalis Pantelouris ist Journalist, Buchautor und seit Anfang 2020 stellvertretender Kreativdirektor von „GQ“. Zuvor hat er die Redaktion des Joko-Winterscheidt-Magazins „JWD“ geleitet. Für Übermedien annotiert er jetzt regelmäßig die Medienwelt.
Ich bin mir nicht sicher, ob es so etwas im Journalismus je gegeben hat, abgesehen von allem, was passieren musste, damit es den „Tiger King“ auf Netflix geben konnte, die erste Sendung, die nicht nur funktioniert wie ein Verkehrsunfall, bei dem man nicht weggucken kann, sondern wo, während man guckt, immer noch ein Auto hinten auf die Karambolage auffährt. Und dann noch eins. Und dann ein Laster. Und dann ein Zug!4)Ich glaube, Carole Baskin hat ihren Ex-Mann an die Tiger verfüttert. Jedenfalls war der letzte, von dem ich erzählt bekommen habe, er hätte journalistische Formen auf ein neues Level gehoben, dieser Claas Relotius, und von dem wissen wir inzwischen, dass er die Reportage als Form nicht gehoben hat, sondern gebeugt.
Ansonsten ist viel von dem, was neu ist am Journalismus, eher technischer Natur. Wenn Ihnen in letzter Zeit immer mehr Artikel begegnen, die
Bulletpoints enthalten
große Namen oder Marken wie Lady Gaga, Rolex, Nike oder Porsche schon in der Headline haben und
unbedingt eine Social Media-Einbindung,
dann liegt das daran, dass der Artikel auf das optimiert ist, von dem wir annehmen, dass es uns mehr Sichtbarkeit auf Google Discover bringt, also den Nachrichten, die Android-User sehen, bevor sie überhaupt etwas suchen.5)Für iPhone-User: Es ist das Apple-News von Google. Hat man mir erklärt. Hier ist ein Bild meines Katers, der nicht Ryan Gosling heißt, und die Decke, auf der er liegt, ist nicht von Louis Vuitton.
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Das ist der Ist-Zustand, und man wünscht sich manchmal die goldenen Zeiten zurück, in denen Leser noch Klickvieh waren und mit sensationellen Headlines geködert werden mussten.6)Der Inhalt der übernächsten Fußnote treibt Ihnen Tränen in die Augen! Inzwischen ist der wichtigste Leser vieler Nachrichten ein Algorithmus, weil der entscheidet, was Hunderttausende überhaupt zu sehen bekommen. Das ist sensationell ausgereifte Software, sehr, sehr schlau, und sie sorgt dafür, dass Sie lesen, was Sie immer lesen, und Journalisten das wissen und deshalb immer genau das schreiben, was Sie schon gelesen haben, nur ein ganz bisschen anders.
Was nicht passiert, ist das, was Coltrane über die Musik von Charlie „Bird“ Parker an jenem Abend geschrieben hat: „Das erste Mal, als ich Bird spielen hörte, traf es mich genau zwischen die Augen.“ Und falls Sie gerne Jazz hören und ein Android-Handy haben, kann es sein, dass dieser Text ihnen angezeigt wird, was absurd wäre.
Am 5. Juni jährte sich übrigens auch zum 75. Mal die „Berliner Erklärung“ der Alliierten, in der die Siegermächte ihre Politik für das besetzte Deutschland festlegten7)ganz genau genommen ist die Erklärung das erste von vier Dokumenten, in denen sie es tun. und der „Alliierte Kontrollrat“ offiziell die Regierungsgeschäfte übernahm. Möglicherweise wäre das das wichtigere Ereignis dieses Tages, an das es sich zu erinnern gilt, immerhin das Ende der Nazi-Herrschaft.8)Zwiebeln schneiden Das ist die Sache mit Aufmerksamkeit, sie ist das Soufflé unter den -keiten, man muss ein Auge darauf haben.9)Einsamkeit kann man gut eine Weile allein lassen.
Eigentlich hat mich nur der Katzen-Content hinzugezogen.
Ach, danke. Wie sehr ich die Fußnoten vermisst habe. Schön, dass Sie wieder zurück sind, Herr Pantelouris.
Herr Panelouris ich habe Sie ernsthaft vermisst, bin sehr froh dass Sie wieder da sind und hoffe, dass es Ihnen wirklich gut geht. Willkommen zurück, bitte bleiben Sie :-)
Eigentlich hat mich nur der Katzen-Content hinzugezogen.
Ach, danke. Wie sehr ich die Fußnoten vermisst habe. Schön, dass Sie wieder zurück sind, Herr Pantelouris.
Herr Panelouris ich habe Sie ernsthaft vermisst, bin sehr froh dass Sie wieder da sind und hoffe, dass es Ihnen wirklich gut geht. Willkommen zurück, bitte bleiben Sie :-)