Die oft trügerische Sicherheit

Zahlen, Kurven, Trends: Worauf es bei Corona-Statistiken ankommt

Was man in diesen Wochen nicht alles liest: „Bisher haben sich in Deutschland 1.500 Menschen mit dem Coronavirus infiziert“, schrieb der „Spiegel“ Mitte März. Ein paar Tage später berichtete die „Tagesschau“, in Italien seien „mehr Menschen am Coronavirus gestorben als in China“. Und die „Welt“ titelte Ende März: „USA überholen China“ – die USA hätten „die meisten Infizierten weltweit“, erklärte das ZDF. Nachdem der „Tagesspiegel“ Mitte des Monats schon vermeldet hatte: „Jetzt mehr Corona-Tote in Deutschland als in China.“

Es ist die Zeit der Zahlen und Kurven und Rankings. Und weil es so viele sind, die derzeit auf uns einprasseln, passieren natürlich Fehler, auch mir. Doch gerade jetzt und gerade beim Umgang mit Zahlen ist gute Kommunikation wichtig. Zahlen suggerieren eine Unbestechlichkeit, eine Genauigkeit, die längst nicht immer gegeben ist. Deshalb sollte die Unsicherheit der Informationen grundsätzlich erwähnt – und wiederkehrende Fehler vermieden werden.


Fehler 1: Verwechslung von Meldezahlen mit der Wirklichkeit

Die Zahlen, die täglich gemeldet werden, sind eben das: Meldezahlen. Sie hängen wesentlich von der Anzahl der Tests sowie der Teststrategie ab. Wo nicht getestet wird, kann auch nichts gemeldet werden. Und zu Beginn und am Ende einer Infektion liefern Tests keine zuverlässigen Ergebnisse, da die Viruskonzentration zu klein ist, um sicher nachgewiesen zu werden.

Es gibt also eine Dunkelziffer, die auch daher rührt, dass Infektionen oft nicht sofort gemeldet werden. Und es gibt natürlich auch absichtliche Falschinformationen, etwa aus China: Wenige Tage nachdem Deutschland den offiziellen Angaben zufolge mehr Todesfälle hatte als China, erhöhte die chinesische Stadt Wuhan die Zahl ihrer gemeldeten Todesfälle um 50 Prozent – und drehte die Situation scheinbar um.

Glücklicherweise titelte daraufhin kein Medium „Jetzt wieder mehr Corona-Tote in China“ – da die Zahlen sich eben nicht vergleichen lassen.

Klar ist, dass die gemeldeten Infektionszahlen mit die besten Informationen sind, die es gibt – und dass Zuschauer und Leser ein Interesse haben, sie zu erfahren. Burkhard Nagel von ARD Aktuell verteidigte im Deutschlandfunk, dass sie diese Zahlen verwenden: Entwicklungen, die stattfänden, „also ob ein Land oder eine Region dabei ist, die eine besonders heftige Entwicklung hat gegenüber der anderen“, diese Entwicklungen würden „richtig und zutreffend beschrieben“. So habe es etwa in Italien einen Zustand gegeben, der ähnlich katastrophal gewesen sei wie der Zustand an der Ostküste der USA.

Jedoch belegen diese beiden Fälle eher, dass wir uns eben nicht zu sehr auf die Meldezahlen verlassen sollten: Über Wochen breitete sich in Italien und den USA das Virus offenbar unerkannt aus. Da fast nicht getestet wurde, zeichneten die geringen Meldezahlen Infizierter in dieser entscheidenden Phase der Ausbreitung ein völlig falsches Bild. Die Länder wähnten sich in Sicherheit. Und es kam zur Katastrophe.

Immer wieder werden Medien ihre Formulierungen zum Verhängnis – sie schaffen mehr Verwirrung als Klarheit, wie dieser Tweet der „Tagesschau“:

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet gerade nicht die echte Zahl der Infektionen, sondern die Zahl der durch Tests bestätigten Fälle. Ob es mehr oder weniger Infektionen gibt, ist unklar. Erst der zweite Satz im Tweet der „Tagesschau“ macht deutlich, dass es womöglich eine andere Ursache haben könnte, warum sich vermeintlich „die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt“ – und der ist viel profaner: „Am Wochenende wurden nicht aus allen Ämtern Daten übermittelt.“

Die Ausbreitung verlangsamte sich vermutlich gar nicht, sondern die Meldungen positiv getesteter Fälle dauerte länger.

Das führte trotzdem bei mehreren Medien zu Falschmeldungen: „Zahl der Infizierten in Deutschland steigt langsamer“, titelte zum Beispiel der „Spiegel“ am 22. März. Hätten er und andere bei den Zahlen des RKI nicht von „Infizierten“ gesprochen, sondern von „gemeldeten Infektionen“, wären wohl weniger falsche Schlüsse gezogen worden.

Fehler 2: Statistische Unsicherheiten ignorieren

Es ist dringend nötig, mangelnde Sicherheit zu kommunizieren – doch gelingt das oft nur unzureichend: Mitte April titelte die „Tagesschau“, die Dunkelziffer in Österreich sei laut einer Studie „mehr als dreimal so hoch“; deutlich mehr Menschen seien dort infiziert „als die offizielle Statistik ausweist“.

Die Meldung beruhte auf einer Schätzung, dass es in Österreich Anfang April außerhalb von Kliniken 30.000 statt der 8.500 infizierten Personen gegeben habe, die gemeldet wurden.

Allerdings war die Überschrift so falsch: Im Vergleich ist die Dunkelziffer nur rund zweieinhalb Mal so hoch. Und die Studie ergab aufgrund ihres geringen Stichprobenumfangs, dass die Zahl der Infektionen mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent zwischen 10.200 und 67.400 Fällen gelegen hat. Das ist eine ganz ordentliche Bandbreite. Die Dunkelziffer könnte demnach viel größer sein als die 21.500 – aber eben auch viel kleiner.

„Die Überschrift war mathematisch so nicht korrekt“, erklärte eine Sprecherin auf Nachfrage. Nun lautet sie: „Dunkelziffer knapp dreimal so hoch“. Die Unsicherheit der Schätzung blieb aber unberücksichtigt – anders als etwa in einem Artikel der „Welt“.

Fehler 3: Werte wie die Verdopplungszeit führen oft in die Irre

Anstatt nur über einzelne Zahlen der Infektionen und Todesfälle zu berichten, verwendeten viele Medien die Verdopplungszeit: Diese gibt an, nach wie vielen Tagen sich die Fallzahl verdoppelt, was widerspiegelt, wie stark der Anstieg ist.

Weil dieser Wert bei den Infektionen mit Covid-19 laut Schätzungen in Norddeutschland Anfang April bei gut zehn Tagen lag, während er in Deutschland insgesamt nur knapp neun Tage betragen haben soll, „steht der Norden etwas besser da“, schrieb der NDR.

Dabei beruhen diese Werte auch nur auf den oft verspätet gemeldeten Fällen und stellen so nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit dar. Wieder das Problem: Wo nicht getestet wird, ist auch niemand offiziell erkrankt.

Dass der Norden zu dem Zeitpunkt angeblich „etwas besser“ dastand als der Rest des Landes, könnte also beispielsweise auch einfach daran gelegen haben, dass ein paar Meldungen fehlten, oder dass anderswo mehr getestet wurde.

Die Verdopplungszeit hat aber auch aus anderen Gründen Nachteile: Sie ist nur sinnvoll, wenn man von einem exponentiellen Wachstum ausgeht. Das ist bei Infektionskrankheiten aber höchstens vorübergehend der Fall. Die mathematisch geschätzte Verdopplungszeit wie auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit verändern sich ständig.

„Südkorea und China, die die Epidemie eindämmen konnten, kommen auf Verdopplungszeiten von rund 30 Tagen“, heißt es etwa beim rbb. Dabei handelt es sich offenbar nur um grob geschätzte Werte, die auch noch kaum etwas aussagen. Sind nun – wie beim exponentiellen Wachstum – weitere Verdopplungen der Fallzahlen jeweils in 30 Tagen zu erwarten? Angesichts der starken Maßnahmen der Länder ist das nicht zu erwarten. Vorhersagen in die fernere Zukunft sind ja ohnehin kaum möglich.

Die rbb-Übersichtsseite zur Lage in Berlin und Brandenburg konzentriert sich aber inzwischen auf andere zusammenfassende Werte, etwa wie sich die Fallzahlen im Vergleich zur Vorwoche entwickelt haben. Anders als viele andere kommuniziert der Sender die Unsicherheit der errechneten Werte – und macht seinen Quellcode öffentlich, so dass die Berechnungen zumindest für Experten nachvollziehbar sind.

Fehler 4: Überinterpretation von Fluktuationen

Auch der „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ stellten längere Zeit die Verdopplungszeit dar, verzichten aber inzwischen hierauf. Stattdessen berichten sie über einen Trend: Dieser soll aussagen, ob die Fallzahl zuletzt gestiegen oder gesunken ist.

Aber: Während der „Spiegel“ wochenweise vergleicht, vergleicht die „Süddeutsche“ von Tag zu Tag die gemittelten Meldungen der sieben Vortage.

Hierdurch können paradoxe Situationen entstehen: Anfang dieser Woche stufte der „Spiegel“ die Zahlen aus Frankreich bei einem Rückgang von sechs Prozent als noch „konstant“ ein …

Grafik des Spiegel zu den Corona-Infizierten in verschiedenen Ländern

… während die „Süddeutsche“ über einen steigenden Trend berichtete, da trotz des deutlichen Rückgangs über die vergangenen Tage die Fallzahlen kurzzeitig leicht angestiegen waren.

Grafik der SZ zu den Corona-Infizierten in verschiedenen Ländern

Montagfrüh meldete der „Spiegel“ für China einen stark fallenden Trend, da die Zahlen geringer als in der Vorwoche waren – auch wenn in beiden Wochen jeweils nur ein paar Dutzend Infektionen gemeldet wurden und die Veränderungen über die Lage im Land wohl kaum etwas aussagen.

Teils wechselte der „Trend“ bei der „Süddeutschen“ auch für Deutschland von Tag zu Tag von steigend auf fallend und dann neutral, was wohl nicht die tatsächliche Entwicklung der Pandemie widerspiegelt, sondern nur Artefakte im Meldewesen.

Bei in manchen Ländern vorgenommenen Änderungen in der Definition, was als „Fall“ gesehen wird, funktioniert der Trend genauso wenig wie bei nachträglichen Meldungen von Infektionen.

Aktualität und Genauigkeit lassen sich hier oft nicht vereinbaren: Eigentlich ist die Information viel wichtiger, zu welchem Zeitpunkt es wie viele Neuinfektionen gab – und nicht, wann diese gemeldet wurden. Doch der Zeitpunkt der Infektion wird, wenn überhaupt, erst einige Tage oder sogar Wochen später bekannt. Wenn die Effekte nicht berücksichtigt werden, sind falsche Schlüsse und Entscheidungen leicht möglich, wie der NDR in einem Beitrag aufzeigt.

Es wird also eine Aktualität suggeriert, die gar nicht gegeben ist, weil der Verlauf von der Infektion über den Test bis zum Ergebnis und der Meldung beim Amt häufig sehr lang ist.

Fehler 5: Simple Vergleiche von Staaten sind unsinnig

Wo ist die Situation am schlimmsten? Wie sieht es im Vergleich hierzu in Deutschland aus? Attraktiv sind Tabellen – fast alle Medien verwenden sie. Auf einer Übersichtsseite des ZDF heißt es etwa: „Das sind die zehn Länder mit den derzeit meisten Infektionen“.

Dabei ist das irreführend, denn Vergleiche zwischen den Ländern sind sowohl wegen der unterschiedlichen Falldefinitionen als auch der Dunkelziffern schwierig. Wo nicht getestet wird, gibt es auch keine gemeldeten Fälle. Wo getestet, aber nicht gemeldet wird, auch nicht. Und so weiter. Missverständnisse sind unvermeidbar.

Dies gilt sowohl, wenn absolute Zahlen verglichen werden, als auch bei Bezug auf die Einwohnerzahl: Denn bislang betreffen Ausbrüche höchstens bei kleinen Ländern das Land gleichmäßig, während sich beispielsweise in China der überwiegende Teil der Fälle durch die sehr strengen Eindämmungsmaßnahmen auf die Provinz Hubei konzentriert hat. In relativen Zahlen liegen daher San Marino oder der Vatikan in der Tabelle vorne – und China mit seinen gut 1,3 Milliarden Einwohnern deutlich weiter hinten.

Medien stellen sich den Problemen

Auch wenn es in der laufenden Berichterstattung immer wieder zu Fehlern kommt, wohl alle Qualitätsmedien reflektieren ihre Arbeit in speziellen Beiträgen und erklären sie ihrem Publikum dort recht transparent. „Die Redaktion diskutiert immer wieder über die Darstellung und Einordnung der Zahlen und Entwicklungen und hat sie in den Wochen der Corona-Krise weiterentwickelt“, erklärt eine NDR-Sprecherin. „In zahlreichen Beiträgen und Moderationen in der ‚Tagesschau‘ und in den ‚Tagesthemen‘ sind die unterschiedlichen Bewertungen der Zahlen erklärt worden.“

Die verantwortliche Redaktion ARD Aktuell versuche immer wieder, „die Relativität dieser Zahlen, die wir da haben“, zu beschreiben und einzuordnen, sagt auch Burkhard Nagel.

Sowohl die Zahlen des RKI als auch jene, die die amerikanische Johns-Hopkins-Universität basierend etwa auf Medienberichten zusammenstellt, seien seriös und nachvollziehbar in der Erhebung, erklärt der NDR. „Nach mehreren Wochen sind sie auch von den Zuschauenden gelernt, sie können sie einordnen“, sagt die Sprecherin.

Das ZDF veröffentliche Zahlen „zusammen mit dem Hinweis auf Herkunft und Zustandekommen“, erklärt ein Sprecher: Der Sender stelle die damit einhergehenden Unterschiede und Probleme der internationalen Vergleichbarkeit vor.

Doch genau dies ist etwa beim erwähnten Ländervergleich des Senders nicht ausreichend der Fall.

Ein umfassendes Bild ließe sich nur aus der Kombination mehrerer Werte bilden, erklärt der Datenjournalist Christian Endt von der „Süddeutschen“: Die Todeszahlen wären beispielsweise ein sicherer Indikator als die gemeldeten Infektionen, da sie zuverlässiger erfasst werden – aber sie geben ein verzögertes Bild wieder, da schwer erkrankte Patienten oft erst rund zwei bis drei Wochen nach der Infektion sterben. „Generell sind wir bei diesen schwierigen Fragestellungen in einem dauernden Diskussionsprozess sowohl innerhalb der Redaktion als auch mit verschiedenen Beratern aus der Wissenschaft“, sagt Endt.

Zu oft falsche Sicherheit statt Kontext

„Das eigentlich Interessante ist, warum die Fixierung auf die absoluten Zahlen so groß ist“, sagt Markus Lehmkuhl vom Karlsruher Institut für Technologie. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation in digitalen Medien. Der größte Teil der Berichterstattung laufe recht holzschnittartig ab, auch weil die Zahlen so effektiv und leicht zu kommunizieren seien. Journalisten sollten aber viel mehr über Hintergründe berichten, sagt Lehmkuhl. Etwa über die Frage, warum viele Gesundheitsämter am Wochenende keine Meldungen abgeben. Und: Sie sollten die Zahlen in ihren Kontext setzen.

„Viele Dinge sind ja nicht gänzlich falsch, aber es ist ärgerlich, wenn es zum Beispiel auf Grund von Ungenauigkeit auch nicht ganz richtig ist“, sagt Julia Lück, Kommunikationswissenschaftlerin von der Uni Mainz. Oft schwinge eine Sicherheit und Kontrolle mit, die es nicht gebe. „Gerade jetzt, wenn Lockerungen diskutiert werden, sollte man sich der bestehenden Unsicherheit bewusst sein.“ Die kritische Einschätzung von Studien, Daten und deren Quellen müsse mittelfristig ein wichtiger Teil der journalistischen Ausbildung sein, sagt Lück.

So kann hoffentlich verhindert werden, dass Missverständnisse sich zu Verschwörungstheorien entwickeln. Etwa bei der Frage der Letalität: Da die Zahl der Todesfälle während der Pandemie normalerweise nur auf die gemeldeten Infektionen bezogen wird, zeigte sich Fernsehmoderator Markus Lanz überrascht, nachdem eine Erhebung im Kreis Heinsberg zu einer Schätzung geführt hatte, wie viele der tatsächlich (und nicht nur der gemeldeten) infizierten Personen gestorben seien. „Fünfmal weniger als das, was wir sozusagen jeden Abend in der Tagesschau hören“, raunte Lanz.

Dabei liegt die für alle Infizierten in der Gemeinde Gangelt geschätzte Letalität von rund 0,4 Prozent in dem Bereich, in dem Experten diesen Wert schon vorher angenommen haben – so etwa das Team des britischen Epidemiologen Neil Ferguson.

Und dass die Letalität im Moment nicht exakt angegeben werden kann, wurde auch schon öfter besprochen – etwa auf der Seite der „Tagesschau“. Doch vielleicht noch nicht oft genug.

59 Kommentare

  1. „wohl alle Qualitätsmedien reflektieren ihre Arbeit in speziellen Beiträgen und erklären sie ihrem Publikum dort recht transparent“

    … und berichten ansonsten unbeirrt weiter auf Basis von vermeintlichen Infiziertenzahlen über Erfolg, Misserfolg und mögliche Schwellenwerte für oder gegen Lockerung des Lockdown.

    Mindestens zehntausende Menschen in Deutschland haben empirische Quant-Methoden hinreichend gelernt, um da auch welche zu finden, die dieser derart aberwitzig irreleitenden Berichterstattung der „Qualitätsmedien“ intern ein Ende mchen könnten.

    Erst, wenn man die wirkliche, repräsentative Infiziertenzahl kennt, wird man wissen können, ob der Kurs bisher passte und wie es weitergehen muss.

    Mehr Substanz anstelle Meinungsstärke. Wird dann natürlich langweilig für die „Qualitätsmedien“. Ist schon länger nicht mehr so zentral für deren Businessmodell und die Vorlieben ihrer selbstgezüchteten Journalistengeneration.

  2. Und vielleicht sollten die Medien mal aufhören ständig zu suggerieren, dass jeder, der „mit“ Corona stirbt, auch „an“ Corona stirbt?

    Oder sie sollten vielleicht vermehrt darauf hinweisen, dass eine Reproduktionszahl, bei der die zum Teil stark steigende Anzahl der Tests offenbar nicht berücksichtigt wird, nicht unbedingt sehr valide ist?

    „Und dass die Letalität im Moment nicht exakt angegeben werden kann, wurde auch schon öfter besprochen – etwa auf der Seite der ‚Tagesschau‘. Doch vielleicht noch nicht oft genug.“

    Vielleicht hätte die Tagesschau einfach (früher, öfter, prominenter?) sagen können, dass eine Bestimmung der Letalität oder der Fallsterblichkeit, die auf der Anzahl der bekannten Fälle beruht, nicht nur nicht „exakt“ ist, sondern ohne Bedeutung, wenn man (mit vielen Experten) annimmt, dass eine hohe Dunkelziffer milder Fälle existiert?
    Oder liegt es nur an Lanz? Wären die (anderen?) Zuschauer der Tagesschau weniger überrascht gewesen über die im Vergleich zu den in den Raum gestellten „Horror-Zahlen“ vergleichsweise geringe Fallsterblichkeit (die womöglich in der Tat sogar noch tiefer liegt, als die Heinsberg-Studie annimmt, und außerdem noch nichts über die kausale Rolle von Covid-19 aussagt)? Hätten sie es besser einordnen können? Wohl eher nicht.

    Aber vielleicht versteht die Tagesschau den entscheidenden Punkt ja selbst nicht? Vielleicht zählt sie 1 (vermutlich großes Dunkelfeld) und 1 (angegebene Raten beziehen sich auf Hellfeld) nicht zusammen und erkennt nicht, dass man Raten aus dem Hellfeld nicht einfach auf die Gesamtheit übertragen darf? Jedenfalls heißt es im „Faktenfinder“ der Tagesschau („Weniger gefährlich als die Grippe?“):

    „Auswertungen aus anderen Ländern zeigen: Bei 80 Prozent der Infizierten verläuft Covid19 relativ leicht, bei rund 15 Prozent schwer und bei weiteren fünf Prozent kritisch. Das heißt: In einem solchen Szenario könnte es Millionen Erkrankte mit schweren oder sogar kritischen Verläufen geben.“

    Ähnlich informiert uns „ZDF heute“ in einem „Faktencheck“ („Warum Sucharit Bhakdis Zahlen falsch sind“):

    „Das Robert-Koch-Institut (RKI) nennt in seinem Coronavirus-Steckbrief unter Verweis auf drei wissenschaftliche Studien jedoch einen Manifestationsindex (Anteil der Infizierten, die tatsächlich auch erkranken) zwischen 51 und 81 Prozent. Weiter sagt das RKI, dass rund 20 Prozent aller Erkrankungen schwer oder lebensbedrohlich verlaufen. Beides sind deutlich höhere Werte, als Bhakdi angibt.“

    Vergleichen das wir einmal damit, was das RKI tatsächlich schrieb. Die Seite wurde inzwischen modifiziert, aber damals hieß es:

    „Aus den kumulierten in China erfassten Fällen (n = 55.924 laborbestätigte Fälle, zum größten Teil aus der Provinz Hubei; Stand 20.02.2020) werden als häufigste Symptome Fieber und Husten berichtet (Abbildung 1). Dabei verliefen rund 80 % der Erkrankungen milde bis moderat. ‚mild bis moderat‘ betrifft Patienten mit oder ohne Pneumonie, ohne Atemnot, mit einer Sauerstoffsättigung im Blut von über 93 % und ohne (CT-diagnostizierte) Lungeninfiltrate, die mehr als die Hälfte der Lunge betreffen (13). Vierzehn Prozent verliefen schwer (mit Atemnot, Sauerstoffsättigung unter 94 %, oder Lungeninfiltraten in mehr als der Hälfte der Lunge), aber nicht lebensbedrohlich und in 6 % war der klinische Verlauf kritisch bis lebensbedrohlich (mit Lungenversagen, septischem Schock oder multiplem Organversagen. Außerhalb von Wuhan/Hubei und außerhalb von China gibt es teilweise Beobachtungen, dass der Anteil milder Verläufe höher als 80 % ist. Der Anteil schwerer Erkrankungen ist auch davon abhängig, wie die Fälle identifiziert wurden. Bi et al. berichteten, dass der Anteil der schweren Fälle nur bei 3 % lag, wenn diese über Kontaktpersonennachverfolgung entdeckt wurden (14).“
    https://web.archive.org/web/20200328135329/https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html

    Es sollte erkennbar sein, dass das RKI hier keinesfalls (!) behauptet hat, dass 20% der Erkrankungen schwer oder lebensbedrohlich verlaufen würden. Es behauptet vielmehr, dass (laut chinesischen Quellen) etwa 20% der ERFASSTEN Fälle so verliefen. Hier wird dem RKI eine Behauptung in den Mund gelegt, die es so sicherlich nie getätigt hat und die inhaltlich auchunhaltbar wäre.
    Aufgrund der großen Dunkelziffer ist die Rate der schweren und lebensbedrohlichen Fälle natürlich VIEL geringer als die von ARD und ZDF behaupteten 20%. Dass die entsprechenden Zahlen aus China keineswegs repräsentativ waren, sondern dass die Messung das Messergebnis stark nach oben verzerrt haben musste, hätte man auch aus den beiden letzten von mir zitierten Sätzen schließen können. (Allerdings hat meine Recherche bei Archive[dot]org gezeigt, dass der in einer früheren Version fehlte. Vielleicht gab es damals die Studie von Bi et al. noch nicht.)
    Hier werden Ängste geschürt (womöglich Millionen schwere und sogar kritische Verläufe!), die jedenfalls in dieser Form sehr wahrscheinlich keine Grundlage haben.

    Da ARD und ZDF in ihren jeweiligen Beiträgen mit dem ganz besonderen Anspruch schreiben, Fakten von Fiktionen zu trennen und falsche Darstellungen zu widerlegen, wiegt der Fehler schwer (von anderen Fehlern möchte ich hier gar nicht erst anfangen). Vor allem, weil dieser zentrale Fehler von ARD und ZDF bis heute nicht korrigiert wurde, obwohl einer der Artikel (der vom Faktenfinder) am 14. April ergänzt wurde. Das deutet darauf hin, dass es bis heute zumindest in Teilen der entsprechenden Redaktionen an grundlegendem Wissen und Verständnis fehlt – denn hier geht es ja nicht um unwichtige Nebenaspekte, sondern um eine der zentralsten Fragen zum Thema überhaupt: Wie gefährlich ist Covid-19 dem Anschein nach?

    Und nein, nicht jeder Franz und Fritz, der mal kurz die Seite des RKI besucht und nicht versteht und nicht einordnen kann, was er da liest, ist dazu berufen, einem Professor, der über zwanzig Jahre lang ein universitäres Institut für Mikrobiologie und Hygiene geleitet hat, und der den molekularen Mechanismus entdeckt hat, durch den das Komplement-System Bakterien zerstört, und der durch eine verwandte Entdeckung laut Wikipedia „ein neues Forschungsfeld“ eröffnet hat, so einfach mal zeigen, wo der Hammer hängt. Schon gar nicht, wenn er ihn offenbar in Teilen so wenig versteht bzw. korrekt wiedergibt wie die Aussagen des RKI. Da hilft es dann auch nicht, das Renommee des entsprechenden Wissenschaftler unqualifiziert kleinreden zu wollen – eine Taktik, die gegenüber „genehmen“ Experten „seltsamerweise“ kaum zu beobachten ist.

    Was aber jeder Journalist tun könnte – und sollte: Mit verschiedenen Fachleuten sprechen, sie mit kritischen Fragen und Argumenten (der jeweiligen anderen Seite) konfrontieren um so zu einem gewissen Verständnis der Sache gelangen, vielleicht zu einer gewissen Einschätzung. Wer stattdessen meint, sich eilfertigst einem Mainstream anschließen und diesen verteidigen zu müssen – gerne auch ohne zu verstehen, was der wissenschaftliche Teil des Mainstream überhaupt meint -, der erweist dem Journalismus und dem Publikum einen Bärendienst.

    Der Text des Autors kommt mir relativ apologetisch vor. Viel Verständnis und die Würdigung der Bemühungen der Medien findet man da.
    Vielleicht ist die Nachsicht des Autors mit den Medien nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass eine allzu harsche Medienkritik bei den Medien – auf deren Wohlwollen der Autor als freier Journalist vermutlich angewiesen ist – vermutlich nicht sehr gut ankäme. Das ist allerdings Spekulation.
    Berechtigt wäre eine wesentlich härtere Gangart m.E. aber allemal – bezogen auf den Umgang mit Zahlen, aber auch allgemeiner.

    Beispiele für weit härtere Medien-Kritik bieten der erfahrene Wissenschafts-Journalist Harald Wiesendanger und der Kommunikationswissenschaftler Prof. Ottfried Jarren. Wiesendanger („ICH SCHÄME MICH – meines Berufsstands“) schreibt:

    „Mit blankem Entsetzen und ohnmächtiger Wut verfolge ich das unwürdige Treiben gestandener Berufskollegen: vom Redakteur beim Nachrichtenmagazin über den ‚Tagesthemen‘- und ‚Heute‘-Moderator bis hin zum Mitarbeiter der Presseagentur, zum Rundfunkplauderer, zum Social-Media-Texter, zum Talkshow-Gastgeber. Ungefiltert bringen sie offizielle Horrorzahlen unters Volk, ohne zu hinterfragen, wie diese überhaupt zustande kommen; wie sie ausgewertet werden; was sie eigentlich besagen; wie es um andere Zahlen steht. Sie machen im Eilverfahren zugelassene, mangelhaft überprüfte Tests wichtig und notwendig, ohne zu beleuchten, was diese überhaupt messen; was aus ihnen folgt und was nicht; wie hoch die Fehlerquote ist; wer von ihrem Masseneinsatz profitiert. […] Liebe Kolleginnen und Kollegen, seid ihr noch ganz bei Trost? Kaum einer von euch wagt es, an den Säulenheiligen vom Robert-Koch-Institut und der Charité zu kratzen. Kaum einer hört sich die wohlbegründeten, sachlichen Bedenken vieler Ärzte und Wissenschaftler an, die der Corona-Hype befremdet, ja entsetzt – und wenn doch, mangelt es euch anscheinend an der Courage, das Gehörte an die große Glocke zu hängen. […] Wie ein Berufsstand, der als unabhängige, kritische, unvoreingenommene Vierte Gewalt die Mächtigen kontrollieren soll, ebenso blitzschnell wie nahezu einmütig derselben kollektiven Hysterie erliegen kann wie sein Publikum und sich für Hofberichterstattung, Regierungspropaganda, expertengläubige Vergötterung der Heiligen Kuh Wissenschaft hergibt: Das ist mir unbegreiflich, es widert mich an, ich habe genug davon, ich distanziere mich voller Fremdscham von dieser unwürdigen Performance.“

    Und Jarren („Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Zeiten von Corona“):

    „Die unklare, offene Situation erfordert Weitsicht: Mehr denn je geht es um Analyse, Kritik und Kontrolle. Es geht um Aufklärung, um die Prüfung von behaupteten Sachverhalten, Annahmen, Prämissen wie die eigenständige Abschätzung der Folgen politischer Maßnahmen. Exekutiv- und Expertenvoten bedürfen der intensiven Prüfung und Diskussion. […]
    Derzeit ist der in den Medien auftretende Kreis der Experten arg klein. […]
    So wird munter ‚Systemjournalismus‘ betrieben: Exekutive, Experten und Journalistenkollegen als Eigenexperten unter sich. Referenz des Journalismus: China, einige asiatische Beispiele, und Italien, ein wenig auch Spanien.
    Gelegentliche Verweise auf andere Länder, doch: Vertiefungen? Andere Referenzen, andere Pandemien, andere Krisen? – Fehlanzeige. […]
    Im Ergebnis: Die Chefredaktionen haben abgedankt. Die für Talksendungen und Unterhaltung zuständigen Personen haben eine einfache Programmplanung: Corona. In möglichst vielen Sendungen, zu allen Zeiten, mit allen Moderatorinnen und Moderatoren die man aufzubieten hat. Die Inszenierung von Bedrohung und exekutiver Macht dominiert. Die Verantwortlichen sehen sich sicher nicht ihr Gesamtprogramm an – dann würden es ihnen auffallen. Sie könnten dann sehen, was so alles fehlt zwischen ‚Information‘ und ‚Talk‘ im Programm. Es fehlen alle Unterscheidungen, die zu treffen und nach den zu fragen wäre: Wer hat welche Expertise? Wer tritt in welcher Rolle auf? Was soll in welchem Format wem vermittelt werden?“

    Ob Wiesendanger und Jarren in jedem Punkt (ich habe ja eh nur Fragmente zitiert) recht haben, darüber kann man sich sicherlich streiten. Aber „die“ Medien – wenn ich diese pauschalisierende Ausdrucksweise mal verwende – haben es in dieser Krise sicher nicht verdient, mit Samt-Handschuhen angefasst zu werden.

  3. Bevor ich es vergesse: Ein durchaus beachtenswerter Artikel mit kritischen Unterton ist hier auf Übermedien erschienen (von Andrej Reisin):
    https://uebermedien.de/47188/corona-krise-staatsraeson-als-erste-medienpflicht/

    Damit will ich den jetzigen Artikel nicht „niedermachen“, aber er spült die Sachen doch etwas zu weich für meinen Geschmack.

    Zitat Symboltroll:

    „… und berichten ansonsten unbeirrt weiter auf Basis von vermeintlichen Infiziertenzahlen über Erfolg, Misserfolg und mögliche Schwellenwerte für oder gegen Lockerung des Lockdown.“

    Hervorragend auf den Punkt gebracht.

  4. „Sie ist nur sinnvoll, wenn man von einem exponentiellen Wachstum ausgeht. Das ist bei Infektionskrankheiten aber höchstens vorübergehend der Fall“
    Genau deshalb hat wahrscheinlich die taz das Hohelied der Exponentialfunktion und der Nerds, die allein sie verstehen, erst in dem Moment gesungen, als sie das Infektionsgeschehen schon nicht mehr beschrieb?
    „Unsere Mathe-Verachtung ist tödlich“
    Was heißt hier „unsere“?

  5. Man hat sehr gut erkannt, dass die Journalisten die Kurven, diese ganze Mathematik nicht so richtig kennen… bzw. überhaupt verstehen wollen. Es geht um Hype und Schlagzeilen, deshalb wird das verglichen, dargestellt und ans Licht gebracht, was noch mehr Zuschauer oder Leser bringt.

    Und die Mathematik in Deutschland ist leider auf einem eher durchschnittlichen Niveau:
    https://www.ituade.com/article/imo-2019-deutschland-landet-auf-platz-32b

    Platz 32… na also…

  6. „Was heißt hier „unsere“?“
    Ich vermute, die von „uns“ Journalisten.

    Gott sei Dank kann wenigstens unse Kanzlerin gut rechnen – andere Länder werden platzen vor Neid.

  7. Mathematisch berührt das Thema zwei ziemlich distinkte Teildisziplinen.

    Einerseits, bezogen auf die Exponentialfunktion, die Analytik, ab Mittelstufe allgemein gelehrt und Hauptwerkzeug der Ökonomen (VWL und ProWi), von denen es nicht zu wenige in den Qualitätsmedien gibt.

    Andererseits Quantitative Methoden, also Statistik, Wahrscheinlichkeitsrechnung, Empirie. In allgemeinen Schulen nahezu inexistent, allzuvielen Ökonomen vollständig fremd und Terra incognita für die meisten jener Geisteswissenschaftler, die es in die Redaktionen der Qualitätsmedien schaffen.

    Leidvollerweise unübersehbar beim kollektiven Versagen in der aktuellen Medien-Pandemiebegleitung. Bedauerlich, dass unsere Qualitätsmedien zudem offenbr kein eigenmotiviertes Qualitätssicherungsbedürfnis entwickeln, welches dazu führen würde, ab jetzt eine gemeinsame Plattform aufzustellen, von der aus eine Themenbegleitung möglich wäre, die die Eigen-Bezeichnung „Qualitätsmedien“ rechtfertigen würde.

    Nun gibt es ja auch da Naturwissenschaftler, in diesen Qualitätsmedien, die es sicher besser wissen. Spannende Frage für mich: Wieso haben die keinen Einfluss auf die Alltgspraxis dieser Qualitätsmedien?

  8. „Nun gibt es ja auch da Naturwissenschaftler, in diesen Qualitätsmedien, die es sicher besser wissen.

    Riskante Behauptung. Wer sind die Naturwissenschaftler beispielsweise beim Spargel?
    Im Parallelstrang hatte ich schon mal erwähnt:
    Die meisten Redakteure sind ersetzt durch Tagelöhner aus dem Lager des akademischen Lumpenproletariats.
    Das ist der Hauptgrund, weshalb die, copy&paste, die immer gleichen Versatzstücke (Klima, Putin, Trump, Nazis, Gender) raushauen. Und das ist auch der Grund, warum die alles niederbrüllen, was von der in dieser Szene vereinbarten Einheitsmeinung abweicht.
    Was anderes geht nicht, auf der Sachebene haben die schlicht nichts zu bieten.
    Sicher, es gibt Ausnahmen. Aber das keine Ausnahmen die die Regel aushebeln, sondern bestätigen.

    Falls das jetzt übertrieben erscheint … kann jemand eine Zeitung oder anderes Portal nennen, dass zu COVID19 so viel Sachkundiges veröffentlicht hat wie hier beispielsweise @LLL?

  9. @ Mycroft #6
    „Gott sei Dank kann wenigstens unse Kanzlerin gut rechnen“
    Das schreiben zumindest Journalisten gern, die sich selbst „Mathe-Verachtung“ zuschreiben. Wie können die das beurteilen? Wodurch sie das in den letzten 20 Jahren nachgewiesen haben soll, würde ich gerne erfahren. Seit 30 Jahren hat sie zunächst den Willen des Machtmeisters intensiv belauscht und dann seit 20 Jahren das Murren ihrer Machtschüler. Für Mathematik bleibt da wenig Zeit übrig, ganz nüchtern betrachtet.
    Aber ein regelmäßig polierter Mythos muss auf dieser Ebene ja reichen.

  10. @ EINERVONVIELEN:

    „Falls das jetzt übertrieben erscheint … kann jemand eine Zeitung oder anderes Portal nennen, dass zu COVID19 so viel Sachkundiges veröffentlicht hat wie hier beispielsweise @LLL?“

    Ich fühle mich gebauchpinselt, würde das für mich aber sicher nicht in Anspruch nehmen. Allerdings versuche ich, auch Informationen, Argumente und Perspektiven einzufangen, die nicht dem herrschenden Mainstream entsprechen, aber dennoch zumindest als diskussionswürdig erscheinen und nach meinem Eindruck zumindest ernst genommen und diskutiert werden sollten. Und da habe ich auch das Gefühl, dass die klassischen Mainstream-Medien im großen Stil kein gutes Bild abgeben. Dass sie, statt sich mit kritischen Argumenten auseinanderzusetzen, diese unqualifiziert wegschieben und Kritiker zum Teil diskreditieren. Ausnahmen gibt es sicherlich, aber sie gehen nach meiner Wahrnehmung im Strom des domonierenden Narrativs weitgehend unter.

  11. @LLL #10
    „Dass sie, statt sich mit kritischen Argumenten auseinanderzusetzen, diese unqualifiziert wegschieben und Kritiker zum Teil diskreditieren“
    Sehr vorsichtig formuliert. Tatsächlich sind auch bei den Flaggschiffen etablierter Medien inzwischen alle Hemmungen gefallen. Beispielsweise hat die Tagesschau die Fragen von Sucharit Bhakdi nach der Zuverlässigkeit der Daten, die die Basis der Entscheidungen der Bundesregierung bilden, faktenfremd als „Prominentes Beispiel für Falschnachrichten“ zu Corona bezeichnet und damit einen immerhin noch viel sachlicheren Faktencheck des Bayerischen Rundfunk bis zur Unkenntlichkeit vereinfacht und zugespitzt. Was solche Medien teilweise produzieren, ist grobste Propaganda zum Fremdschämen.

  12. „Wodurch sie das in den letzten 20 Jahren nachgewiesen haben soll, würde ich gerne erfahren.“ Ok, in den letzten 20 Jahren vllt. nicht, aber lt. Wiki war sie Klassenbeste in Mathe und hat ein recht mathelastiges Studium absolviert.
    Im Vergleich dazu versteht Kubicki nicht, dass man eine Reproduktionszahl von 0,96 auf 1 rundet, weil die zweite Nachkommastelle eine Genauigkeit vortäuschte, die einfach nicht gegeben ist.
    Aber, wenn ich Ihnen sonst zu unkritisch klinge: In der Republik der Blinden ist die Einäugige Kanzlerin.

  13. @ Mycroft #12
    „versteht Kubicki nicht, dass man eine Reproduktionszahl von 0,96 auf 1 rundet“
    Die Rundung ist ein Nebenthema. Kubicki hat grundsätzliche Zweifel an dem vom RKI berechneten R-Wert angemeldet, weil der für und durch Bayern veröffentlichte Wert nämlich bei nur 0,57 lag, während das RKI für Bayern gleichzeitig 0,9 angab. Und wie der Zufall so spielt, hatte das RKI kurz zuvor mal wieder an der Berechnungsmethode geschraubt, worauf der R-Wert prompt wieder von nahe 0,5 Richtung 1 gestiegen ist. Auch das RKI glaubt am liebsten an die Zahlen, die es selbst getrimmt hat. Man beachte, wie groß da der Spielraum ist, und der Glaube an die höhere Zahl ist noch lange keine Mathematik.

  14. @Andreas Müller: die 0,57 kommen mit einem ganz anderen Ansatz zustande und stammen nicht vom RKI. Das RKI kam durch einen anderen Ansatz auf 0,75, was natürlich auch ein Unterschied ist, aber nicht derselbe. (Steht jedenfalls so im Link).

    Wenn die 0,9 politisch motiviert wären (aka: gelogen), was spricht dagegen, dass die 0,57 auch politisch motiviert seien?

  15. Das Problem mit der Reproduktionsrate hatte der Virologe und Mikrobiologe Prof. Carsten Scheller schon vor Wochen in einem leicht zu ergoogelnden Video zum Thema Corona an einem Beispiel erklärt. (Suchwörterwörter für Video-Suche sind *Scheller* und *Corona*. Bei der entsprechenden Kritik hat Scheller sich auf eine Schätzung von Harald Lesch bezogen). Ich gebe das sinngemäß wieder:

    Nehmen wir an, jemand möchte durch einen Test herausfinden, wie viele Frauen in Deutschland leben. In der ersten Woche würde derjenige 10 Personen testen und käme zum Ergebnis, dass 5 davon Frauen sind. In der zweiten Woche würde man 20 Leute testen und würde vielleicht 11 Frauen finden. In der dritten Woche würde man 40 Leute testen und das Ergebnis bekommen, dass vielleicht etwas mehr als 20 davon Frauen sind, usw.

    Hieraus könnte man nun zum Schluss verleitet werden, dass die Zahl der Frauen in Deutschland exponentiell ansteigt. Tatsächlich trügt der Schein aber natürlich. Es steigt nur die Zahl der positiv Getesteten exponentiell an, und zwar weil die Anzahl der Tests exponentiell ansteigt.

    Das RKI nun scheint nach allem, was ich weiß, die Zahl der Testungen auf Corona nicht (!) in seiner Berechnung der Reproduktionsrate zu berücksichtigen. Vielmehr werden offenbar einfach die (modellierten) absoluten Fallzahlen zweier Zeitpunkte zueinander ins Verhältnis gesetzt, indem die zweite durch die erste dividiert wird. Die Formel des RKI lautet im Prinzip:

    R (die Reproduktionsrate) =
    (anhand von Tests hochgerechnete Anzahl neuer Fälle am Tag X) : (anhand von Tests hochgerechnete Anzahl der Fälle am Tag X – 4 Tage).

    Ich schreibe „anhand von Tests hochgerechnet“, weil das RKI verschiedene Faktoren berücksichtigt bzw. kompensiert. Statt „hochgerechnet“ könnte man allerdings wohl auch schreiben: „mehr oder weniger fundiert geschätzt“.

    Nun ist aber die Zahl der Testungen – soweit man das weiß – im Lauf der Zeit stark angestiegen. (Die Daten werden offenbar nur sporadisch veröffentlicht und beruhen auf Schätzungen).
    Wenn wir nun – mit vielen Experten – annehmen, dass es eine hohe Dunkelziffer von Infizierten geben könnte, folgt, dass die vom RKI berechnete Reproduktionsrate womöglich sehr stark durch die Anzahl der Testungen verzerrt wird. Es könnte sogar gut sein, dass etwa die früher zu beobachtende Steigung der Reproduktionsrate primär einfach eine Steigerung der Testrate abbildet.

    Nun ließe sich die Anzahl der Testungen einfach mit einbeziehen. Die Formel würde dann lauten:

    R* = [(hochgerechnete Anzahl neuer Fälle am Tag X) : (Anzahl der geschätzten Testungen am Tag X)] :
    [(hochgerechnete Anzahl der Fälle am Tag X-4) : (geschätze Anzahl der Testungen am Tag X-4)]

    Ob damit die „echte“ Reproduktionsrate (ungefähr) rauskäme, ist allerdings ungewiss; die Rechnung stimmt so nämlich nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. (Nämlich wenn der Anteil der positiv Getesteten an allen Getesteten zu allen Mess-Zeitpunkten in etwa dem jeweiligen Anteil aller Fälle in der Bevölkerung zur Gesamt-Bevölkerung entspricht, oder wenn Abweichungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils in etwa den gleichen Faktor besitzen.)

    Führt man dennoch eine solche Rechnung durch, dann kommt offenbar heraus, dass die (so berechnete) Reproduktionsrate schon lange klein war – viel kleiner als die vom RKI berechnete (vgl. den Multipolar-Artikel „Coronavirus: Irreführung bei den Fallzahlen nun belegt“).

    Dass es die Anzahl der Tests nicht berücksichtigt, begründet das RKI damit, dass „keine ausreichend differenzierten Testdaten“ für eine „Adjustierung für die höheren Testraten“ vorlägen. Da ist sicher was dran; meine persönliche Vermutung wäre jedoch, dass eine Rechnung, bei der man einfach durch die jeweilige Test-Zahlen dividiert, noch immer realistischer wäre als das komplette Ignorieren sich stark ändernder Testzahlen.

    Aber darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt ist, dass das Verfahren so, wie es vom RKI offenbar gemacht wird, sehr wahrscheinlich nicht aussagekräftig ist. Dr. Steffen Rabe kommentiert:

    …Das Problem ist aber (wie oben dargelegt), dass der Bruch nicht lautet

    Neuerkrankte in der Bevölkerung an Tag X
    [geteilt durch]
    Neuerkrankte in der Bevölkerung an Tag X minus 4 Tage

    sondern er lautet

    Positive Testergebnisse unter nicht bevölkerungsrepräsentativen Infektionsverdächtigen bei unbekannter Testzahl an Tag X
    [geteilt durch]
    Positive Testergebnisse unter nicht bevölkerungsrepräsentativen Infektionsverdächtigen bei unbekannter Testzahl an Tag X minus 4 Tage

    Das ergibt aber beim besten Willen keine irgendwie relevante Reproduktionszahl… .
    Dennoch wird dieser auf wissenschaftlich geradezu lächerliche Weise zu Stande gekommene ‚R-Wert‘ derzeit umtanzt wie das berühmte goldene Kalb […]

    Die absolute wissenschaftliche Mindestanforderung für eine auch nur halbwegs aussagekräftige Modellierung wäre gewesen, zumindest den Einfluss der ständig steigenden Test-Zahlen auf die Zahl der erzielten positiven Ergebnisse herauszurechnen – dazu sieht sich das RKI aber nicht in der Lage: ‚Eine Adjustierung für die höheren Testraten ist nicht ohne weiteres möglich, da keine ausreichend differenzierten Testdaten vorliegen.‘ (EpiBull 17/2020).

    https://www.impf-info.de/82-coronoia/314-coronoia.html#nowcasting

    (Rabe berücksichtigt, wie man seinem Text entnehmen kann, dabei durchaus, dass das RKI nicht die „nackten“ Test-Zahlen nimmt, sondern versucht, diese durch statistische Verfahren zu korrigieren.)

    Ich kann nicht definitiv ausschließen, dass ich irgendwie auf der Leitung stehe und etwas missverstehe; aber mir scheint diese Kritik absolut einleuchtend zu sein. Und ich tue mich daher auch schwer zu verstehen, wieso die „Reproduktionszahl“ des RKI und ihr Aussagewert von den Medien nicht häufiger hinterftagt werden. Zumal so viel an ihnen dran hängt.

  16. @ Mycroft #14
    „Wenn die 0,9 politisch motiviert wären (aka: gelogen), was spricht dagegen, dass die 0,57 auch politisch motiviert seien?“
    Nichts. Aber der Nimbus einer unbezweifelbaren Wissenschaft, aus der sich politische Entscheidungen quasi abwägungs- und werturteilsfrei ergeben, ist dann vom Tisch.

    @ LLL #15
    Die statistische Basis der RKI-Berechnungen war immer fragwürdig. Das Grundproblem ist, dass die Tests im Prinzip anlassbezogen sind, was zu einer Vorselektion der Teilnehmer führt, gleichzeitig aber mit Absicht ausgeweitet wurden. Im Ergebnis hat das dazu geführt, dass die Kriterien für die Tests schleichend und undefiniert gelockert wurden. Dieses sehr schmutzige Vorgehen hätte man vermeiden können, wenn man die Kriterien für die anlassbezogenen Tests stabil gehalten und die wünschenswerten zusätzlichen Tests auf wirklich anlasslos ausgewählten und möglichst repräsentativen Ensembles durchgeführt hätte. Der eigentliche Skandal ist aus wissenschaftlicher Sicht, dass RKI und Politik alles getan haben, um die letztere Art von Tests zu verschleppen. Darauf haben viele Wissenschaftler hingewiesen.

  17. Schade. Da gab es nen schönen Artikel aber die Kommentarspalte ist schon wieder voll. Dennoch Danke an den Autor.

  18. @ Andreas Müller:

    Ja, diese Änderungen (bzw. Lockerungen) der Testkriterien sind natürlich ein weiteres fundamentales Problem. Ich verstehe auch nicht, wieso man sich nicht wenigstens um kleine repräsentative Studien bemüht, die wenigstens eine ungefähre Einschätzung erlauben, sondern die Sache ewig hinausschiebt. Zumal eigentlich so viel dran hängt.

    @ Daniel WOITOIL:

    „Schade. Da gab es nen schönen Artikel aber die Kommentarspalte ist schon wieder voll.“

    Tja, und damit wird der eigentlich schöne Artikel unschön oder ist jedenfalls nicht mehr recht zu gebrauchen. Das ist halt manchmal leider so in Kommentar-Spalten, dass sie mit Kommentaren gefüllt werden. Ärgerlich, ich weiß.
    Man könnte allerdings auch sagen: Schade, wir hatten so eine schöne und weitgehend „ON topic“ Diskussion (Zahlen, Kurven, Trends, Statistiken zu Corona und wie Medien damit umgehen), und dann kommt so ein Nonsens-Kommentar wie der Ihre.
    Aber ich habe einen Lösungs-Vorschlag für Ihr Problem: Sie lesen Kommentare einfach nicht, wenn Sie das nicht wollen.

  19. „Aber der Nimbus einer unbezweifelbaren Wissenschaft, aus der sich politische Entscheidungen quasi abwägungs- und werturteilsfrei ergeben, ist dann vom Tisch.“
    Ok, es mag Leute geben, für die es diesen Nimbus gibt. Nur, wenn man diesen Nimbus beseitigen will, indem man sich derartig doof stellt, präsentiert man sich selbst nicht als aufgeklärten Denker und kritischen Politiker, sondern halt doof.
    Und es ist für mich zumindest ein Unterschied, einfach die Unterschiede zwischen unterschiedlichen Berechnungsverfahren zu hinterfragen, wenn diese zu unterschiedlichen Endergebnissen kommen, oder ob man jemanden unterstellt, diese Ergebnisse sowieso zu fälschen.

  20. @LLL
    „wieso man sich nicht wenigstens um kleine repräsentative Studien bemüht… Zumal eigentlich so viel dran hängt“

    Noch vor vielleicht 2 Wochen war mein Stand: Geht nicht, weil Testkapazitäten VIEL zu gering.

    Ich habe hier mal nachgefragt, wieso das weder in den Medien, noch bei den staatlich bestallten Führungs-Instituten-Expertenrunden-Verlautbarungen oder den Regierungserklärungen/Pressekonferenzen als dringliches Problem thematisiert wird. Ob und wie da überhaupt für Abhilfe gesorgt wird, irgendwas in der Pipeline steckt. Wusste sonst wohl auch niemand anderes hier. Medial komplett inexistente TopPriority also?

    Jetzt aber* lese ich plötzlich, die seien nun mehr als verdoppelt, würden aber nicht mal zur Hälfte genutzt. Aber auch da nichts dazu, dass man jetzt also sofort mit repräsentativen Stichproben endlich die Zahlen ermitteln kann und muss, die eine zuverlässigere Bestimmung der Reproduktionsrate, Manifestierungsuote und Verlaufsschwere ermöglichen. Anstelle des aberwitzigen Schätzungsbingos, das jeder sofort beenden wollen müsste. Singulärer Artikel ohne weitere Implementierung/Fortführung.

    Das ist der Punkt, den ich immer noch so überhaupt nicht verstehe. Bester Dünger für die blühenden Gärten der üblichen Verschwörungstheoretiker zudem.

    Würden irgendwelche der etablierten Medien dieses Thema endlich mal aufgreifen, dazu sowohl das Publikum aufklären wie auch bei den Lenkungsgruppen nachhaken, würde ich beim Wort Qualitätsmedien sogar weniger ermattet traurig grinsen.

    Dann doch lieber wieder täglich neue Vergleichscharts unter Ländern anhand absoluter „Infektionszahlen“. Oder Sensenmann am US-Strand blamiert angeblich ignorante Strandgänger, im PETA-Stil. Oder: Die nicht-Veganer sind an Corona schuld. Oder eine Inszenierung als Generationenkrieg; wollen die Jungen und Palmer die Alten opfern? (alles Spiegel). Gruselig.

    Ehrlich: Ich kapiers nicht. Überhaupt nicht.

    *https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-deutschland-laesst-hunderttausende-testmoeglichkeiten-ungenutzt-a-a803dc38-d93c-42b8-82ef-7c0bfcf416f9#

  21. @ Symboltroll:

    Es ist zum Verzweifeln.
    Es ist zum Verzweifeln.
    Es ist zum Verzweifeln.

    Es gibt ja die Indexing-Theorie, die in etwa besagt, dass Medien im Großen und Ganzen (und gerade bei sehr wichtigen Themen) nur ausnahmsweise in der Lage sind, eigenständige Kritik zu formulieren. Kritik würden sie größeren nur dann im größeren Stile äußern, wenn es Kritik auch in den Machteliten gibt.

    Dass die Kritik von Kubicki (der in gewissem Sinne Teil der Machtelite ist) berichtet wird, dass die Medien aber wenig eigenständige, proaktive, substantielle Kritik erarbeiteen, scheint eine weitere Bestätigung der Theorie zu sein.

    In einer Rezession der Dissertation von Uwe Krüger in der FAZ schrieb der Rezensent:

    „… In seinem [Krügers] Buch ist deshalb oft von ‚journalismusethischen‘ und ‚demokratietheoretischen‘ Erwartungen die Rede, die durch die vorliegenden Ergebnisse enttäuscht würden.
    Betrachtet man diese Erwartungen genauer, erscheinen sie teilweise etwas hochgesteckt und von daher vielleicht besonders enttäuschungsanfällig. Wenn man dem Journalisten die ‚Berufsrolle des neutralen Beobachters‘ zuweist, von der Berichterstattung grundsätzlich mehr erwartet, als die Meinungsvielfalt der politischen Eliten abzubilden, und dies von einer ‚funktional höheren Warte‘ aus, so ist die Enttäuschung im Grunde programmiert.“

    Mit anderen Worten: Man kann und soll von den Medien gar nichts anderes erwarten, als dass sie nachbeten, was die Mächtigen vorbeten, und alles andere weitgehend ignorieren. Das Ergebnis ist dann, was Uwe Krüger im Zusammenhang mit dem Journalismus vor der Finanzkrise 2008 schriebt, welcher – so der damalige Leiter der Berliner Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung – ‚den Beschwichtigungen der Politiker und Banker zu lange gefolgt‘ sei:

    „Journalismus fällt auf diese Weise als Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen regelmmäßig aus – und nach dem bösen Erwachen gibt es dann stets ein bisschen Selbstkritik in Branchenmagazinen und auf Medientagungen. Bei den Nutzern dürfte das allerdings weniger hängen bleiben; in deren Gedächtnis summieren sich wohl eher die unterlassenen Warnungen, die Affirmationen noch kurz vor der Krise, die Beschönigungen und auch Lügen, die Medien oft unhinterfragt an ihr Publikum weiterreichen, wenn sie von den eigenen Eliten oder deren Verbündeten kommen.“

    Ich habe den dumpfen Verdacht, dass die Corona-Krise die große Reihe entsprechender Fälle um ein weiteres Beispiel „bereichern“ wird. Und zumindest im Hinblick auf einige Aspekte scheint mir das jetzt schon eindeutig der Fall zu sein.

    Wie gesagt:
    Es ist zum Verzweifeln.
    Es ist zum Verzweifeln.
    Es ist zum Verzweifeln.

  22. „Noch vor vielleicht 2 Wochen war mein Stand: Geht nicht, weil Testkapazitäten VIEL zu gering.“

    Ein repräsentative Stichprobe muss nicht viele sein, es reicht eine repräsentative Stichprobe, wie man es auch bei anderen Umfragen und Untersuchungen macht. Wichtig ist dabei nur, dass man die sozialen Kenndaten erhebt, um dann die Ergebnise hochrechnen zu können.

    Die nackte Anzahl der PCR Test leidet noch darunter das jemand der positiv ist, mindestens dreimal getestet wird. Keine Ahng ob die vom RKI verkündeten Zahlen personenbezogen sind, ich denke nicht, d.h. das man die Zahlen über positiv getestete (oder Fälle, wie sie häufig in den Medien genannt werden) massiv senken müsste. Oder eben einfach repräsentative Stichproben machen.

    Es ist aber nicht gewollt, da wir sonst sehen würden, es gibt keine Epidemie.

  23. Das Muster ist irgendwie bei vielen Themen in den Kommentaren dasselbe.

    LLL z.B. geht grundsätzlich davon aus, dass „die Medien“ einseitig berichten und Kritiken nicht ausreichend würdigen. Ob das jetzt Corona betrifft oder den Klimawandel oder sonstiges ist eigentlich völlig egal.
    Und dazu findet man natürlich immer „Beweise“, weil irgendein Herr Prof. xy mit seinen „guten Argumenten“ nicht „oft genug“ (was auch immer das sein soll) in den Medien präsent ist.
    Dazu noch ein paar fixe Berechnungen, und schon ist klar dass das RKI (oder das IPCC oder sonstwas) offenbar nur voller Idioten ist, die die einfachsten Rechenarten nicht beherrschen.
    (Und der Hinweis auf „Uwe Krüger“ bzw. das Buch „Mainstream“ darf natürlich auch nicht fehlen)

    Andreas Müller quasselt wie immer Blödsinn (Wo bitte gibt es einen „Nimbus der unfehlbaren Wissenschaft“?). Aber gut, der ist ja eh nur hier um seinen eigenen Blog zu verlinken.

    Ich finde auch einige Sachen in den politischen Entscheidungen fragwürdig (Warum macht man jetzt z.B. quasi gleichzeitig alles wieder auf obwohl man doch schrittweise vorgehen wollte um die Infektionsszahlen zu beobachten?). Aber ich würde mich nicht hinstellen und irgendeine Verschwörung wittern oder die Politiker alle als Idioten hinstellen.
    Wir leben gerade in einer Zeit, in der niemand genau sagen kann, was uns erwartet. Dafür finde ich, machen wir das in Deutschland wirklich gut. Man kann sicher einiges kritisieren, sollte aber im Hinterkopf behalten dass sicher keine von uns mit den Entscheidungsträgern tauschen will. Denn eigentlich kann man in so einer Situation nur alles falsch machen (weil hinterher hats immer jeder besser gewusst).

  24. @ ICHBINICH:

    „Dazu noch ein paar fixe Berechnungen, und schon ist klar dass das RKI (oder das IPCC oder sonstwas) offenbar nur voller Idioten ist, die die einfachsten Rechenarten nicht beherrschen.“

    Dass das IPCC einfachste (oder auch schwierige) Rechnungen falsch macht, habe ich nie behauptet. Vielleicht sollten Sie meine Position nicht zu sehr karikaturhaft abfertigen.

    Dass das RKI allem Anschein nach seltsam rechnet, habe ich zumindest begründet. Vielleicht können Sie mir ja einfach sagen, was an der Begründung nicht stimmt. Dann würden Sie inhaltlich etwas zu meiner Kritik sagen, statt auf einer allgemeinen Meta-Ebene zu bleiben.

    Und wie wäre es, wenn Sie sich einfach mal mit Quellen, auf die ich immer wieder zurückkomme, auseinandersetzen würden? Dann könnten Sie vllt. auch meine Kritik besser nachvollziehen. Müssen Sie natürlich nicht. Nur ist es fraglich, ob Sie dann wirklich in der Lage sind, meine Position angemessen zu beurteilen.

  25. @ IchbinIch #24
    „quasselt wie immer Blödsinn“
    Wie soll man solche Holzereien von jemandem ernstnehmen, der sich selbst nicht einmal die Mühe macht, korrekt zu zitieren?
    @ LLL #25
    Wenn jemand auf diese Weise seine Geringschätzung für die Details erst einmal deutlich gemacht hat, dann kann man auch nichts Anderes mehr erwarten als grunzendes Suhlen, nicht auf der Metaebene, sondern im Schlamm persönlicher Ressentiments. Da kam nie etwas Anderes, da kommt nichts anderes und da wird auch nichts mehr kommen.

  26. „Medien, Politiker und Wissenschaftler haben sich verschworen, uns eine nicht existente Epidemie vorzuspiegeln?“
    Es ist nicht fair, die drei Gruppen in einen Topf zu werfen.
    Unzweifelhaft formulieren Wissenschaftler und Ärzte den meisten Widerspruch. Dieses Ausmaß von öffentlich formuliertem Dissens von einer Vielzahl von Personen gab es tatsächlich lange bei keinem Thema.
    Politiker, gerade solche in Verantwortung, hatten zunächst schlicht keine Chance, sich frontal gegen die Epidemie des Horrors, echten und auch falschen, zu stellen, die sich in Medien viral aufgebaut hatte. Vor Ansätzen, es dennoch nach und nach zu tun, kann man auch Respekt haben.
    Der Artikel hier (und auch die Kommentare) konzentriert sich auf die Rolle der Medien beim Umgang mit Zahlen, ziemlich konsequent.

  27. @ Andreas Müller:

    „Unzweifelhaft formulieren Wissenschaftler und Ärzte den meisten Widerspruch.“

    So etwa Ulrich Keil in einem heute auf den Nachdenkseiten veröffentlichten Interview. Keil ist der ehemalige „Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster, [er] arbeitete über Jahrzehnte als Berater der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und fungierte bis 2002 als Vorsitzender der Europäischen Region der International Epidemiological Association (IEA), des Weltverbands der Epidemiologen“.

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=60685

    Und da frage ich mich halt: Wenn die Medien weitgehend nur eine Seite abbilden und eine erhebliche Anzahl renommierter Experten mit anderer Auffassung entweder völlig ignorieren oder (oft genug in inkompetenter Weise) diskreditieren, tun sie das dann, weil sie sich ein sachkundiges Urteil gebildet haben, wer recht hat? Oder weil sie (einmal mehr) unkritisch einem Mainstream folgen? Vor allem, wenn ihre Berichterstattung auch zahlreiche auch für den Laien erkennbare Mängel beinhaltet?

  28. @ LLL #29
    Danke für den Link. Schau’n mer mal, ob das auch wieder für einen öffentlich-rechtlichen oder gemeinnützlichen Qualitätsfaktencheck reicht.
    Die Textform spricht eher dagegen, denn die macht dem Fernsehen nicht so leicht Mengenkonkurrenz. Dafür kann diese neue Abweichlerei eines anderen Wissenschaftlers auch nicht so einfach gelöscht werden. Bei der Vielfalt dieser Gegenmeinungen und der Plattformen, die sie veröffentlichen, haben wir weiter die Wahl.

  29. Erstmal danke für den Artikel; er spricht einige wichtige Punkte an, die mir bei der Berichterstattung auch sehr sauer aufgestoßen sind. Insbesondere diese Fixierung auf höchst unsichere Zahlen und der mangelnde Kontext nervt mich da immer; da bekomme ich manchmal den Eindruck, die Journalisten denken sie hätten es mit einem Fußballspiel zu tun, bei dem sie mal kurz den Zwischenstand tickern. Dabei wird immer wieder vergessen, was die Zahlen nun genau abbilden – die starke Abängigkeit von den Tests wurde ja schon genannt.

    In meinen Augen darf man hier auch gerne noch harscher mit einem großen Teil der Berichterstattung ins Gericht gehen. Es sollte Standard sein, dass bei den Zahlen nahezu immer dazugesagt wird, was sie sind (bspw. sollte man nicht von „Infizierten“ sprechen, wenn von „gemeldeten Infektionen“ die Rede ist) und von welchen Faktoren sie maßgeblich beeinflusst werden und wie sich diese Faktoren geändert haben könnten. Wenn mehr Tests unternommen werden, dann ist es nicht weiter verwunderlich, wenn die gemeldeten Infektionen hochgehen. Ein fundierter Bericht darüber verlangt natürlich etwas Recherche – aber das muss man erwarten können.

    Ein anderes Problem betrifft die Berichterstattung von geschätzten Größen, wie bspw. die Reproduktionszahl. Da haben wir maßgeblich zwei Unsicherheiten: Einerseits in der Modellwahl und andererseits in den Daten, die in die Modelle eingehen. Eine vernünftige Kommunikation gibt immer auch ein Prognoseintervall für den Schätzer an – da geht meine Kritik auch an das RKI, die an einem Tag vergangene Woche erst von „R0=0.96“ geredet haben, nur um wenige Stunden später im Bericht eine Schätzung von 0.9 mit einem 95%-Prognoseintervall von „0.7-1.0“ angegeben haben. Zumindest sollte das Prognoseintervall angegeben werden; in meinen Augen würde es da auch eine obere Grenze tun, da wir ja hauptsächlich daran interessiert sind, wie groß R0 maximal ist. In dieser Schätzung ist nun nur die Unsicherheit der Daten drin; die Modellwahl an sich wird als korrekt angenommen. Sowas könnte man umgehen, wenn man bspw. Ensembles von Schätzwerten und eine daraus abgeleitete probabilistische Prognose. Natürlich kann man das von den meisten Journalisten nicht erwarten (daher geht die Bemerkung eher an die Modellierer und Statistiker), aber die Journalisten sollten sich zumindest der Unsicherheitsproblematik bewusst sein und das auch korrekt kommentieren und einordnen.

  30. „Dafür finde ich, machen wir das in Deutschland wirklich gut.“

    ICHBINICH, sie finden tatsächlich dass die „Qualitätsmedien“ derzeit einen guten Job machen?
    Ist das eine irgendwie mit Argumenten unterfütterte Gegenrede gegen diesen Artikel von Hinnerk Feldwisch-Drentrup?
    Und, gegen mein beschriebenes Mangelinfogefühl, wegen meiner Beschränkung nur auf die altgewohnten Qualitätsmedien-Platzhirsche zur Information? (Mangel-Gefühl wie 3 Monate nur von BigMäcs ernährt)
    Oder, mehr Verdammungsrede gegen jegliche kritische Nachfrage, ein „wir“ im Wilhelm II- Verständnis?

    Mustererkennen und -benennen im allgemeinen ist ja schön und unterhaltsam, deswegen mache ich das ja auch gerne gegen Bezahlung.
    Ein beliebtes, derzeit scheinbar wieder modisch werdendes Muster ist ja das „Vertraut unseren gütigen und weisen Führern und hinterfragt sie nicht“. Das manifestiert sich dann z.b. so:

    „keine von uns mit den Entscheidungsträgern tauschen will. Denn eigentlich kann man in so einer Situation nur alles falsch machen (weil hinterher hats immer jeder besser gewusst).“

    Der Fürst leidet sehr unter der Last der Verantwortung, Man darf ihn jetzt nicht belästigen mit Kritik. Und, zur finalen Komplettabdichtung:

    Jede Kritik ist in jeder Phase billige, unqualifizierte und unstatthafte Klugscheisserei :

    – Vorher konnte das doch keiner ahnen
    – Währenddessen stört es nur den Fürsten beim Tragen der Last seiner Verantwortung
    – Hinterher hätte es eh jeder besser wissen können

    Wann wäre es Ihnen denn mal recht?

    Sie sind damit ja nicht alleine. Diese Haltung ist aus meiner Sicht ein guter Wegweiser in eine postdemokratische Welt, solange sie unspezifisch bleibt. Und begegnet mir bei jenen, die jede Kritik an unserer Medienrealität pauschal aus dem akzeptierten Diskursraum ausschliessen wollen, beunruhigend oft. (Wie bereits gesagt: Dünger für die Bauernfänger)

    Ein weiteres Muster wäre, nicht zusammengehörendes zusammenzurühren, um z.B. mir, LLL und anderen per konstruierter Gruppenzusammenlegung nachsagen zu können, sie würden:

    „irgendeine Verschwörung wittern oder die Politiker alle als Idioten hinstellen.“

    Das ganze dann auf einer Basis, die zweifeln lässt, dass Sie überhaupt den Artikel oder die von Ihnen skandalisierten Posts gelesen und verstanden haben:

    „Warum macht man jetzt … gleichzeitig alles wieder auf obwohl man doch schrittweise vorgehen wollte um die Infektionsszahlen zu beobachten?“

    „die Infektionsszahlen“ ???
    “ zu beobachten“ ??? (entschuldigung, aber im Kontext ist das ein Premium-Brüller)

    Was an einem Krüger-Zitat mit Bezug zur Frage verwerflich und disqualifizierend sein soll, haben Sie auch eindrucksvoll NICHT begründet. Oder haben Bücher und Dissertationen für sie generell ein MHD? (Danke dafür btw. LLL, ich werde es doch mal ganz lesen müssen. In der beschriebenen Erwartungsnaivität habe ich mich wiedererkannt. *Schäm* )

    Zurück zur Mustererkennung (zu der Sie eingeladen haben):
    Mit Ihrem Muster wären Sie bestens geeignet, in einer unvollkommenen Demokratie mit semifreier Medienlandschaft so ziemlich jede Kritik als unfair, unualifiziert, unverschämt, unsolidarisch und unpatriotisch darzustellen. Nehmen Sie doch bitte gleich noch, als Zuarbeiter, Dreiwort-Micha mit. Woitol hält Ihnen die Kommentarspalten frei.

    Was lernen wir jetzt über unsere Qualitätsmedien, wenn immer mehr ihrer größten Verteidiger in ihrer Verteidigung zu solchen Mustern greifen müssen, wollen und sich dabei auch noch pudelwohl fühlen?

  31. Genial. Den von #31 hatte ich Ihnen noch gar nicht mit zwangseingemeindet. So gemein wollte ich gar nicht sein.

    Vorsicht LLL, ich hab mich beim Chlorbleichentrinken verschluckt, nicht dass das auch Ihnen passiert. Gibt wirklich hässliche Flecken auf dem Chemtrailshirt.

  32. Ich fand dass das eine gerechtfertigte Antwort auf die ebenso persönlichen wie pauschalen VT-angriffe war, bei denen von Ihnen keine Auffordrung zum Durchatmen km.

    Aber ich belasse es dann dabei und lese weitere Zuschreibungen wie…

    „Aber ich würde mich nicht hinstellen und irgendeine Verschwörung wittern oder die Politiker alle als Idioten hinstellen“ oder „Warum quält LLL Tiere?“

    …ohne darauf noch mal zu antworten. Obwohl ich das Grundmuster für On-topic halte.

  33. @ Andereas Müller:

    Das erinnert mich an den letzten Abschnitt (ab „Kritikern den Stecker ziehen“) im Artikel „‚Die Maßnahmen wirken'“ des Multipolar-Magazins.

    @ Anderer Max:

    Kann es sein, dass Sie sich als Opfer anderer Leute fühlen, die sich angeblich ständig als Opfer fühlen? Woher wissen Sie denn, wer sich alles als Opfer fühlt, und welche Relevanz hat das eigentlich, solange jemand in der Sache argumentiert? Und wo quäle ich denn Tiere?

    @ Symboltroll:

    „…ich werde es doch mal ganz lesen müssen…“

    Nur, damit das nicht falsch rüberkommt: Das Zitat selbst ist aus Krügers „Mainstream“. Seine Dissertation („Meinungsmacht“) habe ich nur streckenweise bzw. kapitelweise gelesen, weil das Thema (eine Netzwerkanalyse im Hinblick auf Alpha-Journalisten und Politiker) mich dann doch nicht in jedem Detail interessiert.
    Die Einleitung allerdings ist m.E. allgemein interessant:

    https://www.halem-verlag.de/wp-content/uploads/2013/02/9783869620701_lese.pdf

  34. @ LLL #37
    Während hier ein Max eine literaturwissenschaftlich gebildete „Chefpetze“ in die Daten-Debatte mit Epidemiologen wirft, ist heute die Heinsberg-Studie veröffentlicht worden.
    Diese bestätigt, was immer zu vermuten war: „Corona-Dunkelziffer deutlich höher“.
    Test: Unwissenschaftlich framende Medien erkennt man daran, dass sie die hohe Dunkelziffer immer noch als „erschreckend“ bezeichnen, obwohl inzwischen jeder einigermaßen Mitlesende weiß, dass eine hohe Dunkelziffer für die Gefährlichkeit des Virus einfach eine gute Nachricht ist.
    Und als zweiten Indikator für die Unwissenschaftlichkeit findet man sofort auch den Hinweis auf die Schwächen der Studie ohne jede Frage danach, warum diese Schwächen nicht längst durch weitere Studien in anderen deutschen Landkreisen ausgeglichen wurden. Kritikwürdig sind in solchen Medien immer die wenigen, die wissenschaftlich zu arbeiten versuchen, nicht diejenigen, die mit ihren variablen Schätzungen ganz zufrieden sind.

  35. @LLL: Genau. Ich kann ja gar nicht wissen ob Sie Tiere quälen. Daher ist die Frage nach dem „warum“ eine Vorwegnahme des „ob überhaupt“.
    Es geht nicht um Tierquälerei, sondern um rhetorische Spielchen.
    Gleiches gilt für Ihre Projektions-Spielereien: Nein, ich sehe mich nicht als Opfer, ich arbeite nur gerne die verwendeten rhetorischen Mätzchen heraus. Siehe z. B. Herrn Müller, der z. B. ad hominem Diskreditierung vorwegschickt („literaturwissenschaft“ vs „echte Wissenschaft“), übrigens sehr gewagt für einen Blogbetreiber, der mit Schreiben sein Geld verdient. (Aber sein wir ehrlich: Die Zielgruppe kriegt das eh nicht mit.). Danach kommt dann noch etwas substanzloses Geraune über „Unwissenschaftlichkeit“, das simulieren soll, dass seine Thesen die wissenschaftichen seien.
    Das ganze ist sehr ironisch, weil das nur Rhetorik ist, eine literaturwissenschaftliche Disziplin.
    Zum Inhalt der Studie kann ich mich nicht qualifiziert äußern, bin mir aber ganz sicher, dass einige Erklärbären das können.

  36. @ Anderer Max
    „sehr gewagt für einen Blogbetreiber, der mit Schreiben sein Geld verdient“
    LOL! Das ist doch mal ein köstliches Beispiel für substanzlose Spekulation.
    “ ich arbeite nur gerne die verwendeten rhetorischen Mätzchen heraus… Das ganze ist sehr ironisch, weil das nur Rhetorik ist, eine literaturwissenschaftliche Disziplin“
    Passt. Wenn ich annehme, dass Sie persönlich die „Chefpetze“ sind, liege ich wahrscheinlich näher an der Wahrheit. Ist nämlich letztlich nur eine Frage der Rhetorik, also Literatur.

  37. „Unwissenschaftlich framende Medien erkennt man daran, dass sie die hohe Dunkelziffer immer noch als „erschreckend“ bezeichnen, obwohl inzwischen jeder einigermaßen Mitlesende weiß, dass eine hohe Dunkelziffer für die Gefährlichkeit des Virus einfach eine gute Nachricht ist.“
    Jein. Eine hohe Dunkelziffer ist eine sehr schlechte Nachricht für die Tracking-Taktik: wenn man Lockerungen erlauben will, indem man alle Infizierte und deren Kontakte in Quarantäne schickt, muss man _alle_ in Quarantäne schicken. Selbst eine mittelhohe Dunkelziffer ist für das Verfahren tödlich.

    In Hinblick auf die allgemeine Gefährlichkeit und auf das Endziel der kontrollierte-Durchseuchung-Taktik ist das natürlich „gut“. Also im Sinne von „nicht SO schlimm“-gut.

    Da wir zumindest derzeit kein Tracking praktizieren, ist eine hohe, auch unerwartet hohe Dunkelziffer natürlich nicht in dem Sinne erschreckend, dass man Angst kriegen sollte, insofern haben Sie recht: die Formulierung ist Blödsinn. Vermutlich sind das Menschen, die mit Kriminalstatistiken sozialisiert wurden. Was soll man da erwarten…

  38. @#16 „Der eigentliche Skandal ist aus wissenschaftlicher Sicht, dass RKI und Politik alles getan haben, um die letztere Art von Tests (statistische Erhebung der Dunkelziffer) zu verschleppen. Darauf haben viele Wissenschaftler hingewiesen.“ und noch viel mehr #22 „Ein repräsentative Stichprobe muss nicht viele sein, es reicht eine repräsentative Stichprobe, wie man es auch bei anderen Umfragen und Untersuchungen macht.“

    TLDR: nein!
    Die aktuellen Zahlen weisen 133000 Genesene aus. Nehmen wir mal an, die Dunkelziffer beträgt das 9-fache (!), dann haben wir 1.330.000 Genesene, also ca. 1,6 % der Bevölkerung. Für ein statistische Signifikanz sollte damit ein Testsample mindestens 2000 Personen betragen, mit folgenden Nachteilen: die Messung hat nur zu einem Zeitpunkt stattgefunden, der statistische Fehler ist immer noch sehr hoch, die Aussagen gelten dann bundesweit und können nicht ohne weiteres auf Länderebene übertragen werden (für eventuelle Massnahmen), die Fehlerquote der Nachtestung ist noch garnicht berücksichtigt, eine 9-fache Dunkelziffer ist wahrscheinlich viel zu hoch. Alleine aus den hier angeführten Nachteilen lässt sich der wissenschaftliche Nutzen schon gut bezweifeln, und dabei ist noch unbeachtet, dass daraus kein medizinischer Nutzen gezogen werden kann, sondern nur wirtschaftliche oder politische Interessen oder schlicht Neugierde bedient werden.

  39. @ Anderer Max:

    Mir fällt einfach auf, dass Sie häufig von Leuten sprechen, die sich angeblich als Opfer sehen, ohne dass dies in allen Fällen (für mich jedenfalls) offensichtlich wäre. Kann es nicht sein, dass Sie da manchmal womöglich was unterstellen?
    Das, dass Sie sich vielleicht als Opfer von sich selbst (angeblich) als Opfer sehenden Leuten sehen, war dann eine rhetorische Zuspitzung.

    Zudem ist das (vermeintliche) Sich-als-Opfer-Fühlen im Hinblick auf die jeweilige Sach-Diskussion auch nicht unbedingt immer sehr relevant. Denn wenn jemand eine bestimmte Kritik in der Sache äußert, ist es für die Stichhaltigkeit der Kritik und der Argumente ja eigentlich ziemlich egal, ob die betreffende Person sich nun auch noch als Opfer fühlt oder nicht.

    @ GASTBEITRAG:

    Die Testkapazitäten liegen laut Statistica in Kalenderwoche 17 bei ca. 142.000. Es kommt hinzu, dass derzeit ja offensichtlich etwa die Hälfte der Testkapazitäten nicht genutzt wird (letzter Stand, der mir bekannt ist). Da könnte man vermutlich sehr bequem alle Woche 10.000 Tests durchführen. Und selbst, wenn das Ergebnis nicht repräsentativ ist, dann hätten wir immerhin einen gewissen Anhaltspunkt. Besser als Entscheidungen auf Zahlen zu stützen, die sehr wahrscheinlich gar nichts hergeben.

    @ Andreas Müller:

    Streeck et al. schreiben ja selbst, dass das ihre Schätzung „may be an estimate at the upper limit of the real IFR [infection fatality rate] in Gangelt“.
    Eine dänische Studie anhand von Blutproben kam zu einer Schätzung von 1.6 Promille Fallsterblichkeit. Wenn man annimmt, dass die Durchseuchung unter jungen Menschen (die häufiger Blutspender sind) höher war (was so wohl auch vermutet wird) und berücksichtigt, dass zumindest ein Teil der Verstorbenen ohnehin sehr bald gestorben wäre (was die Daten zu verstorbenen Covid-19-Patienten nahelegen), dann könnte der Anteil noch geringer sein. Ebenfalls zu einem geringeren Anteil zwischen 0.12 und 0.2 kommt eine Seroprävalenz-Studien aus den USA, wobei diese allerdings noch umstritten sind, was sich allerdings ändern könnte, sobald nähere Beschreibungen vorliegen werden (was noch nicht der Fall ist).
    Der erfahrene Epidemiologe Ulrich Keil (siehe Link in einem der früheren Kommentare hier) schätzt auf Grundlage der Heinsberg und der amerikanischen Studie, dass die Mortalität am Ende bei ca. 0.1 liegen wird – wobei ich nicht beurteilen kann, worauf seine Abschätzung genau beruht und wie überzeugend sie ist.

    Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie von Streeck et al. ist, dass viele Leute, die mit einem Infizierten unter einem Dach leben, sich nicht anzustecken scheinen:

    „Given the high contagiousness of SARS-CoV-2, one would expect high rates of transmission. However, in our study we found a relatively moderate increase of the secondary infection risk which depended on the household cluster size (increase from 15.5% baseline risk by 28% for two people, 20% for three people, 3% for four people). This finding is consistent with recent observations of secondary infection risk of 16.3% in Chinese and 7.56% in South Korea. The reason for the comparably low secondary infection risk despite the high rate of transmission is currently unknown, but it is seen with other respiratory infections such as influenza (H1N1) 14.5% or SARS 14.9%. Secondary household members may have acquired a level of immunity (e.g.T cell immunity) that is not detected as positive by our ELISA, but still could protect those household members from a manifest infection.“

    Nach meiner Berechnung anhand der genauen Anzahl der jeweiligen 2er-, 3er- und 4-er-Haushalte habe ich berechnet, dass sich im Schnitt ca. 18% der Haushaltsmitglieder anstecken sollten. (In einer anderen Diskussion sprach ich von 22 %; da hatte ich mich aber verrechnet, weil ich etwas unberücksichtigt gelassen habe. Ich werde es noch korrigieren.)
    Oder anders formuliert: Viele Leute scheinen sich selbst bei engem Kontakt mit infizierten Personen nicht zu infizieren. Das legt nahe, dass ein hoher Anteil der Bevölkerung wohl relativ immun (oder eben irgendwie „resilient“) sein dürfte, so dass eine Durchseuchung bis zu 60 oder 70% der Bevölkerung als eher unwahrscheinlich anmutet.

    Was immer am Ende die Zahlen im Detail aussehen mögen: Eine angemessene Einordnung zum jetzigen Zeitpunkt würde wohl etwa derjenigen entsprechen, die das „New England Journal of Medicine“, die wohl renommierteste medizinische Fachzeitschrift weltweit, bereits Ende März in einem „Editorial“ geäußert hatte:

    „… This suggests that the overall clinical consequences of Covid-19 may ultimately be more akin to those of a severe seasonal influenza (which has a case fatality rate of approximately 0.1%) or a pandemic influenza (similar to those in 1957 and 1968) rather than a disease similar to SARS or MERS, which have had case fatality rates of 9 to 10% and 36%, respectively.“

    Angesichts der Befürchtungen sicherlich eine eher positive Perspektive.

  40. @ LLL #43
    „Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie von Streeck et al. ist, dass viele Leute, die mit einem Infizierten unter einem Dach leben, sich nicht anzustecken scheinen“
    Dieser Punkt ist mir auch besonders aufgefallen, weil er zur einzigen ernsten Corona-Erkrankung in meinem persönlichen Umfeld passt: eine Lehrerin ist nach den Faschingsferien krank geworden und lag einige Tage ziemlich darnieder, aber ihre Familienangehörigen wurden negativ getestet, was mich überrascht hat.
    Dieser Einzelfall passt auch zu zwei weiteren Trends, die sich statistisch belegen lassen: Verbreitung durch Skiurlaub und Fasching, deshalb NRW, Baden-Württemberg und Bayern als Schwerpunkte in Deutschland. Höhepunkt bereits in der 1. Märzhälfte.
    Das wiederum hat Sucharit Bhakdi bereits in seinem ersten Video im März behauptet und aus diesem Grund gemeint, dass die Maßnahmen zu spät gekommen seien, um noch viele Infektionen zu verhindern, aber so übertrieben, dass sie größere Schäden als Nebenwirkung verursachen würden.
    Der bedächtig, sachlich und bescheiden, aber selbstbewusst und unbeirrbar auftretende alte Mann ist der mutige Held in der ganzen Geschichte. Ein Einwanderer, der wirklich bereichernd wirkt.

  41. @43: Jeder darf sich als Opfer fühlen und gleichzeitig stichhaltige Argumente bringen, absolut d’accord!

    Einzelfälle, subjektive Eindrücke, Behauptungen und Meinungen sind … Ja genau.

    Gute Ausländer sind meiner Meinung! Der Rest bereichert eh nicht. Und wehe einer behauptet, das sei rassistisch! Dann bin ich wieder Opfer und kann stichhaltige Argumente bringen!

  42. @LLL

    Ihr „Problem“ ist mMn, dass sie generell davon ausgehen, dass die „Mainstream-Medien“ gewisse Meinungen unterdrücken, oder zumindest nicht ausreichend würdigen (was auch immer das genau bedeuten soll).
    Und dafür finden Sie dann natürlich bei jedem Thema „Belege“. Ist aber auch logisch, wenn man sich vermehr auf rubikon, Nachdenkseiten, pi-News oder sonstwo „alternativ informiert“ — denn das ist ja deren Kerngeschäft.
    Sie zitieren dann „Experten“ oder paper, die Sie dort aufgeschnappt haben, und die sie gerne auch in den „Mainstream-Medien“ diskutiert sähen.
    Dieser Blick ist aber komplett einseitig. Es gibt vermutlich bereits weit mehr als 1000 paper über COVID-19. Sie wollen nicht, dass über alle gleichmäßig berichtet würde (denn das wäre absurd), sondern nur über die, die Ihnen in den Kram passen, und die Sie für „plausibel“ halten (weil sie Ihre Meinung stärken).
    Und wenn ein Argument widerlegt wurde, kommen Sie mit einem ganz anderen, was auch gegen „den Mainstream“ ist, aber nix mit dem Ursprungsargument zu tun hatte. Das ist das typische Verhalten von VTlern. Erst „Die Klimawissenschaften beachten den Effekt der Wolken gar nicht“ und wenn man das widerlegt hat „Jaha, aber die kosmische Strahlung ist die eigentliche Ursache!“ usw. usw. Die Argumente haben keinerlei Sinnzusammenhang, aber Hauptsache „gegen den Mainstream“.
    Das mag bei politischen Themen noch halbwegs Sinn ergeben (lieber Steuern rauf oder runter), bei wissenschaftlichen Themen ist es aber vollkommen unsinnig. Es ist nicht die Aufgabe der Tagesschau zu erklären, wie virologische oder klimatechnische Modelle funktionieren und welche Randbedingungen dafür gelten. Wenn Sie das interessiert, lesen Sie halt die paper dazu….

    Und generell scheinen Sie davon auszugehen, dass die beim RKI/der WHO/sonstwo zu „blöd“ sind, um diese einfachen Zusammenhänge, die Sie hier nachrechnen wollen, selber herauszufinden. Sie stellen damit das ganze Institut als unfähig hin. Kann man natürlich machen…

    Und ein Argument wird nicht deshalb besser, nur weil es irgendein „Ulrich Keil“ äußert, der vorher irgendein wichtiges Tier war. Das Argument, dass COVID-19 im Sommer von alleine weggeht, war schon mehrfach Thema und ist immer noch falsch: https://www.covid-19facts.com/?p=83865
    Egal wie oft noch irgendjemand anders dieses Argument äußert.

    Und die Hainsberg-Studie wird deswegen angezweifelt, weil die Tests dort angeblich auch auf andere Virenerkrankungen sensitiv reagieren — und nicht nur auf COVID-19. Ob das stimmt: Keine Ahnung. Die haben Sie aber genauso wenig. Sie können natürlich gerne weiterhin diese Studie als Argumentationshilfe nehmen und für sich da Schlussfolgerungen ziehen — es hilft nur niemandem.

    Der Unterschied zwischen Ihnen und mir ist: Ich habe sehr hohes Vertrauen in unser wissenschaftliches System — Sie offenbar nicht.
    Da bringt es aber auch nichts, sich hier im Kommentarstrang irgendwelche Studien um die Ohren zu hauen, die eh keiner von uns richtig versteht.

    @Symboltroll:

    „ICHBINICH, sie finden tatsächlich dass die „Qualitätsmedien“ derzeit einen guten Job machen?“

    Ja. Ich habe sogar das Gefühl, dass tendenziell (zumindest bei Talkrunden) vermehrt „Kritiker“ eingeladen werden (z.B. Augstein u.Ä.) damit es „spannend „wird. Ein ähnliches Phänomen sieht man ja bei den Klimawissenschaftsleugnern. Die sind auch immer wieder eingeladen obwohl sie keinerlei Relevanz in der Wissenschaft besitzen.

    Zum Rest, den Sie schreiben: Keine Ahnung was Sie da von mir wollen.

  43. vor allem: Was ja noch dazu kommt: Warum sollte das RKI/die WHO etc. mit Absicht Zahlen nutzen, die die Pandemie als schlimmer darstellen, als sie wirklich ist?
    Aus Geltungssucht? Oder um mal der ganzen Welt eins auszuwischen? Oder warum?
    So funktioniert Wissenschaft schlicht nicht.

  44. @Ichbinich
    Ich will ehrlich sein, mich nerven LLLs Beiträge sehr.
    Aus Gründen.
    Und ich glaube auch, dass er(?) auf nem falschen Dampfer ist.

    Aber, Nein, er/sie ist nicht auf „falschen“ Seiten wie PI-News etc unterwegs.
    Da steckt echte, kritische, interessierte Neugierde und Spannung dahinter, was denn nun wirklich richtig ist.
    So sehr ich Mycroft Dankbar darum bin, LLL inhaltlich Kontra zu geben, so sehr ich LLL dogmatisch finde, er/sie ist definitiv nicht ein Mensch der Art, die mensch als unreflecktiert oder möchtegern-Kritisch einstufen kann oder sollte.
    Eher im Gegenteil.
    Zu sehr darum bedacht, alle (vernünftigen) Positionen als berechtigt wahr zu nehmen, um dann nicht selbst eindeutig(!) Stellung zu beziehen.
    Kann man berechtigt als Tugend sehen, mich nervt/ärgert es.

    @Stefan Niggemeier und Boris Rosenkranz
    Hab kein Prob damit, wenn das als OT gelöscht wird.

  45. @ ICHBINICH:

    „Ist aber auch logisch, wenn man sich vermehr auf rubikon, Nachdenkseiten, pi-News oder sonstwo ‚alternativ informiert‘ — denn das ist ja deren Kerngeschäft.“

    Auf PI-News bin ich gar nicht, auf Rubikon sporadisch, auf den Nachdenkseiten öfter mal.
    Nur schließen Sie doch bitte nicht (schon wieder) aus der Tatsache, dass ich AUCH alternative Medien konsumiere, dass ich NUR alternative Medien konsumiere. Und Sie sollten mir bitte vielleicht schon genug Intellekt zutrauen, dass ich mir auf der Grundlage unterschiedlicher Quellen ein eigenes Bild machen kann.

    “Dieser Blick ist aber komplett einseitig. Es gibt vermutlich bereits weit mehr als 1000 paper über COVID-19.“

    Mir geht es darum, dass es im Wesentlichen (ich vereinfache stark) zwei große Strömungen gibt, mit vielen Zwischentönen natürlich. Und dass die eine Strömung kaum zu Wort kommt – obwohl sich in ihrem Sinne u.a. der in der wissenschaftl. Literatur meistzitierte Mediziner der Welt und die renommierteste medinzinische Fachzeitschrift der Welt geäußert haben. Und obwohl diese Leute Argumente hervorbringen, die zumindest prima facie plausibel sind.
    Und ich glaube nicht (und zwar aus konkreten Gründen, siehe meinen ersten Kommentar), dass die meisten Medien sich ein fundiertes Urteil erlauben können, wer recht hat und wer nicht. In einer solchen Situation sollten natürlich beide Seiten zu Wort kommen.

    „Sie wollen nicht, dass über alle gleichmäßig berichtet würde (denn das wäre absurd), sondern nur über die, die Ihnen in den Kram passen, und die Sie für ‘plausibel’ halten (weil sie Ihre Meinung stärken).“

    Ich weiß nicht, wie Sie auf die hochgradig absurde Unterstellung kommen, ich würde nun die eine Einseitigkeit gegen eine umgekehrte Einseitigkeit austauschen wollen. Dasselbe haben Sie mir aber schon in früheren Diskussionen unterstellt – und “unterstellt” muss ich hier leider sagen, denn Sie können diese Behauptung nicht belegen (weil sie ja auch falsch ist).

    “Und wenn ein Argument widerlegt wurde, kommen Sie mit einem ganz anderen, was auch gegen ‘den Mainstream’ ist, aber nix mit dem Ursprungsargument zu tun hatte.“

    Ich weiß, dass Sie mir diese Vorhaltung bereits in einer anderen Diskussion gemacht haben; nur haben Sie dort aus meiner Sicht kein einziges meiner Argumente widerlegt. Sie haben sich vielmehr einfach geweigert, rationale Argumente zu akzeptieren. Ich habe meinen Standpunkt nur dennoch auch durch neue Argumente ergänzt. Was Sie dazu bewogen hat, mich mit Klimaleugnern zu vergleichen.

    “Und generell scheinen Sie davon auszugehen, dass die beim RKI/der WHO/sonstwo zu ‘blöd’ sind, um diese einfachen Zusammenhänge, die Sie hier nachrechnen wollen, selber herauszufinden. Sie stellen damit das ganze Institut als unfähig hin. Kann man natürlich machen… “

    Dieselbe Kritik, die ich aufgebracht habe, wurde nicht nur von renommierten Wissenschaftlern gebracht (und inzwischen zum Teil sogar von den medien aufgenommen); sie ist vor allem evident. Ich finde es deprimierend, dass Sie auf meine konkrete Kritik mit keinem Wort inhaltlich eingehen, sondern diese unsachlich mithilfe eines reinen Autoritätsarguments abschmettern.

    “Das Argument, dass COVID-19 im Sommer von alleine weggeht, war schon mehrfach Thema und ist immer noch falsch: […]
    Egal wie oft noch irgendjemand anders dieses Argument äußert. “

    Sehen Sie, Keil hat gar nicht mit den Temperaturen argumentiert, und Sie führen nun eine Argumentation, die sich gegen das Temperaturen-Argument wendet, gegen ihn an. So schmettern Sie inhaltliche Argumente ab.

    “Und die Hainsberg-Studie wird deswegen angezweifelt, weil die Tests dort angeblich auch auf andere Virenerkrankungen sensitiv reagieren — und nicht nur auf COVID-19.“

    Das wird von den Kritikern den Tests aber generell nachgesagt. Abgesehen davon hält ja auch Drosten diese Studie inzwischen für sehr solide. Aber Zweifel sind ja in Ordnung, im Gegenteil finde ich eine vernünftige kritische Diskussion gut.

    “Sie können natürlich gerne weiterhin diese Studie als Argumentationshilfe nehmen und für sich da Schlussfolgerungen ziehen — es hilft nur niemandem.“

    Vielleicht möchten Sie einfach mal ansehen, WIE ich die Studie als Argumentationshilfe benutze. Als eine plausible Untersuchung, die zusammen mit anderen Untersuchungen in eine bestimmte Richtung weist und daher die Basis für begründete Vermutungen ist? Oder als eine Art “Bibel”?

    Und wenn Sie etwas gegen voreilige Schlüsse haben, dann vergleichen Sie meine Argumentation doch bitte beispielsweise damit, wie ARD und ZDF vollkommen unverstandene Zahlen benutzt haben, um auf diese Basis völlig unbegründete Schlüsse zu ziehen (seihe mein erster Kommentar).

    Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber Ihre Art der Analyse scheint mir etwas unterkomplex zu sein:

    – Auf eine Argumentation in der Sache wollen Sie sich leider gar nicht erst einlassen, nicht einmal in den Fällen, in denen tatsächlich der gesunde Menschenverstand reicht (zum Beispiel, wenn es um die Frage stark zunehmender Testungen geht). Stattdessen appellieren Sie an Autoritäten.

    – Sie unterstellen mir, wie ein Klimaleugner zu argumentieren. Warum? Weil ich im Rahmen einer sehr ausführlichen Diskussion mehrere Argumente im Lauf der Debatte für meine Position anbringe. Das würden die Klimaleugner auch tun!

    – Sie “widerlegen” im Fall von Keil ein Argument, das Keil sich gar nie zueigen gemacht hat. Und zwar vermutlich, weil Sie kurzschlüssig meinen, dass er bei seiner Behauptung wohl auch einer bestimmten Argumentation folgen müsse.

    – Sprache: Die New York Times berichtet, dass ein Politiker seine Rolle bei einer bestimmten Aktion verteidigt hat. Sie sagen nein, er habe gar nicht eingestanden, eine Rolle gespielt zu haben. Nichts kann Sie überzeugen. Warum nicht? Weil die ein oder zwei Sätze aus dem Statement des Politikers, die die New York Times wörtlich zitiert hat, nur eine Rechtfertigung der Aktion, aber kein explizites Eingeständnis der eigenen Rolle beinhalten!

    – Oder nehmen Sie unsere Diskussion zu Douma: Was die OPCW sagt, stimmt. Inzwischen wissen wir – u.a. dank umfassender Wikileaks-Dokumente -, dass der veröffentlichte Bericht der OPCW praktisch das exakte Gegenteil des ursprünglichen Berichts beinhaltet. Während er Original-Bericht von den Leuten gemacht wurde, die vor Ort waren, war von denjenigen, die den zensierten Bericht erstellten, nur eine Person vor Ort. Ebenfalls wissen wir, dass befragte Toxikologen unisono zum Schluss kamen, dass die Video-Aufnehmen nicht mit einer Vergiftung mit Chlorgas übereinstimmt. Und einiges mehr wissen wir auch. Die OPCW hat die entsprechenden Whistleblower angegriffen, diese haben aber detailliert geantwortet. Inzwischen fordert selbst der Gründungs-Direktor der OPCW eine Untersuchung – in den Mainstream-Medien allerdings weiß man davon fast nichts. Und soll man auch nicht wissen, da Sie ein extrem starkes Vertrauen in Institutionen haben.

    – Sie wollen – das haben Sie im Prinzip selbst so gesagt – meine sehr harte und sehr grundsätzliche Kritik an den Medien nicht stehenlassen. Gleichzeitig (!) weigern Sie aber, was Sie auch zugeben, sich mit wesentlichen Grundlagen bzw. Belegen meiner Kritik auseinanderzusetzen.

    – Usw.

    “Der Unterschied zwischen Ihnen und mir ist: Ich habe sehr hohes Vertrauen in unser wissenschaftliches System — Sie offenbar nicht. “

    Oder das, was Sie dafür halten. Nämlich den gerade in den Medien dominanten Teil der Wissenschaft.
    Und das ist aus meiner Sicht eines der Problem. Es ist vollkommen offensichtlich, dass Sie niemals wissenschaftlich gearbeitet haben (egal in welcher Disziplin). Ebenso offensichtlich ist aber auch, dass Sie sich niemals mit wissenschaftstheoretischen, erkenntnistheoretischen, oder methodologischen Fragestellungen beschäftigt haben.
    Das ist kein Manko. Es kann aber vielleicht auch erklären, wieso Ihre Vorstellungen (u.a.) über Wissenschaft – ich meine das nicht böse – manchmal doch etwas naiv anmuten.

  46. Mich nervt das Prinzip „Erschlagen durch Menge“. Sinnvolle Verkürzungen gehören zum Handwerk. Prägnanz, Lesbarkeit, keine Wiederholungen, Zitate sinnvoll kürzen, seinen Standpunkt zusammenfassen (können).

  47. @ Anderer Max:

    Gut und recht. Nur manchmal enthalten meine Beiträge auch eine Vielzahl von Überlegungen. Und wehe, ich kürze was zu sehr ab. Dann wird das sofort missverstanden, oder es kommen Einwände, die eigentlich obsolet sind usw. Auch nicht so einfach. Aber ich bemühe mich.

  48. LLL: „Es ist vollkommen offensichtlich, dass Sie niemals wissenschaftlich gearbeitet haben (egal in welcher Disziplin). Ebenso offensichtlich ist aber auch, dass Sie sich niemals mit wissenschaftstheoretischen, erkenntnistheoretischen, oder methodologischen Fragestellungen beschäftigt haben.
    Das ist kein Manko. Es kann aber vielleicht auch erklären, wieso Ihre Vorstellungen (u.a.) über Wissenschaft – ich meine das nicht böse – manchmal doch etwas naiv anmuten.“

    Führen Sie häufiger Selbstgespräche in Online-Kommentaren? Ihre Herangehensweise hier ist geradezu ein Lehrbuchbeispiel unwissenschaftlicher Argumentation. Sie suchen sich aus einem breiten Spektrum von randständigen fachwissenschaftlichen bis zu offensichtlichen Bullshit-Positionen gezielt die Elemente raus, die zu Ihrer Bias von den unfähigen, interessegeleiteten und/oder verlogenen Wissenschaftler*innen, Institutionen und Medien passt und irgendwie bestätigt, dass das mit diesem Corona schon alles nicht so schlimm ist. Was nicht in dieses Bild passt, ob innere Argumentationswidersprüche oder widersprechende Daten, wird einfach ignoriert.

    Nur ein Beispiel, gleich Ihre erste „kritische Frage“:
    >>Und vielleicht sollten die Medien mal aufhören ständig zu suggerieren, dass jeder, der „mit“ Corona stirbt, auch „an“ Corona stirbt?<<
    Tja, ist im Einzelfall schwer zu bestimmen. Aber darum geht's ja nicht, Sie wollen suggerieren, dass die Zahlen der Covid-19-Verstorbenen nicht stimmen. Ist wohl auch häufig so, allerdings in die andere Richtung: Es gibt nun schon diverse Studien zur Übersterblichkeit, die zeigen, dass vor allem in den Hotspots der Pandemie die Zahl der Todesopfer erheblich höher liegt als die Zahl der mit positivem Corona-Test Verstorbenen. Etwa weil auch viele zu Hause versterben und nicht nachträglich getestet werden. So intensiv, wie Sie sich mit dem Thema beschäftigen, dürften Ihnen diese Informationen auch schon mal über den Weg gelaufen sein, aber das passt halt nicht, gell?

    Und auch wenn mir klar ist, dass VT-affine Leute Widersprüche in ihrer Argumentation nie sonderlich stören, wäre es trotzdem langsam mal nett, Sie würden sich entscheiden: Ist der starke Anstieg der SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland nun bloß ein Artefakt der gestiegenen Tests (gewesen), oder ist das Virus so harmlos, dass schon Millionen Deutsche infiziert sind, ohne es zu merken?

    Nach dem, was etwa in der Lombardei passiert ist, dachte ich mir: Das ist jetzt im Gegensatz zum Klimawandel so eindeutig, nahe und schnell, dass es nun niemand leugnen kann. Inzwischen denke ich: Selbst wenn ein Asteroid die Erde verwüsten würde, würden sich immer noch eine Menge struppiger MüLLLers finden, die FAKE! schreien. Oder zumindest "kritische Fragen stellen".

  49. Noch was: Da haben Sie nun schon den „in der wissenschaftl. Literatur meistzitierte[n] Mediziner der Welt und die renommierteste medinzinische Fachzeitschrift der Welt“ auf Ihrer Seite und müssen trotzdem die ausgewiesenen Quacksalber von impf-info zitieren! Wie bedauerlich.

  50. @ Earendil:

    Auf Ihre impertinenten Kommentare werde ich nicht weiter eingehen (bis auf den ersten Punkt); erstens, weil ich mir diesen Tonfall nicht bieten lasse und zweitens, weil Sie die Antworten auf fast alle Behauptungen und Fragen leicht selbst hätten entdecken können, wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, meine Beiträge (zum Teil aus anderen Diskussionen, wo Sie aber auch dabei waren), zu lesen (ich unterstelle mal, dass Sie das notwendige Textverständnis und die notwendige Reflexionsfähigkeit besitzen, um sich den Inhalt anzueignen).
    Ich gehe allerdings auf den obersten Teil Ihres Beitrags noch ein, um beispielhaft aufzuzeigen, wie unsachlich und unangemessen ihre Schmähkritik ist (obwohl das eigentlich eh offenkundig ist). Sie sagen:

    „Sie suchen sich aus einem breiten Spektrum von randständigen fachwissenschaftlichen bis zu offensichtlichen Bullshit-Positionen gezielt die Elemente raus, die zu Ihrer Bias von den unfähigen, interessegeleiteten und/oder verlogenen Wissenschaftler*innen, Institutionen und Medien passt und irgendwie bestätigt, dass das mit diesem Corona schon alles nicht so schlimm ist.“

    – Dass ich einen Bias im Sinne von „interessegeleiteten und/oder verlogenen Wissenschaftler*innen, Institutionen und Medien“ hätte und deshalb mir bestimmte Autoren oder Argumente heraussuchen würde, ist eine böswillige Unterstellung bar jeden Belegs. Tatsächlich halte ich es für möglich, dass sich Mainstream-Effekte vor allem in den Medien manifestieren. Aber natürlich schaue ich mir die verfügbaren Informationen erst einmal an, bevor ich mir im konkreten Fall eine Meinung bilde, ob es Hinweise gibt, ob nun so ein Effekt vorliegen könnte oder nicht. Auch wenn Sie mir es nicht glauben mögen: Nein, ich gehe nicht davon aus, dass alles, was Medien machen, per se verkehrt sein müsste.

    – Wie schon 100.000 mal gesagt geht es mir viel weniger darum, wer recht hat.
    Da traue ich mir derzeit kein starkes Urteil zu – auch wenn ich inzwischen eher vermute, dass die „skeptsiche“ Seite zumindest zu einem Gutteil recht hat. Das habe ich so oft wiederholt, dass es mir zum Hals raushängt. Wenn ich auf „skeptische“ Wissenschaftler hinweise, dann vor allem um zu zeigen, dass es sie auch zur Genüge gibt, dass die Argumente haben, die zumindest prima facie plausibel sind, und dass es problematisch ist, wenn diese Stimmen weitgehend ignoriert oder ansonsten diffamiert werden. Zumal die Medien nicht gerade den Eindruck machen, dass sie selbst sich ein kompetentes Urteil in der Sache leisten können (siehe diese Diskussion).

    – Die Wissenschaftler bzw. Quellen, die ich hier nenne, sind zu einem Großteil renommierte Experten bzw. werden von solchen getragen.
    Zu ihnen gehört der meistzitierte Medizinforscher der Welt ist.
    Und zwei weitere Stanford-Medizin-Professoren.
    Oder John Oxford, der nach der Wikipedia ein „leading expert on influenza, including bird flu and the 1918 Spanish Influenza, and HIV/AIDS“ ist.
    Oder Tom Jefferson, der sich für die Cochrane Collaboration, „die“ Institution für medizinische Qualitässicherung, regelmäßig mit Atemwegserkrankungen befasst.
    Oder mehrere langjährige Leiter von universitären epideiologischen oder virologischen Instituten.
    Oder das New England Journal der Welt, eines der „Big Five“ unter den med. Fachzeitschriften und m.W. in der Tat sogar die angesehenste med. Zeitschrift weltweit. (Auch viele andere Namen könnte man nennen, etwa den Mediziner und Nobelpreisträger Michael Levitt.)

    – Die entsprechenden Publikationen – noch dazu in der absoluten Pauschalität, die Sie sich anmaßen – als „randständig“ bis „offensichtlich Bullshit“ zu bezeichnen, ist infam und disqualifiziert Sie als ernstznehmenden Gesprächspartner.

    – Während Sie mit maßloser Polemik auf jeden (vermeintlichen) Fehler von Leuten mir „skeptischer“ Haltung reagieren, haben Sie den Medien und dem RKI trotz deren eklatanten Versagen (siehe zum Beleg etwa die Kommentare 2 und 15) bis heute jede Polemik erspart. Und das, obwohl die Fehlleistungen der letztgenannten Institutionen tausend mal mehr ins Gewicht fallen.

    All das zeigt Ihre extreme Voreingenommenheit, und dass es keinen Sinn hat, mit Ihnen zu diskutieren. Weshalb ich die Diskussion mit Ihnen hiermit auch einstelle.

  51. Nur eine Anmerkung noch für ev. Mitlesende zum besseren Verständnis. Ich schrieb:

    „Während Sie mit maßloser Polemik auf jeden (vermeintlichen) Fehler von Leuten mir ’skeptischer‘ Haltung reagieren, haben Sie den Medien und dem RKI trotz deren eklatanten Versagen (siehe zum Beleg etwa die Kommentare 2 und 15) bis heute jede Polemik erspart.“

    Das bezieht sich auch auf das Verhalten von Earendil in einer anderen Diskussion, wo er es schon genauso hielt.

  52. @LLL: Schade, hätte zu gern noch erfahren, ob der exponentielle Anstieg der Infektionen gar nicht stattgefunden hat oder noch viel krasser war, so dass wir schon beinahe Herdenimmunität erreicht haben. Aber dann halt noch ein bisschen Polemik (vgl. https://youtu.be/Q9BJLAJLsGU?t=189):

    „ich unterstelle mal, dass Sie das notwendige Textverständnis und die notwendige Reflexionsfähigkeit besitzen, um sich den Inhalt anzueignen“
    Das können Sie mir getrost unterstellen – aber nicht die Geduld, all Ihre ellenlangen, mit zum Teil (!) absurden Quellen gespickten Kommentare, die auf diversen verschlungenen und oft widersprüchlichen Wegen sowieso immer auf das gleiche „alles nicht so schlimm“ hinauslaufen, im Detail zu studieren!

    Und wenn Sie so viele Fachwissenschaftler*innen und Autoritäten – die gleichwohl nicht den wissenschaftlichen Mainstream verkörpern, darum „randständig“ – auf Ihrer Seite haben, wieso zitieren und verlinken Sie dann solche Klappspaten wie Wodarg und Rabe? Wollen Sie partout nicht ernstgenommen werden?

    „Wie schon 100.000 mal gesagt geht es mir viel weniger darum, wer recht hat. Da traue ich mir derzeit kein starkes Urteil zu – auch wenn ich inzwischen eher vermute, dass die „skeptsiche“ Seite zumindest zu einem Gutteil recht hat. Das habe ich so oft wiederholt, dass es mir zum Hals raushängt.“
    Nicht nur Ihnen. Die hinlänglich bekannte Attitüde „ich habe gar keine vorgefertigten Antworten, ich stelle nur kritische Fragen!!!“ hängt mir genauso zum Hals raus. Sie sind da nicht besser als Augstein und Fleischhauer, nur mit weniger Reichweite.

  53. Ich hab grade Lust und nehme mir mal eine von LLLs seriösen Quellen vor, nämlich das Editorial vom NEJM (https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMe2002387 ; siehe #43). Da muss ich mich gleich mal korrigieren – das ist weder bullshit noch randständig. Es bietet halt nur keine Basis für das, was LLL herauslesen möchte. Im Grunde steht dort nur das drin, was zum Zeitpunkt der Veröffentlichung fachwissenschaftlicher Mainstream war. Dieser Zeitpunkt ist allerdings der 28.02. Seither ist halt ein bisschen was passiert und sind ein paar Erkenntnisse hinzugekommen.

    Dennoch steht in dem Text zum Beispiel sowas:
    Community spread in the United States could require a shift from containment to mitigation strategies such as social distancing in order to reduce transmission. Such strategies could include isolating ill persons (including voluntary isolation at home), school closures, and telecommuting where possible.
    Verwundert nicht sehr, wenn man die Namen der Autoren sieht – Anthony Fauci etwa dürfte allgemein bekannt sein, die anderen sind in ähnlichen Positionen. „Offizieller“ geht’s also nicht. Verwunderlich ist allerdings, wie man ausgerechnet hier eine medial unterrepräsentierte Gegenposition erkennen will.

    Aber LLL zitiert natürlich nicht solche Passagen, sondern greift sich lieber diese heraus:
    This suggests that the overall clinical consequences of Covid-19 may ultimately be more akin to those of a severe seasonal influenza (which has a case fatality rate of approximately 0.1%) or a pandemic influenza (similar to those in 1957 and 1968) rather than a disease similar to SARS or MERS, which have had case fatality rates of 9 to 10% and 36%, respectively.
    Wie diese Einschätzung zu den vorgeschlagenen Schulschließungen etc. passt, müsste man die Autoren fragen. Ich würde mal vermuten, dass sie Ihrer damaligen Einschätzung heute nicht mehr zustimmen würden, denn die ist von der Realität überholt – Covid-19 IST definitiv schlimmer als „übliche“ Grippe. Dabei ist die Aussage, dass die Infektionssterblichkeit näher an Influenza als an SARS 1 und MERS liegt, durchaus richtig – nur ist sie eben trotzdem deutlich höher als bei Influenza (und das auch noch ohne Grundimmunität und Impfstoffe).

    Da LLL so gern Privatrechnungen macht, mache ich hier auch mal eine. Seit Ende Februar ist ja wie gesagt ein bisschen was passiert, unter anderem in Italien. Dort sind in der besonders schwer betroffenen Lombardei bislang ca. 15.000 positiv getestete Menschen gestorben. Das sind bei 10 Mio Einwohnern dieser Region 0,15% ALLER Einwohner. Damit hätte man sowas wie eine absolute Untergrenze der Infektionssterblichkeit – mehr Infizierte als Einwohner sind ja schlecht denkbar. Nun mag es ein paar Faktoren geben, die die Sterblichkeit dort erhöhen, wie Altersstruktur und zeitweise Überlastung der Krankenhäuser. Tatsächlich ist die Infektionssterblichkeit aber erheblich höher anzunehmen als diese theoretische Untergrenze:

    – Nach den gängigen Modellen ist bei 60% Infizierten in der Bevölkerung Herdenimmunität erreicht und das Infektionsgeschehen kommt von selbst zum Erliegen. Demnach dürften selbst bei ungebremster und gleichmäßiger Virusverbreitung von 10 Mio Lombarden höchstens 6 Mio infiziert worden sein.
    – Das Infektionsgeschehen war aber offensichtlich nicht gleichmäßig über die ganze Provinz verteilt; neben Hotspots wie Bergamo und Brescia gab es Städte wie Mailand, die in Relation weit weniger Todesfälle hatten.
    – Die 15.000 sind die positiv getesteten Todesfälle. Brechnungen zur Übersterblichkeit (https://bit.ly/2SSTlKu – Telepolis ist doch hier so beliebt…) legen noch wesentlich höhere Zahlen nahe.
    – Schließlich ist bis jetzt unbekannt, wie groß der Grad der Durchseuchung in der Lombardei oder auch in deren Hotspots tatsächlich ist und ob dort tatsächlich schon Herdenimmunität erreicht ist.

    Berücksichtigte man das alles in den Berechnungen (wofür teils mir, teils generell die Datengrundlagen fehlen), würde man vermutlich auf Infektionssterblichkeiten kommen, die im üblicherweise geschätzten Bereich von 0,4 bis 0,9 liegen, also deutlich über der von Influenza.

    Oder, wie LLL es ausgedrückt hat: Angesichts der Befürchtungen sicherlich eine eher positive Perspektive. Hurra!

  54. @MICHA:

    „Da steckt echte, kritische, interessierte Neugierde und Spannung dahinter, was denn nun wirklich richtig ist.“

    Ja, mir ist schon klar, dass LLL nicht (komplett) VTler ist. (Sonst würde ich ihm auch nicht antworten).
    War etwas überspritzt formuliert. Aber die Tendenzen sind für mich schon ähnlich.

    „Zu sehr darum bedacht, alle (vernünftigen) Positionen als berechtigt wahr zu nehmen, um dann nicht selbst eindeutig(!) Stellung zu beziehen.“

    Mein Argument ist ja: Ich halte halt die Positionen (meist) nicht für berechtigt. Bzw. ich finde nicht, dass Zeitungen/Nachrichtensendungen jedes „Argument“ von irgendeiner „kritischen Seite“ berichten müssen.
    Dafür gibt es die Wissenschaft (bzw. meinetwegen tiefergehende Magazine wie Spektrum der Wissenschaft o.Ä.).
    In Zeitungen sollte der Stand der Wissenschaft dargestellt werden. Mehr halte ich nicht für sinnvoll darstellbar.

    @LLL

    „Und Sie sollten mir bitte vielleicht schon genug Intellekt zutrauen, dass ich mir auf der Grundlage unterschiedlicher Quellen ein eigenes Bild machen kann.“

    Das hat nix mit Intellekt zu tun. Es ist schlicht für „Normalsterbliche“ nicht möglich, die ganzen Forschungen zum Klimawandel (oder meinetwegen COVID-19) zu durchschauen.
    Das ist ja genau mein Punkt. Sie lesen auf „kritischen Seiten“ Argumente, die Sie für plausibel halten und wollen, dass diese auch auf „Mainstreamseiten“ publiziert werden.
    Ob die Argumente wirklich stichhaltig und sinnvoll sind, können Sie garnicht prüfen.
    Deswegen „fragen“ Sie ja auch nur…

    „Mir geht es darum, dass es im Wesentlichen (ich vereinfache stark) zwei große Strömungen gibt, mit vielen Zwischentönen natürlich. Und dass die eine Strömung kaum zu Wort kommt – obwohl sich in ihrem Sinne u.a. der in der wissenschaftl. Literatur meistzitierte Mediziner der Welt und die renommierteste medinzinische Fachzeitschrift der Welt geäußert haben.“

    Das müssten Sie erstmal belegen. Sprich: Wie viele paper gibt es von der einen Strömung, wieviele von der anderen? Und was meinen Sie mit „kommt kaum zu Wort“?

    „In einer solchen Situation sollten natürlich beide Seiten zu Wort kommen.“

    Nein. Es sollte die Seite zu Wort kommen, die den wissenschaftlichen Konsens darstellt.
    Stellen Sie sich einfach mal vor, von den 1000 paper sind die 2, die Sie zitiert haben eine Mindermeinung. Alle anderen paper sagen, die Ansteckungsgefahr ist viel höher.
    Warum sollten die „Mainstreammedien“ dann diese 2 paper überhaupt beachten?

    „Sehen Sie, Keil hat gar nicht mit den Temperaturen argumentiert, und Sie führen nun eine Argumentation, die sich gegen das Temperaturen-Argument wendet, gegen ihn an. So schmettern Sie inhaltliche Argumente ab.“

    In dem von Ihnen verlinkten Post steht: „Sie (Anm.: Ulrich Keil) halten sich bei Ihrer Prognose, dass das Virus über den Sommer verschwinden wird, an Erfahrungswerte aus der Vergangenheit. “
    Und der Herr bejaht. Ein anderes Argument als das in meinem Link widerlegte, sehe ich da nicht.

    „Das wird von den Kritikern den Tests aber generell nachgesagt. Abgesehen davon hält ja auch Drosten diese Studie inzwischen für sehr solide. Aber Zweifel sind ja in Ordnung, im Gegenteil finde ich eine vernünftige kritische Diskussion gut.“

    Ja. Und diese Diskussion gibt es. In den entsprechenden Fachkreisen. In der Presse hat sie nix zu suchen weil sie da eh keiner versteht.

    „Und das ist aus meiner Sicht eines der Problem. Es ist vollkommen offensichtlich, dass Sie niemals wissenschaftlich gearbeitet haben (egal in welcher Disziplin).“

    Da liegen Sie komplett falsch. Ich arbeite immer noch in der Wissenschaft und weiß daher sehr gut, wie das hier läuft.

    „Da traue ich mir derzeit kein starkes Urteil zu – auch wenn ich inzwischen eher vermute, dass die „skeptsiche“ Seite zumindest zu einem Gutteil recht hat.“

    Welche skeptische Seite denn? Ist ja nicht so, dass es da nur eine gäbe (wie beim Klimawandel, da gibt es von „den gibts nicht in echt“ über „die Sonne ist Schuld“ bis „irgendwas mit kosmischer Strahlung“ ja auch alles mögliche, was sich gegenseitig widerspricht ). Wie EARENDIL auch schon geschrieben hat widersprechen sich da die Quellen, die sie verlinken, ebenfalls selbst. Da müssten Sie sich für eine Seite entscheiden.

  55. „Mein Argument ist ja: Ich halte halt die Positionen (meist) nicht für berechtigt. Bzw. ich finde nicht, dass Zeitungen/Nachrichtensendungen jedes „Argument“ von irgendeiner „kritischen Seite“ berichten müssen.“

    Eben. „Gleichberechtigung“ der Argumente vorzutäuschen bzw. in Opferrolle darauf zu pochen, dass es so sein müsse, ist einer der Verkaufstricks. Es gibt Fakten. Es gibt Wissenschaft. Erkenntnistheorie. Dinge die falsch sind, sind auch morgen noch falsch und werden nicht richtig, weil 2 mehr Leute jetzt daran glauben. Und die sind keine Opfer wenn man ihnen sagt: „Deine Position ist durch keine Fakten gedeckt und daher nicht mehr Wert, als der Glaube an fliegende rosa Elefanten.“. Das ist gekränkte Eitelkeit, nicht mehr, nicht weniger.
    Das dann noch als „Kritik“ oder „kritische Seite“ zu bezeichnen, ist blanker Hohn! Es ist das Gegenteil von Kritik!

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