Sprache in der Corona-Krise

Wer „sozial schwach“ sagt, betreibt „social degrading“

Eigentlich sollten inzwischen alle irgendwann mal gehört und kapiert haben, was das Attribut „sozial schwach“ ist, nämlich unkonkret und, vor allem: herabwürdigend. Es unterstellt Menschen ein Defizit, das sie nicht haben. Denn woran es Kindern oder Familien, die als „sozial schwach“ bezeichnet werden, tatsächlich fehlt, sind nicht soziale Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft oder Empathie, sondern Geld und Aufstiegschancen.

Deshalb haben schon öfter Menschen auf die Problematik dieser Redewendung hingewiesen. Warum also jetzt noch mal? Weil der Begriff im Kontext der Corona-Pandemie wieder häufig auftaucht in Medien.

„Sozial schwache Familien“ treffe die Krise nochmal härter, sagt beispielsweise die Moderatorin im ZDF-„Morgenmagazin“ im Gespräch mit der Bundesfamilienministerin. „Auch Krankenhäuser, Mieter, Hartz-IV-Anwärter und sozial schwache Familien mit Kindern sollen unterstützt werden“, berichtet BR 24 über die Milliarden-Hilfen, die der Bundestag beschlossen hat. Und der NDR fragt, ob „sozial Schwache“ beim digitalen Lernen Nachteile hätten.

Eine Ungleichheit, die nun noch offensichtlicher wird

Klar, Menschen, die vorher schon nicht viel Geld hatten, sind in dieser Krise besonders benachteiligt. Und erstmal gut, dass das journalistisch aufgegriffen wird. Schließlich geht es unter anderem um Bildungsgerechtigkeit und die Frage, wie Kinder, die in Armut leben und digital schlechter ausgestattet sind als ihre Mitschüler*innen aus reicheren Familien, trotzdem die gleichen Chancen haben können. Eine Ungleichheit, die es schon vor Corona gab – und die nun noch offensichtlicher wird.

Aber sollte man nicht gerade jetzt darüber nachdenken, ob die Beschreibung „sozial schwach“ wirklich angemessen ist? Es sind ja genau die, die oft als „sozial schwach“ bezeichnet werden, die jetzt gebraucht werden. Denen das Prädikat „systemrelevant“ verliehen wird. Menschen, deren Berufe zumindest monetär wenig Wertschätzung erfahren: Pfleger*innen und Arzthelfer*innen etwa, Kassierer*innen, Bäckereiverkäufer*innen, Erntehelfer*innen.

Sie alle werden zu Held*innen erklärt, kurz gesagt also: alle Menschen, bei denen das einzige, was wirklich schwach ist, das Einkommen ist. Sie sind nicht „sozial schwach“, sie zeigen sich – im Gegenteil – in der aktuellen Situation besonders sozial, indem sie ihren Job machen und für andere da sind.

Sicher, Politiker*innen und Behörden geben Formulierungen oft vor, in der Hektik des Redaktionsalltags werden sie dann übernommen. Doch Journalist*innen haben die Aufgabe, solche Begriffe zu hinterfragen. Wenn es um Armut geht, sollte man das auch konkret aussprechen. Wird ein gesellschaftliches Problem umschrieben, wird dessen Bedeutung verwässert und das Problem damit weniger sichtbar.

Sprache bestimmt, wie wir denken

Wer Menschen aus ärmeren Familien oder Stadtvierteln mit einer Bevölkerung, die wenig Einkommen und Vermögen hat, als „sozial schwach“ bezeichnet, betreibt – um mal bei der Begriffswahl der aktuellen Krise zu bleiben – „social degrading“. Er oder sie erniedrigt diese Leute, auch wenn er oder sie das vielleicht gar nicht so meint.

Begriffe, die sich in unserem Wortschatz einnisten, an die wir uns gewöhnen, bestimmen, wie wir denken. Oder wie es der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch im Interview mit Deutschlandfunk Kultur sagt:

„In jeder Versprachlichung eines Themas steckt eine bestimmte Perspektive.“

Dabei bezog er sich allerdings nicht auf die Wortwahl „sozial schwach“, sondern auf den derzeit noch häufiger zu hörenden Anglizismus „social distancing“, den auch der Schriftstellerverband PEN und andere kritisieren. Sie rufen dazu auf, von physischem oder körperlichem Abstand anstatt von „sozialer Distanz“ zu sprechen. Denn in der sozialen Distanz schwingt auch die soziale Abschottung mit. Dabei ist gerade das Gegenteil gefragt: Solidarität.

Nennen wir die Dinge also beim Namen. Sonst übersieht man, was wirklich sozial schwach ist: Mundschutzmasken günstig einkaufen und teuer weiterverticken, zum Beispiel; die letzten drei Packungen Klopapier im Supermarkt allesamt in den eigenen Wagen legen; oder ältere Menschen – haha, lustig – anhusten. Das ist tatsächlich sozial schwach.

24 Kommentare

  1. Das Wort „arm“ wollen einige nicht wirklich akzeptieren. Manche wollen nicht als arm bezeichnet werden, obwohl sie es finanziell sind. Wenn ich mich als arm bezeichnet habe, kamen von reicheren Personen so Sprüche wie: „Du bist nicht an, du bist reich… an Sonnenschein und Liebe.“ Manche Leute reden sich oder anderen alles schön. Das tut manchmal weh.

    Vielleicht ist „finanziell schwach“ oder „wirtschaftlich schwach“ mehr akzeptiert, weil es mehr nach Fachsprache klingt als einfach nur arm?

  2. Wie ist denn Ihr Vorschlag, um die Personen und Familien, die bedürftiger sind, arm sind, sozial schwach sind, zu bezeichnen? Ich find den Gedanken grundsätzlich interessant, aber mir fehlt ein Vorschlag für eine Sprachregelung.

  3. @Hilmar Bieling und Marie:
    Danke für Ihr Interesse an diesem Text und fürs Mitdiskutieren. Ich habe keine „Liste“ mit besseren Alternativen bzw. Vorschlägen in den Text geschrieben, weil ich glaube, dass es auch immer vom Kontext abhängt und es keine Standard-Lösung gibt. Der Text nennt ja trotzdem ein paar Möglichkeiten. Siehe oben: „Menschen mit wenig Geld“, „geringem Einkommen/Vermögen“, „Kinder, die in Armut leben“. Und ich bin der Ansicht, man kann auch das Wort „arm“ verwenden, wenn es um Armut geht. Man kann aber auch, wie Sie, Marie, „wirtschaftlich oder finanziell schwach“ sagen, denke ich. Wenn Ihnen noch andere Begriffe einfallen, bin ich offen für Ihre Vorschläge.

  4. Astreines Hasswortkolumnenmaterial.

    Diese Menschen können auch als einkommensschwach, arm, Arbeiterklasse, Präkariat, vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen bezeichnet werden.

  5. Wenn man es tatsächlich genau nimmt, bedeutet „sozial“ im Grunde nur „die Gesellschaft betreffend“.
    Empathie oder Hilfsbereitschaft sind individuelle Tugenden, aber keine „sozialen Eigenschaften“, wie die Autorin behauptet.
    Ich finde es etwas peinlich, Wortglauberei zu betreiben und sich dann nicht einmal mit der Grundbedeutung des kritisierten Begriffes auseinanderzusetzen, sondern nur mit einer umgangssprachlichen Nebenbedeutung (sozial = lieb).
    So gesehen, passt „sozial schwach“ durchaus, da es bedeutet „in dieser Gesellschaft schwach“.
    Das betrifft nicht nur Geld, sondern auch Dinge wie Bildung oder kulturelles Kapital.
    Beispiel: Ein Musikstudent mag wenig Geld haben, sozial schwach ist er deshalb trotzdem nicht unbedingt.

  6. Vor allem, weil man sich als armer Mensch rein gar nichts davon kaufen kann, wenn man nicht als „arm“ bezeichnet wird.
    Die „systemrelevanten“ Menschen sind allerdings gerade nicht die, die wirtschaftlich am meisten benachteiligt werden. Krankenschwestern, LKW-Fahrer, Bäckereifachverkäuferinnen und Müllmänner dürfen(m/w/d) ja weiterhin arbeiten. Kellner und Frisörinnen hingegen(m/w/d) nicht.
    Alle genannten Gruppen haben es trotzdem nicht verdient, mit euphemistisch _gemeinten_ BS-Bingo-Begriffen bezeichnet zu werden.

  7. „Sicher, Politiker*innen und Behörden geben Formulierungen oft vor, in der Hektik des Redaktionsalltags werden sie dann übernommen.“

    Genau das hat mit Journalismus nichts zu tun, ist nichts weiter als Nachplapperei, etwas, das die meisten Medien schon lange und gründlich betreiben.

  8. Eine feine Überschrift:
    „Sprache bestimmt, wie wir denken“. Dem stimme ich zu.
    Wie ist es aber mit “ Denken bestimmt, wie wir sprechen“? Denkt man nicht erst bevor man spricht? Die Forschung hat bestimmt Antworten auf darauf.
    Neben den „sozial Schwachen“ gibt es dann noch die beliebten Begriffe wie Unterschicht, Oberschicht und Eliten – die letzteren geniessen dann wiederum eine maßlose Überhöhung des Ansehens durch Status, Macht und monetäre Ausstattung, weniger durch andere Qualitäten.

  9. Ich habe bei „sozial schwach“ noch nie daran gedacht, dass sie im sozialen Umgang „schwach“ sind, sondern so wie es in dem obigen Kontext gemeint ist, „finanziell“ schwach. Und mir ist vollkommen klar, dasd mit „social distancing“ natürlich nicht gemeint ist, dass man sich im sozialen Umgang voneinander distanzieren soll, sondern köperlich voneinander. Das sollte doch jeder verstanden haben, alles andere wäre doch auch unlogisch (auch wenn mir die Ungenauigkeit dieses Begriffs natürlich aufgefallen ist).
    Für mich persönlich sind solche sprachwissenschaftlichen Artikel daher leider überhaupt nicht nachvollziehbar. Sprache ist in wenigen Fällen wirklich exakt, aber wenn beim Empfänger das ankommt, was der Absender meint – wo ist das Problem?

  10. @Peter Maier
    Beim Empfänger kommt doch an, was ankommen soll. Der Betrachtete ist halt nicht einfach arm, sondern sozial schwach, trägt also, wie man es dreht und wendet, am Ende an seiner Situation Mitschuld.

  11. Ich finde den Begriff „wirtschaftlich Abgehängte“ sehr treffend, denn er beschreibt sehr treffend das was diesen Menschen wiederfanden ist. Im Rennen um die besten bzw. die wirtschaftlichsten Arbeitsplätze wurden sie schlicht und ergreifend abgehängt von denen, die der/die neoliberale Kapitalist*in als die „Tüchtigeren“ bezeichnen würde. Dies liegt leider direkt in unserem Wirtschaftssystem begründet, da der Markt keinen Wohlstand für alle erzeugt, sondern Gewinner und Verlierer. Und wenn man dann noch die Privilegien bestimmter Personengruppen unserer Gesellschaft in die Betrachtung einbezieht, merkt man erstmal richtig, wie unsozial und unfair unser System wirklich ist.

  12. „Sozial stärkungsbedürftig“ nee „bedürftig“ ist nicht gut!
    „sozial unterstützungswürdig“ ist schon besser…
    kommt Würde drin vor!
    Und ganz schlimm „sozial herausgefordert“,würg Aber vllt so eine Ummünzung wie bei den sogennnten SEKs wo sich die Sprachreglung von Sondereinsatzkräften zu Spezialeinstzkräften bewegte…Spezialgeldempfänger…speziell wenn die Bedürftigen nur noch bargeldlos bezahlen dürfen/müssen….
    Weil sprachliche Änderungen immer auch in Verbindung zu physischen Veränderungen stattfinden,von der beabsichtigten und der tatsächlichen Veränderung mal abgesehen.

  13. „Ich finde es etwas peinlich, Wortglauberei zu betreiben und sich dann nicht einmal mit der Grundbedeutung des kritisierten Begriffes auseinanderzusetzen, sondern nur mit einer umgangssprachlichen Nebenbedeutung (sozial = lieb).“

    Es ist keineswegs eindeutig, welche Botschaft der Begriff bei den Lesenden bewirkt. Ihrer Auslegung („die Gesellschaft betreffend“) steht die moralisch abwertende Rezeption von Begriffen wie „asozial“ entgegen.

    Aufgrund dieser Unschärfe, der fehlenden Eindeutig und dem Umstand, dass Ihnen allein nicht die Definitionsmacht darüber obliegt, finde ich es sinnvoll, die von Ihnen als „Wortklauberei“ abgewertete Kritik am Begriff „sozial schwach“ vorzunehmen und über Alternativen nachzudenken.

  14. @Ulrich Becker:
    Nein, das glaube ich nicht. Wir denken in begriffliche Kategorien, weshalb wir Dinge benennen können müssen, um uns über diese komplexere Gedanken machen zu können.
    Der erste Schritt liegt daher klar in der Sprache. Aber natürlich finden die Ergebnisse unserer Gedanken ihren Ausdruck auch in – unter Umständen – dadurch veränderter Sprache. Und insofern haben wir es natürlich ab dem zweiten Schritt mit einem zirkulären Prozess zu tun.

  15. @#6: „wie die Autorin behauptet.
    Ich finde es etwas peinlich, Wortglauberei zu betreiben und sich dann nicht einmal mit der Grundbedeutung des kritisierten Begriffes auseinanderzusetzen, “

    Warum gleich so ein aggressiver Grundton? Wenn Sie etwas an dem Artikel irritierend finden, steht doch nichts im Wege, zu fragen, ob man das richtig verstanden hat. Mich irritiert, dass Sie sich daran stören, dass „die Autorin“ (die auch einen Namen hat, aber das würde ja ihren Gegenstand der Kritik allzu vermenschlichen, oder?) den Begriff nicht verwendet, wie er vor 2000 Jahren gemeint war. Oder denken Sie doch eher an aktuelle Wortbedeutungen, so etwa „Es gibt verschiedene Arten der sozialen Beziehung. Darunter zählen beispielsweise Bekanntschaften, Paarbeziehungen, Freundschaften oder Verwandtschaften.“ oder auch „In der Umgangssprache bedeutet „sozial“ den Bezug einer Person auf eine oder mehrere andere Personen; dies schließt die Fähigkeit (zumeist) einer Person, sich für andere zu interessieren und sich einzufühlen mit ein. Aber es bedeutet auch, anderen zu helfen und eigene Interessen zurückzustellen.“ in Wikipedia.

  16. Gibt es eigentlich Leute,die immer alles missverstehn wollen/können?
    Kann ich nicht verstehn! ;-)

  17. Ich denke auch, dass Sprachkritik soweit wie möglich konstruktiv sein sollte. Mir fallen ad hoc wenig gute Alternativen zu sozial schwach ein. Sozial benachteiligt passiviert die betroffenen Personen und impliziert eine Verantwortung der Gesellschaft – gut vertretbar, aber eine Nuance, die nicht immer aufgenommen werden will. „Arm“, „prekär“ mögen es besser treffen, aber tatsächlich kann man „sozial schwach“ nicht nur als Euphemismus, sondern auch als Höflichkeit gegenüber den betroffenen Personen verstehen.

    Dagegen empfinde ich persönlich die Formulierung „sozial schwach“ für die im letzten Absatz genannten Handlungsbeispiele als unpassend – die beschriebenen Verhaltensweisen würde ich mit asozial/arschig (mir fallen leider keine guten Worte dafür ein, daher die problematischen Formulierungen) und potentiell strafbar bezeichnen.

    Ich kann nachvollziehen, wenn der Tonfall der Autorin als aggressiv verstanden wird, auch wenn ich dies nicht so empfinde. Bei Beiträgen über „richtige“ und „falsche“ Sprache und Begrifflichkeiten scheint es oft zu passieren, dass die eigene Sichtweise als objektiv und allgemeingültig angenommen wird. Dabei ist dies mitunter nur im eigenen Umfeld der Fall, welches sich ggf. wesentlich reflektierter und progressiver mit der Relevanz von Begrifflichkeiten auseinandersetzt.

    Ein spannender Beitrag mit einigen interessanten Kommentaren, vielen Dank.

  18. @18:

    „aber tatsächlich kann man „sozial schwach“ nicht nur als Euphemismus, sondern auch als Höflichkeit gegenüber den betroffenen Personen verstehen.“ Wie meinst du das? Glaubst du Menschen mit geringem Einkommen schätzen Worte, die ihre Lage als potentiell weniger schlimm erscheinen lassen?

  19. @Boostkopf
    Ich verstehe nicht, was daran höflich sein soll, wenn man die Chancen zur Verwirklichung und zum Aufstieg in der Gesellschaft an einem persönlichen Merkmal, einer vorgeblichen Schwäche, festmacht anstatt an der Ausstattung, nämlich vorrangig der mit Geld und Seilschaften.

  20. „… Formulierungen oft vor, in der Hektik des Redaktionsalltags werden sie dann übernommen. Doch Journalist*innen haben die Aufgabe, solche Begriffe zu hinterfragen.“

    Gute Idee. Am besten mal bei „social degrading“ anfangen. (What the heck is this?)

  21. @19 Boostkopf
    Danke für die knifflige Frage…

    Also ich denke nicht, dass es „die“ Menschen mit geringem Einkommen gibt. Die Unterschiede sind m. E. ganz erheblich. Auch der Umgang mit der eigenen finanziellen Situation kann sehr unterschiedlich sein. Manche mögen damit offensiv umgehen, andere reden es sich lieber schön, oder denken, dass „arm“ immer die anderen sind. Die einen sehen die Schuld bei „der Gesellschaft“ oder „dem System“, die anderen denken, dass sie es aus eigener Kraft hätten schaffen müssen und fühlen sich schuldig. Letztere Gruppe würde Euphemismen möglicherweise begrüßen, erstere vielleicht eher die klare Benennung. Andere haben zu der Thematik evtl. weder Meinung noch ein Problembewusstsein – naheliegend, wenn man wesentlich drängendere Probleme lösen muss.

    Bei der Formulierung „sozial schwach“ wird ja nicht die formelle inhaltliche Richtigkeit der Formulierung kritisiert, sondern der Subtext der Formulierung. Manche, die „sozial schwach“ sagen, meinen es eventuell gut. Das ist noch relativ einfach zu beurteilen, denn hier sollte die Empfängerperspektive zunächst maßgeblich sein. Dort kann am besten beurteilt werden, ob eine Formulierung verletzend ist.

    Ich halte es aber für problematisch, einfach so einen homogenen Empfänger- bzw. Adressatenkreis anzunehmen. Das ist aber eine Annahme, die oft getroffen wird, ohne sie zu hinterfragen oder jdf. im Artikel zu besprechen. Dabei wäre das wünschenswert, um gerade kritische oder weniger problembewusste Leser mitzunehmen.

  22. (Es fällt mir leider erst jetzt auf, dass sich #20 eigentlich an Björn und nicht an Boostkopf richten sollte.)

  23. @Björn:

    Was man halt einfach nicht gerne so explizit sagt: Unser aktuelles Wirtschaftssystem kann ohne Armut unter normalen Bedingungen nicht wirklich funktionieren. (Die Verlags- und Medienbedrohung durch einen evtl. Mindestlohn für Zeitungsausträger zeigt das im Kleinen schön anschaulich)

    Deshalb ist es eben sehr wichtig, on top of mind immer festzuhalten, dass die existierende Armut individuell selbst verschuldet sei. Zum Beispiel weil das Individuum halt „sozial schwach“ sei. Ich höre da noch/wieder das „Asoziale, arbeitsscheue Element“ heraus, welches im 3. Reich gerne durch Tore geschickt wurde, über denen „Arbeit macht frei“ stand.
    Und die Scham des sozial schwachen Underperformers ist auch eine gute Immunisierung gegen aufmüpfige Asoziale. So was wie die Gelbwesten wollen wir hier doch nicht haben, oder?
    Sonst hätte es doch nicht- wie von allen Mainstream-Medien als TINA dargestelltund propagiert- gelingen können, sogar die Mindestgrundrechte von Arbeitslosen über Jahrzehnte erfolgreich und ungebremst zu verletzen. Und das auch noch als eine der wichtigsten Meisterleistungen der deutschen Wirtschaftspolitik zu feiern.

    Wären das die unvermeidlichen Opfer unseres Wirtschaftssystems, könnten dem einen oder anderen ja Skrupel kommen. So bekommt aber nur jeder sozial Schwache was er verdient.
    Also: „Jedem das Seine“.

    Ist es nicht erstaunlich, wie gut jene Sprüche, die vor allem die nationalliberalen Komplizen der Nazis ansprechen und gegen Mitleid immunisieren sollten, heutigen Vertretern ultrawirtschaftsliberaler Ideologien in FDP und AFD und weit in die Eliten der etablierten Parteien UND Redaktionsstuben über die Zunge gehen?

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