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Für Frauchens Katz

Katze, die im Gras sitzt, hebt die rechte Pfote zum Gruß

„An Tagen wie diesen“ hocken bekanntlich viele Menschen zu Hause. Dort schauen sie in die Röhre, aus dem Fenster, ins Internet oder allzu tief in sich hinein. Und die Allerbesten, die da zurückschauen können, sind natürlich: Katzen. Zumindest behaupten das Katzenfreundinnen und -freunde, derer es so viele gibt, dass ein Magazin wie „Geliebte Katze“ existieren kann, darf und muss.

Für jedes abseitige Steckenpferd beim Sex, jeden vergessenen Feldzug im Zweiten Weltkrieg und jede lukullische Vorliebe am Herd gibt es ein eigenes Magazin. Das gilt auch für Pferde, Fische, Vögel – alle nicht ansatzweise so beliebt beziehungsweise geliebt wie unsere felinen Freunde.

„Crazy cat women“

Besonders verknallt in die Weichpelzträger ist das auf dem Foto im Editorial recht verschmust wirkende „Katzenteam“ um Valérie Augustin („Verantwortliche Redakteurin“), Andrea Pfeifer („Grafik“) und Anne Haubner („Volontariat“), die zusammen mit sieben anderen „crazy cat women“ Monat für Monat mutmaßlich liebevoll eine „Geliebte Katze“ auf die vier Beinchen stellen.

Mitarbeiterinnen der Redaktion sitzen eng auf einer Treppe

So weiblich die Belegschaft, so männlich die Geschäftsführung: Das machen der Harry und der Clemens. Mangelnde Geschlechtergerechtigkeit allerdings ist „Geliebte Katze“ nicht anzukreiden, auch wenn manche Herren sich zu Geschöpfen der Gattung Felis silvestris catus ebenfalls hingezogen fühlen.

Ich selbst, das sei hier offengelegt, lebte in meiner Kindheit lange Seit‘ an Seit’ mit einem fleischfressenden Heimtier. Der Kater hieß Felix und verstand keinen Spaß, war ein echter Haudrauf und Schlagetot (was Mäuse und Siebenschläfer betrifft). Das Tier streunte monatelang durch die Wälder, aus denen es einmal einäugig heimkehrte, vermutlich das Ergebnis einer Begegnung mit einem wilderen Familienmitglied, dem Luchs.

„Europas beliebtestes Katzenmagazin“

Vorliegendes Magazin verfolgt einen weniger abenteuerlichen Ansatz als Felix in seinem ereignisreichen Leben. Hier geht tendenziell um „Stubentiger“ und, über Bande, die mit ihnen zusammenlebenden Frauen. Frauen, jawohl, nun isses raus. „Geliebte Katze“ ist die „Freizeit Revue“ unter den Katzenmagazinen. Anders wird man nicht „Europas beliebtestes Katzenmagazin“.

Katze liegt flach auf dem Rücken.

Das Wichtigste an „Geliebte Katze“ ist die geliebte Katze. Abgelichtet ist sie (unter anderem im Fotowettbewerb: „Das sind unsere Leserkatzen des Monats“) im schlafenden, lauernden, springenden, fressenden, kuschelnden, schnuppernden, dösenden, versteckten, freigestellten, vergrößerten, starrendem und kämpfenden Aggregatszustand. Die Gesichtsausdrücke bleiben freilich immer gleich, wie auch auf dem Titel schon.

Darauf hebt ein Kätzchen mit leerem Killerblick das neckig bekrallte Tätzchen und zischt: „Wenn du, liebe Leserin, nicht gar so groß und die Herrin über mein Dosenfutter wärst, bei Bastet, ich würde dir die Gedärme aus dem Leib reißen und um den Hals hängen wie ein Diadem, miau!“

Kleiner Scherz.

Die Katze begrüßt ausweislich des Hefts natürlich den Frühling: „Hallo, Frühling! So machen Sie Balkon & Garten zur sicheren Oase“. Weitere Themen, wie bei Frauchen auch: die Gesundheit („Erste Hilfe bei Nierenschwäche“), die Ernährung („Wie gesund ist Fisch im Napf“) und das Oberstübchen („Was tun, wenn die Katze kratzt?“).

„Spielerische Aggression gehört grundsätzlich in das normale Verhaltensrepertoire von Katzen, genauso wie die Selbstverteidigung mit Krallen und Zähnen“, heißt es dazu auf Seite 54. Es könne „in manchen Fällen“ sogar „zum Umkippen eines zunächst heiteren, aber zu robusten Spiels in einen echten Kampf kommen“, wovon beispielsweise Singvögel in der Oase des Gartens ein Liedchen trällern könnten.

Spielerisch, mysteriös, undurchschaubar – katzenhaft eben

Auf Seite 10 (jaja, wie gehen spielerisch vor, kreuz und quer, mysteriös und undurchschaubar, katzenhaft eben) überrascht: „Kunst mit Katzen“, unter anderem mit Hinweis auf eine Paul-Klee-Austellung in Ingelheim. „Übrigens: Paul Klee war bekennender Katzenfan“, denn er „wuchs mit Samtpfoten auf“.

Sehr fellige Katze sitzt vor Blütenhintergrund.

Das „Bild des Monats“ zeigt auf den Seiten 6 und 7 eine Katze (starrend), abgelichtet wie ein Baby von Anne Geddes, also weit jenseits der Kitschgrenze. Dazu das groß gesetzte Zitat „Wenn mich dein Schnurren wie tanzende Blütenblätter im Wind umspielt, weiß ich, was Geborgenheit bedeutet“ von Valérie Augustin. Wer mag das sein? Eine Dichterin? Eine Philosophin gar?

Nein, wir erinnern uns, Frau Augustin ist ebenfalls Stubentigerournalistin, verantwortlich für den Test: „Sind Sie der beste Freund Ihrer Katze“, die beste Freundin vielleicht? Herz und eine Seele? Guter Kumpel? Mitbewohner? Man steckt nicht drin, das ist ja gerade der Witz bei der Katze. Vielleicht hat sie aber auch „ein Trauma“? Profi-Tipp auf Seite 60: „Vertrauensbildende Maßnahmen durchführen“ und dem Tier vermitteln, dass es „verstanden wird“.

Mehrere schwarze Katzen sitzen nebeneinander.

In der Rubrik „Tierschutz“ geht es um das Problem „schwarzer Samtpfoten“, das darin besteht, dass sie zwar „mystisch und geheimnisvoll“ aussehen, aber kaum jemals ein Zuhause finden, weil, wie gesagt: schwarz. Warum das so ist („Warum ist das so?“), wird nicht beantwortet. Es ist schlicht: „unglaublich, aber wahr!“

Spätestens ab Seite 70 von 90 geht „Geliebte Katze“ buchstäblich die publizistische Puste aus. In der Rubrik „Regenbogen“, illustriert mit einer hochsymbolischen Brücke nebst einmontiertem Regenbogen, erzählen Leserinnen vom Hinscheiden ihrer Lieblinge. Charlene und Chantal: Herzfehler, Wasser in der Lunge, Versteifung der Wirbelsäule. Lolo: Bauchspeicheldrüsenentzündung, Niereninsuffizienz, Leber.

Der Gipfel: Eis „für vierbeinige Feinschmecker“

Es ist etwas Seltsames um diese leidseligen Nachrufe, eine Aura unheimlicher Leidseligkeit, man weiß es nicht genau. Wenige Seiten darauf dann schon wieder knuffige „Leserfotos“, auf denen Buddy und Oskar und Schrödi noch ganz fit sind. Es folgen Zerstreuungsangebote wie Rätsel, Katzenbilder zum Ausmalen und ein Kreuzworträtsel, das vermutlich nur deshalb im Blatt ist, damit die Katze der Lösung schnurrend im Weg rumliegen kann.

Der geheime Gipfel der Berichterstattung (und womöglich des ganzen Genres) sind die Rezepte. Leckeres Eis „für vierbeinige Feinschmecker“. Darunter „Tropisches Hühnchen-Eis“ (150 Gramm gewolftes Hühnchen, Kokosflocken, Katzenminze, Katzenmilch, Distelöl), „Grün-wie-Gras-Eis“ (150 Gramm gewolftes Seelachsfilet, Feldsalat undsoweiter) und „Lachs-am-Stiel-Eis“ (150 Gramm gewolfter Lachs, rote Beete undsoweiter). Das mag man „ganz nett“ finden, „irgendwie originell“ oder auch schlankweg neurotisch.

Katzenskeptiker wird „Geliebte Katze“ kaum bekehren können, während das Heft selbst für Katzenbefürworter ganz schön dick aufträgt. Die Einsamkeit, die Sehnsucht nach Liebe und der Hang zur Projektion eigener Schrullen auf ein Tier scheinen sehr groß zu sein in unserer Gesellschaft. „Geliebte Katze“ liest sich wie der Hilferuf von Leuten, denen es viel zu gut geht. Genau das Richtige also für „Tage wie diese“ …

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