Böhmermanns Schmähkritik

Ein Nachrichten-Perpetuum-Mobile mit Empörungsantrieb

tsboehm

Sind Sie auch so müde?


Am Freitagabend geschah in der „Aktuellen Stunde“ des WDR-Fernsehens das Ungeheuerliche. Die Moderatoren hatten die Zuschauer mit ernsten Mienen und dem Hinweis begrüßt, es handele sich um einen „denkwürdigen Tag“. Sie hatten berichtetet, dass die Bundesregierung dem Antrag der Türkei stattgebe, ein Verfahren gegen Jan Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes zuzulassen. Dann hatten sie zu ihrer Reporterin Kerstin Dausend nach Berlin geschaltet.

Und die sagte – fast beiläufig – tatsächlich: Die Frage sei ja „keine Schicksalsfrage für die Bundesrepublik“.

Das war, versteckt in einem Nebensatz, die eigentliche Nachricht des Tages. Die Frage, ob die Bundesregierung die im Majestätsbeleidigungs-Paragraph 103 vorgesehene Ermächtigung erteilt, ist keine Schicksalsfrage für die Bundesrepublik.

Man hätte das nach all den Eilmeldungen und Sondersendungen, den aufgeregten Kommentaren, Berichten, Schalten, Einordnungen dieser Tage nicht erahnen können.


Die Frage mag angesichts des Berichterstattungs-Tsunamis der vergangenen zwei Wochen aberwitzig klingen, aber: Kann es sein, dass es bei dieser ganzen „Staatsaffäre“ um das „Schmähgedicht“, das Böhmermann in seinem „Neo Magazin Royale“ vorlas, in Wahrheit um relativ wenig geht? Die Meinungs- und Kunstfreiheit in der Bundesrepublik stehen nicht auf dem Spiel. Die Satirefreiheit im ZDF scheint nicht auf dem Spiel zu stehen. Ich würde vermuten, dass nicht einmal der Flüchtlingsdeal mit der Türkei ernsthaft auf dem Spiel steht.

Woher kommt die unendliche Aufgeregtheit, mit der dieses Thema diskutiert wird? Steht sie noch in irgendeinem Verhältnis zu seiner tatsächlichen Relevanz?

Gehen wir noch einmal kurz an den Ausgangspunkt zurück, die in eine Warnung vor Schmähungen verpackte Schmähung des türkischen Präsidenten. Nach ungefähr 7340 öffentlich formulierten Einschätzungen von Juristen und Laien, Experten und „Experten“, ist mein Eindruck, dass das das Werk juristisch an der Grenze ist. Böhmermann hat – absichtlich oder versehentlich – das Kunststück geschafft, ein Werk genau an der Grenze des Erlaubten zu produzieren. Es ist vielleicht knapp zulässig, vielleicht knapp unzulässig.

Wenn man das so sieht, kann man natürlich immer noch viele Stunden, Tage und Wochen mit juristischen oder linguistischen Diskussionen verbringen; mit der Frage, ob es diesseits oder jenseits der Grenze ist und warum und was daraus folgt. Die Platzierung an der Grenze macht es interessant. Aber sie erklärt nicht die Aufregung, die Radikalität, die Besessenheit, mit der öffentlich seit zwei Wochen darum gestritten und wechselseitig betont wird, es sei ja wohl völlig unbestreitbar klar, dass es sich bei dem Beitrag um Satire / keine Satire handelte und er darum eindeutig erlaubt / verboten sein müsse – als ginge es hier um etwas so Wichtiges wie die Frage, ob der Ball 1966 drin war oder nicht.


Übrigens: Gerade die Tatsache, dass das „Schmähgedicht“ so an der Grenze ist, führt dazu, dass es alle Aufmerksamkeit auf sich zieht und weg von Erdogan. Denn dass der türkische Präsident gegen so etwas Läppisches und eindeutig Zulässiges wie die „extra 3“-Satire vorgeht, zeigt, wie wenig er von Meinungsfreiheit hält. Dass er gegen Böhmermanns „Schmähgedicht“ vorgeht, zeigt das nicht, denn ist ja tatsächlich ein Grenzfall, bei dem nicht klar ist, ob der „Geschmähte“ es nach Ansicht deutscher Gerichte hinnehmen muss.

Warum er es nicht hinnehmen muss, dafür könnte kaum jemand so eindrucksvoll plädieren wie Christian Schertz, den sich Jan Böhmermann absurderweise als seinen Rechtsbeistand ausgesucht hat. Die Ironie dieser Wahl besteht nicht nur darin, dass er sich über Schertz als „Scherz-Anwalt Dr. Christian Witz“ schon häufiger lustig gemacht hatte. Sondern dass er im Umfeld seines „Schmächgedichts“ genau diesen Anwalt Erdogan als Klagevertreter empfohlen hatte – völlig zu recht, denn der prominente Promi-Anwalt steht wie kaum ein zweiter in Deutschland dafür, gegen eine weite Auslegung von Meinungs- und Pressefreiheit zu kämpfen. Nicht nur im Auftrag von klagefreudigen Mandanten, sondern auch in eigener Sache. Er hat unter anderem versucht, gegen einen lästigen kritischen Berichterstatter vorzugehen, indem er ihn zum Stalker erklärte. Ich kann mir niemanden vorstellen, der schlechter geeignet wäre, dafür zu kämpfen, dass man als öffentliche Person gewisse Formen der drastischen Kritik hinnehmen muss, als Christian Schertz.


Auch die Entscheidung des ZDF, den Beitrag aus der Mediathek und den Wiederholungen zu nehmen, weil die Satire nicht den Qualitätsansprüchen des Senders genüge, ist im engeren Sinn des Wortes grenzwertig: Offenbar gab es im Sender unterschiedliche Meinungen dazu. Offenbar hält der Sender die Satire aber nur für misslungen und nicht für rechtlich unzulässig, und will Böhmermann im Rechtsstreit beistehen.

Ich verstehe, dass die Entscheidung der nachträglichen Kürzung problematisch ist – schon aus prinzipiellen Gründen, was die Loyalität des Senders zu seinem Künstler angeht. Aber auch hier geht es nachvollziehbar um eine knifflige Abwägung.


Oder die Not der Bundesregierung, auf der Grundlage dieses unseligen Paragraphen entscheiden zu müssen, ob sie die spezielle Strafverfolgung erlaubt oder nicht. Seit Tagen hatten Kommentatoren betont, in was für einer Zwickmühle die Bundesregierung hier ist, dass die Entscheidung in jedem Fall problematisch ist. Sie konnte nur zwischen zwei Übeln wählen.

Und trotzdem wurde der konkrete Beschluss dann wieder mit einer Leidenschaft und Aufregung kommentiert, als hätte die Kanzlerin mindestens einer Auslieferung Böhmermanns an die Türkei zugestimmt, wenn nicht gleich der Abschaffung der Meinungsfreiheit in Deutschland.

Dass sie ausdrücklich betonte, dass mit dieser Entscheidung keine Vorverurteilung oder Vorab-Entscheidung über die Grenzen der Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit verbunden sei, spielte keine Rolle mehr. Dass sie ausdrücklich bei der Gelegenheit in deutlichen Worten die Missstände in der Türkei anprangert, spielte keine Rolle mehr.

Dabei sind die tatsächlichen, konkreten Folgen dieser Entscheidung wiederum minimal. Erdogan hatte ohnehin schon unter Berufung auf den normalen Beleidigungsparagraphen geklagt – genau darauf weisen ja auch Kritiker Merkels hin: dass ihr Okay gar nicht nötig gewesen wäre. Das heißt umgekehrt aber auch, dass die Bedeutung dieser Entscheidung fast ausschließlich symbolischer Natur ist.


Nun bin ich nicht (sehr) naiv. Ich weiß, dass Symbole in der Politik wichtig sind. Aber sie sind auch exakt so wichtig, wie wir sie nehmen.

Wenn wir eine schon prinzipiell blöde Entscheidung der Bundesregierung zum endgültigen Symbol für ein Appeasement der türkischen Regierung stilisieren wollen oder zum Symbol für ihre Geringschätzung der Kunstfreiheit, dann geben wir dieser Entscheidung die größtmögliche Bedeutung.

Das kann man machen. Aber dann lohnt es sich angesichts der Tatsache, dass seit über einer Woche kaum ein anderes Thema die Titelseiten und Schlagzeilen beherrscht, auch einen Schritt zurückzutreten und zu fragen, worum es hier eigentlich wirklich geht. Was die tatsächlichen Folgen der Entscheidung sind, die hier die Nation in Atem hält. Und ob nicht vielleicht das ein oder andere sonstige Thema auch einen Rest dieser Aufmerksamkeit verdient hätte.


zeit_boehmermann

Inhaltliche Substanz war es jedenfalls eher nicht, die die „Zeit“ dazu veranlasste, aus Böhmermann eine Titelgeschichte zu machen, mühsam zu größerer Scheinrelevanz aufgeblasen durch die Titelfrage, ob „die“ Medien eigentlich „Feind oder Diener der Mächtigen“ sind, und verknüpft mit dem Thema, dass Journalisten (also Leute, die einen anderen Beruf haben als Jan Böhmermann) „selten weltweit so unter Druck standen“.

Die Nachtausgabe der „Rundschau“ im BR-Fernsehen machte am späten Mittwochabend damit auf, dass der Herausgeber der „Bild“-Zeitung am Morgen desselben Tages auf seiner Facebookseite ein gefälschtes Interview mit Böhmermann veröffentlicht hatte – als Meldung hätte man ungefähr formulieren können: „Der ehemalige ‚Bild‘-Chefredakteur hat heute darum gebettelt, einen Teil der übergroßen Aufmerksamkeit für das Thema Böhmermann abzubekommen, und wir tun ihm den Gefallen, weil wir nicht anders können.“

Ich will jetzt gar nicht all die Aufmerksamkeits-Trittbrettfahrer auflisten.

Erinnern Sie sich noch an die kleine Welle, die Erdogans deutscher Anwalt Anfang vergangener Woche auslöste, nur weil er sagte, er wolle notfalls bis in die letzte Instanz gehen? Was hätte er sagen sollen? „Nein, nach dem 0:1 haben wir natürlich aufgehört zu spielen, das wäre ja Quatsch, so ein Fußballspiel bis zum Ende durchzuziehen“?

Bei stern.de sind in der vergangenen Woche 173 Artikel zum Thema Böhmermann veröffentlicht worden. Denn die Leute klicken das ja alles, jede winzigste neue Windung und Wendung. Die Böhmermann-Texte waren oft die meistgelesenen, -kommentierten, -geteilten Texte.

Auf Twitter und Facebook verausgaben sich die Menschen in endlosen, erbitterten Diskussionen – zunächst über die Grenzen der Satire und die Rechtmäßigkeit von in Uneigentlichkeit verpackter Schmähkritik, zuletzt über die angemessene praktische Ausgestaltung der Gewaltenteilung unter besonderer Berücksichtigung eines anachronistischen Gesetzes und der Tatsache, dass es abgeschafft wird.


Und wer gedacht hatte, dass das Perpetuum Mobile nach der Entscheidung der Bundesregierung wenigstens vorübergehend pausieren könnte, hat natürlich die Journalisten unterschätzt, die nicht nur jede kurze Nachrichtenpause durch „So reagiert das Netz auf“-Geschichten füllen, sondern routiniert gleich die nächsten Schritte eingeleitet und Meinungsumfragen in Auftrag gegeben haben. Die ARD fragte in einer „Blitz-Umfrage“ geschickt nicht nur nach dem Urteil über diese Entscheidung, sondern auch nach der allgemeinen Zufriedenheit mit der Arbeit von Merkel. Die ging, was bei einer solchen besonderen Fragen-Kombination nicht überrascht, nach unten. Immerhin versteckte der Sender in der Meldung den Satz: „Nach Ansicht von Infratest dimap könnte es sich hier um eine kurzfristige Meinung handeln.“ Aber warum auf all die Schlagzeilen verzichten, die sich so generieren lassen, auch wenn sie noch so flüchtig sind?

Der Komiker Oliver Kalkofe hat am Wochenende mit einem Video die sonst womöglich abschwellende Diskussion wieder belebt. Darin will er in der Entscheidung der Kanzlerin (die er für unser „Staatsoberhaupt“ hält) nur „vielleicht“ nicht den „Tod der Satirefreiheit“ sehen. Er spricht vom „vielleicht absurdesten Fall Real-Satire der deutschen Geschichte“.

„Vielleicht“ hilft, für ein bisschen Perspektive, ein Blick auf die furchtbare Art, wie der berüchtigte Paragraph 103 vor 50 Jahren gegen Journalisten und Satiriker angewendet wurde. Nicht um eine berechtigte Debatte um den heutigen Fall abzuwürgen. Aber um all die Superlative zu relativieren, die Schnappatmung zu stoppen.

Kann es sein, dass selten ein Thema so erschöpfend behandelt wurde? Könnten bitte alle mal kurz in diese Tüte atmen?


Es läuft seit über zwei Wochen ein Überbietungswettbewerb, nicht nur quantiativ, was den Ausstoß von Nachrichten angeht, sondern auch qualitativ: Gesucht wird der superlativste Superlativ; der Kommentar, der das größtmögliche Fass aufmacht, die maximalen Verbindungen herbeizitiert, die Apokalypse in den flammensten Farben malt.

Und während scheinbar alle überall sich die Köpfe heißredeten, gab es irgendwo eine Gruppe von Menschen, deren Größe ich nicht bemessen kann, die zunehmend verzweifelte. Schon vor zwei Wochen, als ich hier über Böhmermanns „Schmähgedicht“ schrieb, sagte mir ein Freund, es ermüde ihn sehr, sich mit Böhmermann auseinanderzusetzen. Ich wusste damals schon, was er meint, und seitdem muss der Erschöpfungszustand ins Unermessliche gestiegen sein.

Und nochmal: Wofür das alles? Worum geht es da wirklich? Was ist jenseits der Symbolik das, worum wir da wirklich kämpfen?

Glaubt irgendwer wirklich, dass es nach der Entscheidung Merkels „für Deutsche gefährlich wird“, wie die „Welt“ am Freitag raunte? Wollen wir wirklich werden wie das Twitter-HB-Männchen Julian Reichelt, der das ZDF wegen der Entscheidung, den Beitrag aus der Mediathek zu nehmen, in einer Reihe mit Islamisten sah?


Der eine, für den es tatsächlich und zweifellos um viel geht, ist Jan Böhmermann. Der sich in mehrfacher Hinsicht bedroht fühlen muss – und für den die Aufregung offenbar zuviel geworden ist.

Das ist ein Satz, der bislang undenkbar war: Die von ihm selbst verursachte Aufregung ist Jan Böhmermann zuviel geworden. Vielleicht wäre auch das ein Punkt, innezuhalten und uns kurz zu fragen, welchen Beitrag wir dazu leisten, diese Aufregung immer noch größer werden zu lassen. Und wenn Sie jetzt meinen, ich klänge mit solchen Fragen wie Margot Käßmann, muss ich Ihnen sagen: Nein, Margot Käßmann klingt jetzt anders.


Mir gelingt es in dieser ganzen Angelegenheit nur, mich über eins zu echauffieren: das Echauffieren der anderen. Und nicht einmal das wirklich überzeugend, wie Sie an diesem verspäteten, ratlosen Text erkennen können.

Sind Sie auch so müde?

107 Kommentare

  1. Ein Punkt, der m. E. in vielen Diskussionen nicht nur zu Böhmermann gerne unter den Tisch fällt ist der Unterschied zwischen legal und moralisch/anständig.
    „Das ist aber nicht illegal“ ist kein moralisches Argument und ich hoffe wir sind uns einig, dass nicht alles, was z.B. der Papst für unmoralisch hält illegal sein sollte, sonst könnten wir einfach „Knast“ als „Außengrenzen Deutschlands“ definieren weil da die gesamte erwachsene Bevölkerung rein müsste.
    Diese Diskussion ist aber im Moment gar nicht fürbar angesichts des hier beschriebenen Medienrummels um die juristische Frage. Es ist aber durchaus eine Debatte, die nötig wäre um über solche Fragen wie „entfernen aus der Mediathek“ sprechen zu können. Schließlich kann man ja auch zu dem Ergebnis kommen, dass auch die Menschenwürde von Autokraten zu achten sei, schon allein damit wir nicht selbst zu solchen werden, oder dass der Kollateralschaden für andere zu groß ist, weil das Bedienen rassistischer Klischees im Dienste der Medienfreiheit immer noch das Bedienen rassistischer Klischees ist.
    All das ist im Moment leider nicht diskutierbar, auch nicht der EU Türkei Deal oder Erdogan’s Umgang mit der eigenen Presse.
    Wenn es also Böhmermann um diese Punkte ging, dann kann ich nur zu dem größten medialen Eigentor des Jahres gratulieren.

  2. Was da fan- und medienseits (lässt sich mitunter kaum trennen) in Böhmermann alles reinphantasiert wird – in Wahrheit hat er mit einfachsten Mitteln ein Maximum an Aufmerksamkeit erreicht. Und sogar etwas mehr, als er sich in feuchtesten Träumen erhofft haben dürfte. Eins war die Inszenierung seines Gedichts jedenfalls nicht: genial, intellektuell zigfachbödig und sowas. Es war eine – auch und gerade in ihrer Einbettung – sehr schlichte Provokation, die zudem für einen Aufmerksamkeitsjunkie furchtbar naheliegend war.

    Im übrigen hat Böhmermann selbst den anschließenden Aufregungs-Ton gesetzt: „Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe.“ Dass sich darüber nicht alle lustig machen, hat mich eigentlich am meisten gewundert.

  3. Hallo Herr Niggemeier, ich habe ja den blöden Verdacht, dass Sie den Beitrag gar nicht in ganzer Länge kennen (ok, viele andere Journalisten und Politiker auch nicht). Deswegen diese Verwunderung über die jeweils anderen Seite. es geht gar nicht um ein Gedicht. Es war nicht hilfreich, dass Bild.de einen eigenen noch kürzeren Zusammenschnitts Nur des Gedichts online stellte, während das ZDF sofort löschte und immer noch löschen lässt. So reden viele wie Blinde über Farben. Andere wiederum haben nicht verstanden, dass die Ermächtigung von Merkel nicht nur eine politische Frage ist sondern auch eine Erhöhung des Strafmasses bedeutet. Wenn Merker nicht ermächtigt hätte, wäre ja trotzdem ganz normal wegen Beleidigung ermittelt worden. Also hätte auch die Justiz entschieden, und die Gewaltenteilung wäre eingehalten worden. Wie kann man sich als Journalist nicht mit jemandem solidarisieren, der wegen seiner kritischen Meinung in der Öffentlichkeit strafrechtlich verfolgt werden soll? Und die Diskussion, wer ist eigentlich Journalist? (und wer“nur Blogger“, Aktivist, Satiriker?), hatten wir ja schon bei Snowden/Greenwald zur Genüge. Auch da war die Distanzierung unsinnig und diente nur den Mächtigen. es wäre spannend, zu fragen, warum sich die ganzen Debatten der letzten Monate sich nun plötzlich an diesem Beitrag entzünden. Es steckt eben sehr viel drin, über dass man diskutieren und auch streiten kann, sollte und muss. ein großer Verdienst von Böhmermann. Finde ich.

  4. Ich bin nicht müde, sondern unendlich erleichtert! Denn nachdem sich Herr Niggemeier sich nun zu dieser Causa geäußert hat, ist der letzte Akt dieser Art von Mediendramen endlich zur Aufführung gekommen und der Vorhang kann fallen. Wie immer hat Herr Niggemeier seine Rolle in dem Stück souverän gespielt. Bin schon gespannt, wann das nächste zur Aufführung kommt.

  5. @STEFAN NIGGEMEIER Ja, ich kenne den ersten Artikel und hatte mich auch damals schon sehr darüber gewundert. Sind Sie ganz sicher? Eigentlich beginnt die Vorrede ja schon am Beginn der Sendung. Das „Gedicht“ ist jedenfalls das Unwichtigste des Ganzen.

  6. So isses. Genau so. Aber: Nein, müde bin ich nicht. „Genervt“ trifft es deutlich besser. Inzwischen auch von Böhmermann selbst. Seine vorgebliche Erschütterung „in allem, an das ich je geglaubt habe“ klingt nach reichlich Selbstmitleid und lässt vermuten, dass er doch besser austeilen als einstecken kann. Aber vielleicht war das ja auch Satire. Man weiß es nicht, und genau das erscheint mir zunehmend als eigentliches Problem. So sehr ich Böhmermann (bisher) schätz(t)e: In der Opferrolle ist er eine glatte Fehlbesetzung.

    Sollte es tatsächlich zu einer Gerichtsverhandlung kommen, darf gerne wieder darüber berichtet werden. Aber bis dahin gilt meine Aufmerksamkeit anderen, m. E. deutlich wichtigeren Themen.

  7. @Johannes: Ja, ich habe die ganze Sendung gesehen. Wirklich. Ich habe sie auch hier auf der Festplatte. Echt! Ich kann vielleicht von ein paar Schlüsselszenen Screenshots machen, wenn das hilft.

  8. Diese Passage ist meines Erachtens falsch:

    „Dabei sind die tatsächlichen, konkreten Folgen dieser Entscheidung wiederum minimal. Erdogan hatte ohnehin schon unter Berufung auf den normalen Beleidigungsparagraphen geklagt – genau darauf weisen ja auch Kritiker Merkels hin: dass ihr Okay gar nicht nötig gewesen wäre. Das heißt umgekehrt aber auch, dass die Bedeutung dieser Entscheidung fast ausschließlich symbolischer Natur ist.“

    Ohne Merkel wäre nur in einer Sache mit einem relativ geringen Strafrahmen gegen Böhmermann ermittelt worden. Nun wird zusätzlich (!) noch wegen §103 gegen ihn ermittelt. Dabei sieht §103 einen deutlich höheren Strafrahmen (bis zu fünf Jahren) vor. Das ist ein großer Unterschied, was die konkreten Folgen angeht.

    Oder liege ich da falsch?

  9. @Stefan: Theoretisch ist das ein Unterschied, ja. Praktisch habe ich noch nirgends gelesen, dass Böhmermann damit rechnen muss, dass dieser Strafrahmen ausgeschöpft wird.

  10. Tucholsky meinte mal, Satiriker seien gekränkte Idealisten. Böhmermann gibt sich in seinem Idealismus gekränkt.
    Ergo ist er ein Satiriker.

    AfK, Satiresatire schreiben.

  11. @VERSALIEN!!!1eins
    Ich habe auch eine Meinung und andere Meinungen sind falsch!
    Satire ist super! Solange sie nichts beleidigt, das ich mag.

    Und überhaupt, HERR NIGGEMEIER, was erlauben Sie sich eigentlich!
    Sie spielen doch auch nur Ihre (T)Rolle!

    Wenn das so weiter geht, eröffne ich meinen eigenen Blog – Mit Fakten, statt Meinungen! So!
    Und dann kommentiere ich jeden Beitrag auf Übermedien (bis zu 2 Mal!) und wenn dort dann jemand auf meinen Namen klickt, dann bekommt er auch endlich meine Fakten zu sehen!

  12. @STEFAN NIGGEMEIER, oder wer immer Sie sind. Gibt es denn Belege, dass Sie wirklich Stefan Niggemeier sind? Werden Sie bedroht? Können Sie Ihre Meinung frei sagen? Das ist jetzt meine letzte Hoffnung in dieser Angelegenheit.

  13. Mir kommt hier die Rolle von Merkel ein wenig zu kurz. Neben dem nach Paragraph 103 erhöhten Strafrahmen hat Merkel doch die ganze Geschichte erst aufgeblasen und zum Politikum gemacht, indem sie durch Seibert hat ausrichten lassen, dass sie das Gedicht für „bewusst verletzend“ hält. Wenn Merkel sich demnächst über die Brüste von Michaela Schäfer äußert, dann wird es möglicherweise auch Thema bei Anne Will. Jedes Thema wird politisch, wenn Merkel es bewertet. Die Dynamik der Medien erledigt dann den Rest.

    Man kann nur hoffen, dass Merkel durch diese Dummheit nachhaltig beschädigt ist.

  14. Stimmt schon alles, aber:
    Hat schonmal irgendwann, irgendwo der „Don’t feed the troll“-Post verhindert, das der Troll gefüttert wird?

  15. @15, Stefan Niggemeier: Mmh, naja. Also einen unterschiedlichen gesetzlichen Strafrahmen als „praktisch“ irrelevant bzw. „symbolisch“ hinzustellen, ist jetzt schon etwas gewagt. Auch weil in § 103 StGB für die „verleumderische Beleidigung“ eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten vorgesehen ist. In diesem Fall wäre also sogar der Weg zu einer Geldstrafe verbaut. Empfinde ich jetzt nicht als Petitesse, selbst wenn ein Verleumdungsvorsatz von Böhmermann eher abwegig erscheint. Und der Hauptkritikpunkt an Merkel ist für mich auch nicht, dass ihr „Okay“ wegen des persönlichen Strafantrags nicht nötig gewesen wäre, sondern dass sie die Anwendung eines Tatbestands ermöglicht, dessen Abschaffung sie gleichzeitig ankündigt. Das ist einfach nur grotesk.

  16. @Hanno: Weiß ich nicht, ob das grotesk ist. Ich fänd es auch ein bisschen merkwürdig, wenn man in dem Moment, wo sich jemand auf ein geltendes Recht beruht, es quasi rückwirkend abschafft.

  17. In der Sache selbst werde ich nicht müde. Die Angelegenheit ist sachlich interessant (Konflikt Redefreiheit ./ Persönlichkeitsschutz), unterhaltsam, und hochpolitisch (Türkei! Flüchtlinge! Europäische Werte!). Natürlich kann man schnell genug davon bekommen, was viele Besserwisser und Trittbrettfahrer, sei es Volkes Stimme, oder professionelle Dummschwätzer à la Burda und Springer, daraus machen. Aber da habe ich einen guten Filter. Nebenbei werden auf der Metaebene problematische Strukturen in der professionellen Öffentlichkeit sichtbar, mit mit der Erdogen-Böhmermann-Sache direkt erst einmal gar nichts zu tun haben, etwa die nach wie vor grassierende Kai-Diekmann-Speichelleckerei, der Umgang von vielen Journalisten mit „Retweeten“ und „Teilen“ bzw. ihr Nichtumgang mit „Quellen prüfen“, die totale Merkelfixierung von mindestens der halben Hauptstadtpresse, die Bereitsschaft auch von „besseren“ konservativen Medien, mit dem Ressentiment, der Muslim würde in Wirklichkeit an den Strippen der Politik ziehen, zu spielen, usw.

    Mit dem Niveau, mit dem die Debatte in diesem Artikel, oder etwa durch Kalkofe geführt wird (das mit dem Staatsoberhaupt, und der etwas übergeigten Einleitung, geschenkt), kann ich mich durchaus sehr gut anfreunden.

  18. Zum Glück sind es nur noch drei Wochen bis zur letzten wirklich wichtigen Sendung im gesamten deutschen Fernsehen.
    Was an den verbleibenden 364 Tagen auf sämtlichen Kanälen gesendet wird, ist eh keiner Erwähnung mehr wert.

  19. @23, Stefan Niggemeier: Hoffe das ist jetzt nicht zu sehr OT: Aber wenn Merkel ihre „Zustimmung“ verweigert, schafft sie ja den Tatbestand nicht rückwirkend ab, sondern sie trifft genau jene politische (keine juristische) Entscheidung, die eben für § 103 StGB vorgesehen ist. Das zeitliche Zusammenfallen von verweigerter Zustimmung und Ankündigung der Abschaffung mag dann unschön aussehen, wäre aber wenigstens konsequent. Hinzu kommt: Vielleicht dauert ein mögliches Strafverfahren viele Jahre und vor einem rechtskräftigen Urteil wäre der § 103 dann ggf. schon abgeschafft. Dann müsste für Böhmermann eh das für ihn günstigere Recht angewandt werden. Der anwendbare Strafrahmen wäre also von der Dauer des Straf- bzw. Gesetzgebungsverfahrens abhängig.

  20. Stefan Niggemeier hat wieder einen Punkt gemacht. Aber eine Erklärung für den Tsunami (Kalkofe) ist auch, dass die Causa so viele Aspekte hat. Und im Anschluss an den klugen Kommentar Hannos will auch ich meinen Senf dazu geben:
    Seriöse Befürworter von Merkels Entscheidung wie Heribert Prantl machen einen Denkfehler: Wenn die Bundesregierung überhaupt in die Lage versetzt ist zu entscheiden, ob sie die im Majestätsbeleidigungs-Paragraphen 103 vorgesehene Ermächtigung ausübt oder nicht, greift sie PER SE schon in die Unabhängigkeit der Judikative ein – egal wie sie entscheidet.

  21. @ Hanno + Stefan Niggemeier, # 22, 23:

    Auch bei Annahme einer verleumderischen Beleidigung wäre eine Geldstrafe wegen § 47 Abs. 2 StGB nicht ausgeschlossen.

    In der Tat finde ich es auch etwas merkwürdig (oder auch ungeschickt), dass sie zeitgleich mit der Ermächtigung ankündigt, den Straftatbestand abschaffen zu wollen. Dies ist ja eine politische Entscheidung, die bei der Frage der Erteilung bzw. Verweigerung der Ermächtigung meines Erachtens eine Rolle hätte spielen dürfen.

    Möglicherweise hat Merkel sich aber auch auf eine rein „zwischenpolitische“ Betrachtungsweise mit Blick auf Erdogan konzentriert. Auf dieser Grundlage halte ich ihre Entscheidung für richtig. So gerne ich das auch gesehen hätte, war es politisch gesehen nicht geboten, sich gegen die Strafverfolgung zu stellen, eher im Gegenteil. Und jetzt liegt der Ball – wie es Merkel in ihrer Begründung einleitend richtig gesagt hat – dort wo er hingehört, nämlich bei den Strafverfolgungsbehörden. Meine persönliche Hoffnung wäre ja, dass es zu einer Anklageerhebung kommt, Böhmermann dann aber freigesprochen wird. Das wäre wohl die größtmögliche Blamage für Erdogan, die er sich – gerade in diesem Themengebiet – redlich verdient hätte.

  22. Ja, ich bin dessen auch müde, ich bin davon genervt und ich bin beschämt, dass ich selber dazu auch schon Kommentare geschrieben habe, die nicht über dem Niveau der Artikel waren.
    Vielleicht liegt es am Klimawandel, dass jetzt jederzeit Sommerloch sein kann.
    Wer übrigens Lust hat, NOCH einen Artikel zum Thema zu lesen: Ich fand den Kommentar von Gerhard Henschel gut, klar und kurz (http://jungle-world.com/artikel/2016/15/53849.html). Sozusagen die Sicht eines Satire-Kollegen.
    Herr Niggemeier, Ihr Artikel hat mir gut gefallen. Vielen Dank dafür!

  23. Müsste man nicht auch mal über das ZDF sprechen, die Herren Himmler und Bellut? Und über den schönen Satz: „Die Parodie über Erdogan entspricht nicht den ZDF-Ansprüchen an Qualität von Satire.“ Hat sich nicht Böhmermann zurecht auch über die Qualität der Satire-Kollegen lustig gemacht? Wie steht es um die Qualität des sonstigen ZDF-Programms? Und hat eigentlich jemand die allerletzte Böhmermann-Sendung gesehen? Nach Meinung vieler Journalisten hat er sich dort gar nicht zum Erdogan-Streit geäußert. Ich sehe das ganz anders.

  24. Dass sich Menschen mit Böhmermann solidarisieren sollen (unabhängig davon, ob man die satirische Darbietung für gelungen hält) , hat doch gerade Stefan Niggemeier auf Twitter gefordert. (Den Tweet vom 8.4. könnte man aus heutiger Sicht für Ironie halten, die Kommentare dazu zeigen aber dass er ernst gemeint ist). Und das tun viele Künstler wie Oliver Kalkofe in meinen Augen völlig zurecht.

    Wie die Medien mit der Sache umgehen, steht auf einem anderen Blatt. Das wird tatsächlich immer absurder.

  25. Er hat sich eher über Erdogans Befindlichkeiten bzgl. des harmlosen extra3 Beitrags lustig gemacht.
    Wie schon oben angemerkt sind Böhmermannfans die Applejünger unter den Fans deutscher Comedians.
    Dagegen sind Volksmusikliebhaber geradezu tolerante und aufgeschlossene Menschen.

  26. Mich nervt die Berichterstattung auch. Aber das gilt auch für viele anderen Themen, wo nach einer Weile nur noch geschrieben wird, weil geklickt wird und es kein anderes Thema gibt – und nicht, weil es etwas Neues zu berichten gäbe. Syrien und Griechenlandkrise – um nur mal zwei Themen zu nennen, die einfach „totgeschrieben“ wurden. So klickt man auch keine wichtigen neuen Artikel mehr an, weil man befürchtet es ist wieder der gleiche Mist wie schon hundertmal.

  27. @ Stefan Niggemeier:

    Was mich persönlich empört ist eigentlich etwas ganz anderes. Nämlich die Tatsache, dass bis zum heutigen Tag überhaupt Gesetze existieren, die besagen, dass eine Beleidigung von Repräsentanten von Staaten anders zu bewerten sei als die von normalen Menschen.
    Was einem monarchisch-absolutistischen Staatsverständnis entsprechen mag, muss einer Demokratie nämlich noch lange nicht gut anstehen.

    Tatsächlich wird hier die Versicherung, dass das oberste Gebot aller staatlichen Gewalt die Achtung und der Schutz de Würde des Menschen sei, effektiv ad absurdum geführt. Die höchste Verpflichtung des Staates gilt offenbar vielmehr ihm selbst und seinen hohen Vertretern. Alle Beteuerungen, dass der Bürger der Souverän und der Staat mit seinen Repräsentanten einfach nur sein Diener sei, werden so unglaubwürdig wie die Formel, dass der Staat um des Menschen willen da ist und nicht etwa umgekehrt.

    Die Tatsache, dass Straftaten gegen Staatsoberhäupter und (ausländische) Diplomaten anders (und zwar wesentlich härter) bedroht werden als die gegen Normalmenschen, ist nach meiner Überzeugung genauso unrechtsstaatlich wie eine Regelung, nach der Straftaten gegen eine ethnische Minderheit milder oder härter bestraft werden als gegen des Rest der Bevölkerung. (Dabei ist es zweitrangig, wie häufig solche Paragrafen tatsächlich angewandt werden mögen.) Hier handelt es sich nach meinem Dafürhalten um die Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips in seinem innersten Kern. Da ich entsprechende Regelungen für absolut untragbar halte, empfinde ich auch ihre Anwendung als vollkommen indiskutabel. Selbst wenn beispielsweise die Regierung rechtlich verpflichtet gewesen wäre, eine Ermächtigung zu erteilen, hätte sie dies nach meiner Überzeugung unter keinen Umständen tun dürfen; denn der Achtung der Rechtsstaatlichkeit muss immer die absolute Priorität gegenüber rein positiven Normen eingeräumt werden. Ansonsten hebt das Recht sich und seine normative Verbindlichkeit selbst auf.

    Noch schlimmer als die der Merkel-Kotau (der allerdings selbst nach positivem Recht problemlos zu vermeiden gewesen wäre) ist jedoch die Tatsache, dass entsprechende Gesetze bis heute bestehen können. Wie um alles in der Welt ist dies möglich? Wie kann es sein, dass Tatbestände, die nicht grundlos allgemein als Majestätsbeleidigung bezeichnet werden, im Deutschland des 21. Jahrhunderts noch zu existieren vermögen?

    Alles andere ist für mich kein Aufreger. Dass die Satire von Böhmermann grenzwertig ist, sehe ich auch so; dass Erdogan (als Privatmann wohlgemerkt!) Anzeige stellt, ist ein Recht, das auch einer so problematischen Person wie ihm zuzugestehen ist; und würde die deutsche Justiz diese Anzeige nach dem normalen Beleidigungsparagrafen prüfen, so wäre daran ebenfalls nichts skandalös. Dann wäre die Affäre Böhmermann übrigens wohl auch nie zu einem derart großen Politikum geworden. Die Tatsache jedoch, dass in Deutschland Gesetze herrschen, die dafür sorgen, dass ein Herr Erdogan besser gegen Beleidigungen geschützt ist als beispielsweise zu Unrecht verhaftete Journalisten ist eines Landes, das sich selbst als Rechtsstaat begreifen möchte, zutiefst unwürdig.

  28. Nach einer Umfrage von Emnid für die Bild am Sonntag waren „66 Prozent der Befragten gegen die Ermächtigung für ein Strafverfahren gegen Jan Böhmermann“.

    Ich frage mich, wie viele der Befragten gemeint hatten, sie sollten sagen, ob Böhmermann bestraft werden solle (und nicht, ob lediglich das Strafverfahren eingeleitet werden solle).

    Wäre vielleicht generell was für Übermedien.de, der Frage nachzugehen, ob die Bürger manche Meinungsumfragen wirklich „richtig“ verstehen oder (ungewollt) eigentlich mit Ihrer Antwort etwas anderes meinen, was der Fragestellung jedoch nicht entspricht.

  29. @Pitpitpat: Zu dem Artikel von Herrn Henschel kann man über weite Strecken auch geteilter Meinung sein, spätestens mit dem Abschluss disqualifiziert er sich aber ziemlich. Ich persönlich steige aber schon einen Absatz früher („in Erdoğans Fall bestand nicht der geringste Anlass dazu“ – Entschuldigung, wie bitte?) aus.

    Scheint mir eher, als würde da auch noch jemand um ein Stückchen vom Aufmerksamkeitskuchen ringen und demonstriert dabei (vermutlich unabsichtlich) seine eigene Themenferne. Mit Böhmermann hat er sich jedenfalls offensichtlich nicht weiter beschäftigt. Und dann noch von einer „näheren Betrachtung seines Schaffens“ zu schreiben und mit der Kebekus Aktion um die Ecke zu kommen – geschenkt. Elfmeter ohne Torwart, wenn der Fußballvergleich hier gestattet ist.

  30. @Stefan Niggemeier #33 – Ich hatte eigentlich auch eine „Ich bin Spartakus“-Aktion erwartet, nicht nur von ca. 2 ergrauten Männern, sondern generell, so in Anlehnung an Mohammed-Day. Natürlich mit ähnlich großer Wirkung, aber es schien mir irgendwie naheliegend, dass jemand großes dazu aufrufen würde.
    Immerhin war ja auch Böhmis Gedicht eigentlich eine Reaktion von dieser Sorte, ich fand es nur naheliegend, zu erwarten dass das jetzt einen Kreislauf erzeugt. Komisch, dass es nicht passiert ist.

  31. Das Echauffieren über das Verhalten der Kanzlerin fällt mir leichter als Ihnen, Herr Niggemeier, nachdem ich den einschlägigen Paragraphen 103 StGB einmal nachgelesen habe, indem es einschränkend heißt
    „Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt (…) , das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält“…. beleidigt….
    Selbst für einen juristischen Laien ist es evident, dass Herr Erdogan sich zum Zeitpunkt der Beleidigung nicht auf deutschem Staatsgebiet befand, und dass seine Klage nach 103 StGB allein aus diesem formalen Grunde von jedem deutschen Gericht sofort abgewiesen werden muss. Statt aber zu sagen: „103 StGB kommt aus formaljuristischen Gründen nicht in Frage, lieber türkisches Amtskollege, versuchen Sie und Ihr Anwalt es nach dem einschlägigen Beleidigungs-Paragrafen für Jedermann §185 StGB“ hat die Kanzlerin mit zittriger Stimme der Aufnahme des Verfahrens stattgegeben. Nach meiner subjekten Ansicht ein Schmierentheater, den es ist offensichtlich, dass Böhmermann nach dem 103er nichts zu befürchten hat. Warum macht Frau Merkel das Theater? Die Kanzlerin hat nicht die Meinungsfreiheit zu Grabe getragen, sondern sich vor einem Diktator völlig unnötig in den Dreck geworfen. Und das sagt etwas über den Zustand Europas aus.

  32. @Lanzberger:

    Der vollständige Gesetzestext lautet:

    »Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.«

    Wer den Text mit echtem Interesse aufmerksam liest und im Zweifelsfall vorsichtshalber noch mal kurz recherchiert, der kommt schnell darauf, dass sich die Spezifizierung „im Inland“ nur auf „Mitglied“ bezieht, nicht auf „Staatsoberhaupt“.

    Bitte, gern geschehen.

  33. Sehr guter Kommentar.
    Finde die Sache wird viel zo hoch gehängt. Unabhängig von der juristischen Bewertung, ich bin kein Jurist, wird für mich ein Aspekt etwas unterbewertet.
    Merkel redete in ihrer Begründung von „Beitritt der Türkei zur EU “ und “ Wichtigkeit der Türkei als Bündnispartner“ . Meiner Meinung nach völlig unangebracht und überflüssig, dies hatte eine Geschmäckle von Staatsräson und Kotau. Dadurch wurden erst die ganzen Aluhutträger aus ihren Löchern gelockt, also mitnichten nur Perpetuum-Mobile.

  34. Daland Segler #28

    Vielleicht aber liegt der Denkfehler weniger bei Prantl. Die Ermächtigungsklausel ist per se ein – der Justiz vorgeschaltetes – politisches Instrument. Lehnt a) die Regierung ab, verweigert sie die Möglichkeit einer unpolitischen, juristischen Klärung. Erteilt sie aber b) die Ermächtigung, überlässt sie der Justiz den Fall und zieht sich im selben Moment zurück.
    Insofern ist es kurios, wenn Befürworter der Lösung b) von politischer Justiz reden. Ebenso kurios ist es, wenn eine Regierung aufgefordert wird, einen Rechtsanspruch zu ignorieren, weil vielleicht die Legislative irgendwann das Gesetz ändert. Dass so etwas selbst von einigen Rechtsanwälten gefordert wird, ist schon faszinierend.

    Aber wenn schon bei nur staatsanwaltschaftlichen Vorermittlungen der Hashtag #freeböhmi durchs Land geistert, ist mit guten Worten wenig zu erreichen.

    Dass es Stefan Niggemeier dennoch versucht, die Sache ruhig und nüchtern zu beleuchten, ist lobenswert.

  35. Ja, die Schnappatmung der Medien ist übertrieben. Ja, die Kanzlerin spielt eine unwürdige Rolle. Freuen wir uns, dass endlich geklärt wird, was Satire darf und wo Grenzen sind. Was hatten wir nicht für #Aufschreie wegen bepinkelten Soutanen und Mohammed-Karikaturen – jedes mal auch mit Stimmen, die Respekt für die Befindlichkeiten einzelner Gruppen einforderten und dabei auch gewillt waren, Satire notfalls einzuschränken.
    Jetzt kann sich ein Gericht und vermutlich mehrere Instanzen damit auseinandersetzen. Das bringt das Land voran. Oder auch nicht. schafft aber Klarheit, die zu schaffen bisher versäumt wurde.
    Ich bin gespannt, welche Rolle die Frage spielt, wer ein Satiriker ist und wer nicht. Ist Böhmermann ein Satiriker? Ich kenne seine Sendung nicht näher, aber er scheint mir weniger Satiriker zu sein als ein – sagen wir – Harald Schmidt seinerzeit. Darf ein jedermann ein Satiriker sein, wenn er sich dazu erklärt und mit defitigen „Kritiken“ um sich werfen?

    @Sabine Lanzberger: Gelungene Satire kommt auch ohne Beleidigungen aus ;)

  36. @ Caldwhyn #38

    Klar, gerade bei dieser Debatte kann man problemlos geteilter Meinung sein, ohne dass damit das Tischtuch zerissen wäre. Ich finde sein Argument, dass Erdogan besser durch kleine Nickeligkeiten bloß gestellt werde, weil er eben auf die schon derart anspringt, recht einleuchtend.

    Zum Rest: Ich bin der Meinung, dass man über alles Witze (oder Satire) machen kann, aber dass sich gerade im Humor ein Standpunkt zeigt, für den man vielleicht genau diesen Witz gemacht hat. Bei Böhmermann habe ich eher das Gefühl, dass sich dort kein Standpunkt sondern Beliebigkeit zeigt. Sie werfen G. Henschel vor, er habe sich nicht ausreichend mit Böhmermann beschäftigt, sonst würde er diese Kritik nicht so schreiben. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich mehrfach den Versuch gemacht habe, mir seine Sendung anzuschauen und sie jedesmal weit vor dem Ende ausgemacht habe. Die Kebekus Szene habe ich gesehen und danach habe ich mich ein bisschen vor beiden gegruselt. Ist einfach nicht mein Humor. Allerdings: ‚Ich hab Polizei‘ fand ich super!
    Ich klinke mich jetzt aus.

  37. @LLLU #36
    Die Idee hinter der „Majestätsbeleidigung“ könnte sein, dass jemand ein ganzes Volk oder eine oder mehrere Nationen, die zu einem Staat zusammengefasst sind, beleidigen wollte, indem sie oder er stellvertretend das jeweilige Staatsoberhaupt beleidigt.
    Weiterhin, vllt. hält es demnächst jemand für eine gute Idee, Friedensgespräche über Syrien oder wo dadurch zu sabotieren, indem er oder sie Assads Staatskarosse mit Hundekot bewirft.
    Klar kann man sich fragen, ob man das per Gesetz regeln muss. Das ist aber für die Diskussion egal – momentan gilt das Gesetz; man mag es abschaffen, aber ein Gesetz abschaffen, nur weil man dem Böhmi so mag, ist ja auch nicht Sinn der Sache. Nä. Woche verschifft die Kebekus ihr Gespartes nach Panama (aus Satiregründen selbstredend, besonders, wenn sie sagt, sie sei bloß geldgeil) – wird dann das Steuerrecht entschärft?

  38. Als Jurist kann ich Niggemeier nur zustimmen: Der Fall steht auf der Kippe. Bin sehr gespannt, wie das im Ergebnis ausgehen wird. Meine Meinung: keine Strafbarkeit.

    Ärgerlich ist das überall anzutreffende juristische Halbwissen („Böhmermann in den Knast“), oder siehe oben Beitrag Ziff. 40.

    Von Böhmermann selbst bin ich auch enttäuscht. Er sollte mehr Standfestigkeit zeigen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass es keine Kleinigkeit ist, wenn man weiß, dass gegen einen ermittelt wird.

  39. @Stanz #49

    >>Von Böhmermann selbst bin ich auch enttäuscht. Er sollte mehr Standfestigkeit zeigen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass es keine Kleinigkeit ist, wenn man weiß, dass gegen einen ermittelt wird.<<

    Man könnte auch mit der Tatsache vertraut sein, daß Böhmermann unter Polizeischutz gestellt wurde – warum wohl?

    Und: Wenn jeder Trittbrettfahrer wird, egal ob unter dem Anschein von Wohlwollen oder nicht, wenn das eigene ursprüngliche Anliegen (das Böhmermann in seinem Tweet gegenüber Altmaier ja nun offenbahrte) durch Dritte vereinnahmt und für ihren persönlichen Diskurs ausgebeutet wird, was ist noch sinnvoll zu tun?

    Also wenn selbst Herr Niggemeier in einem Medienwatchblog über Böhmermanns eskapistisches Gehabe aufstöhnt, anstatt auch nur ansatzweise einen freiheitlichen Idealismus anzunehmen oder sich mit der von keiner Seite vorhersehbaren Verselbständigung sachlich beschäftigen zu wollen, was wäre dann besser als Aussitzen?

    Ich denke, Böhmermann darf erschöpft sein. Und er hat Satire installiert, denn mindestens das Kuppelprodukt seiner Sendung – die jetzige mediale "Verarbeitung" – zeigt sehr schön das Versagen bzw. die Absenz von Geist. In der Politik, in den Medien, beim Bürger.

    Herr Niggemeier hat ja nun auch schon in zwei Artikeln schön gezeigt, daß er sich gar nicht erst damit auseinandersetzen will, was Böhmermann wirklich erreichen/ausdrücken wollte.

    Der Umgang mit Böhmermann mag nicht leicht sein – er stellt Fragen, ohne die Antworten zu liefern. Das Nachdenken beläßt er seinem Publikum.
    Der gemeine Deutsche scheint es allerdings nicht gewohnt zu sein, zur Frage nicht gleich die Antwort migeliefert zu bekommen.

    Differenziert zu Urteilen fällt dann natürlich gleich ganz aus.
    Den geistigen Totalaussatz von Malte Fischer finde ich am Köstlichsten.
    http://www.achgut.com/artikel/freiheit_von_boehmermann_und_meta_ebene_my_ass
    Stichwort: "So tief wäre Harald Schmidt nie gesunken."
    Rhetorische Frage: Ist dem so?

    Mir würde es gefallen, wenn Böhmermanns Auftreten diskutiert wird, NACHDEM man sich mit seiner Wirkabsicht, seinem Werk, seiner Rolle beim Auftritt beschäftigt hat.
    Dann kommt auch nicht soviel Blödsinn raus.

    Das mal nur so, man wird ja noch träumen dürfen.

  40. 1. Warum wurde hier nicht der ganze Beitrag ohne Gedicht veröffentlicht? Stattdessen tust Du wiederholt so, als wäre das nur eine Vorrede, was es aber definitiv nicht ist. Die Strophen sind minimal zum Gesamtbeitrag, den Teil nach dem Gedicht lässt Du völlig weg, den Vorspann verkürzt Du auf ein Drittel. Du vermittelst hier einen völlig falschen Eindruck. Du wurdest mehrfach auf Deine Unkenntnis angesprochen, aber ich denke das ist Absicht von Dir. Selektives Weglassen riesiger Teile, die Deine Argumentation zusammenfallen lassen würden. Diese ganze Arrogante von Obenherabhaltung, das sei pubertäres Getue und Aufmersamkeitshascherei. Ein völlig sinnbefreiter und saudummer Vorwurf eines Mediemenschen an den Macher ein Unterhaltungssendung. Meint ihr Journalisten alla Aust, Augstein, usw. so einen Nonsens ernst? Für wie naiv haltet ihr Eure Leser. Man setze Schuss der immer trifft, die Aufmerksamkeitsindustrie im absoluten Selbstverleugnungsgaga. Ihr sitzt im Glashaus, also lasst gefälligst das Steinewerfen!

    2. Du verwechselst Anlass und Ursache, wenn Du Böhmermann als Verursacher der Aufregung bezeichnet. Das war ein Beitrag auf einem angeblich nicht relavanten Spartensendung. B. hat sich quasi nicht mehr geäußert. Hast Du wirklich mal einen medienkritischen Blog betrieben? Muss lange her sein!

    3. Sich bei Kalkhofes Video nur auf die Kritik zu Merkel beziehen ist schon extrem einseitig. Der 1. Teil bringt es ja wohl die gesamte Kritik am Medienzirkus auf den Punkt, und erklärt es auch für minderbemittelten, die Zitate als wahre Münze nehmen und nicht verstehen was ein Kontext ist.

    4. Juristisch ist das Gedicht spätestens beim Thema Faktizität durch, Recht ist keine diffusse Grenze. Was nicht ernst genommen werden kann, kann nicht ernst genommen werden!

    Das Schmähgedicht ist rassisstische, sexistische, überzeichnete Zote, aber definitiv nicht die Meinung von B. und das ergibt sich ganz simple aus dem Kontext. Aber mit Deinen Behauptung von einer „Vorrede“ versuchst genau das zu verschleiern! Warum möchte ich gerne wissen? Ist das Neid oder einfach nur Dummheit?

  41. @ 48; Mycroft:

    „Die Idee hinter der ‚Majestätsbeleidigung‘ könnte sein, dass jemand ein ganzes Volk oder eine oder mehrere Nationen, die zu einem Staat zusammengefasst sind, beleidigen wollte, indem sie oder er stellvertretend das jeweilige Staatsoberhaupt beleidigt.“

    Erstens halte ich die Idee, dass jemand, der einen unsympathischen Staatschef beleidigt, damit das ganze Volk beleidigen möchte, für reichlich weit hergeholt. Dies wird man im Einzelfall kaum beweisen können, und so bliebe es nichts als Spekulation. Und wenn man es tatsächlich beweisen kann, kann man ja schauen, ob das den Tatbestand der Volksverhetzung oder anderer geeigneter Paragrafen erfüllt. Dazu bedarf es keiner Majestätsbeleidigungs-Klauseln. Zudem könnte man genauso gut argumentieren, dass die Beleidigung des Regierungschefs oder Außenministers eines ausländischen Staates angeblich auch das Volk selbst beleidigen soll. Das sind doch alles Konstruktionen, mit denen Regelungen, die aus obrigkeitsstaatlichen Zeiten herrühren, den Anstrich einer demokratischen Legitimation verpasst bekommen sollen.

    Zweitens bin zumindest ich der Auffassung, dass der Schutz der Menschenwürde nicht nur einem Volk oder einer Masse von Menschen, sondern genau so auch dem einzelnen Menschen zugute komme muss. Ein Angriff gegen die Menschenwürde ist als Angriff gegen die Menschheit als solche zu betrachten (im Sinne des Satzes: „Wer einen Menschen tötet, der tötet die ganze Welt“).
    Es hat seinen guten Sinn, wenn es im Grundgesetz heißt:
    „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, und nicht etwa: „Die Würde der Nation ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Hier wird zum Ausdruck gebracht, dass der zentrale und grundlegendste Wert der Rechtsordnung die Menschenwürde sein sollte, und dass alles andere davon abgeleitet ist.
    Natürlich kann eine Straftat, die sich gegen viele Menschen richtet, stärker sanktioniert werden als eine, die sich gegen den Einzelnen richtet – so wie ja auch mehrere Straftaten (durch einen Täter), die sich gegen eine einzige Person richten, härter zu betrafen sind als eine einzige entsprechende Straftat. Aber dazu braucht es nicht irgendwelcher Extra-Gesetze, die auf der Idee beruhen, dass erst mal Staat und Nation kommen, und dann erst der Mensch.
    Es wäre (nein, es ist) verheerend, wenn die Würde des (einzelnen) Menschen gegen die des Volkes oder Staates ausgespielt werden würde, im Sinne von: Ein Verstoß gegen die Würde eines Menschen ist ja nicht ganz so schlimm; Hauptsache, es trifft nicht eine Nation, einen Staat oder dessen Repräsentanten.

    „Klar kann man sich fragen, ob man das per Gesetz regeln muss. Das ist aber für die Diskussion egal – momentan gilt das Gesetz; man mag es abschaffen, aber ein Gesetz abschaffen, nur weil man dem Böhmi so mag, ist ja auch nicht Sinn der Sache.“

    Erstens: Das Gesetz ist nicht wegen Herrn Böhmermann abzuschaffen, sondern weil es in der Sache grotesk ist. Es hätte schon längst abgeschafft werden müssen. Dass Böhmermann über ein Gesetz stolpert, heißt natürlich nicht, dass es schlecht wäre und beseitigt gehört; es heißt aber genauso wenig, dass es akzeptabel wäre und beibehalten werden sollte. Das Gesetz ist völlig unabhängig von Böhmermann zu beurteilen.
    Zweitens: Dass das Gesetz gilt, heißt nicht, dass die Regierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung geben muss – nicht einmal nach dem Gesetzestext nach. Insofern hätte sie den Paragraphen „ruhen lassen können“, indem sie bis zur Abschaffung einfach generell keine Ermächtigungen erteilt; dies wäre sogar formal-juristisch akzeptabel.
    Drittens: Ein Gesetz, das erkennbar unrechtsstaatlich ist, darf unter keinen Umständen angewandt werden. Sonst verfällt man dem Rechtspositivismus schlimmster Art.
    Wenn morgen ein Gesetz erlassen würde, nach dem Straftaten gegen Menschen, die zwischen Oktober und Dezember geboren wurden, Frauen sind, eine dunkle Hautfarbe haben oder was immer, mehr oder aber weniger streng zu ahnden sind als Straftaten gegen den Rest der Bevölkerung, so wäre dieses Gesetz ebenfalls nicht anzuwenden, weil es elementarste Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verletzen würde. Eine Extra-Wurst für Staatsoberhäupter ist nicht besser; wer frei von obrigkeitsstaatlichem Denken ist und erkennt, dass der Staat und seine Repräsentanten einfach nur Diener der normalen und einfachen Menschen sind und würdemäßig keinesfalls über diesen stehen, für den sollte dies eigentlich offensichtlich sein. Aber vielleicht stecken gewisse Reste obrigkeitsstaatlichen Denkens und Empfindens doch noch weit tiefer in uns, als wir das gerne wahrhaben möchten?

    „Weiterhin, vllt. hält es demnächst jemand für eine gute Idee, Friedensgespräche über Syrien oder wo dadurch zu sabotieren, indem er oder sie Assads Staatskarosse mit Hundekot bewirft.“

    Der Einwand ist nicht nachvollziehbar. Niemand hat gefordert, dass man einen ausländischen Diktator und Massenmörder nach Belieben beleidigen darf, sei es in Worten oder in Taten. Auch für ihn gilt grundsätzlich der Schutz vor Straftaten. Nur sollte dieser Schutz eben nach denselben Gesetzen gelten, nach denen auch seine Opfer den Schutz der deutschen Justiz genießen, wenn man sie in Deutschland beleidigen würde. Oder anders gesagt, und um von Assad auf Erdogan zurückzukommen: Man soll Erdogan in Deutschland nicht beleidigen dürfen; aber beispielsweise sollen die unschuldigen Journalisten, die er ins Gefängnis wirft, in Deutschland genauso wenig beleidigt werden dürfen. Wenn Erdogan sich von einem deutschen Staatsbürger beleidigt fühlt, kann er sich als Privatmann an die deutsche Justiz wenden (hat er ja auch getan); er soll dann Gerechtigkeit erfahren, genau so, wie jeder andere auch.

    Oder wie Thomas Oppermann (der aber bisher wohl nichts in diese Richtung unternommen hatte) es formulierte:

    „Die Ehre eines Staatsoberhauptes ist uns genauso wichtig wie die Ehre eines normalen Staatsbürgers.“

    Sollte dies für ein Land, das sich als Demokratie und Rechtsstaat begreift, nicht eine absolute Selbstverständlichkeit allerersten Ranges sein? Eine, über die man eigentlich kein Wort verlieren müsste?

    Ganz abgesehen von alledem: Wenn schon zweierlei Gesetze zur Anwendung kommen sollten (was ich wohlgemerkt ablehne), dann müsste doch ein besonderer Schutz für die Ohnmächtigen und Verfolgten bestehen; nach dem Prinzip der Majestätsbeleidigung aber werden gerade die Mächtigsten besonders geschützt. (Dabei ist es doch für eine Demokratie unabdingbar, dass gerade Letztere scharf kritisiert werden können.)

  42. Ja, ich bin auch müde. Schon seit Beginn der Debatte (P.s.: ich mag Böhmermann und seine Sendungen sehr und hatte die in Rede stehende Sendung auch gesehen). Ich echaufiere mich gleichermaßen über die Empörung der anderen. Aber mittlerweile tue ich das sehr still, außer ich muss abwehren, wenn das Gespräch auf dieses Thema kommt.
    Ich bin still, weil Böhmermann und Schmähgedicht nicht die erste mediale Sau ist/sind, die hysterisch durchs Dorf getrieben wird. Ehrlich gesagt, kann ich mich seit den Zeiten K.-T. zu Guttenbergs (da hab ich selbst noch kräftig mit Stimmung gemacht, oh man) an keinen längeren Zeitraum mehr ohne diese Hühnerstallgesellschaft (incl. Medien) erinnern.
    Es hat aber auch etwas Komisches, wenn diese ganzen mittelalten Journalisten und Nachrichtensprecher in biederem Outfit und getragenen Ton von absurd banalen Ereignissen in einer unterschwelligen Aufgeregtheit berichten, wie eine 14jährige Teenagerin, bei der heute AUF JEDEN FALL die Haare so und so sitzen müssen, weil es sonst in der Schule zur absoluten Katastrophe nebst Weltuntergang kommt. Die Lisa und die Chantal aus der Nachbarklasse sind die größte Bedrohung, denn die werden genauso aufgeregt die Stimmung kippen lassen, wenn ihnen die Frisur missfällt. Lisa und Chantal heißen heute Twitter und Facebook. Und so wird das ewig weitergehen nur einige von uns Alten (alle über 30) werden sich ermüdet und kopfschüttelnd abwenden. Böhmermann ist klug und wird sich nicht nur aus rein juristischen Gründen zurückgezogen haben. Der ist auch schon über 30.
    In der Psychologie erklären sich übrigens Formen der Panikstörung dadurch, dass Personen (ziemlich unbewusst) feststellen, dass kurz das Herz schneller schlägt oder der Puls steigt. Der Reiz wird falsch verarbeitet und als Panik missgedeutet. Dann beginnen diese Menschen damit „absichtlich“ falsch zu atmen. Danach folgt Hyperventilation und „echte“ Panik setzt ein. Diese Menschen neigen also auch eher zu Schnappatmung. Das erinnert mich immer wieder an unsere Medienlandschaft. Nur, der Panikpatient weiß, dass seine Angst nicht real ist, nicht real sein kann; Medien samt der hysterischen Maße halten all diese ewigen(!) Debatten nicht nur für demokratiebildend und relevant, sondern für eine Notwendigkeit zur Rettung ihrer Person und der gaaaaaaanzen Welt. Teenager eben.

  43. @SÖREN JANSEN Danke für den Hinweis auf die Kalkhofe-Sendung. Ich finde, er hat alles Richtige dazu gesagt. Ich weiß nur nicht. warum es Herr Niggemeier nicht genauso sehen kann. Er ist doch eigentlich mein Lieblings-Medienkritiker.
    https://www.youtube.com/watch?v=4Gx-yZRnuZQ
    Auch schön der Beitag auf Meedia.de, der die von vielen Leitmedien unhinterfragt übernommene falsche Merkel-Argumentation beleuchtet.
    http://meedia.de/2016/04/18/im-zweifel-fuer-die-kanzlerin-der-nonsens-konsens-der-leitmedien-im-fall-boehmermann/
    Ich empfehle allen, auch denen, die meinen, die Böhmermann-Satire zu kennen, sie sich noch einmal anzusehen: https://rutube.ru/video/37fb323bb9094b2cf08d829194f8ba42/

  44. @Johannes: Sie sind lustig. Über das Kalkofe-Video habe ich doch oben geschrieben (samt Link).

    (Und was den Meedia-Link angeht: Wer erklärt dem Nonsens-Kollegen dort, was „Konsens“ bedeutet?)

  45. @STEFAN NIGGEMEIER Mmmmmmpf!! Aber nicht, dass es inhaltlich allem widerspricht, was Sie behaupten. Sondern vor allem, dass er die Kanzlerin für unser „Staatsoberhaupt“ hält und deswegen sowieso nicht ernst zu nehmen sei. Jetzt habe ich es mir mal angesehen. Toll! (Finde ich). Wg. Meedia: Was ist jetzt an dem Wort „Konsens“ falsch? Und warum diese kleinliche Fehlerfinden, statt über die Inhalt zu streiten? Auch der ständige Hinweis auf falsche Freunde, die das gleiche meinen, führt doch nicht weiter, man kann sie sich ja nicht immer aussuchen.

  46. Haha, Stefan, kommt noch was substantielles oder perlst Du so einfach Kritik mit solchen Kommentaren an Dir ab. Dann lass den Kommentar, wenn Du nix zu sagen hast.

  47. @Johannes: An dem Wort „Konsens“ ist falsch, dass es bei der Beurteilung von Merkels Entscheidung und ihrer Begründung in den sogenannten Leitmedien eben keinen solchen gibt. Aber wenn man halt einen Reim auf „Nonsens“ braucht …

    Und an Kalkofe ist das – meiner Meinung nach – Schlimme und wiederum Typische für diese Debatte die Aufregung, der Verlust jeder Perspektive und Relation. Gut, das ist halt Kalkofe, kann man da jetzt sagen. Ich fand, er hatte wirklich nicht gefehlt.

  48. Nein, ich erwarte ein Anwort auf die Frage, warum der Beitrag von Dir nur verkürzt als Gedicht mit Vorrede nur veröffentlicht wurde? Warum nicht in Gänze, von
    mir aus das Gedicht rausgelassen?
    Warum gehst Du bei Kalkhofe nicht auf den 1. Teil des Videos ein?
    Ansonsten denke ich schon, das in Deine gewusse Form von „Dummheit“ mitschwinkt, besser gesagt ein journalitisches Brett vor dem Kopf. Wenn man davon „lebt“ Zitate aus Zusammenhang zu reißen um journalitische „Wahrheiten“ zu verkaufen, fehlt das Verständniss fûr Satire die extrem Kontext abhängig und ambivalent ist. Dein Kommentar ûber Kalkhofe „Ich finde, er hat nocht wirklich gefehlt“) trifft so vor arroganter Missgunst, das man einfach Neid unterstellen muss. Ich teile nicht K.s Meinung zu Merkel und denke immernoch, das das Löschen in Mediathek teil der Satire war. Aber der ganze 1. Teil entspricht Meinung und Wahrnehmung, ist prägnamter und ausssagekräftiger als Dein Gestöhne über Aufmersamkeitshascherei!

  49. @ 54, REXMUNDI:

    „Und so wird das ewig weitergehen nur einige von uns Alten (alle über 30) werden sich ermüdet und kopfschüttelnd abwenden. Böhmermann ist klug und wird sich nicht nur aus rein juristischen Gründen zurückgezogen haben. Der ist auch schon über 30.“

    Äh, gibt es irgendeine verlässliche Statistik, die besagt, dass Leute über 30 wesentlich weniger auf das Thema abfahren als die darunter, oder dass es allein in der Gruppe 30+ Leute gibt, die dem Thema etwas gelassener gegenüberstehen? Scheint mir nämlich nicht so zu sein, von der Beobachtung her jedenfalls. Die Grenzen scheinen eher gemäß anderer Kriterien zu verlaufen.
    Oder ist das eh nicht so ganz ernst gemeint?

  50. @Stefan Niggemeier
    Hat Oliver Kalkofe nicht das gleiche Recht wie Sie, sich zu Böhmermann zu äußern? Was gibt es da zu knöttern? Oder stellen Sie Ihren Beirag qualitativ über den von Kalkofe oder anderen. Wie ich oben schon angedeutet habe, sind Sie genau wie alle anderen Medienfuzzis Teil der Inszenierung und des Geschnatters, auch wenn Sie das natürlich als Reflektion tarnen können. Natürlich lese ich Ihre Kommentare gerade wegen der Scharfsinnigkeit gerne und bin Übonnent (was für ein bescheuertes Wortspiel, aber okay). Aber Sie sind nicht so distanziert und ein deus ex machina wie es vielleicht gerne sein wollen. Sie sind ein Spieler auf dem Feld und sollten daher etwas mehr Nachsicht mit Ihren Mitspielern (z.b. Kalkofe) üben.

  51. @Frank Reichelt: Klar hat er das gleiche Recht. Aber deshalb muss ich seinen Beitrag doch nicht gelungen finden? So wie niemand meinen gelungen finden muss.

    Ich habe ein Problem mit der Aufgeregtheit der Debatte, und ich finde, Kalkofe leistet einen Beitrag dazu. Ich weiß nicht, ob „Nachsicht“ eine gute Eigenschaft eines Kritikers ist; ich finde aber auch nicht, dass ich Kalkofe nun besonders heftig angegriffen hätte.

  52. @Stefan Niggemeier
    Sie haben recht, Nachsicht ist das falsche Wort, ich benenne es in Verständnis um. Kalkofe hat immerhin auch einen Ruf zu verlieren und ohne seine 5 Cent wäre die Geschichte einfach nicht rund gewesen.

    Ich bin jedenfalls froh, dass ich nur Konsument bin und nicht in dem Karussell mitfahren muss.

  53. Nachdem ich mir das Kalkofe-Video angesehen habe, finde ich nicht, dass sein Beitrag unangebracht oder überflüssig ist. Selbst wenn bei so einem Medien-Hype schon alles gesagt zu sein scheint. Klar hängt er am Ende die Sache mit der Merkel-Entscheidung vielleicht ein bisschen arg hoch. Aber den ersten Teil, in dem er das „Schmäh-Gedicht“ einordnet, finde ich gelungen. Das unterscheidet ihn von vielen, die die Vor- und Nachrede Böhmermanns und seines Sidekicks meiner Meinung falsch als bloße Relativierung sehen (ja, ich habe den Original-Beitrag gesehen).

    Es ist ja jetzt oft zu hören, dass (wenn das keine strafbare Beleidigung sei) dann künftig zur Veranschaulichung des Gewaltverbots Omas straffrei niedergeschlagen werden könnten. Oder Nazis mit dem Hinweis auf die Grenzen der Meinungsfreiheit Minderheiten rassistisch beleidigen dürften. Das ist natürlich Quatsch. Denn das blendet u.a. die Rolle Erdogans und den Zusammenhang zu dessen Reaktion auf den harmlosen Extra-3-Beitrag aus. Das dürfte aber mitentscheidend sein, weil auch für das Bundesverfassungsgericht gerade Aktion und Reaktion („auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“) und der Gesamtkontext einer Äußerung bei Art. 5 GG ausschlaggebend ist. Diesen Gesamtkontext stellt Kalkofe (auf seine Art) gut dar, finde ich. Und ob er Merkel für Deutschlands „Staatsoberhaupt“ hält oder nicht, ist insoweit nun wirklich hupe.

  54. @LLLU#52:
    Ganz allg. und abstrakt vom aktuellen Fall gesprochen, ob sich die Bevölkerung eines Staates beleidigt fühlt, wenn ihr Staatsoberhaupt beleidigt wird, hat jetzt wenig damit zu tun, ob der Beleidiger sie beleidigen wollte. Oder ob sie oder er das Gegenteil behauptet. Aber sie haben natürlich recht, das könnte man auch anders regeln. Meinetwegen erheben alle Bürger des Staates eine Sammelklage, und ein Richter unterscheidet, ob die Beleidigung, die formal nur auf das Oberhaupt abzielt, „objektiv“ den ganzen Rest mit erfasst oder nicht (kann im einen Einzelfall so sein, im anderen anders).
    Was ich mit der Diplomatenkarosse sagen wollte, war, dass es einen Unterschied ausmacht, ob jemand seinen Nachbarn beleidigt oder die diplomatischen Bemühungen einer demokratisch legitimierten Regierung dergestalt sabotiert, dass diese abgebrochen werden. Letzteres erzeugt einen deutlich höheren Schaden, der evt. auch strenger bestraft werden sollte. Wobei man auch hier natürlich „einfach“ den Beleidigungsparagraphen ändern kann. Nebenbei gibt es auch sowas wie diplomatische Immunität, es ist also nicht die einzige Extrawurst, die bestimmte Leute gebraten bekommen.

    Die eigentliche Gründe, warum ich für die Umsetzung des Gesetzes bin (wenn auch nicht notwendigerweise für einen Schuldspruch), sind zweierlei: erstens lebt Herr Böhmermann sein ganzes Leben in einer Demokratie, und ungefähr die Hälfte davon durfte er wählen. Was hat ihn davon abgehalten, dieses Gesetz mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen? Nix. Zweitens kann es in einer Demokratie nicht erlaubt sein, ein Gesetz ausgerechnet dadurch zu bekämpfen, dass man es bricht, es sei denn, man hätte vorher demokratische Mittel ausprobiert, ist aber mit undemokratischen Methoden dabei gehindert worden, denn dann lebt man in keiner echten Demokratie mehr und ist nicht an demokratische Methoden gebunden.

    Wenn Böhmermann tatsächlich verurteilt werden sollte, nun, um Tucholsky zu zitieren, das ist kein rechte Mann und kein rechter Stand, der keinen ordentlichen Puff vertragen kann.

  55. @Stefan Niggemeier
    Na ja, meine Kommentare bleiben ja hier im Übermedien-Biotop und bieten keinen Anlass die Spirale weiterzudrehen. Weder „Bild“, noch „meedia“ oder (Gott bewahre) gar die „Huffington Post“ werden aus meinen Kommentaren zitieren und daraus weitere Berichte stricken. Da können Sie sich nicht sicher sein!
    Ich sitze nicht auf dem Karussell, werde aber vom Fahrtwind ein wenig mitgerissen, um im Bild zu bleiben.

  56. @LLLU #65: Nein, das mit dem Alter ist tatsächlich überzeichnet und nicht als ernstes Kriterium gemeint, vielmehr kontrastierend.

    Jetzt haben Sie mich aber auf die von Ihnen wahrgenommenen Grenzen neugierig gemacht. Da fehlen mir tatsächlich belastbare Kriterien. Insgesamt und auch hier in den Kommentaren (und das ist wirklich keineswegs herablassend oder beleidigend gemeint) stelle ich fest, dass es eben jene gibt, die sich eher wieder inhaltlich einlassen (und auf mich aufgeregter wirken) und jene, die eher auf der Metaebene den Prozess an sich betrachten und sich daher nicht so anstecken lassen.

  57. Ganz ehrlich: Ich verstehe Ihren Text nicht, Stefan Niggemeier. Oder anders gesagt, ich weigere mich innerlich, Sie zu verstehen. Dieses Gefühl beim Lesen, dass der Autor sich absichtlich dumm *stellt*, um seinen Punkt zu machen, das ist mir bisher noch nie passiert in den letzten neun Jahren Erwachsensein und Niggilesen.
    Die Enttäuschung darüber kennt wie B.s Satire keine Grenzen.

    Naja gut, der letzte Satz war leicht übertrieben.

    Ich nenne mal ein Beispiel für eine Textstelle, an der mir dieses Gefühl herausgerutscht ist.

    „Aber sie erklärt nicht die Aufregung, die Radikalität, die Besessenheit, mit der öffentlich seit zwei Wochen darum gestritten und wechselseitig betont wird, es sei ja wohl völlig unbestreitbar klar, dass es sich bei dem Beitrag um Satire / keine Satire handelte und er darum eindeutig erlaubt / verboten sein müsse – als ginge es hier um etwas so Wichtiges wie die Frage, ob der Ball 1966 drin war oder nicht.“

    Bonuspunkte vergebe ich für die feine Ironie im Wembley-Vergleich. Andererseits ist der Vergleich nur vordergründig ein guter für die Argumentation des „Kommt mal wieder runter!“-Fraktionsvorsitzenden Niggemeier. Denn eigentlich erklärt das Beispiel doch, warum es zur Zeit eine solche alles andere verdrängende Aufregungsflut gibt, die sonst nur Fußballgroßturniere und, naja, Binnengewässergrenzüberschreitungen erzeugen: Jede und jeder kann mitreden; es gibt äußere Gegner; es gibt Abwägungsentscheidungen; Politik, Feuilleton, Klatsch und Sport(Poldi!) werden durchgespielt.
    Aber gut, auch bei ner Fußball-Herren-WM gibt es eine große Gruppe Menschen, die so gar keinen Zugang finden.

  58. „knifflige Abwägung“…

    …ist so was von 20. Jhdt. Differenzierte Betrachtungen sind Hemmschuh und Eigenkastration. Zuerst identifizieren wir Gut und Böse und dann haben wir es, wenn es um die Bösen geht, nicht mehr nötig, irgendwelche Diskurs-Standards einzuhalten. Je hysterischer und undifferenzierter ich hyperventiliere, desto Gut bin ich. Wenn es inhaltlich so etwas wie einen emerging Milleniums-Megatrend im deutschen Journalismus gibt, das wäre er aus meiner Sicht.

    „Sind Sie auch so müde?“

    Ja. Sowohl von diesem stets wieder reflexhaft ablaufenden Mechanismus. Und auch von der zunehmend hysterischen Reaktion jener Journalisten, wenn sie Kritik daran mal nicht als Nichtexistent ignorieren oder ausschliesslich als rechtspopulistische/moskaufixierte/amerikafeindliche/[erwünschtes bitte eintragen] Propaganda können, ohne dabei zu differenzieren zwischen jenen, auf die das/nicht zutrifft.
    Diese dauernde Reiz-Reaktionsmuster-Schemata-Ablaufinszenierung ist kein Diskurs mehr. Nichts wird mehr wirklich eingeordnet, grundsätzlicher analysiert und in seiner Allgemeingültigkeit betrachtet. Alle analytische Scharfsinnigkeit ordnet sich stets der Gut/Böse-Zuweisung unter. Man mäandert permanent zwischen Scheindoof/Neunmalklug resp. Nonnenheilig/Vernunftpragmatisch umher, je nach dem für/gegen wen man seine Feder ins Feld zu führen hat.

    Mir erscheint das sehr wilhelminisch in der Tonlage. Auch in dieser zuverlässig wohligen Hysterie-Steigerungsspirale, darüber, was der oder jener Hottentotte sich wieder rausniummt, erkenne ich das wieder. [Auch wenn Erdogan natürlich die optimalere Besetzung für ein Willem-Zwo-Zombie wäre.]

    J.B. ist auf einer seiner Gratwanderungen aus dem Gleichgewicht geraten. Ein wenig sympathischer Hottentotte geht deswegen den Rechtsweg.
    Das Abendland steht noch und wird sein Verhältnis zum Beleidigungsschutz für Nobilitäten evtl. überdenken, juristisch wie informell. Jan Böhmermann kommt hoffentlich ungeschoren (nicht mehr als symbolisch geschoren) heraus.
    Wenn dann noch eine Erkenntnis wie „Recht gilt für alle, nicht nur für die uns Sympathischen und sogar auch für Rechtsverächter“…“Denn das ist es was uns unterscheidet!“ aufgefrischt und unter unseren selbstausgezeichneten Journalismuseliten wieder salonfähig wird, hätte es ja sogar was gebracht.

  59. Ich bin, ähnlich wie Janosch, ebenfalls schon lange Jahre Niggileser, dafür vorab schon mal vielen Dank.

    Aber ganz ehrlich: Ich verstehe Sie nicht, Herr Niggemeier.

    Erst veröffentlichen Sie zwei Tage nach der Schmähgedicht-Sendung einen Kommentar, mit dem Sie Böhmermann mit voller Wucht in den Rücken fallen. Nicht nur, dass Sie ihn und seinen Humor offenbar weder mögen noch verstehen, nein, Sie unterstellen ihm auch noch, das alles nur gemacht zu haben, damit „die Leute nicht mehr über Erdogan reden, sondern wieder über Böhmermann“.

    Das kann man machen, aber genausogut könnte man Ihnen unterstellen, dass Sie Böhmermann einfach noch immer übel nehmen, dass Sie damals auf seinen Varoufakis-Fake-Fake reingefallen sind und sich dabei doch ziemlich blamiert haben, und dass Sie deshalb eben zickig sind. Man könnte, wie gesagt, aber solche Unterstellungen haben immer etwas schäbiges an sich.

    Dann folgt der bekannte Medien-Hype, aus dem sich die Übermedien aus vielleicht guten Gründen heraushalten.

    Und jetzt, da die Sache endlich durch ist, das weitere Prozedere soweit klar ist und es endlich ein paar Tage Böhmermann-freie Nachrichten gegeben hat, kommen Sie mit diesem Text um die Ecke, in dem Sie allen Ernstes in vielen vielen Sätzen darlegen, wie schrecklich Sie das alles anödet. Nicht ohne bei Böhmermann noch etwas nachzutreten, versteht sich.

    Ich vermute mal, für den Beitrag wird Übermedien mehr Aufmerksamkeit bekommen als für alle Texte der vergangenen Tage zusammen. Und es ist auch wenig überraschend, dass in den zahlreichen Kommentaren all die wohlbekannten Argumente der vergangenen Wochen gleich nochmal wiedergekäut wurden und werden. Es ist also endlich mal wieder Leben in der Bude, wenn auch mit wenig Aussicht auf Erkenntnisgewinn.

    Bin ich eigentlich der einzige, der das schon vom Ansatz her grotesk findet? Ich möchte natürlich nicht unterstellen, dass es Ihnen nur darum ging, sich in der Diskussion auch mal wieder nach vorne zu spielen. So eine Unterstellung wäre schäbig.

  60. @Ingo S.: Dass ich Böhmermanns Humor weder mag noch verstehe, ist aber angesichts solcher Texte doch eine etwas abwegige Unterstellung. Dass ich mich aktuell dafür räche, auf seine Varoufakis-Aktion reingefallen zu sein, kann man mir natürlich unterstellen, ist aber Quatsch.

    Und, ja, natürlich kann man diesem Text unterstellen, es ginge ihm selbst nur um die Aufmerksamkeit. Das würde aber bedeuten, dass man solche nachdenklichen Betrachtungen zu einem Medienhype gar nicht formulieren könnte, weil man sich immer selbst zum Teil davon macht. Und, tatsächlich: Warum hätten wir uns dann zwei Wochen lang ganz aus diesem Hype heraushalten sollen?

  61. @Stefan Niggemeier: Danke für die Antwort und für die verlinkten Texte. Die kannte ich bislang nicht oder habe sie bereits vergessen (das Alter…). Gute Texte. Ich verstehe nur immer noch nicht, weshalb Sie Böhmermann dann vor zwei Wochen unterstellt haben, sich nur Aufmerksamkeit verschaffen zu wollen. Das war es, was mich so geärgert hat. Weiteres Zitat: „Böhmermann hat es also geschafft, dass alle wieder über ihn reden und nicht mehr über Erdogan, und dazu kann man ihm natürlich gratulieren.“

    Wenn Sie ihn also doch kennen und schätzen, glauben Sie wirklich, dass das seine Intention war? Dass man nicht mehr über Erdogan reden sollte?

    Davon ab, natürlich kann man „solche nachdenklichen Betrachtungen zu einem Medienhype […] formulieren“, gerade Übermedien sollte das sogar tun. Ich war nur gerade im Unterstellungskritikmodus unterwegs, da schien mir das als Beispiel passend. Und ich habe mich ja auch vorab von allen meinen Unterstellungen vorsorglich deutlich distanziert, das war doch clever.

  62. Mir fehlt (überall) das Argument, daß ein Prozess faktisch auch schon eine Strafe ist (man frage da mal diverse Leute, angefangen bei Jörg Kachelmann). So ein Prozess ist ja nicht mit einem Termin getan, wie ein Termin beim Amt:

    Horrende „Kosten“, monate- bis jahrelange Lahmarschigkeit, Nervenkrieg und warten, warten, warten… All das nervt. Allein das führ ja gerade schon zu 4 Wochen Produktionsausfall. Eine ziemliche Strafe, den man auch als freigesprochener niemals wieder bekomm.

    Und Merkel hat Böhmermann dann nun auch noch netterweise noch in einem zweiten Prozess als Zielscheibe freigegeben. Was nicht bedeutet, daß der erste nicht stattfindet… Und, ach ja: „Eilverfahren“ an der beliebten Zensurkammer Hamburg unter Simone Käfer können allein schon mal 9 Monate „brauchen“… Und danach kommt überhaupt erst das „Hauptverfahren“. Dann die zweite Instanz… da kann es schon mal 2018 werden.

    Andere Frage: Was ist eigentlich, wenn das nächste mal ein KLEINER Künstler von Erdogan angegangen wird? Und NICHT bei einer TV-Sendung, sondern einer, der gerade auf Solotour war? Christine Prayon, Dieter Nuhr, Michael Ehnert, ganz egal. So vermögend sind so Künstler nicht. Was, wenn der dann mit zehntausenden wenn nicht hundertausend Euro „Streitwert“ fertiggemacht wird… Bei „Äußerungsrecht“ keine Seltenheit.

    Niggi hat schon recht: Die meisten Medien kotzen nur Agenturmeldungen und sinnfreies Geschwafel aus. Hauptsache Klicks bzw. die Seite wird voll.

    Das —eigentliche— Themen, Erosion unseres Rechtsstaats, wird hier allegemin verpasst oder leuchtet allenfalls unterbewusst durch:

    1. Meinungsfreiheit ist ja ohnehin schon längst ein Privileg, keine Grunderecht. Ohne einen Konzern, ausreichend Vermögen oder wenigstens eine Institution (wie das ZDF) im Nacken, z.B. für kleine Künstler, wäre das jetzt halsbrecherisch (aufgrund der „Kosten“ basierend auf ziemlich willkürlichen „Streitwerte“), mit Tendenz zur Privatinsolvenz…

    2. Chilling Effects. Auf Deutsch auch bekannt als Schere-im-Kopf. Das nun Künstler Dinge nicht mehr tun, die sie dürften… (wegen der formellen und informellen Strafen/„Kosten“/siehe oben)

    https://de.wikipedia.org/wiki/Chilling_effect

    3. Appeasement. Was Merkel für den Türkei-Deal tut (den Journalisten laut Seibert ja noch nicht einmal „Deal“ nennen sollten, prust), ist präzise benannt…

    https://de.wikipedia.org/wiki/Appeasement-Politik

    Und das ist aktuell die erstaunliche Stelle bzw. der perfekte Sturm: Wo „rechte“ Leute, die Merkel für ihre Flüchtlingspolitik intensiv hassen, auf einmal komplett einig sind, mit „linken“ Leuten, bei denen sich Merkel aus gleichen Gründe gerade einige Monate lang echten Respekt erworben hatte.

    Ach ja, wie wirkungslos es ist, „Erdolf“ zu geben was er will, sieht man ja just am heutigen Tage, wenn da mal wieder mir nichts, dir nichts, ein ARD/SWR Korrespondent an der Einreise gehindert und „festgehalten“ wird…

    Hoffentlich rücken die nächsten Monate die „Leistungen“ und „Kosten“ der Zensurkammern Hamburg/Köln nochmal in den Fokus der Debatte. Und das deutsche Meinungsprivileg, das in der Praxis schon lange kein allgemeines Recht für jedermann mehr ist.

  63. @81: Wie kommen Sie ausgerechnet auf Dieter Nuhr? Der gehört vermutlich genau zu den „Künstlern“, die sich das finanziell leisten könnte, aber wohl eher nicht in diese Verlegenheit kommen würde. Nuhr war nämlich auch so einer, der meinte, dass dann ja „jeder kommen könne“, um mit dem Satirelabel alles ungestraft sagen zu können. Ich war vor einigen Tagen Nuhrs Kommentar zu Böhmermann auf WDR 2 umständehalber schutzlos ausgeliefert und konnte mir leider nicht mehr rechtzeitig Mund, Nase und Ohren zuhalten. Das bekannte Tucholsky-Zitat verband er dann noch mit dem Hinweis, dieses könne nur von jemandem stammen, der „keine Ahnung von Justiz“ hatte. Nunja. Ich werde jetzt keine Wikipedia-Links posten.

  64. @ 70; Mycroft:

    „Meinetwegen erheben alle Bürger des Staates eine Sammelklage, und ein Richter unterscheidet, ob die Beleidigung, die formal nur auf das Oberhaupt abzielt, „objektiv“ den ganzen Rest mit erfasst oder nicht (kann im einen Einzelfall so sein, im anderen anders). “

    Auch ein Volk muss Satire und ein gewisses Maß an Spott ertragen (Stichwort Polenwitze), vor allem, wenn es um ein abstraktes Kollektiv geht; wenn es zu viel wird, kann man wie gesagt Anzeige erstatten. Hier mag je nach Umständen die normale Beleidigung oder die Volksverhetzung greifen. Das gilt aber völlig unabhängig davon, ob nun das Staatsoberhaupt auch noch mitbeleidigt wurde oder nicht.

    Falls man das nicht für ausreichend hält, kann man ja ein Gesetz machen, nach dem Beleidigungen auch gegen ganz abstrakte kollektive Gruppen wie Beleidigungen gegen konkrete Gruppen zu ahnden sind. Allerdings gäbe es wohl viele, die eine solche Verschärfung problematisch finden würden, und dies nicht ohne Grund. Das Pferd allerdings von hinten aufzäumen zu wollen, und ein Volk indirekt zu schützen, indem man einen einzelnen Repräsentanten des Staates schützt, wäre wohl die absurdeste Variante. Dann könnte man das Volk ja weiterhin beleidigen, sofern man nur das Staatsoberhaupt dabei nicht nennt. Entweder man schützt das jeweilige Volk direkt mehr, wenn man das für notwendig hält, oder man lässt es besser sein.

    Und wie ist es eigentlich mit einem Ministerpräsidenten, der vielleicht viel mächtiger und beliebter ist als das Staatsoberhaupt und mit dem die Leute sich viel mehr identifizieren? Den schützt der Majestätsbeleidigungsparagraf, jedenfalls so lange er sich nicht gerade in Deutschland aufhielt, ja gerade NICHT. Und das, obwohl das betroffene Volk sich vielleicht weit mehr über dessen Beleidigung aufregt als über die seines Staatsoberhauptes (das vielleicht unbeliebt ist). Das ist doch alles völlig willkürlich und geht noch auf die Zeit der Monarchie zurück; und genau dort gehört es auch hin.

    „Was ich mit der Diplomatenkarosse sagen wollte, war, dass es einen Unterschied ausmacht, ob jemand seinen Nachbarn beleidigt oder die diplomatischen Bemühungen einer demokratisch legitimierten Regierung dergestalt sabotiert, dass diese abgebrochen werden. “

    Jede geistig zurechnungsfähige Regierung sollte in der Lage sein, die Aktion einer Privatperson von der einer befreundeten Regierung zu unterscheiden. Wird die Privatperson nach Recht und Gesetz wegen Beleidigung oder Sachbeschädigung (oder was immer) betraft, und versichert die befreundete Regierung ausdrücklich ihr Bedauern, dann sollte dies genügen. Bricht die beleidigte Regierung die Beziehungen dennoch wegen so einer Lapalie ab, weil in dem entsprechenden Land vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind (wie das für einen Rechtsstaat selbstverständlich ist), dann kann man ihr auch nicht helfen. Dann hat sie allerdings ganz andere und weit ernstere Probleme als eine verschmierte Karosserie. Man kann ausländischen Regierungen im Rahmen des Billigen und Vernünftigen entgegenkommen; dass jedem Spinner alle Wünsche erfüllt werden, kann hingegen niemand verlangen.

    Es gibt im Übrigen auch Länder, die dem Mittelalter und dem Absolutismus entwachsen sind, und wo Majestätsbeleidigung als eigenes Delikt nicht existiert (verlangen Sie jetzt bitte keine Liste!). Auch diese Länder pflegen erfolgreich diplomatische Beziehungen mit anderen Ländern. Es geht also auch wunderbar ohne. Tatsächlich kam der deutsche Majestätsbeleidigungs-Paragraf ohnehin kaum je zur Anwendung; wenn doch, dann vor allem auf Wunsch autoritärer Regierungen wie derjenigen des Schah. Insofern stellt er wohl faktisch vor allem einen Autokratenbeleidigungs-Paragrafen dar.

    Im Übrigen sollten natürlich bei JEDER juristischen Beurteilung auch die Folgen der Tat, sofern der Täter sie voraussehen konnte und sie ihm zuzurechnen sind, in die Bewertung mit einfließen. Wenn jemand die Karosse seines Nachbarn verunziert und weiß, dass der schwer herzkrank ist und ihn das extrem aufregt, dann ist das sicherlich nicht weniger schlimm, als wenn er die Karosse eines krankhaft empfindlichen Regierungschefs besudelt.

    „Nebenbei gibt es auch sowas wie diplomatische Immunität, es ist also nicht die einzige Extrawurst, die bestimmte Leute gebraten bekommen.“

    Das hat aber einen anderen Charakter und ist vermutlich schlichtweg eine Notwendigkeit, damit überhaupt diplomatische Beziehungen möglich sind. Das ist gewissermaßen eine Form des Gesandtenrechtes und des zugesicherten freien Geleits, die im Extremfall (in anderer Form natürlich) sogar einem Terroristen zugebilligt wird, dem eben jenes freie Geleit zugesagt wurde. Das ist aber qualitativ etwas anderes, als wenn man zwei Klassen von Menschen schafft, und die Rechtsverletzungen gegen die eine Klasse weniger ernst nimmt als die gegen die andere.

    „erstens lebt Herr Böhmermann sein ganzes Leben in einer Demokratie, und ungefähr die Hälfte davon durfte er wählen. Was hat ihn davon abgehalten, dieses Gesetz mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen? Nix. “

    Es geht doch überhaupt nicht um Böhmermann. Ich zumindest will den Paragrafen doch nicht abschaffen, um Böhmermann einen Gefallen zu tun, sondern weil ich ihn (vollkommen unabhängig von Böhmermann) für völlig untragbar halte! Im Übrigen kann man doch nicht argumentieren, dass eine Person Unrecht erleiden soll, weil sie dieses Unrecht in der Vergangenheit nicht aktiv bekämpft hat.

    „Zweitens kann es in einer Demokratie nicht erlaubt sein, ein Gesetz ausgerechnet dadurch zu bekämpfen, dass man es bricht, es sei denn, man hätte vorher demokratische Mittel ausprobiert, ist aber mit undemokratischen Methoden dabei gehindert worden, denn dann lebt man in keiner echten Demokratie mehr und ist nicht an demokratische Methoden gebunden. “

    Ich kann mich hier nur wiederholen: Erstens hätte niemand irgendein Gesetz gebrochen, wenn man Erdogan zugemutet hätte, ganz so wie ein normaler Mensch auch den üblichen juristischen Weg zu gehen. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass die Regierung eine Ermächtigung geben kann, aber eben nicht muss. Zweitens können Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht bedeuten, dass man blind alle Gesetze ausführt, die nun einmal da sein mögen. Vielmehr müssen diese Gesetze auch mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie vereinbar sein. Sonst könnte man (im Extremfall) Unschuldige jahrelang einsperren oder sogar umbringen, wenn nur das Gesetz es befiehlt. Oder man könnte ein Gesetz formulieren, nach dem beispielsweise Straftaten gegen Ausländer, Bäckermeister oder Juden härter oder milder bestraft werden als die gegen den Rest. Wieso die Majestätsbeleidigung m.E. eindeutig und im strengen Sinne unvereinbar mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ist, hatte ich in einem früheren Beitrag oben erläutert.

    „Wenn Böhmermann tatsächlich verurteilt werden sollte, nun, um Tucholsky zu zitieren, das ist kein rechte Mann und kein rechter Stand, der keinen ordentlichen Puff vertragen kann. “

    Ich kann mich auch hier nur wiederholen: Mir geht es absolut nicht darum, Böhmermann zu schützen. Auch ich halte das Gedicht (allen Meta-Ebenen zum Trotz) für äußerst grenzwertig. Falls ein Verfahren wegen ganz normaler Beleidigung eingeleitet würde und Böhmermann zu einer (geringen) Geldstrafe verurteilt würde, wäre dies für mich durchaus nachvollziehbar. Das sollen aber die Gerichte entscheiden. Ich habe besagten Paragrafen bereits zu einer Zeit als unerträglich empfunden, als Böhmermann noch völlig unbekannt war.

  65. @ Rexmundi, 73.

    „Jetzt haben Sie mich aber auf die von Ihnen wahrgenommenen Grenzen neugierig gemacht.“

    Ich kann da leider auch nur aus meinem Gefühl und meinen Vermutungen etwas sagen; und auch weniger, wer auf einer Meta-Ebene reflektiert als wer (vermutlich) eher unaufgeregt an die Sache herangeht. (Insofern hoffe ich, den Mund nicht zu voll genommen zu haben.)

    Aufgeregt herangehen dürften vermutlich neben (gewöhnlich türkischstämmigen) Erdogan-Anhängern vor allem Netz- und Satire-affine Personen sein, vor allem aus dem links-liberalen Spektrum.

    Eher unaufgeregt sind vermutlich neben den Unpolitischen auch viele eher Konservative. Beispielsweise hatte ich kürzlich gelesen, dass die Anhänger der meisten Parteien die Entscheidung von Merkel, ihre Ermächtigung zu geben, für falsch hielten, während die Anhänger der CDU ziemlich gespalten sind.
    https://www.tagesschau.de/inland/infratest-umfrage-boehmermann-101.html
    Da die meisten CDU-Anhänger aber kaum glühende Erdogan-Fans sein dürften, glaube ich kaum, dass sie sich so sehr über Böhmermann ärgern wie beispielsweise die Böhmermann-Fans über Merkel.

    Sehr fundiert ist das zugegebenermaßen nicht, und eine große Denkleistung auch nicht; aber es dürfte wenigstens einigermaßen plausibel sein. Zu der Frage, wer denn nun aber eine medienkritisch-reflektierte Einstellung einnimmt, kann ich leider auch nichts sagen. Da unterscheiden sich die Leute wohl auch stark von Individuum zu Individuum.

    Ganz persönlich empfinde ich es, wie bereits dargelegt, als den eigentlichen Skandal, dass die strafrechtliche Gleichheit vor dem Gesetz auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts noch nicht vollständig realisiert wurde, und dass auch heute noch die Majestätsbeleidigung als eigenes Delikt existiert (auch wenn sie formal nicht so heißt).

    Zudem empfinde ich auch die Überlegungen von @FranKee_HH aus Kommentar 81 als sehr bdenkenswert.

  66. @LLLU
    Um es kurz zu machen – mir geht es auch nur am Rande um den „Majestätsbeleidigungsparagraphen“; dass zurechnungsfähige Personen die Tat einer Privatperson immer von der einer Regierung unterscheiden können, halte ich zwar für etwas optimistisch, und auch Regierungsmitglieder könnten mal Staatsoberhäupter beleidigen, aber sei’s drum.
    Dieses Gesetz ist demokratisch zustande gekommen, insofern widerspricht es nicht Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Natürlich kann man versuchen, es abzuschaffen.
    Wenn das aber der Skandal ist, nun, dann gibt es ihn seit 70 Jahren. Guten Morgen, allerseits!

  67. @ 85, Mycroft:

    „Dieses Gesetz ist demokratisch zustande gekommen, insofern widerspricht es nicht Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“

    Das halte ich für einen Fehlschluss. Die Tatsache, dass ein Gesetz demokratisch zustande gekommen ist, sagt darüber, ob es rechtsstaatlich akzeptabel ist, nichts aus – oder jedenfalls nicht Zwingendes.

    Das Ermächtigungsgesetz kam auch demokratisch zustande. Die Rassentrennung und -diskriminierung in den USA meines Wissens wohl auch. Die Benachteiligung von Frauen ebenso. Und ich meine, dass dies selbst für die Sklaverei gilt. Demokratische Gesetze haben schon viel Unrecht „legitimiert“. Theoretisch könnte man auch ein demokratisches Gesetz erlassen, das einen zweiten Holocaust legitimiert.

    Um zu erkennen, ob ein Gesetz rechtsstaatskonform ist, darf man nicht (allein) auf seine Genese schauen, sondern man muss seinen Inhalt betrachten. Ein Gesetz, nach dem beispielsweise alle vor dem Gesetz gleich sind, nur manche gleicher, ist offenkundig im Kern unrechtsstaatlich. Das gilt zumindest dann, wenn man die Gleichheit vor dem Gesetz als wesentliches Menschenrecht anerkennt, so wie auch sämtliche modernen Menschenrechtserklärungen und das Grundgesetz dies tun.

    „Natürlich kann man versuchen, es abzuschaffen.
    Wenn das aber der Skandal ist, nun, dann gibt es ihn seit 70 Jahren. Guten Morgen, allerseits!“

    Genau das sage ich doch die ganze Zeit! Wie habe ich es in meinem ersten Beitrag in diesem Thread formuliert?

    „Noch schlimmer als die der Merkel-Kotau (der allerdings selbst nach positivem Recht problemlos zu vermeiden gewesen wäre) ist jedoch die Tatsache, dass entsprechende Gesetze bis heute bestehen können. Wie um alles in der Welt ist dies möglich? Wie kann es sein, dass Tatbestände, die nicht grundlos allgemein als Majestätsbeleidigung bezeichnet werden, im Deutschland des 21. Jahrhunderts noch zu existieren vermögen?“

  68. @ LLU und Mycroft

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat es schon 2002 im Fall Colombani gegen Frankreich als anachronistisch angesehen, ausländische Staatsoberhäupter bei Beleidigungs- oder Äußerungsdelikten zu privilegieren (in dem Urteil ging es um Tatsachenbehauptungen über ausländische Staatsoberhäupter; die Kritik des EGMR gilt aber meines Erachtens allgemein).

    In dem Urteil heißt es: “ The Court notes that the effect of a prosecution under section 36 of the Act of 29 July 1881 is to confer a special legal status on heads of State, shielding them from criticism solely on account of their function or status, irrespective of whether the criticism is warranted. That, in its view, amounts to conferring on foreign heads of State a special privilege that cannot be reconciled with modern practice and political conceptions. Whatever the obvious interest which every State has in maintaining friendly relations based on trust with the leaders of other States, such a privilege exceeds what is necessary for that objective to be attained“

  69. Danke, SN, für diesen Beitrag.
    Unter dem Strich bleibt: „Wenn es gegen Erdogan geht, solidarisiert sich sogar die AfD mit der Lügenpresse“ (Zitat einer Kollegin)

  70. „Wieso die Majestätsbeleidigung m.E. eindeutig und im strengen Sinne unvereinbar mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ist, hatte ich in einem früheren Beitrag oben erläutert. “

    Sie führen hier den super-aufklärerischen Kampf gegen die Eminenzen, erläutern aber nicht, inwiefern Ihr revolutionär-egalitärer Impetus sich auch auf inländische Majestäten erstreckt. Sie argumentieren mit diesem Credo auch gegen jene deutschen Politiker und Journalisten, die gegen eine unterschiedslose Abschaffung des Tatbestands der Majestätsbeleidigung eintreten, weil sie den majestätischen Bundespräsidentenschutz beibehalten wollen?

    Sie fordern also totale Abschaffung? Oder nur für unsympathische Ausländerhäuptlinge? Oder einfach generell für alle nichtdeutschsprachlichen Ausländerstaatschefdarsteller?

  71. @ HOLGER HEMBACH:

    Vielen Dank für den sehr interessanten Hinweis, und das fehlende L verzeihe ich Ihnen gerne.

    @ SYMBOLTROLL:

    Selbstredend fordere ich die Abschaffung der Majestätsbeleidigung völlig unabhängig davon, ob die jeweilige „Majestät“ im In- oder Ausland residiert. Auch für den Bundespräsidenten soll natürlich dasselbe Strafrecht gelten wie für seine Mitbürger, denen er dient. Alles andere hielte ich nicht nur der Sache nach für vollkommen falsch, sondern obendrein auch noch für hochgradig heuchlerisch. Ich bin der Auffassung, dass die Würde und Ehre aller Menschen gleichermaßen schützenswert ist: Ihre, meine, die Ihrer Putzfrau (falls Sie eine haben), die von Herrn Gauck und die von Herrn Erdogan. Wobei jemand, der sich wie Herrn Erdogan verhält, sich auch etwas mehr Kritik gefallen lassen muss (wie viel genau sei dahingestellt); aber das hat mit seinem Verhalten zu tun, und nicht mit einer höheren oder geringeren Würde. Das Prinzip, dass alle vor dem Gesetz gleich sein sollen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich habe das nur deswegen im Hinblick speziell auf das deutsche Staatsoberhaupt nicht extra betont, weil mir dies als offensichtlich erschien.

    Deshalb hatte ich übrigens auch in meinem ersten Beitrag geschrieben:

    „Die Tatsache, dass Straftaten gegen Staatsoberhäupter und (ausländische) Diplomaten anders (und zwar wesentlich härter) bedroht werden…“

    Das ist nämlich in Deutschland die Gesetzeslage: Staatsoberhäupter werden allgemein privilegiert, Diplomaten aber nur, wenn sie Ausländer sind. Alle diese Herrschaften sollen respektiert und geschützt sein, nämlich so wie alle anderen Menschen auch.

    Falls nun der Gesetzgeber nur die Majestätsbeleidigung ausländischer Staats-Chefs, nicht aber die des Bundespräsidenten abschaffen sollte, würde das nach meinem Dafürhalten auf erschreckende Weise zeigen, dass man eigentlich gar nichts verstanden hat und geistig noch immer im Hochabsolutismus lebt.

    Warum schlagen Sie eigentlich so einen doch etwas gereizten Ton gegen mich an, falls die Frage gestattet ist?

  72. @LLLU:
    Die Sklaverei ist nicht demokratisch zustande gekommen, weil die späteren Sklaven bei der entsprechenden Abstimmung nicht mit abstimmen durften. Selbiges gilt für die Benachteiligung der Frau, sofern sie in Staaten ga/ilt, in denen Frauen nicht wahlberechtigt sind oder waren. Soll nicht heißen, dass demokratisch legitimierte Gesetze nicht Unsinn sein können, aber das Tolle ist: wenn sie Ihnen nicht gefallen, können Sie sie ändern.
    „Kritik am Staate steht Dir zu, doch denk daran, der Staat bist DU.“
    Unsinn allein ist kein Grund, ein Gesetz zu brechen.

    @Holger Hembach: Tatsachenbehauptungen und Beleidigungen sind schon zwei paar Schuhe.

  73. @LLLU:
    Die Sklaverei ist nicht demokratisch zustande gekommen, weil die späteren Sklaven bei der entsprechenden Abstimmung nicht mit abstimmen durften. Selbiges gilt für die Benachteiligung der Frau, sofern sie in Staaten ga/ilt, in denen Frauen nicht wahlberechtigt sind oder waren. Soll nicht heißen, dass demokratisch legitimierte Gesetze nicht Unsinn sein können, aber das Tolle ist: wenn sie Ihnen nicht gefallen, können Sie sie ändern.
    „Kritik am Staate steht Dir zu, doch denk daran, der Staat bist DU.“
    Unsinn allein ist kein Grund, ein Gesetz zu brechen.

    @Holger Hembach: Tatsachenbehauptungen und Beleidigungen sind schon zwei paar Schuhe.

  74. @ Mycroft:

    Selbst wenn man die Sklaven mit abstimmen ließe, sie aber eine Minderheit sind, könnte die Sklaverei demokratisch legitimiert werden. Aber es geht mir ja nicht um Einzelbeispiele, sondern um die unbestreitbare Tatsache, dass Demokratie nicht vor (großem) Unrecht schützen muss.

    „Kritik am Staate steht Dir zu, doch denk daran, der Staat bist DU.“

    Eben nicht. Sonst würde meine Ehre ja genauso gut geschützt werden wie die meines (Staats)dieners, des Bundespräsidenten, oder wie die der Diener anderer Staaten. Entweder erweist sich die Wahrheit von Sätzen wie dem, den Sie zitieren, in der ganz konkreten Rechtslage, oder solche Sätze sind Floskeln. (Und wenn ich hier den Spruch aufgreifend in der ersten Person gesprochen habe, so meine ich natürlich auch alle anderen Bürger.)

    „Unsinn allein ist kein Grund, ein Gesetz zu brechen.“

    Darum geht es auch nicht. Ich habe zig mal dargelegt, wieso ich das entsprechende Gesetz nicht allein für Unsinn halte, sondern für unrechtsstaatlich. Um ein drastisches und von mir aus sehr hypothetisches Beispiel zu machen: Wenn morgen beschlossen würde, dass Straftaten gegen Weiße in Deutschland härter bestraft würden als die gegen Schwarze, dann wäre das nicht „Unsinn“, sondern Unrecht in schwerster Form. Denn das verstieße gegen das Prinzip, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Nicht anders sieht es mit der Ungleichbehandlung von Majestäten, Präsidenten und Diktatoren einerseits und „einfachen Bürgern“ andererseits aus.

  75. Wobei, um das noch einmal zu wiederholen, die Bundesregierung ihre Ermächtigung im Fall Böhmermann-Erdogan auch formal vollkommen RECHTSKONFORM hätte verweigern können. Dazu hätte sie überhaupt kein Gesetz brechen müssen. Und die Justiz hätte den Fall dennoch untersucht.

  76. @LLLU:
    Mein Argument weiter oben war, dass die Ehre Erdogans zwar dieselbe wie Ihre oder meine ist, dass es aber im Einzelfall sein kann, dass sich Menschen die Ehre Erdogans zu eigen machen, was bei Ihnen oder mir zumindest nicht in diesem Ausmaß passieren wird. Ich möchte hinzufügen, nicht wenige Türken tun dies auch, so dass dieser Einzelfall eingetreten ist. Das könnte man auch mit anders als der „Majestätsbeleidigung“ behandeln, die ja auch Regierungschefs u.ä. nicht erfasst, wie sie richtigerweise einwandten, insofern ist das Gesetz in der Form bescheuert, aber noch lange nicht in der Liga dessen, was die Nazis an die Macht spülte.
    Ja, demokratische Entscheidungen können übles Unrecht sein. Demokratische Entscheidungen können auch einfach nur Unsinn sein. Ihre Beispiele mit der Sklaverei und der Ungleichbehandlung von Frauen halte ich so oder so nicht für Beispiele _demokratischer_ Fehlentscheidungen. Das Beispiel mit dem Ermächtigungsgesetz lasse ich insofern gelten, allerdings war das Ermächtigungsgesetz (Parlament macht dem Bock zum Gärtner) deutlich schlimmer als dieses „Majestätsbeleidigungsgesetz“ (Parlament gibt dem Bock im Nachbargarten ein Zuckerli). Das halte ich nicht für unrechtsstaatlich, höchstens für überflüssig (Staatsaffären könnte man auch anderweitig verbieten). Nur muss man es meinetwegen nicht abschaffen; dass es noch existiert, ist also nicht meine Schuld, sondern eher Ihre.

  77. Ergänzend: Hitlers Ermächtigungsgesetz war auch eher semidemokratisch zustande gekommen. Angehörige der KPD-Fraktion waren verhaftet (soviel zur diplomatischen Immunität) oder auf der Flucht, diverse SPD-Abgeordnete dito, einige vom Zentrum waren unter Druck gesetzt worden, SA-Leute waren illegalerweise im Sitzungssaal aufmarschiert, und die Geschäftsordnung im Reichstag wurde geändert, damit über das Ermächtigungsgesetz trotz der vielen unentschuldigt fehlenden abgestimmt werden konnten.
    Was die „Majestätsbeleidigung“ betrifft, ist sie meiner Kenntnis nach nicht unter dem besonderen Druck Erdogans zustande gekommen.

  78. @LLLU:

    Vielen Dank für die Klärung, absolut akzeptable Haltung für mich.

    Ich habe den Eindruck, derzeit propagieren einige die Vorsintflutlichkeit des Majestätenschutzes nur in der einen Angelegenheit. Diesen Eindruck hatte ich zu unrecht auch bei Ihnen, jener zitierte Satz war mir entgangen.

    „Warum schlagen Sie eigentlich so einen doch etwas gereizten Ton gegen mich an, falls die Frage gestattet ist?“

    Ich dachte fälschlicherweise, ich hätte Ihre vorherigen Beiträge sorgfältig gelesen und diesen klarstellenden Satz nicht gefunden. Schon hatte ich Sie in der falschen Schublade … ich bitte um Verzeihung.

  79. @ SYMBOLTROLL:

    Danke für den Kommentar. Alles klar; ich ärgere mich selbst enorm über diese Art der Doppelmoral, die Sie beklagen.
    Wobei ich mich in einer Sache sogar korrigieren muss; nicht allein der Bundespräsident steht unter besonderem Schutz, sondern auch die restlichen deutschen Politiker. Es gibt also viele Majestäten, auch in Deutschland selbst. Mir war nämlich ganz der grandiose § 188 StGB entfallen gewesen.

    Wenn etwa Herr Höcke Sie beleidigen sollte, ist keine erhöhte Mindeststrafe vorgesehen, und die Höchststrafe liegt bei einem Jahr; wenn hingegen Sie ihn beleidigen sollten, kann die Mindeststrafe bei 3 resp. 6 Monaten liegen und bis zu 5 Jahren reichen. (Gilt jedenfalls, wenn man Herrn Höcke als „eine im politischen Leben des Volkes stehende Person“ anerkennt, was er ja sein dürfte, auch wenn er kein Spitzenpolitiker ist.) Die Politiker sind damit, jedenfalls was das Strafmaß angeht, vor Überschreitungen legitimer Kritik besser geschützt als die normalen Bürger. Eine Glanzleistung für die Demokratie, in neben der allgemeinen Gleichbehandlung ja auch die Möglichkeit zur Kritik an Politikern von besonderer Bedeutung ist. Dazu fällt mir dann auch nichts mehr ein. (Die Linke immerhin will auch dies und auch die Sonderbehandlung des deutschen Staatsoberhauptes abschaffe; traurig, dass nicht alle Parteien das wollen.)

    @ Mycroft:

    Sie können auch die (erste) Wahl von Hitler nehmen – die zumindest war demokratisch. Oder die Verfolgung männlicher Homosexueller. Die Verschärfung des Paragrafen wurde zwar von den Nazis durchgeführt, aber das Gesetz wurde so in die BRD übernommen und sogar vom Bundesverfassungsgericht gebilligt. Mit etwas Recherche ließen sich zweifellos noch viele andere „demokratische“ Gesetze finden, die den Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie strikt entgegengesetzt sind.

    Dass das Majestätebeleidigungsgesetz (von den Folgen her) genau so schlimm ist wie das Ermächtigungsgesetz, habe ich nicht behaupten wollen; mir ging es nur um Ihre obige Aussage zum erstgenannten Gesetz: „Dieses Gesetz ist demokratisch zustande gekommen, insofern widerspricht es nicht Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“

    Da wollte ich eben mit Beispielen verdeutlichen, dass es so einfach nicht ist. Ein Gesetz kann demokratisch zustande gekommen sein, aber es ist womöglich dennoch unvereinbar mit Rechtsstaat und Demokratie; aber da sind wir uns ja offenbar auch einig.

    Von der Schwere her ordne ich die Majestäts- und Politikerbeleidigung so ein wie andere (hypothetische?) Gesetze, die bestimmen, dass die Verletzung der Menschenwürde von Person A weniger gravierend sein soll als die Verletzung der Menschenwürde von Person B. Das ist aus meiner Feder kein Kompliment.

    „…dass es [das Gesetz] noch existiert, ist also nicht meine Schuld, sondern eher Ihre.“

    Verstehe ich nicht. Inwiefern?

    „Mein Argument weiter oben war, dass die Ehre Erdogans zwar dieselbe wie Ihre oder meine ist, dass es aber im Einzelfall sein kann, dass sich Menschen die Ehre Erdogans zu eigen machen, was bei Ihnen oder mir zumindest nicht in diesem Ausmaß passieren wird. Ich möchte hinzufügen, nicht wenige Türken tun dies auch, so dass dieser Einzelfall eingetreten ist.“

    Das mag ja sein; aber es gibt offenbar beispielsweise auch viele Leute, die sich die Ehre von Böhmermann zueigen machen und sie – ob zurecht oder nicht – durch Erdogan und Merkel bedroht sehen. Und viele identifizieren sich auch mit abstrakten Prinzipien und fühlen sich in ihren Menschenrechten herabgewürdigt, wenn solche Prinzipien (wie z.B. Meinungs- und Kunstfreiheit) ihrer Ansicht nach verletzt werden.

    Oder seinerzeit haben sich im Westen viele mit Salman Rushdie und seinem Recht auf Leben identifiziert. Sicher mehr als mit der Ehre von Ajatollah Chomeini. Die Iraner haben sich allerdings vermutlich mehr mit dem Ajatollah identifiziert. Wenn jetzt beide beleidigt worden wären, Rushdie und der Ajatollah: Wessen Ehre soll dann eher geschützt werden?

    Oder heute solidarisieren sich vielleicht viele mit einem saudi-arabischen Blogger und seinem Recht auf Freiheit, körperliche Unversehrtheit und Leben. Und manche solidarisieren sich mit türkischen Journalisten und ihrem Recht, ihren Präsidenten kritisieren zu dürfen. Sollen die mehr oder weniger zählen als die Anhänger Erdogans?

    Dass (viele) Menschen sich sich mit Personen identifizieren, deren Rechte (vermeintlich oder tatsächlich) verletzt werden, dürfte außer Zweifel stehen. Das könnte aber ohnehin auch nicht der einzige Maßstab sein, sondern man müsste auch abwägen, wie begründet diese Solidarität ist. Und es ist nicht einzusehen, wieso die Solidarität mit einem Autokraten, der Andersdenkende verfolgt und mal in einer Satire beleidigt wird, weniger zählen sollte als die Identifikation mit einem Menschenrechtler, der zu Unrecht umgebracht wird.

    Und wie sollte man das alles berücksichtigen und abwägen? Wenn 80% der Türken sich durch die Beleidigung von Erdogan betroffen fühlen würden, soll man die Beleidigung dann härter bestrafen als wenn es nur 50% sind? Und wenn 30% der Chinesen sich betroffen fühlen wegen einer Beleidigung ihres Präsidenten (oder ihres Premierministers, wofür es ja aber keinen Extra-Paragrafen gibt!!), soll man so eine Beleidigung dann härter bestrafen als die Beleidigung von Erdogan? 30% der Chinesen machen zwar einen kleineren Prozentsatz aus als 80% oder 50% der Türken, aber in absoluten Zahlen sind es dennoch mehr (weil es eben viel mehr Chinesen als Türken gibt).
    Und soll man den saudischen Botschafter eher wegen eines Bloggers einbestellen, mit dem sich viele solidarisieren als wegen eines Kritikers, der gleichermaßen schlecht behandelt wird, aber weniger bekannt ist, und dessen Menschenwürde sich daher weniger Leute „zueigen gemacht“ haben? Ist der eine schutzwürdiger als der andere?

    Ja überhaupt: Wenn ein beliebter deutscher Sänger beleidigt wird, über dessen Beleidigung sich Millionen Fans ärgern, soll das dann härter bestraft werden als die Beleidigung eines Normalbürgers? Dessen Ehre machen sich ja immerhin mehr Menschen zueigen, wie Sie es formulieren. Soll die Prominenz und Beliebtheit von Menschen darüber entscheiden, wie gut ihre Rechte geschützt werden?

    Und wenn man bei der Beleidigung mit zweierlei Maß misst, wieso dann nicht z.B. auch bei Körperverletzung oder Diebstahl (oder anderen Straftaten)?

    Wäre es nicht vielleicht aus prinzipiellen wie pragmatischen Erwägungen heraus doch besser, wenn man es dabei beließe, sich beim Vorliegen einer Beleidigung im Wesentlichen auf den Schutz der Ehre desjenigen zu beschränken, der tatsächlich beleidigt wurde? Wie wäre es, einfach die Tat selbst zu bestrafen und nicht die Reaktion Dritter auf diese Tat? Hat der Beschuldigte sich tatsächlich ins Unrecht gesetzt und wird für seine Tat verurteilt, dann können diejenigen, die sich mit dem Opfer identifizieren, dies ja auch so als Genugtuung erleben.

  80. @LLLU:
    Die Weimarer Republik war offenbar eine sehr fehleranfällige Demokratie. Die Anti-Homosexuellen-Paragraphen jedenfalls sind aber auch wieder auf demokratischen Wege abgeschafft worden, das sollte bei der „Majestätsbeleidigung“ dann auch möglich sein. Meinetwegen könnte man das aber auch erweitern. Wenn hinreichend viele Menschen es glaubhaft machen, dass sie sich mit ihrem künstlerischen Idol oder Regierungschef stärker identifizieren als mit ihrem Staatsoberhaupt, warum nicht. Oder Fußballverein, was da an Aggressionen aufgebaut wird, braucht eigentlich kein Mensch. Oder man erhöht das mögliche Strafmaß auch bei „normalen“ Menschen. Ich bin eigentlich der Meinung, dass es einen weitgehenden Konsens gibt, was als Beleidigung gilt, und das man sich in Fällen, die in der Grauzone liegen, nötigenfalls auch entschuldigen könnte; insofern fühle ich mich fähig, Staatsoberhäupter so zu kritisieren, dass diese Kritik keine Beleidigung darstellt. Genau wie bei anderen Menschen auch.
    Der Punkt ist, da mich dieser konkrete Paragraph so rein gar nicht einschränkt, fühle ich mich auch nicht in der Pflicht, dessen Abschaffung zu betreiben.
    Da Sie das offenbar anders sehen, nur zu. Oder vllt. sind Sie politisch aktiv und betreiben bereits dessen Abschaffung, in diesem Fall betrachten Sie die letzte Bemerkung bitte als gegenstandslos.

  81. @ 100, Mycroft:

    Dass man Beleidigungen (sofern sie nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind) generell etwas härter bestraft, natürlich immer unter Berücksichtigung aller Umstände, hielte ich für vertretbar.

    „Der Punkt ist, da mich dieser konkrete Paragraph so rein gar nicht einschränkt, fühle ich mich auch nicht in der Pflicht, dessen Abschaffung zu betreiben.“

    Das sehe ich persönlich jetzt nicht als so überzeugendes Argument an.
    Beispielsweise will ich weder Männer noch Frauen beleidigen. Beide darf ich kritisieren. Trotzdem fände ich ein Gesetz, nach dem die Ehre von Männern und Frauen unterschiedlich geschützt ist, alles andere als hinnehmbar. Und das, obwohl es mich überhaupt nicht einschränken würde.

    Nach meiner Auffassung besitzen alle Menschen die gleiche Würde. Deshalb finde ich auch Art. 3 (1) GG berechtigt und meine, dass er etwas sehr Wichtiges sagt, wenn er vorschreibt:
    „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

    Aber gut, offenbar kann man das auch ganz anders sehen, wie Ihr Beispiel zeigt, und auch das ist zu respektieren. So halten Sie es ja, wenn ich Sie richtig verstehe, auch für vertretbar, dass ein Beleidigen eines Promis mit vielen Fans anders geahndet wird als das eines Normalos, weil sich ja mehr Leute mit dem Promi identifizieren. Das wird Dieter Bohlen freuen.

    Ansonsten: Nach meiner Erfahrung kann man nur dann ein Gesetz ändern, wenn es eine gewisse Lobby gibt. Als einzelner Mensch scheint man auch mit guten Argumenten nichts ausrichten zu können. Vielleicht gibt es jetzt ja mehr Lobby, jedenfalls in dieser Sache.

  82. @LLLU:
    Gleichstellungsbeauftragte z.B. können nur Frauen werden. Logischerweise sollte man sie dann Frauenbeauftragte nennen, aber näh.

    Ich meinte jetzt auch nicht Sie im Alleingang, aber Sie könnten sich parteipolitisch engagieren, Unterschriften sammeln, Demos organisieren und dergleichen mehr.
    Natürlich muss man viele Leute für eine Gesetzesänderung finden, weil man in einer Demokratie eine Mehrheit braucht.

    Aber jetzt hat die Kanzlerin ja gesagt, sie wolle das Gesetz nächstens ändern. Tolle Sache, so Demokratie.

  83. Für so einen Dauerbrenner ist eure Diskussion gar nicht so uninteressant, das ist mir erst verspätet aufgefallen. Ich mag Diskussionen, bei denen man am Ende ratlos zurückbleibt, weil beide Seiten gute Argumente eingebracht haben.

    Dazu nur meine folgenden subjektiven Anmerkungen:
    -Dass jedes verfahrenstechnisch demokratisch zustandegekommene Gesetz zwangsläufig koscher und erhaben sein muss … können alle Nicht-Esoteriker ausschließen, oder?
    – Ob das fragliche Gesetz demokratisch zustande kam, ist unerheblich, wenn es seit 60+ Jahren durch Nichtstreichung, Anwendung und Übernahme in neu editierte Gesetzeslisten legitimiert wurde
    – Prügel auf den Gärtner ein, wenn du Gärten hasst: Neben der Majestätsbeleidigung gibt es die Stellvertreterbeleidigung (z.B. Papst-Christen). Da sollte es aus meiner Sicht eine justiziable Zwischenstufe geben zwischen individuellem Beleidigungsrecht und Volksverhetzungsparagraphen. Die sinnvoll und zielführend zu gestalten, wäre mal eine schöne Arbeitsgruppenaufgabe für alpha-Juristen in Chefrunden. Ganz ohne solche Paragraphen möchte ich mir nämlich sowohl das Gekeife der Radikalen von der Strasse wie auch manche Titelblätter von bestimmten E-Spitzen lieber nicht vorstellen.

    Ach übrigens: So weit ich das sehe, sitzen heute die wahren Majestäten in den Vorstandsetagen. Egal ob als Mitarbeiter oder Aussenstehender: Wenn Sie auf die Idee kommen, eine dieser Eminenzen im Böhmermannstil zu dissen, kommen Sie juristisch und arbeitsrechtlich sehr schnell in wesentlich größere Bedrängnis. Da wurde über die pekuniäre Dimension ein viel tiefgreifenderes Eminenzenprivileg etabliert.

    Eine Frau Siems oder Höhler sehen ja Ihre alpha-männchen in den Banken-Chefrunden bei geringster Kritik immer (ernsthaft&explizit formuliert) schnell ähnlich übel verfolgt wie die Opfer des deutschen Naziregimes und scheuen dabei nicht vor Vergleichen mit der Judenausrottung zurück.

  84. „Gleichstellungsbeauftragte z.B. können nur Frauen werden“

    Echt? Das ist gesetzlich geregelt? Wusste ich nicht.
    Gilt das auch anders herum? Dann weiss ich jetzt, wieso ich immer abgeblitzt bin, wenn ich mit männlichen Kollegen versuchte, die Installation einer Männerbeauftragten durchzusetzen, in Unternehmen mit 80% Frauenanteil und weiblicher Geschäfstführung.

  85. @Symboltroll: „Wahlberechtigt und wählbar sind die weiblichen Beschäftigten der Dienststelle.“ Quelle:
    http://www.gesetze-im-internet.de/bgleig_2015/BJNR064300015.html#BJNR064300015BJNG000500000

    Was meinen Sie mit „anders herum“? Ungleichstellungsbeauftragte könnten nur Männer sein? Das wäre doch sexistisch.

    „Koscher und Erhaben“ hat hier auch keiner behauptet.*g*g Aber es werden ständig Gesetze erlassen, geändert oder gestrichen, und es kann nicht so schwer sein, eine Lobby zu bilden. Wenn Böhmermann in seinem tucholkischen Idealismus dieses eine Gesetz so sehr hasst, hätte er da auch anders gegen vorgehen können.
    Ich habe den Verdacht, er kannte es gar nicht.

  86. @ 104 und 105:

    Zitat aus dem Gesetz:

    „Wahlberechtigt und wählbar sind die weiblichen Beschäftigten der Dienststelle.“

    Mit Diskriminierung gegen Diskriminierung. Ob das mal eine gute Idee ist? Man kann‘s bezweifeln:
    http://www.zeit.de/2011/22/Ortstermin-Goslar/komplettansicht

    Wenn ich mir all die Gesetze ansehe, die hier erwähnt wurden, dann frage ich mich, ob es vielleicht sinnvoll wäre, wenn Politik und Gesellschaft sich mal ganz grundsätzlich die Frage stellen würden, was „Gleichberechtigung“ eigentlich bedeutet. So offensichtlich, wie man meinen würde, scheint das ja dann doch nicht zu sein.

    Im Moment scheint die Antwort der Politik wohl so zu lauten:
    „Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet, das bestimmte Gruppen von Personen (wie z.B. Politiker, ausländische Staatsoberhäupter und Frauen) vom Gesetz nicht benachteiligt werden.“

  87. Einen guten Seiteneffekt möchte ich erwähnen: es hat einiges an Berichterstattung zur Satire in der Türkei und Fakten aus dem Alltag zur dort stattfindenden Zensur hochgespült, was sonst nicht in meiner Wahrnehmung angekommen wäre.

  88. Sorry, aber das Herunterspielen der Angelegenheit durch Herrn Niggemeier klingt ein wenig nach Eifersucht. Niggemeier hält sich für zehnmal intelligenter als den ollen Clown Böhmermann und ärgert sich, dass seine seitenlangen Traktate kaum Resonanz finden, während Böhmi einfach nur im exakt richtigen Moment „Ziegenficker“ sagt und wochenlang Thema Nummer 1 ist. Verdienterweise – nicht wegen dem bewusst an Blödheit nicht zu überbietenden Gedicht, sondern weil alle das von Jan geworfene Stöckchen brav apportiert haben – Erdogan durch sein Schäumen, Merkel durch ihr Einknicken und ihren Verrat an Grundwerten, sich überlegen fühlende Intellektuelle im Aufmerksamkeitsbusiness durch ihre gekränkte Eitelkeit. Besser geht Satire nicht.

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