„Goldige Miniprinzessin“

Glücklicherweise passieren „Bunte“ Fehler äußerst selten

Es waren bange Stunden in der „Bunte“-Redaktion. Chefredakteur Robert Pölzer und Redakteurin Sandra Schmidt saßen am rosa ausgekleideten Newsdesk für Baby Sussex und warteten atemlos auf Nachrichten aus England. Sie hatten das Geburts-Special schon vorbereitet, mit Namensvorschlägen, Mode-Ideen für die kleine Herzogin, einem Interview mit einer Psychologin über die besondere Beziehung von Prinzen zu ihren Töchtern.

Abwechselnd hielten sie die Nächte hindurch Wache am Ticker der Nachrichtenagenturen. Pölzer wich seiner Adels-Redakteurin in den schweren Stunden nicht eine Sekunde von der Seite, und die Yoga-Redakteurin hielt unermüdlich ihre Hand. Sie führte die übermüdeten „Bunte“-Journalistinnen und -Journalisten immer wieder hinaus in den kleinen Privatgarten, der zum Burda-Komplex gehört, damit sie frische Luft tanken und entspannen. So ließen es Palast-Verlagsquellen durchsickern.

Dann, endlich, kam die Nachricht, auf die sie alle gewartet hatten. Aber sie war ein Schock: „It’s a BOY!“ Mit einer schnellen Mausbewegung löschte Pölzer, nun kreidebleich, die vorbereiteten Seiten im System, die die Ankunft einer „goldigen Miniprinzessin“ feierten. Sandra Schmidt entband mit der Hilfe zweier Kolleginnen einen Artikel über den unerwartet männlichen royalen Nachwuchs, dann sackte sie schluchzend in einem Berg aus rosafarbenem Tüll zusammen.

Es wird ein Mädchen

Sie waren sich so sicher gewesen! Am 24. Januar 2019 hatte die „Bunte“ getitelt: „Es wird ein Mädchen“. Eine Freundin des Paares habe sich „verplappert“ und „geheime Details“ verraten.

Im Inneren hieß es:

Harrys Herzenswunsch geht in Erfüllung: ES WIRD EIN MÄDCHEN!

(…) Meghan und Harry, so heißt es aus dem Palast, wollten das Geschlecht ihres Kindes nicht vorab wissen. Jedoch unterzog sich die Herzogin, die aufgrund ihres Alters als risikoschwanger gilt, schon vor Monaten einem sogenannten nicht-invasiven Pränataltest (NIPT), bei dem ihr Blut auf mögliche Erbkrankheiten des ungeborenen Kindes untersucht wurde. Dabei wurde auch das Geschlecht ermittelt. Weil sich jemand aus dem Umfeld des Paares verplappert hat, sprach sich das supersüße Ergebnis unter der Hand herum: Baby Sussex ist weiblich. Es wird im neuen Heim ein kuscheliges Mädchenzimmer bekommen…

Am Montag zeigte sich, dass das Verplappern nur Geplapper war. Der Palast gab die Geburt eines Sohnes bekannt, und die „Bunte“-Redaktion produzierte schnell sechs Sonderseiten. „Die ersten Fotos“ kündigte sie auf dem Titel an, hatte aber kein einziges vom Neugeborenen: Der erste Fototermin fand erst nach Redaktionsschluss statt.

Mühsam füllte die Redaktion die Seiten mit alten Fotos, längst Bekanntem, mutmaßlich frei erfundenen Details sowie naheliegenden Behauptungen, die schon beim Erscheinen des Heftes widerlegt waren („Sein klangvoller Titel: Earl of Dumbarton“). Nur für irgendeine Erklärung dafür, dass man im Januar noch eine „goldige Miniprinzessin“ angekündigt hatte, fehlte jeder Platz.

Wir haben bei „Bunte“ nachgefragt, wie es zu dem Fehler kommen konnte, ob es nicht Ausdruck fairer Berichterstattung wäre, ihn zu thematisieren, und ob die Zeitschrift plant, in irgendeiner Weise damit umzugehen. Die Antwort von „Bunte“:

Die Berichterstattung in „Bunte“ Heft 5/2019, die besagte, dass das Kind von Meghan und Harry ein Mädchen sein würde, beruhte auf Hinweisen eines Bunte-Informanten. Dieser Informant diente Bunte bisher stets als zuverlässige Quelle. In diesem Falle offensichtlich nicht. Glücklicherweise sind solche Fälle in der Berichterstattung von „Bunte“ äußerst selten. Im Übrigen erübrigt es sich, den Leser auf den Fehler hinzuweisen, da es sich ja unmissverständlich bei dem Baby um einen Jungen handelt.

Aufschlussreicher als die Fehler, die Medien machen, ist ja oft die Art, wie sie hinterher damit umgehen.

9 Kommentare

  1. Der Chef muss jetzt 100mal schreiben:
    „Münzwürfe/Würfel sind keine verlässliche journalistische Methode!“

  2. wie schön und bequem, dass sich die infamen Lügner und Heuchler der BUNTE immer auf irgend welche ominösen „Informanten“ herausreden können, und die „Verantwortlichen“ nie Verantwortung für ihre Leserverarsche übernehmen müssen. So können sie ewig weitermachen und ihren Blödsinn in die Welt blasen.

  3. „Glücklicherweise sind solche Fälle in der Berichterstattung von „Bunte“ äußerst selten.“
    Sich in’ner Stellungnahme selbst gute Arbeit attestieren. Na, wenn’s kein anderer macht, wa?

    „Im Übrigen erübrigt es sich, den Leser auf den Fehler hinzuweisen, da es sich ja unmissverständlich bei dem Baby um einen Jungen handelt.“
    Es erübrigt sich darauf hinzuweisen, dass die Bunte lügt. Weiß eh jeder. So interpretiere ich das mal.

  4. Ich dachte diese Website will unseriösen Journalismus aufdecken. Die Bunte ist aber nicht Journalismus, sondern Verarsche für Leute, die verarscht werden wollen. Sie sollten endlich dazu übergehen, mal danach zu recherchieren, was das für Menschen sind, die sich wöchentlich gerne verarschen lassen wollen.

  5. 77,9 Prozent der Leser haben Haupt- oder Realschulabschluss, trotzdem verdienen 63,9 Prozent mehr als 2.000 Euro netto, 36,6 Prozent davon gar mehr als 3.000 Euro netto. Klingt glaubwürdig – und nicht, als ob man die Werbewirtschaft beeindrucken möchte …

  6. Die Mediadaten sind dazu da, dem Werbekunden einen Überberlick über die zu erwartende demografische Verteilung des Mediums und somit auch der Anzeige zu geben (damit der Werbekunde den zu erwartenden Werbeerfolg in der eigenen Zielgruppe abschätzen kann). Ob sich „die Werbewirtschaft“ davon beeindrucken lässt, liegt wohl an jedem Werbekunden individuell sowie an den Zahlen selbst.

    Und dann gibt es natürlich noch Julian Reichelt, der es mit so offiziellen Kennziffern wie „Auflage“ nicht so ganz genau nimmt, weshalb man als Werbekunde bei Springer nie wirklich weiß, wie erfolgreich die Werbung in den Blättern tatsächlich ist.
    https://bildblog.de/106477/julian-reichelts-auflagen-maerchen/
    Ich sag ja immer: Lügen hat nichts mit Marketing zu tun. Und es schadet gerade bei Traditionsmarken dem langsfristigen Kundenvertrauen.

  7. „Ob sich „die Werbewirtschaft“ davon beeindrucken lässt, liegt wohl an jedem Werbekunden individuell sowie an den Zahlen selbst.“

    Ja, und genau diese Zahlen habe ich mit einem Augenzwinkern kommentiert. Die „Werbewirtschaft“, definiert als Gesamtheit der Werbung treibenden Einrichtungen und Unternehmen, finden Sie jetzt problematisch, weil?

  8. Ich finde wenig so unwichtig wie, dass die Öffentlichkeit über Harry und Meghan und deren Abkömmlinge unterrichtet wird . Das Geschlecht eines jeden Menschen sollte uns doch eigentlich erstmal egal sein. Deswegen ist mir auch aufgeregte Meta-Berichterstattung extrem suspekt. Die Klientel der Bunten (die sich für Stories hergibt) ist meines Erachtens eine, die sehr genau weiß, was sie tut. Prominente in Deutschland, die nicht wollen, dass über sie berichtet wird, können das verhindern, siehe Menschen wie Harald Schmidt, Jan Böhmermann oder Stefan Raab (ist es Zufall, dass das nur Männer sind).

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.