Wochenschau (5)

Darüber wird man doch wohl noch nicht lachen dürfen!

Ich weiß, ich bin etwas late to the party, aber ich hatte schon immer ein miserables Timing. Deswegen arbeite ich als Schauspielerin und nicht als Comedian. Allerdings fallen die mittlerweile auch durch eine gewisse Rückschrittlichkeit auf. Außerdem war am Wochenende der Deutsche Comedy-Preis.

Am Samstag davor startete auf RTL eine Sendung, die den Titel „Darf er das?“ trägt. „Er“, das ist der Moderator der Sendung, der Stand-Upper und Deutscher-Comedypreis-Nominierte Chris Tall, der uns quirlig mit folgendem Statement begrüßt:

„In dieser Show darf ich alles machen. Es gibt keine Grenzen. Wir sprengen teilweise Grenzen. Manchmal zeige ich sie nur auf. Wir spielen später das ‚Vorurteils-Quiz‘. Das ist genau wie es klingt. Ihr werdet später denken: Uiuiuiuiui, dürfen die das? Da kann ich jetzt schon sagen: Nein. Deswegen machen wir es ja.“

Der Ton der Sendung ist gesetzt, es geht um Tabubrüche, Sprechverbote und Absolutionen. Worüber man angeblich nicht sprechen kann, darüber macht man Witze.

Nach einem Beitrag, wie Chris Tall einen Tag lang in einem Rollstuhl sitzend mit einem Rollstuhlfahrer verbracht hat („Du hast mir gezeigt, dass es geht…also, ja, haha, geht.“), kommen wir zum besagten „Vorurteils-Quiz“. Kandidaten stehen auf einer rotierenden Scheibe. Chris Tall sowie seine beiden Gäste müssen anhand des Aussehens der Teilnehmer erraten, ob sie einem Vorurteil entsprechen oder nicht. Könnte der junger Mann mit einer Frisur homo- oder heterosexuell sein, ist ein anderer Mann mit keiner Frisur Hartz-4-Empfänger oder Unternehmer, handelt es sich bei einem vollschlanken Mädchen um „eine Dicke oder Schwangere“.

Nachdem ein Bild aus dem Trailer dieses Ratespiels viral ging und berechtigterweise öffentlich kritisiert wurde, hatte RTL beschlossen, die betreffende Szene aus der ausgestrahlten Version herauszuschneiden. Wir können folglich also nur noch mutmaßen wie die TeilnehmerInnen und die Ratenden diese Situation selbst wahrgenommen haben. Man kann sich jedoch im Netz noch das Original dieser Vorurteilspräsentation anschauen, und wenn Chris Talls Version nur ansatzweise so unangenehm und cringy ist wie diese, dann war das für alle Beteiligten seiner Show auf jeden Fall keine leicht verdiente Gage.

Das Vorurteils-Quiz wurde von der niederländischen Unterhaltungsshow „Neem Je Zwemspullen Mee“ (Nimm deinen Badeanzug mit) adaptiert. Hier raten zwei Männerteams gegeneinander, ob sich ihre Vorurteile gegenüber Frauen bewahrheiten, die auf einem rotierenden Plateau zur Schau gestellt werden. Hierbei wird zum einen ergründet, ob eine der Frauen dik of zwanger (dick oder schwanger) ist, zum anderen geht es um natürliche versus operierte Brüste.

Schon beim flüchtigen Nachdenken über die Inszenierungsweise dieses Spiels wird klar, dass das Konzept nur Verlierer produzieren kann. Alles an ihm ist so behaglich und unterhaltsam wie ein zu enger Pullover aus Stahlwolle. Für die exponierten Frauen ist es eine Demütigung auf Kosten ihres Aussehens. Ihre Körper werden im Stil der Völkerschauen einstiger Weltausstellungen auf platteste Weise objektifiziert. Und die Ratenden geben sich in einer traurigen Selbsterniedrigung für einen Ugah-Ugah-Humor her, der schon in Steinzeithöhlen wenig witzig war.

Wir haben es hier nicht nur mit pubertärer Männlichkeit, sondern mit dem überforderten Lachen kulturell Stärkerer (straight white dudes) zu tun, die das Abwerten eines Frauenkörpers durch eine spaßgesellschaftliche Inszenierung mit bewusst benanntem Tabubruch versehentlich gesellschaftsfähig machen.

Es ist leicht, Kritikern dieser Einlage Humorlosigkeit vorzuwerfen. Offensichtlich haben wie es hier ja mit einem Witz zu tun, nicht mit einem Spiegelbild des systemischen Sexismus, der in eine breitere Kultur eingebettet ist; und wenn die junge Frau damit einverstanden ist, sich selbst für die Verkörperung eines Witzes herzugeben – und das ist ja wohl auch ein Kommentar zur allgemeinen Objektifizierung von Menschen durch unsere Spaß-Spektakel-TV-Kultur! Das ist ja alles nicht so ernst gemeint – ach, come on!

Sowohl die Macher der niederländischen Version als auch Chris Tall versuchten als Antwort auf die Kritik die künstlerische, komische Intention zu erklären, in der es selbstverständlich um mehr ging als nur um Jungs, die sich über dicke Mädchen lustig machen:

„The ‚Thick or pregnant?‘ shows how you can go into the fog if you judge someone on his or her appearance. In this round countless outward prejudices pass by, such as: is he a criminal or a businessman ?, is he a Dutchman or a German ?, etc. By placing it in this satirical setting, it is a way to laugh away all kinds of prejudices.“

Chris Tall schrieb total entsetzt auf Facebook:

„Ich bin immer noch schockiert, wie schnell sich Menschen eine Meinung bilden und etwas vor(ver)urteilen, BEVOR die Sendung lief und der Kontext verstanden werden konnte.“

Ja, echt schlimm, wenn Leute Vorurteile haben!

RTL wählte die beliebte „Es ist COMEDY!“-Erklärung:

„In der Show geht es um den Unsinn von Vorurteilen im Alltag, auf die Chris Tall hinweisen will. Er ist Comedian und spielt damit. Da es nun im Vorfeld schon zu Missverständnissen kommt, werden wir entsprechende Elemente aus der Sendung nehmen. Danke für den Hinweis.“

Wobei der Sender ein Jahr zuvor das niederländische Original noch lautstark kritisierte hatte:

„Statt zum Bockmist zu stehen, dem man nun einmal produziert hat, stellt sich der Sender hin und sagt, dass die Sendung ein satirischer Rahmen sei, um Vorurteile wegzulachen. Ich kann nur über so wenig Rückgrat lachen, wenn man Bodyshaming als Satire betrachtet, sollte man vorher doch noch mal das Wort ‚Satire‘ besser recherchieren. Jeder macht Fehler und man sollte auch dazu stehen, besonders wenn die Ausrede so miserabel ist.“

Worüber wird hier eigentlich gelacht?

Die entscheidende Frage ist: Worüber wird hier eigentlich gelacht? Über Frauenkörper und ihre unterschiedlichen Aggregatzustände? Über die Tumbheit des Mannes, der mit Frauen und Vorurteilen nicht erwachsen umgehen kann?

Das eine wäre ein sexistischer, oberflächlicher Übersprungshumor nervöser Jungs, kurz vor ihrer Geschlechtsreife, das andere ein demontierender Humor, der den einfältigen Komiker selbst zur Punchline macht; eine Technik, die der Stand-up-Comedian Louis C.K. bis zum Grad der schmerzhaften Ununterscheidbarkeit zwischen Bühnen- und Privatperson perfektioniert hat.

Doch selbst wenn Chris Tall sich und seine Vorurteile mit aufklärerischen Absichten zum Ziel seines eigenen Humors macht, konstruiert er mit seinem treuherzigen „Darf ich das?“ eine milde Form des „Das wird man ja wohl noch dürfen!“. Andere Karosserie, selbe Bauteile. Denn im Herzen dieser komisch gemeinten Ergründung steht die Lieblingsfrage aller durch soziale Umwälzungen verunsicherten, meist männlichen, meist weißen, meist heterosexuellen Gesellschaftsdetektive: „Was darf man denn heute denn überhaupt noch?!“ Übersetzt: „Wie steht es um meine Privilegien?“

Mit dem verlautbarten Versuch, die Grenzen von Tabus und Comedy mal wieder genauer ergründen zu wollen, erteilt Tall in seinem „Darf er das?“-Rahmen all denjenigen Absolution, die aufgrund von Herkunft, Ethnie oder Sozialisierung seiner Meinung sein könnten. Er präsentiert mit dieser Show also nicht nur das nach außen hin vermarktete: „Hey, ich bin der Clown, weil ich ernsthaft denke, man könnte jemandem sein Schwulsein ansehen, also könnt ihr euch über meine Vorurteile lustig machen“, sondern er vermittelt damit zugleich eben auch – als freundliche Identifikationsfigur von nebenan – das kumpelige: „Ihr seid nicht allein, im Grunde denken wir das doch alle.“

Auf die schiefe Metaebene geraten


Die Idee, eine Metaebene aufzumachen, indem die eigene Vorurteilsbeladenheit thematisiert und zum Thema des Spiels gemacht wird, geht nicht auf, weil sie das Problem reproduziert, das sie angeblich aufdecken möchte. Es hilft auch nicht, während des Spiels dessen Mechanik zu reflektieren, sie scheinbar dekonstruieren zu wollen, da die Spieler die eigenen Vorurteile zwar benennen, aber nicht wirklich hinterfragen, wenn sie diese als Entscheidungshilfe zur Beantwortung der Spielfrage nehmen.

Als es darum geht, die sexuelle Orientierung eines Teilnehmers zu erraten, konstatiert der Komiker Markus Krebs: „Er hat nicht diesen treuen Blick. Nee, das wäre viel zu offensichtlich schwul, der muss hetero sein“, tippt auf heterosexuell und liegt richtig.

Man fühlt dabei mit dem ebenfalls anwesenden Schauspieler Hendrik Duryn, der sich in seiner Unbehaglichkeit auf dem Barhocker windet, und sichtbar hilflos versucht, irgendwie integer zu bleiben, ohne der Spielverderber der Runde zu sein. Dabei hätten sich die Herren mit der einzig sinnvollen Antwort einigermaßen anständig aus der Affäre ziehen können: „Ich habe keine Ahnung, wie ein schwuler Mann aussieht.“

Dieser Akt zeigt also nicht, wie ein Clown mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten jongliert. Chris Talls Arbeit als Comedian spricht für ihn und die Menschen, die sich mit ihm identifizieren, aber nicht für die Menschen, über die er sich dann am Ende eben doch lustig macht.

Mit den Mitteln der Unterhaltung erweitert er die offenen Grenzen des Sagbaren und macht die Idee, dass man jemanden ansehen könne, ob er schwul ist, konsensfähig. Ja, „man darf das!“ jetzt also.

„Humor ist eine Weltanschauung“

Jede Comedy vermittelt eine Botschaft, unabhängig von der Intention des Comedians. Viele Witze scheinen die Zuschauer zu einem bloßen, unbekümmerten Lachen bringen zu wollen, ohne sozialer Kommentar zu sein, aber sie sind in dem, worüber gelacht wird, immer auch ein Hinterfragen oder Bestätigen von Werten. Man kann nicht nicht mit Witzen kommunizieren. Oder wie Wittgenstein es formulierte: „Humor ist keine Stimmung, sondern eine Weltanschauung.“

Der österreichisch-amerikanische Philosoph Alfred Stern hat in der „Philosophie des Lachens und Weinens“ (Philosophie du rire et des pleurs), die er 1949 im Exil in Paris schrieb, den Wirkungsmechanismus des Lachens als Herstellung und Sichtbarmachung von Ordnungssystemen betrachtet. Das Lachen, so Stern, geht oft mit einer Degradation sozialer, ethischer, ästhetischer Werte einher, macht damit aber gleichzeitig greifbar, was dort, wo gelacht wird, als Ordnungssystem anerkannt ist und welches Wertesystem als etabliert gilt.

Bringt einen die Möglichkeit, einen Heterosexuellen versehentlich als homosexuell bezeichnet zu haben, also doch noch zum Lachen, scheint das offenbar als etwas empfunden zu werden, dass degradierend ist. Das Kichern ist Ausdruck dafür, dass es da noch ein unsichtbare Grenze gibt, die verhindert, dass eine Gleichsetzung der sexuellen Orientierungen so selbstverständlich wie banal sein darf und eben dadurch uninteressant für die humoristische Arbeit. Und durch das kollektive Lachen wird diese Grenze weiter verstärkt.

Bei Alfred Stern ist zudem der Umstand relevant, dass jede Entwertung, die durch das Lachen erfolgt, rückgängig gemacht werden kann oder zumindest auf den Augenblick der Pointe beschränkt bleibt. Wäre es ein dauerhafter Zustand, könnte man nicht mehr darüber lachen, sondern müsste darüber weinen.

Eine bleibende Entwertung

Der entscheidende Punkt bei der komisch gemeinten Entwertung, die im Fernsehen erfolgt, ist jedoch, dass das Lachen hier eben nicht konsequenzlos ist. Da es sowohl gesellschaftspolitisch relevant und eine bleibende Versetzung des Sagbaren bleibt, als auch auf Individualebene demütigend und verletzend.

Durch das Lachen erfolgte eine Entwertung des Homosexuellen oder des übergewichtigen Menschens, die bleibt. Was im Ansatz eine aufschlussreiche Inszenierung hätte werden können, um Borniertheiten des Alltags zu entlarven, wird doch wieder nur zu einer als Aufklärung getarnten Häme und Kränkung.

Betrachtet man den Fernsehhumor etwas nüchterner, dann kommt man auch nicht umhin zu fragen, welche Rolle diese Art von Humorfachwerker in unserer Gesellschaft spielt; weshalb er gerade jetzt auftaucht und auf welche Weise er möglicherweise größere soziale Zusammenhänge reflektiert; inwieweit vielleicht gerade in einer politischen Welt, die selbst vielerorts zum Witz geworden ist, die Angst umgeht, dass das Recht verloren geht, andere degradieren zu dürfen.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Gesellschaft das Lachen benutzt, um auf indirekte Weise die Erhaltung des eigenen Wertesystems zu sichern, wie es Alfred Stern in seiner „Philosophie des Lachens und Weinens“ beschrieb, dann ist vielleicht auch das Nicht-Lachen als Katalysator eines globalen Wertewandels zu lesen. Wird normalerweise durch das Lachen jedes konkurrierenden Wertesystems degradiert, sollte vielleicht nun manchmal besser eine Lachlosigkeit an dessen Stelle treten.

Comedy als Ritual einer falschen Katharsis

Hier ist die Show „Nanette“ von Hannah Gadsby ein bemerkenswertes Beispiel, da es sich vermutlich um die erste Comedyshow handelt, die nicht möchte, dass die Zuschauer lachen.

Gadsby reflektiert in ihrem Programm Comedy als Ritual einer falschen Katharsis: Witze, erklärt sie, haben zwei Teile, eine Frage und eine Antwort, eine Prämisse und eine Pointe. Das Set-up baut Spannung auf, die Punchline gibt sie frei. „Das ist meine Aufgabe“, sagt sie dem Publikum. „Ich baue Spannung auf, dann bringe ich euch zum Lachen, und ihr seid dankbar für die Entspannung. Aber ICH habe euch angespannt fühlen lassen, es ist im Grunde ein sadistische Beziehung.“

Spannung und Auflösung sind die Dynamiken, die in ihrer Metashow die Flut und Ebbe des Erzählrhythmus bilden. Ihre wichtigste „Pointe“ ist jedoch schließlich, dass sie aufhören wird, Comedy zu machen, weil sie es leid ist, zweidimensionale Witze zu erzählen, die wegen der Spannung-Auflösungs-Dynamik auf Kosten der beschriebenen Menschen und ihrer komplexen Geschichten gehen müssen; eine Komplexitätsreduktion zu humoristischen Zwecken, die gerade in Bezug auf marginalisierte Gruppen, die in der Comedy oftmals thematisiert werden, wie Frauen, die LGBTQ-Community, Migranten, Missbrauchsopfer, destruktiv ist. Insgesamt ist Gadsbys Auftritt eine trickreiche, fingerfertige und bewegende Dekonstruktion dessen, was in heutiger Comedy, sowohl in den USA als auch in Deutschland, an inhaltlicher und technischer Aufarbeitung fehlt.

Ist es aus solch einer Perspektive nicht rigoros, die Frage nach dem „Darf man das?“ mit der Verweigerung der komischen Katharsis zu beantworten, damit einem letztlich das Lachen auch mal im Halse stecken bleibt? Entsteht nicht vielleicht gerade in der Frustration die Erkenntnis, dass man über den Umweg eines Anti-Humors den Irrsinn gesellschaftlicher Strukturen besser begreifen und ertragen kann? Eventuell ist es ganz gut, dass wir uns nicht im Sinne von Neil Postman bei jeder Gelegenheit „zu Tode amüsieren“.


Es ist ein unlösbares Dilemma, dass jegliche Kritik am Humor für Anderen immer schon moralisierend und humorlos wirkt. Das merken Sie ja in diesem Augenblick schon beim Lesen dieses Textes. Und schlimmer als unlustige Comedians sind natürlich nur humorlose Schauspielerinnen, die lang und breit Pointen erklären wollen und am Ende ihrer Kritik einen Flachwitz bringen, um selbst über die eigenen journalistischen Ungenauigkeiten hinwegzuschmunzeln. Vor allem sind dann die Leser auch immer verwirrt, wenn ein Satz anders endet als mein Kaninchen.

39 Kommentare

  1. Man könnte natürlich auch ganz schlicht unterstellen, dass einem voyeuristischen Comedyprogramm auf RTL gewisse kommerzielle Überlegungen zugrunde liegen. Und dass sich die Verantwortlichen einen Dreck um alles andere scheren.

  2. Ja, die Idee zu so einer Sendung ist schon beschissen. Und den Comdedian Chris Tall mag ich sowieso schonmal gar nicht.
    Aber aus welchem Grund stellen sich immer wieder irgendwelche Damen diesen Spielen zur Verfügung ? Ist sowas nur mit Geld oder 15 Minuten Ruhm zu erklären ? Ich meine, man wird denen doch vorher gesagt haben, was auf sie zukommt ?

  3. Dabei hätten sich die Herren mit der einzig sinnvollen Antwort einigermaßen anständig aus der Affäre ziehen können: „Ich habe keine Ahnung, wie ein schwuler Mann aussieht.“

    Ja, so wird die Sendung sicherlich ein Brüller. Demnächst dann: „Warum statt einer Folge Pastewka nicht einfach mal eine Dokumentation über das Standortverhalten des Laubenkäfers?“ Hätten die Herren wie oben geantwortet, hätten sie schlicht ihre Aufgabe und das Sendekonzept nicht verstanden.

    Ich habe die Sendung nicht gesehen, da ich diesen Humor nicht teile. Ich teile aber viele Arten von Humor nicht und dennoch käme ich im Traum nicht auf die Idee, eine davon abschaffen zu wollen. Es gibt wenig, was mir suspekter ist als Menschen, die anderen vorschreiben wollen, über was sie lachen dürfen.

  4. Es gibt wenig, was mir suspekter ist als Menschen, die Kritik als Vorschrift oder Abschaffungsbefehl auffassen.

  5. Wäre es lustiger, wenn sich „gay black dudes“ über die „Quarktaschen“ (Ralf König) der weissbrotigen Samira El Ouassil äußerten?

  6. @4: Hätte halt keinen Rock anziehen dürfen, wenn sie nicht vergewaltigt werden wollte, richtig?

    @7: Nein. Feuer bekämpft kein Feuer und die Privillegien des WHAM sind auch nicht in Gefahr. Alles supi :D

  7. „Der entscheidende Punkt bei der komisch gemeinten Entwertung, die im Fernsehen erfolgt, ist jedoch, dass das Lachen hier eben nicht konsequenzlos ist. Da es sowohl gesellschaftspolitisch relevant und eine bleibende Versetzung des Sagbaren bleibt, als auch auf Individualebene demütigend und verletzend.“

    Geht es nicht noch eine Nummer größer? Ja, geht, im nächsten Absatz:
    „Durch das Lachen erfolgte eine Entwertung des Homosexuellen oder des übergewichtigen Menschens, die bleibt. “

    Ich behaupte einfach mal: Schwule können das ab. Und Dicke auch. Das sind nämlich ganz normale Menschen, die nicht in Watte gepackt werden müssen. Ist das ganze geschmacklos und platt? Definitiv. Aber der Geist der Aufklärung wird nicht daran zugrunde gehen. Wer sich von einem RTL-Programm auf Mario-Barth-Niveau ernsthaft gekränkt fühlt, hatte schon ein Problem, bevor diese Sendung ausgestrahlt wurde.

  8. „Wer sich von einem RTL-Programm auf Mario-Barth-Niveau ernsthaft gekränkt fühlt, hatte schon ein Problem, bevor diese Sendung ausgestrahlt wurde.“

    Man nennt dieses Problem Sexismus.

  9. Der Nachteil regelmäßiger Kolumnen ist die begrenzte Kapazität jedes Autoren. Jede Woche etwas Geistreiches zu produzieren, fällt schwer.
    Besser wäre eine Kolumne, die nur dann erscheint, wenn der Autor etwas zu sagen hat. Gilt übrigens auch für Leserkommentare (auch die eigenen).

  10. Prinzipiell gibt es nichts Unsagbares. Aber bei diversen Humorformaten frage ich mich auch, wieso das lustig sein soll, wodurch die Autorin meine Sympathie hat, aber an folgender Stelle möchte ich doch einhaken:

    Bringt einen die Möglichkeit, einen Heterosexuellen versehentlich als homosexuell bezeichnet zu haben, also doch noch zum Lachen, scheint das offenbar als etwas empfunden zu werden, dass degradierend ist.

    Ist das so gedacht? Ich hätte jetzt vermutet, dass ich als Zuschauer nicht über den Hetero lachen soll, der für schwul gehalten wird, oder über den Homosexuellen, der für hetero gehalten wird, sondern über den (meinetwegen pseudopubertierenden) Kandidaten, der denkt, Heterosexualität am Äußeren erkennen zu können, und damit hart auf die Fresse fliegt. Schadenfreude und so.
    Ob ich tatsächlich lache, sei noch dahingestellt, aber – was jetzt mMn vllt. nicht für die Sendung, aber immerhin für die Macher spricht – wenn ich darüber lache, lache ich über die Leute mit den Vorurteilen, nicht über die Leute, von denen die Vorurteile handeln. Also über Rassisten, Sexisten etc., pp. …
    Dieses Konzept würde komplett scheitern, wenn die Vorurteile tatsächlich bedient würden, weil das die Vorurteile nicht nur bestätigte, sondern den Rassisten, Sexisten etc. einen Vorteil verschaffte. Ist das so?

    Und ja, wenn man Frauen raten ließe, welcher Mann ist schwul, welche Frau ist schwanger, welcher Jugendliche ist Nordafrikaner, wäre mein Wham-Privileg nicht gefährdet, weil ich über Frauen lachen könnte. Hachja, Tabubruch.

  11. Ich sehe das schon als degradierend, denn gerade die Zuspitzung auf zwei Eigenschaften (schwanger vs. dick, hetero vs. homo) impliziert: Eins gut, eins schlecht. Deutlicher wird es vielleicht am schwanger vs. dick: Entweder „Puh, da hattse nochmal Glück gehabt, der Zustand geht vorüber.“ oder „Tja Pech, Dein Zustand ist dauerhaft bäh.“

    (Mal ganz abgesehen davon, dass das gar keine sich gegenseitig ausschließende Begriffspaarung ist und sich dieses „lustige“ Spielchen – siehe das niederländische Original – nur gegen Frauen richten kann, weil es Option schwanger bei Männlein bekanntlich nicht gibt.)

    Boah, ich kann’s richtig sehen, wie Mister-nur-in-meiner-Vorstellung-existierender-und-nur-entfernt-an-Verwandtschaft-erinnernder-Standardzuschauer bei der Fleischbeschau auf dem sich drehenden Präsentierteller tatsächlich miträt und bei falschem Ergebnis Dinge raushaut wie „Na, der Schwule hat sich ja gut getarnt.“ oder „Ausnahmen bestätigen die Regel.“ Hrrrgh…

  12. Die Zuspitzung auf zwei Eigenschaften impliziert gut oder schlecht? Ok, zwei Männer mit Glatze – Neonazi und Chemotherapiepatient.
    Welches von beidem ist das „Gute“?

    Prinzipiell sehe ich schon die Möglichkeit, dass jemand denkt: „Jaaa, der Schwule/Jude/Schwarze/Moslem hat sich gut getarnt!“, aber das liegt jetzt nicht an der Sendung, sondern am jemand.
    Wenn man ihn oder sie mit Klischees beliefert, fühlt sie oder er sich in seinen oder ihren Klischees bestätigt. Wenn man ihre oder seine Klischees „enttäuscht“, denkt er oder sie: „Gut getarnt!“ oder „Lügen-Comedy!“ Catch-22

    Das Argument hier ist also nicht, dass Chris Tall oder wer angeblich oder tatsächlich Vorurteile über Schwule, Schwangere und andere Leute verbreiten will, sondern dass es Menschen gibt, die ihre diesbezüglichen Vorurteile selbst dann nicht ablegen werden, falls Chris Tall et alii sie mit Gegenbeispielen versorgen? Habe ich das soweit verstanden?

  13. Die reale Frage beim Glatzenmann war laut den Ausführungen im Beitrag: „… ist ein anderer Mann mit keiner Frisur Hartz-4-Empfänger oder Unternehmer …“. Na, dann passt doch gut/schlecht doch wieder, oder?

    Das Argument ist nach meinem Verständnis, dass Chris Tall Vorurteile zwar anspricht und „verulken“ will, die – damit vielleicht sogar intendierte, jetzt zumindest verbal vorgeschobene – Botschaft aber nicht ankommt: Vorurteile werden durch das Drüber-Lustigmachen eher reproduziert und damit zementiert und „nebenbei“ werden auch noch Menschen erniedrigt.

  14. Richtig guter Text, vielen Dank.

    @15
    „Vorurteile werden durch das Drüber-Lustigmachen eher reproduziert und damit zementiert und „nebenbei“ werden auch noch Menschen erniedrigt.“
    In der Tat und das bleibt auch nicht folgenlos.
    Gerade bei RTL und RTLII werden gerne mal Dicke als äußerst primitiv, verfressen und dumm dargestellt/inszeniert: In einer Sendung bei RTL kletterte eine Dame in einen Müllcontainer, um eine Torte (IIRC) herauszuholen und diese zu essen.
    Bei DSDS werden dicke Menschen gezeigt und ihr Gehen mit Rumms-Geräuschen unterlegt und das Bild mit Erdbebeneffekt verfremdet.
    Diese Art von Inszenierung wirkt. Genauso wie sich das Bild von HartzIV-Empfängern als dumme, ungebildete Fliesentischbesitzer verfestigt hat.
    Das merkt man zum Beispiel an Street Harassment, wenn man auf der Straße etwas zugerufen bekommt und eben jenes Erdbeben zur Sprache kommt.
    Und sehr wahrscheinlich auch bei Mobbing in der Schule.
    Und solche Shows wie die von Chris Tall kommen dann noch dazu. „Haha, ist die wohl schwanger oder einfach nur fett?!“ ist haargenau der Duktus von Mobbern oder Typen, die lautstark auf der Straße über einen lästern.

  15. @16: (off topic)
    Der Ausdruck „Street Harassment“ hat im Englischen eine eindeutige Definition, die man nicht durch so eine Falschverwendung aufweichen sollte.

  16. Mal abgesehen davon, dass Chris Tall jetzt auch nicht gerade die Fleischwerdung des männlichen Schönheitsideals ist*, jetzt kommt es aber auf die Inszenierung an, und zwar die von „Darf der das?“, nicht die von DSDS. (Ob man bereit ist, nach Erfahrungen mit anderen RTL-Formaten bei sowas mitzumachen, ist eine Frage, über die die Leute hoffentlich lange nachgedacht haben, aber darum geht’s mir gerade nicht.)

    Mal konkreter gefragt, lacht „man“ über
    a) den Schwulen, der für hetero gehalten wird,
    b) den Hetero, der für schwul gehalten wird,
    c) die Möchtegernexperten für heteronormative Männlichkeit, die keine Experten sind (weil es solche Experten gar nicht gibt)
    d) gar nicht.

    Diejenigen, die für sich mit d) antworten, gehen offenbar davon aus, dass die anderen nur mit a) und/oder b) antworten können. Das bestreite ich grundsätzlich.

    Mal ein völlig anderes Beispiel – wenn man Leute Sternzeichen raten ließe, „Welche von den drei Personen ist Wassermann?“, und die Kandidatinnen und Kandidaten kommen nicht drauf, lache ich dann über die drei Personen („Haha, typisch Wassermann!“) oder über die Kandidatinnen und Kandidaten („Haha, dummer Aberglaube!“)? Falls jemand ersteres annimmt, wieso? Falls letzteres, wie soll dass den Glauben an Horoskope reproduzieren, wenn doch dargestellt wird, dass das nicht funktioniert?

    *Wenn Frauen Witze über Frauen machen dürfen, und Schwule über Schwule, dann auch Dicke über Dicke.

  17. Wo wir gerade bei Sexismus sind…gibt eigentlich einen Grund dafür, dass die Autorin als einzige der Autoren hier in ihren Kolumnen mit Bild vorgestellt wird?

  18. @Mycroft: Ich weiß ehrlich nicht, worauf Sie hinaus wollen:

    Die Frage, über was man eigentlich lacht, hat die Autorin selbst in einem eigenen Abschnitt des Beitrags („Worüber wird hier eigentlich gelacht?“) gestellt, in Ihren Kategorien mit a/b oder c beantwortet und sich dann mit diesen Alternativen befasst.

    Wer „diejenigen“ (?) sind, die d sagen und „offenbar“ meinen, andere könnten nur über a/b lachen, erschließt sich mir nicht. Dementsprechend kann ich auch nicht nachvollziehen, was Sie bestreiten.

    Ich interpretiere den Beitrag so, dass auch Frau El Ouassil davon ausgeht, dass die Sendung so gemeint ist, dass man über die Quizteilnehmer und/oder Chris Tall als Moderator lachen soll (= Ihre Variante c), weil die beim Raten eben typische Vorurteile und Klischees auspacken bzw. sich dabei drehen und winden, diese Vorurteile („Wissen wir doch alle, höhö…“) anzusprechen, für sich aber wortreich abzulehnen („Man weiß ja, dass das so nicht stimmt.“) und sie schlussendlich doch wieder anzuwenden (Wie lautet die alternative Begründung dann, wenn ich meine Entscheidung nur an Äußerlichkeiten festmachen muss, aber nicht in Klischee-Fettnäpfchen tappen will?) oder gerade nicht anzuwenden („Ihr wollt mich nur aufs Glatteis führen…“), um dann vom Ergebnis doch wieder überrascht zu werden. Da aber die Quizteilnehmer, das unterstelle ich, nicht bestrebt sind, ihre Person öffentlichkeitswirksam als vorurteilsbeladenen und unbelehrbaren Proll dastehen zu lassen, wird das Ganze schnell hochnotpeinlich, wie Frau El Ouassil bereits zutreffend beschrieben hat. Die Ratenden – und alle anderen – können eigentlich nur verlieren.

  19. Die Frage, über was man eigentlich lacht, hat die Autorin selbst in einem eigenen Abschnitt des Beitrags („Worüber wird hier eigentlich gelacht?“) gestellt, in Ihren Kategorien mit a/b oder c beantwortet.

    Nein, das hat sie genau nicht beantwortet, sie hat nur die Möglichkeiten aufgezählt. (Und wenn sie es hätte, würde mich interessieren, wie sie so schnell die Wahrnehmung von zig Hunderttausend Menschen kennen kann. Repräsentative Umfrage?)

    Sie führt allerdings aus, dass es ganz egal sei, da, auch wenn die Intention „c“ sei, dieses Ziel nicht erreicht werden _könne_, weil es Menschen gebe, die über „b“ lachen werden. Gibt’s bestimmt auch.
    Es gibt bestimmt auch Menschen, die ihr eigenes Meth-Labor wollen, weil sie Breaking Bad gesehen haben. Jetzt kann man argumentieren, dass Schwulenfeindlichkeit schlimmer als Methhandel ist, aber ich finde es, ehrlich gesagt, überzogen, Unterhaltung erstmal einen „Erziehungsauftrag“ zuzuschreiben und dann diese „Erziehung“ als gescheitert zu erklären, wenn es Leute gibt, die sich als „erziehungsresistent“ erweisen.

    Diskläimer: Nicht jeder Humor ist jedermanns Sache, niemand muss Chris Tall witzig finden, und die Gründe, warum Sie dieses Showkonzept nicht witzig finden, habe ich schon verstanden.

  20. Sie haben dieselben Möglichkeiten aufgezählt und selbst die Frage gestellt, über was „man“ lacht. Die Möglichkeiten sind also sowohl naheliegend als auch insgesamt begrenzt. Dass die Autorin die Wahrnehmung der Rezipienten nur vermuten und nicht durch statistische Erhebungen belegen kann … ja nun, wenn das bereits als durchschlagendes Argument greifen soll, ist die Diskussion in der Tat an dieser Stelle beendet.

    Die Autorin hat meines Erachtens auch klar herausgearbeitet, dass jede „Lachvariante“ Verlierer produziert. Ein c ist doof, gerade weil auch b vorkommen könnte, kann ich dem Text nicht entnehmen.

    Mit einem hehren Ziel, in Ihren Worten „Erziehungsauftrag“, haben sowohl die Niederländer als auch Chris Tall ihre Shows selbst aufgeladen, insofern erscheint es mir legitim, sie daran auch zu messen. Wenn die Macher das Ziel tatsächlich nicht verfolgen, müssen sie halt konsequenterweise einräumen, dass es ihnen nur um Ugah-ugah-balla-balla geht.

    Aber geschenkt, die Autorin hat in meinen Augen jedenfalls ausführlich, schlüssig und für mich sehr gut nachvollziehbar begründet, warum sie Comedystücke solcher Machart „nicht gut“ findet, etwas, was in mehreren Disclaimern hier übrigens betont wird. (Was für mich die Frage aufwirft, weshalb man solche Disclaimer eigentlich für notwendig erachtet und wie die Kommentatoren denn ihr „nicht gut“-Urteil begründen würden, müssten sie es ausführlicher tun.) Sie hat auch gleich an zwei Stellen vorweggenommen, dass dem Humorkritiker in der Regel Humorlosigkeit oder Miesepetrigkeit nachgesagt wird, was ich nun bei ihrem Werdegang definitiv ausschließen würde. Egal, stell ich mich eben mit in die Ecke und streichle das Kaninchen …

  21. Ob die Macher die Leute zu besseren Menschen erziehen wollen, ist an sich schon fraglich, aber die Kritik ist ja, dass Vorurteile reproduziert werden könnten, also Leute zu _schlechteren_ Menschen erzogen würden.

    Und die Aussage war nicht, dass die Version „c“ schlecht wäre, sondern, dass sie nicht funktioniere, selbst wenn das die Intention wäre (was Frau Ouassil zu bezweifeln scheint), denn:

    Jede Comedy vermittelt eine Botschaft, unabhängig von der Intention des Comedians.

    Hier z.B.: „Ihr seid nicht allein, im Grunde denken wir das doch alle.“

    Und jetzt kommt es drauf an, ob Vorurteile und Klischees wirklich bedient werden – dann kann man über „a“ und „b“ lachen – oder nicht, dann lacht man über „c“. Oder irgendeine Mischung, dann bleibt es indifferent.
    Und jetzt, um mein Kaninchen zu schlachten, wenn überwiegend über „c“ gelacht werden kann, dann lacht man über Leute mit Vorurteilen, d.h., Vorurteile werden in dem Zusammenhang „bestraft“.
    Ist vllt. nicht so, ich weiß. Aber dazu müsste man die konkrete Antwort auf die Frage, worüber konkret gelacht wird, konkret beantworten können.
    Gute Nacht allerseits.

  22. Auch bei überwiegendem Lachen über c werden Vorurteile nicht wirklich „bestraft“ im Sinne eines ernsthaften Hinterfragens. Das würde bedeuten, man müsste bewusst inszenieren mit Menschen, die tatsächlich eine der abgefragten Eigenschaften aufweisen, aber möglichst wenig dem Klischee entsprechen. Und vorgebrieften Kandidaten, die sich nicht zu schade sind, die Vorurteile auszupacken und danach vorgeblich ihre Entscheidung auszurichten, damit sich das dann als falsch herausstellt. Wahrscheinlich durchschaubar nach der zweiten Runde, dementsprechend vorhersehbar und mithin langweilig. Sie haben es selbst schon angesprochen: Eine solche Vorführung würde sich zudem schnell den Vorwurf der Lügen-Comedy einhandeln – nicht mal zu Unrecht, da bewusst so konstruiert wurde und weil schon das grundlegende Setting mit dem einzelnen Menschen ungeeignet ist: Man kann nicht einerseits fordern, aus Einzelfällen keine Vorurteile gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen zu entwickeln, und andererseits sagen, Vorurteile stimmen nicht, Beweis: Einzelfall hier auf meinem sich drehenden Präsentierteller. Das arme Kaninchen. Trotzdem Gute Nacht!

  23. Genauso, wie die Repräsentanten der AfD inzwischen als normale, anscheinend gesellschaftlich akzeptierte Diskussionspartner in Talk-Shows und Interviews eingeladen werden, stelle ich in diesem Jahr mit Ekel fest, wie der Nachwuchsrassist der Comedyszene Chris Tall durch die Sendungen des ÖR TV gereicht wird:

    SWR 3 Comedy Festival 2018
    MDR Spasszone 2018
    WDR Das Vivaldi Experiment 2016
    hr Comedy Tower 2017
    ZDF Markus Lanz 2017
    SWR Die Pierre M. Krause Show – Latenight 2018
    WDR Nightwash 2017
    ZDF Volle Kanne 2018
    WDR Kölner Treff 2018
    NDR Ultra Dry 2017
    3Sat „Hölzerner Besen“ 2015
    WDR 1Life 2017
    NDR Tietjen und Bommes 2017
    ARD Wer weiss denn sowas 2017

    Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die privaten Verblödungssender sind ausgeklammert.

    Das stößt mein Kampf gegen Rassismus an seine Grenzen.

    Die zentrale Botschaft dieses Typen ist nämlich, neben seinen Witzen, die fast ausschließlich unter die Gürtellinie gehen, dass es explizit seine Form des Humors über Schwarze, Schwule und Behinderte die Gleichbehandlng dieser Minderheiten realisiere.

    Kotzprobe: https://www.youtube.com/watch?v=xAcnDD5mVNs

    Ich weiss nicht, ob ich das grölende Publikum widerlicher finde als den „Star“.

  24. „Man kann nicht einerseits fordern, aus Einzelfällen keine Vorurteile gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen zu entwickeln, und andererseits sagen, Vorurteile stimmen nicht, Beweis: Einzelfall hier auf meinem sich drehenden Präsentierteller.“
    Doch.
    Man kann (und sollte) fordern, grundsätzlich keine Vorurteile zu entwickeln.
    Und, da Vorurteile typischerweise das Format haben „Alle x sind y“, reicht genau EIN Gegenbeispiel, um das Vorurteil zu widerlegen.

    Dessenungeachtet bleibe ich dabei, dass es 1. nicht egal ist, ob das Publikum mehr über „a“, „b“, oder „c“ lacht, und 2., wenn man selbst zu „d“ gehört und nicht darüber lachen kann, ist man möglicherweise nicht die geeignetste Person zu entscheiden, worüber die anderen lachen.

  25. Wer Chris Tall und seinen „Humor“ akzeptiert, der hat sich schon lange vom anständigen guten Geschmack abgewandt und möchte sich aus verschiedenen Gründen, sei es die Scham, Freunde zu haben, die Tall feiern oder der Wunsch, selber gerne mal einen sexistischen oder rassistischen Witz zu reißen, diese Unanständigkeiten als normal erklären.

    Chris Talls Witze sind untere Schublade so wie Oliver Pocher und Mario Barth, aber als Rassist. Ich habe genauso ein Problem mit Leuten, die sich vor Tall stellen, wie mit Leuten, die behaupten, die AfD sei nazifrei.

  26. @17
    Okay, dann von mir aus Body Shaming. Egal wie man es bezeichnet, es ist schlimm.
    Aber zu Street Harassment:
    Englische Wikipedia: „… unwanted comments, gestures, honking, wolf-whistlings, catcalling, exposure, following, persistent sexual advances, and touching by strangers in public areas …“
    Zu Street Harassment gehören auch Kommentare über das Aussehen.
    und die können auch auf negative Art sexuell belästigens sein, z.B. indem die Sexualität abgesprochen wird, wie z.B. „Wer will denn mit der f*****? Wenn man drunter liegt erstickt man!“ Oder ähnliches.
    Auch bekommt man auch mal Dinge zugerufen wie „Ey geil, ’ne Dicke! Ich steh auf Dicke!!!“ hat also oft eine deutlich sexuelle Komponente.

  27. Bemerkenswertes Paradoxon im Artikel:
    Die Kritik an der Sendung ist hart, nach den Aussagen im Artikel wäre die Bezeichnung „geschmacklos“ ja schon eine Beschönigung.
    Insofern wird man neugierig, ob die Sendung tatsächlich die Vorwürfe rechtfertigt und will mal reinschauen, um sich selbst ein Urteil zu bilden.
    Andererseits wird durch zahlreiche Beispiele und Zitate untermauert, weshalb die Sendung diese Kritik verdient und eben diese Beispiele dämpfen die Neugierde, die auf diese Sendung entsteht, erheblich. Insofern will man gar nicht erst reinschauen.

  28. Chris Tall? War das nicht der, der einen seiner Auftritte als Chris-Tall-Nacht bezeichnet hat? Ich zitiere hier ml rücksichtslos einen Kommentar des Kölner Stadt Anzeigers. Damit ist über diesen unangenehmen Zeitgenossen im Grunde alles gesagt:

    „Dass Christopher Nast, was Fingerspitzengefühl angeht, nicht die hellste Kerze auf dem Comedy-Kuchen ist, ist bekannt. …
    Der 26-jährige Hamburger ist eine lautstarke Mischung aus Aalverkäufer auf dem Fischmarkt, Kirmes-Schreier und Ballermann-Animateur. Sein Themen-Portfolio reicht von abgestandenen Witzen mit Jugendsprache über Mutti-Zoten südlich der Gürtellinie bis zu Geschmacklosigkeiten über Schwule, Rollstuhlfahrer und Stotterer. Wobei er eben diese im Publikum direkt anspricht und ihnen scheinheilig versichert: „Ihr seid normale Menschen.“
    Die Legitimation für diese Gag-heischende Ausbeutung auf Kosten anderer: Der füllige Nast kokettiert penetrant damit, er sei fett und damit ein Stigmatisierter, über den er selbstverständlich selbst Witze reißen darf – und über all die anderen gleich mit.

    Was er in der mit 12 000 Besuchern am Samstag ausverkauften Lanxess-Arena und auch sonstwo auf dieser Welt aber ganz sicher nicht darf: Zu Anfang der Show die Stimmung aufputschen mit dem Aufschrei „Lasst uns die Bude abfackeln – jetzt ist Chris-Tall-Nacht!“ Das Traurige dabei: Ausgerechnet in der „Arsch huh“-Stadt Köln haben an diesem Abend sehr viele der 12.000 Menschen darüber spontan sehr laut gelacht.
    Vielleicht machen ihm die Kölner am kommenden Samstag, wenn Chris Tall in der auch wieder nahezu ausverkauften Lanxess-Arena die „1Live Köln Comedy Nacht XXL“ moderiert, klar, wie sie die Sache wirklich sehen“.

  29. Guter Text, weiter so. Ich freue mich besonders, dass die Autorin immer wieder tiefergehende Gedanken zum jeweiligen Thema zu Tage fördert. Das gibt Stoff zum Nachdenken.

  30. Gebildete Leute haben oft Schwierigkeiten damit, sich ins gemeine Volk einzufühlen. Deswegen gehen ja auch die Bemühungen voll nach hinten los, die Leute beispielsweise durch Vortragen von Fakten vom AfD-wählen abzubringen. Was Chris Tall da macht, mag ja als abstoßend empfunden werden, von mir auch, aber gegen die Lektion, dass sich ein schnelles Urteil über einen Menschen als falsch herausstellen kann, ist nichts einzuwenden. Dass ein Format, dass die breite Masse anspricht, für unsereins (die sich von solchen Seiten wie „Übermedien“ angesprochen fühlen) schwer zu ertragen und natürlich auch ohne jeglichen Erkenntnisgewinn ist, liegt doch in der Natur der Sache. Aber wer schafft es denn schon, der sozialen Schicht, die in der Freizeit ausschließlich nach leichtem Entertainment sucht, nebenbei auch noch eine Botschaft zu vermitteln, ohne dass unsereins sich dabei ekeln würde?

  31. Frau Faust, vertreten Sie gerade ernsthaft die These, dass der Plebs menschenfeindlich sei, das sei halt so?

    Das ist nicht so.

    Ich bitte Sie, nicht für mich zu sprechen, wenn Sie „unsereins“ sagen. Danke.

  32. Erinnert sich noch jemand an die Satiresendung „Scheibenwischer“ in der Ausstrahlung vom Dezember 1983? Es ging dabei um das bevorstehende Orwell-Jahr und um die neuen Medien, als insbesondere um das Kabelfernsehen. Darin gab es eine Szene, wo ein potentieller Kabelfernseh-Kunde danach fragte, welcher der zahlreichen neuen Kanäle denn nun die Meinung der SPD vertrete.

    Das war damals in den 80ern die Einschätzung des Kabelfernsehens: Da es nun eine Vielzahl neuer Fernsehkanäle gebe, müssten sich für alle möglichen Meinungen ein Kanal finden lassen, der diese vertrete.

    Nun haben wir einen Kanal gefunden, der die Meinung vertritt, daß sich aus Vorurteilen ein Gameshow-Konzept entwickeln ließe. Ist es nun schlimm, daß dieser Fall tatsächlich eingetreten ist? Oder ist es nicht vielmehr beruhigend, daß die prognostizierte Meinungsvielfalt offenbar tatsächlich besteht?

  33. Ich erinnere mich nur an Tegtmeier, der damals ein Kabel (Stromkabel, iirc) für einen Fernseher in der Hand hat und überlegt, wenn man damit Bilder ins Wohnzimmer kriegt, dann doch vllt. auch in die andere Richtung?
    1984 war die Welt noch nicht soweit, aber jetzt gibt’s Monitore mit eingebauter Kamera.

  34. Das mit dem Kabel, das in beide Richtungen funktioniert, möchte ich nach meiner Erinnerung auch in der Scheibenwischer-Sendung vom Dezember 1983 verorten. Es war verbunden mit der Empfehlung, daß man als Zuschauer vor dem Fernseher grundsätzlich lächeln solle.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.