Wenn der Moderator wirbt

Radio Gong auf Diät

Das ist doch mal toll. Eine Sendung im Privatradio, die sich Zeit nimmt. Die Gäste einlädt und längere Gespräche mit ihnen führt, und zwar ohne Unterbrechung: keine Musik, keine Werbespots, viele Minuten lang – wie in der „Late Night Show mit Andy Puhl“, die viermal wöchentlich bei Radio Gong in Würzburg läuft. Eigentlich also gut. Problematisch ist bloß, worüber da teilweise in höchsten Tönen geredet wird: über Produkte – zum Beispiel so:

Ob jemand von einer Firma im Studio sitzt, die Bartpflegeprodukte vertreibt, oder Spielwaren, oder Reisen, oder Produkte für Läufer – Moderator Puhl ist stets ganz begeistert und findet alles „toll“, das sagt er immer wieder. Die Gäste müssen also gar nicht für sich werben, das übernimmt ja schon der Moderator. Und die Liste der Unternehmen, die Puhl so freundlich bedenkt, ließe sich um viele weitere ergänzen, die in der Sendung vorgestellt wurden.

Eigenwerbung „Radio Gong Late Night Show“ Screenshot: Radio Gong

Die Gästeauswahl werde nach Relevanz getroffen, teilt der Sender auf Anfrage mit: Normalerweise handele es sich um lokale Persönlichkeiten, „die etwas zu erzählen haben, worauf wir in der Region stolz sein können“, sagt Geschäftsführer Fabian Steigerwald. So sind in der „Late Night“ auch mal Sportler, Musiker oder andere Regionalpromis zu Gast.

Oft sind es aber auch Unternehmen, teilweise auch solche, die ebenfalls Werbekunden des Senders sind. Das habe bei der Auswahl der Gäste jedoch keinen Einfluss. Eine Einladung in die Sendung sei keine Gegen- oder Zusatzleistung zu einer Werbebuchung, beteuert der Geschäftsführer: „Da wahren wir den journalistischen Grundsatz und arbeiten dort auch sauber.“ Das korreliere „in keiner Weise“.

Viel eher wolle Radio Gong zeigen, was es in Würzburg alles für Möglichkeiten gebe. „Was da drin steckt, ist natürlich ein Buy Local-Gedanke“, sagt Steigerwald. Es sei doch logisch, dass man sich als lokaler Radiosender für Umsätze in der Region stark mache. Und dass das klingt, als würde der Sender werben? Sieht der Geschäftsführer nicht so. Es sei ja auch jemand von einem lokalen Kinderhospiz zu Gast gewesen. Steigerwald findet:

„Nach Ihrer Argumentation könnte man sagen, wir haben das Kinderhospiz werblich unterstützt. Ich betone: Nach Ihrer Argumentation. Da geht es doch darum, etwas Gutes zu tun und den Menschen zu helfen.“

Aus Sicht von Steigerwald ist das, etwa im Fall der Firma, die Produkte für Läufer verkaufe, ähnlich. Hier stünden schließlich die Themen Laufen, Bewegung und Gesundheit im Fokus, die Firma biete ja auch gratis Lauftrainings an.

Und ob Produkte unabhängig und neutral betrachtet würden, sei auch nicht die richtige Frage: „Wir reden über eine Talkshow, da geht es um Unterhaltung“, so Steigerwald. Der Moderator müsse den Hörern die Produkte erklären und dabei Emotionen rüberbringen. Man müsse das „ausschmücken und kann es nicht rein technisch machen“.

Besonders emotional war für Moderator Andy Puhl offenbar vor allem eine Sendung Anfang des Jahres – und die ist auch besonders problematisch. Im Januar, also kurz nach den kalorienreichen Festtagen, waren zwei Vertreter eines Diät-Unternehmens zu Gast – und zwar ausgerechnet jener Firma, für die Moderator Puhl auch als Werbefigur auftritt.

Prominentes Abnehmgesicht: Moderator Andy Puhl Screenshot: Easylife

Die Aktion, bei der er mitmacht, heißt: „Abnehmen mit easylife“, die im Programm von Radio Gong auch beworben wird, ganz offiziell. Außerdem ist Puhl auf der Internetseite des Unternehmens zu sehen, wie er freudig den Daumen hebt: „Mit easylife habe ich ganze 30 Kilo abgenommen!“ Als er die Sendung dazu moderierte, war er noch schwerer. Sie war quasi der Auftakt der Diät.

https://www.facebook.com/andypuhl/photos/a.10156864484004018.1073741826.168866294017/10156887685094018/?type=3&theater

Der Sender bestätigt, dass es sich bei dieser Kampagne um eine Werbeaktion handle: „Wenn Sie uns gut gehört haben, hätte ihnen auffallen müssen, dass das Ganze mit einem Werbejingle abgetrennt ist“, erklärt Steigerwald. Damit meint er Spots, die dazu im Programm von Radio Gong gelaufen sind. „Diese klar als Werbung gekennzeichnete Kampagne wurde auch vergütet“, schreibt Steigerwald.

Nur: Wenn man die „Late Night Show“ hört, in der „Marianne und Siggi“ zu Gast waren, die Vertreter des Unternehmens, muss einem auffallen, dass das Ganze nicht als Werbung gekennzeichnet ist. Puhl widmet der Firma, für die er wirbt, gut 20 Minuten, natürlich ebenfalls sehr freundlich:

Puhl weist in dieser angeblich redaktionellen Sendung dann auch noch ausführlich auf die Werbekampagne hin, also seinen Versuch, mithilfe des Unternehmens abzuspecken: „Wir begleiten natürlich meinen langen Weg, den ich jetzt vor mir habe“, sagt er abschließend. Täglich werde er „Wasserstandsmeldungen“ abgeben, wie es bei ihm laufe.

Artikel? Werbung? Puhls Diät-Tagebuch Screenshot: Radio Gong

Es lässt sich nicht nachvollziehen, ob im Programm wirklich jeder Beitrag mit Werbetrenner ausgespielt wurde. Auf der Website des Senders jedenfalls verschwimmt dann endgültig alles: Dort hat Moderator und Werbefigur Puhl während der Aktion Tagebuch geschrieben. Auch dort: keine Kennzeichnung als Anzeige. Auf die Frage, ob es sich hierbei um eine redaktionelle oder werbliche Seite handle, teilt Geschäftsführer Steigerwald mit:

„Ich würde es als Blog bezeichnen. Das ist ein Blog, den Herr Puhl betreibt.“

Ein Blog, den Puhl auf der Radio-Gong-Seite betreibt? Auf die Nachfrage, ob es sich dann um einen redaktionellen Beitrag handelt, antwortet Steigerwald:

„Es handelt sich um einen Selbsttest, den Herr Puhl durchgeführt hat.“

So viel dazu.

Aber im Grunde kann man sich die Frage ja auch selbst beantworten: Was ist es, wenn ein Moderator, der als Werbefigur bei einer Aktion eines Unternehmens auftritt, als Moderator eine Sendung dazu macht und über die Werbeaktion auf der Sender-Seite schreibt? Ist das dann Journalismus – oder doch einfach Schleichwerbung?

Nachtrag, 9.8.2018. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) hat uns mitgeteilt, dass sie „nach der Überprüfung der von Ihnen genannten Fälle“ nun „ein Werbeaufsichtsverfahren gegenüber Radio Gong Würzburg eingeleitet“ habe.

Offenlegung: Ich habe mich mal erfolglos um ein Praktikum bei Radio Gong beworben.

2 Kommentare

  1. Ich traue mich fast nicht, den ersten Kommentar zu schreiben, aber das kommt mir schon wie eine relativ dreiste Vermischung vor.

    Vor allem das „Szene-Foto“ sieht doch schon fast wie ein Werbefoto aus. „Glücklicher Kunde“ statt „freundlicher Moderator“.

    Quakt wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente, hat wasserabweisende Federn wie eine Ente.

  2. „Schleichwebung“ ist dafür eigentlich ein zu softer Begriff. Wie wärs mit „Trampelwebung“?

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