Aldi-Manie

Ein Festival des Discounter-Journalismus

Im Grunde ist Aldi das deutsche Apple. Ja, gut, vielleicht nicht in jeder Hinsicht, in einer aber sind sie sich doch ziemlich ähnlich: Wenn’s um sie geht, drehen Journalisten völlig am Rad.

Da wäre zum Beispiel die Sache mit den Festivals.

Vor vier Jahren war mit Lidl erstmals ein großer Supermarkt auf einem Festival vertreten: In einer 1.400 Quadratmeter großen Zeltfiliale auf dem „Hurricane“ konnten die Besucher Backwaren, Getränke, Würstchen und solche Sachen kaufen. Berichtenswert fand das damals — außer der „Lebensmittelzeitung“, zwei Lokalmedien und „Werben und Verkaufen“ — niemand.

Im selben Jahr eröffnete auch die Supermarktkette Real eigene Filialen auf dem „Sputnik Springbreak“ und dem „SonneMondSterne“-Festival. Mediales Interesse? Nö.

Ein Jahr später führte Lidl einen Festivalmarkt bei „Rock am Ring“ ein. Berichterstattung? Nö.

Im Jahr darauf eröffnete Penny Filialen auf dem „Hurricane“ und dem „Parookaville“. Im vergangenen Jahr auch eine auf dem „Highfield“. Schlagzeilen? Nö, nö und nö.

Vergangene Woche kündigte Aldi an, auf dem diesjährigen „Deichbrand“-Festival eine Filiale zu eröffnen. Und plötzlich:

Aldi eröffnet Filiale auf dem Deichbrand-Festival - Vier Tage Deichbrand, das sind vier Tage Musik, Party und Camping für 55.000 feierhungrige Festivalbesucher. Getanzt wird in diesem Jahr aber wohl nicht nur vor den großen Bühnen, sondern auch zwischen den Regalen von Aldi Nord. Wie das möglich ist? Ganz einfach: der Discounter baut eine Vier-Tages-Filiale auf dem Festivalgelände.
„Märkische Allgemeine Zeitung“
Discounter - Aldi-Filiale beim Deichbrand-Festival 2018
„Cuxhavener Nachrichten“
DIE TOTEN HOSEN, THE KILLERS UND EIN DISCOUNTER - Aldi eröffnet Filiale auf dem Deichbrand-Festival
„Neue Presse“
Deichbrand 2018 - Discounter eröffnet Mega-Filiale auf Festivalgelände
„Hamburger Morgenpost“
Für Musikfestival Größter Aldi-Markt Deutschlands entsteht hinterm Deich
„Mitteldeutsche Zeitung“
Discounter wirbt um Jugend - Aldi eröffnet Filiale auf dem Deichbrand-Festival
„T-Online“
Hier plant Aldi den größten Markt aller Zeiten in Deutschland — mit einem ungewöhnlichen Konzept
„Business Insider“
16 Kassen, 12 Backautomaten - Aldi baut die größte Filiale aller Zeiten - für vier Tage Festival
„Stern“
Basta: Aldi Nord geht aufs Festival - Matsch-Marketing: Aldi Nord will beim Deichbrand-Festival in die Herzen junger Dosenraviolisten vordringen. Der Discounter eröffnet dort eine Filiale mit "festivalerprobten Produkten". Aldi muss noch lernen, in der Top 10 der Produkte fehlen Kondome und Erfrischungstücher.
„Turi2“
Discounter - Aldi baut seine größte Filiale bei einem Festival auf
„Neue Ruhr Zeitung“
Aber nur für kurze Zeit: Aldi baut die größte Filiale aller Zeiten
„Chip“
Deichbrand-Festival - Der weltgrößte Aldi öffnet in Cuxhaven
„Abendzeitung“
Aldi baut seine größte Filiale bei einem Festival auf
„Gifhorner Rundschau“
Bremerhaven - Deichbrand 2018: Größte Aldi-Filiale aller Zeiten für die Festivalbesucher
„Focus Online“
Discounter - Aldi baut seine größte Filiale bei einem Festival auf
„Berliner Morgenpost“
Die Toten Hosen, The Killers und ein Discounter - Aldi eröffnet Filiale auf dem Deichbrand-Festival
„Göttinger Tageblatt“
ALDI BAUT DIE GRÖSSTE FILIALE ALLER ZEITEN
„Galileo, Pro7“
Mit 16 Kassen... Hier entsteht der größte Aldi-Markt in Deutschland
„Express“
ALDI eröffnet Riesen-Discounter mit 16 Kassen beim Deichbrand-Festival
„Noizz“
Für Musikfestival Größter Aldi-Markt Deutschlands entsteht hinterm Deich
„Berliner Zeitung“
„GRÖSSTER MARKT ALLER ZEITEN“ - Hier will Aldi eine Riesen-Filiale eröffnen - für nur vier Tage
„Münchner Merkur“
Aldi baut seine größte Filiale bei einem Festival auf
„WAZ“
16 Kassen, 200 Mitarbeiter! Hier entsteht die größte Aldi-Filiale der Welt
„Der Westen“
Vier Tage Superlative - Aldi baut größte Filiale für Deichbrand-Festival
„Mitteldeutsche Zeitung“
DIE TOTEN HOSEN, THE KILLERS UND EIN DISCOUNTER - Aldi eröffnet Filiale auf dem Deichbrand-Festival
„Kieler Nachrichten“
Cuxhaven - Giga-Aldi öffnet zum Deichbrand
„Bild“

Dass es auf Festivals schon seit Jahren Supermärkte gibt, steht auch in vielen der Artikel. Was also ist jetzt das Neue daran? Das Berichtenswerte? Dass der Markt so groß wird? Nun ja — der von Lidl bei „Rock am Ring“ ist viel größer, und darüber hat nie jemand geschrieben.

Nein, das einzig Neue daran ist, dass es Aldi ist. Und wenn Aldi ruft, sind die Medien zur Stelle.

  • Aldi lädt zur Weinverkostung in Düsseldorf? Alle rasten aus.
  • Aldi macht eine Modenschau mit Jette Joop? Nix wie hin!
  • Aldi verkauft jetzt Wein von Günther Jauch? Waaaahnsinn!

In der Marketingabteilung sind sie vermutlich selbst überrascht, wie einfach es doch immer wieder ist, kostenlose Werbung in deutschen Medien zu platzieren: Pressemitteilung rausgeben … fertig.

So lief es auch bei der Festival-Nummer: Dass der Discounter dieses Jahr auf dem „Deichbrand“ sein wird, steht schon seit letztem Sommer fest. Berichtet wird darüber aber erst seit der Aldi-Pressemitteilung von letzter Woche.

Und nicht nur den Zeitpunkt der Berichterstattung kann Aldi somit selbst bestimmen, auch den Inhalt: Viele Medien haben die Pressemitteilung stellenweise einfach wörtlich übernommen, sogar Formulierungen wie „Alle Produkte gibt es zum gewohnt günstigen ALDI Preis“ stehen in manchen Artikeln jetzt so, als hätte die Redaktion sie selbst verfasst.

16 Kommentare

  1. Eine Einschätzung hätte ich mir noch gewünscht: Warum gibt es beim gleichen Thema nur bei „Aldi“ ein so großes mediales Interesse? Einfach nur, weil Aldi der Erfinder der deutschen Discounter ist und davon noch heute trägt?

    Denn – so ist zumindest meine Wahrnehmung – bei den Kunden ist Aldi gar nicht mehr sooo der allmächtige Favorit. Und schon gar nicht Aldi Nord: Die Eigentümer sind ja nur noch mit sich selbst beschäftigt und schieben die Zukunft noch auf.

  2. Ein Jahr später führte Lidl einen Festivalmarkt bei „Rock am Ring“ ein. Berichterstattung? Nö.

    Der „Lidl Rockshop“ wurde einmal durch die Pro-Sieben-Sat-eins-Maschine genudelt: Dokus, taff, Galileo usw.
    Kann man alles noch auf Youtube nachschauen. In der Bild war es wohl auch zumindest online; ansonsten fehlen mir jetzt Mittel und Muße alte Printbeiträge aus 2016 dazu zu finden.
    Gar keine Berichterstattung sieht für mich aber anders aus.

  3. …ich finde es legitim, so what!
    Wenn die Journallle (https://de.wikipedia.org/wiki/Journaille) nichts anderes drauf hat…
    Vor wenigen Wochen hat Aldi-Süd seinen Laden hier an der „KÖ“ chic gemacht: Berichtenswert für die Lokalpresse.
    Vor zwei Tagen hat der grösste Edeka-Supermarkt mindestens Deutschlands hier im ehemaligen Horten/Kaufhof eröffnet. Berichtenswert.
    Für wirkliche Aufreger würde ich ja vielleicht bezahlen. Aber für dieses Pille-Palle?

  4. Bei einigen Schlagzeilen hat man den Eindruck, das Festival feiert eine Aldi-Eröffnung.
    Ich bezweifle, dass das bei Lidl auch so war.

  5. @4: Bezweifelt werden darf, dass das auch nur ansatzweise interessiert.
    Übermedien auf dem Weg zum Clickbaiting?
    Alle haben ja mal in Garagen o.ä. angefangen, völlig uneigennützig.
    Man wird es beobachten…
    Schönes WE

  6. Zu Thomas (1): Über das Warum kann man wohl nur spekulieren; ich würde schätzen, daß es zumindest auch damit zusammenhängt, daß ALDI* früher nie in irgendeiner Art für Werbung, Presse oder sonstige mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat. Die waren immer einfach nur da und haben sich allem Modernisierungsschnickschnack verschlossen. Das hat sich nun zwar geändert, aber gefühlt ist es für viele Zeitschriften deswegen vielleicht immer noch etwas besonderes, wenn die da oben sich mal zu Wort melden.

    * Lustig: Meine Spracherkennung macht aus Aldi automatisch ALDI, obwohl ich dieses Wort meines Wissens noch nie mit diesem Gerät getippt habe. Es ist ein iPhone von APPLE. Zufall?

  7. @Mycroft
    Ob das bei den Schlagzeilen so war, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Galileo, taff etc. geben sich natürlich in ihrer bekannten investigativen Härte keine Blöße. Die Idee, Festivalbesucher aus einem Zelt mit Getränken und Essen zu versorgen, ist mindestens ein Geniestreich, die Logistik eine Meisterleistung und der Filiallleiter in seiner Mischung aus strategischer Brillanz und improvisatorischer Schärfe der Aljechin der Gondelkopfendaufsteller.

  8. @Raoul:

    Okay, die frühere Medienverschlossenheit von Aldi hatte ich gar nicht mehr im Kopf. Möglich.

    (Mein Android mit Gboard-Tastatur macht bei der Rechtschreibprüfung aus „aldi“/“Aldi“ auch „ALDI“ :) )

  9. Das passt nun so gar nicht in meine ursprüngliche, artikelbezogene Verschwörungstheorie, daher neige ich dazu, es auszublenden. Aber vielleicht lässt sich daraus dennoch etwas NWO-spezifisches im Zusammenhang mit ALDI stricken. Besitzt die Gboard-Tastatur denn einen eigenen, nicht entstörten Barcode?

    Hoffnungsvoll,

    Raoul

  10. @ Raoul

    Vielleicht ist die Verschwörung bloß einfach weiter vorangeschritten als Sie dachten. ;)

  11. Aber doch nicht ohne mich, ich informiere mich schließlich tagesaktuell bei Kanal Telemedial. Jetzt machen Sie sich bitte nicht lächerlich.

  12. Um mal halbwegs den Schwenk zurück zum Thema zu machen: Das macht Sie doch nur ärmer! Oder verzichten Sie etwa auf den Energieausgleich?

  13. Nun, Arm an Reich ist, wessen Deutschmark sich im Hinterteil zu sublimieren versteht. (Hornauer 3, Gang 28a)

    Auf einen Energieausgleich zu verzichten ist übrigens, wie einen Klemmfurz nicht zu lösen. Die Chakren verstopfen im Orkus und das hilft letztenendes nur dem Plasberg.

  14. Über das mediale Echo des Günther Jauch Weins habe ich mich auch sehr gewundert, sogar im WDR Radio kam es in den Nachrichten.
    Ein Moderator bringt zwei Sorten Wein heraus, der weder besonders gut ist, streng genommen sogar nur zusammengemischt, noch besonders schmeckt, noch besonders günstig ist oder gar von seinem eigenen Weinberg stammt.
    Was genau ist daran berichtenswert ?
    Ich kaufe übrigens nix, wofür fachfremde Prominente werben.

  15. Das ist ja nicht nur bei Aldi so. Der allgegenwärtige Router ist einfach immer die „Fritzbox“. Der Aldi-PC, in der Regel null ausbaufähig und mit extrem ausgefallenen OEM-Bauteilen ohne Support ausgestattet ist immer die Empfehlung in bestimmten Computerzeitungen.
    Radio- und Fernseh-bezogene Fragen müssen ganz offensichtlich und unübersehbar in einem Saturn- oder Mediamarkt (ist ja egal weil identisch) geklärt werden, und Möbel gibt es nur bei Ikea.
    Gegessen wird nur bei McD. usw.

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