WDR-Redakteure enttäuscht: Wo ist Buhrows Liebe hin?
Seit WDR-Intendant Tom Buhrow vorige Woche verkündet hat, das Internetangebot des Senders stark zu beschneiden, quasi als Weihnachtsgeschenk an die Zeitungsverleger, ist die ARD-Anstalt in Aufruhr. Das belegt auch ein Brief, den die WDR-Redakteursvertretung gestern an den Intendanten geschickt hat. Das Schreiben, das Übermedien vorliegt, wirft die Frage auf, wie viel übrig ist von der „Liebe“, die Buhrow nach eigenen Angaben zu seinem Dienstantritt vor vier Jahren mitbringen wollte.
Die Redakteursvertretung beklagt insbesondere den Kommunikationsstil der Intendanz. Redakteurinnen und Redakeure würden sich gerne „mit Elan den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft“ stellen, „ob im WDR oder gegenüber Kritikern von außen“. Buhrow habe die Mitarbeiter aber „allein gelassen, ohne Information über Strategie und Beweggründe, ganz zu schweigen von Argumentation oder Diskussion“. Von „weitreichenden Entscheidungen der Geschäftsleitung“ wolle man „nicht aus den Agenturen erfahren“.
Streitpunkt ist auch eine Mail, die den Redakteuren zuging und für Irritationen sorgte. Die Redakteursversammlung schreibt, sie sei „fassungslos“ über die Art und Weise: „Ein freier Mitarbeiter des Programmbereichs Internet erlässt eine ‚Dienstanweisung‘ und droht den KollegInnen im Falle der Zuwiderhandlung mit ‚persönlichen Konsequenzen‘.“ Mit „derartigen Formulierungen“ betrete der WDR „ein neues Feld des internen Kommunikationsstils“.
In der Mail ist von einem „gerichtlichen Dauerstreit mit den privaten Verlagshäusern“ die Rede. Die Situation gestalte sich gerade „derart schwierig“, „dass sich die Geschäftsleitung und ihre Online-Exekutive, der Beauftragte für die digitale Produktentwicklung Stefan Moll, zu kurzfristigen Maßnahmen gezwungen sehen, um den Vorwurf der Presseähnlichkeit zu entkräften“. Nachrichtentexte dürften deshalb nicht mehr länger als 1500 Zeichen sein, Hintergrundberichte nicht länger als 2500 Zeichen. Außerdem sollten Fotos vor dem ersten oder spätestens zweiten Absatz eingebunden werden.
Würde gegen diese Regeln verstoßen, heißt es weiter, „so sind das in Molls Augen ‚Minderleistungen‘, die durchaus die Depublikation und persönliche Konsequenzen nach sich ziehen können!“
Die Mail referiert, so steht es dort, angeblich eine „Dienstanweisung“, die bereits beim „Digitalen Forum“ im WDR, der ehemaligen „Onliner-Generalversammlung“, verkündet worden war. Intendant Buhrow behauptete im Interview mit dem Deutschlandfunk, er wisse nichts von der Mail: „Ich selber mache keine Zeichenvorgaben.“ Auch Stefan Moll, auf den in dem Schreiben zwei Mal Bezug genommen wird, hat inzwischen widersprochen. Nein, schreibt er im WDR-Intranet, es gebe keine Anweisungen „von oben“, auch wenn die Mail des freien Mitarbeiters den Anschein erwecke: „Wohl in bester Absicht, aber offenbar wurde da etwas falsch verstanden“. Es gebe keine Begrenzug. „In unserem neuen Online-Auftritt konzentrieren wir uns auf Videos und Audios, kurze Texte leiten zum Thema.“
Wie es dazu kommen konnte, dass eine Mail „kursiert“, deren Inhalt grundlegend falsch sein soll, bleibt unklar. Verschickt wurde sie jedenfalls ohne Namen, aber mit der Signatur der Hauptabteilung Zentrale Aufgaben Rundfunk, genauer: vom „Büro des Onlinebauftragten Hörfunk (OHF)“ Martin Oels, der auf Anfrage von Übermedien dazu aber nichts sagen möchte.
Die Redakteursvertretung ist aufgebracht über diese Vorgänge. „Lieber Herr Buhrow“, schreibt sie, „auch Sie müssen doch wahrnehmen, dass sich die Kluft zwischen Geschäftsleitung und Programm-MacherInnen zunehmend vergrößert und sich die Positionen zu verhärten drohen.“ Es wäre deshalb an der Zeit, sich wieder „zu nähern“ und „den Dialog nicht zu einem sporadischen Kalendertermin werden zu lassen“. Der Brief schließt mit dem Satz: „Wir sind Ihr journalistisches Bodenpersonal und kein betriebswirtschaftliches Humankapital!“ Was nicht unbedingt nach Liebe klingt.
Nachtrag, 19:29 Uhr. Laut WDR-Pressestelle hat Intendant Buhrow der Redakteursvertretung auf ihren Brief geantwortet. Er habe eine Mail geschrieben. Öffentlich äußern möchte sich Buhrow dazu aber nicht.
Textmäßig zu lange Informationen sollen als „Minderleistungen“ gelten? Sehr, sehr crazy.
Und demnächst klagt Döpfner über die Bildzeitungs-Ähnlichkeit von WDR.de. Wetten?
@2 – Freiwild: Döpfner und Co. haben doch schon mehrfach deutlich gemacht, dass für sie eigentlich alles, was im Internet irgendwie Text enthält presseähnlich ist.
Klingt jetzt aber ein bisschen nach Regenbogenpresse.
Wann kommt das „Tränenreiche Geständnis?“
diese unterbliebenen Stellungsnahmen – ist das jetzt noch öffentlich-rechtlich oder schon nichtöffentlich-rechtlich ?
Da schnippt Springermann Döpfner mit dem Finger und Herr Buhrow betätigt sich als willfähriger Vollstrecker. Unsäglich!!