Toter Promi-Journalismus

Wölbungsredakteure im Schwangerschafts­rausch

Der 18. Juli 2017 war ein großer Tag in der Redaktion von Bunte.de in München. Monate lang hatten sie darauf gewartet, regelrecht hingearbeitet, und zwischendurch schien es, als würde es niemals passieren. Aber das spornte die Leute, die Bunte.de jeden Tag vollschreiben müssen, nur weiter an.

Und nun war es also soweit!

Screenshot von Bunte.de mit einem Foto von Cathy Hummels unter der Überschrift: "Eeendlich: Sie ist schwanger von ihrem Mats!"

Um 10:29 Uhr an diesem bald 29 Grad warmen Tag vermeldet Bunte.de, völlig überwääältigt: „Eeeendlich! Sie ist schwanger von ihrem Mats“. Über ein Jahr nach ihrer „Märchenhochzeit“ erwarte „die schöne Brünette“ ein Kind von ihrem Liebsten, was übersetzt bedeutet: Cathy Hummels, die Designerin, und ihr Ehemann, der Fußballer Mats Hummels, bekommen Nachwuchs. Das hatte Cathy Hummels selbst verkündet, mit einem Foto auf Instagram.

Für Bunte.de ging damit ein Traum in Erfüllung: der Traum, noch mehr Geld mit Cathy Hummels‘ Bauch zu verdienen. Etliche Monate lang hatte Bunte.de versucht, ihr dort ein Kind hinein zu schreiben. Jede Falte im Pullover, jedes weite Kleid, jedes zufriedene Grinsen galt den Wölbungsredakteurinnen dort als supersicheres Indiz für ein „süßes Geheimnis“, dafür haben sie einfach ein Auge. Und zwar nicht nur bei Cathy Hummels, wie wir hier Anfang des Jahres (im Video) gezeigt haben – bei ihr aber offenbar ganz besonders.

Und jetzt sind sie bei Bunte.de fürchterlich stolz, weil:

Für viele mag die Nachricht überraschend kommen – doch Bunte.de ahnte bereits vor Wochen, dass das Strahlen in Cathy Hummels Gesicht einen ganz besondern Grund haben könnte.

Vor Wochen? Nee. Vor Monaten schon!

Bereits Ende August 2016, fast ein Jahr vor dem Tag der Verkündung, titelte die Klatschseite: „Wölbt sich hier etwa ein Babybauch?“ Und in den Monaten danach ging es dann selten um etwas anderes als die Frage, wann Cathy Hummels denn nun endlich gebärt; deshalb drehen sie bei Bunte.de seit dem 18. Juli 2017 nun auch komplett durch. Fast 50 Artikel sind bisher erschienen:

Bis zur Geburt dürfte sich das noch locker auf 100 Artikelchen verdoppeln.

Bunte.de kann also weiter zeigen, wie kaputt ihr People- und Promi-Journalismus ist. Früher musste man als Promi-Reporter ja noch nah dran sein an den Stars, in Bars rumlungern, bei Partys, um etwas aufschnappen, das eine Story hergibt. Heute hängen Bunte.de-Promi-Reporter auf Instagram rum oder bei Facebook, um abzuschreiben, was die Stars dort verbreiten.

Das Prinzip ist fast immer dasselbe: Bunte.de schreibt einen kurzen Text, in dem nicht viel drin steht, damit die Leute auch noch das eingebettete Video anklicken, in dem dann auch nicht viel drin steckt, meistens nicht mal ein Video, sondern eine Abfolge von (Instagram-)Fotos, unterlegt mit Geklonger, über das eine Bunte.de-Redakteurin ein seichtes Off-Textchen leiert.

Das alles dient nicht dazu, die Leser zu informieren, sondern Klicks und Moneten abzusahnen. Vor fast jedem „Video“ läuft Werbung, für Autos oder Parfum, irgendwas. Das bringt ordentlich Geld. Allzu gerne führt Bunte.de deshalb erst mal ein bisschen in die Irre, damit die Leute auch klicken.

Wer Angst hat, es könnte etwas passiert sein, weil da was von den „Schattenseiten“ der Schwangerschaft steht, erfährt irgendwann im „Video“, dass Cathy Hummels auf Instagram den Schatten ihres Babybauchs gepostet hat.

Foto von Cathy Hummels, die vor einem gedeckten Tisch hockt, auf dem unter anderem eine Flaxhe Wein und ein Glas stehen.
Und Bunte.de so: Warum steht denn da Wein? Screenshot: Bunte.de

Wer bei der Überschrift „Alkohol? Dieses Foto macht stutzig“ erschrickt, erfährt irgendwann im „Video“, dass Cathy Hummels auf Instagram ein Foto gepostet hat, auf dem sie vor einem (offenbar für mehrere Menschen gedeckten) Tisch posiert, auf dem eine Flasche und ein Glas Wein stehen. Kann natürlich für irgendwen sein, aber Bunte.de tut erst mal, als würde Hummels schwanger saufen, um abschließend zu säuseln: So sehr wie sie sich auf den Nachwuchs freue, „sind wir uns sicher, dass Cathy das nicht aufs Spiel setzt“. Die Off-Sprecherin wünscht dann noch heuchelnd „eine tolle und erholsame Zeit“.

Und wer gerne wissen möchte, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, kann sich auch getrost auf Bunte.de verlassen: Auf dem Foto nämlich, dass Cathy Hummels zur Verkündung ihrer Schwangerschaft gepostet hat, trägt sie ein hellblaues Oberteil, was für die noch nicht gänzlich durchgegenderte Redaktion, ein todsicheres Indiz ist. Immerhin hat Hummels auch noch ein Familien-Emoji mit einem Jungen dazu gepostet – und einen Fußball!

Es ist alles schrecklich einfältig und führt zu der Frage, was Bunte.de-Redakteurinnen abends so von ihrem Arbeitstag erzählen, bevor ihr Partner (oder Hund) vor Langeweile wegnickt. Die andere Frage ist: Weshalb funktioniert das überhaupt? Wieso klicken Menschen das an? Sie könnten ja auch selbst auf Instagram oder Facebook nachsehen, statt sich erst von Bunte.de um mehrere Ecken irreführen zu lassen. Spätestens nach dem dritten Beitrag müsste man als Leserin ja verstanden haben, wie es läuft.

Aber es funktioniert offenbar, und Hubert Burda, der Münchner Verleger, der auch Bunte.de verantwortet, lässt sich auch gerne dafür feiern. Burda glaubt, mit seinen digitalen Produkten am Nabel der Zeit zu hängen. Er sei, so steht es auch auf Bunte.de, „seit Jahrzehnten einer der Vorreiter der digitalen Revolution“. Medienunternehmen hätten sich, „getrieben durch neue Technologien“, in den vergangenen Jahren „völlig neu erfunden“, und Burda sei „einer der Pioniere dieser Entwicklung“.

Angesichts dessen, was nun hinten rauskommt bei dieser Entwicklung, kann man nur ganz herzlich gratulieren. Wir wünschen gute Besserung und eine erholsame Zeit.

Nachtrag, 11.1.2018. Cathy Hummels hat auf ihrem Instagram-Account bekannt gegeben, dass ihr Kind heute zur Welt gekommen ist. Wir gratulieren! Bunte.de hat inzwischen noch 14 weitere Beiträge zu Hummels‘ Schwangerschaft bzw. ihrem Babybauch veröffentlicht. Zwei Mal hatten die Wölbungsredakeure sogar den Verdacht, das Baby wäre schon da!

Mit unserer Schätzung, es würden bis zur Geburt sicher so 100 Artikelchen, lagen wir also falsch. Es sind lediglich etwas mehr als 60. Und das ist doch total angemessen, ne?

8 Kommentare

  1. Ein Uhr, die stehen geblieben ist, zeigt zweimal täglich die richtige Uhrzeit.
    So ähnlich ist es mit „Schwangerschaftsmeldungen“; irgendwann stimmt eine zufällig.

  2. Die andere Frage ist: Weshalb funktioniert das überhaupt? Wiso klicken Menschen das an?

    Die Frage habe ich mir auch schon ewig gestellt, aber ich verstehe ja nichtmal, warum ich bei meinen eMail-Dienstleistern yahoo & t-online auch immer noch gelegentlich auf irgendeine bescheuerte ‚Sensations’meldung klicke, obwohl ich doch mittlerweile längst gelernt haben müsste, daß sich dahinter in 97 % kompletter Bullshit, als Artikel getarnte Werbung, eine Pressemitteilung oder mit Glück eine dpa-Meldung verbirgt. Ehrlich, ich habe keine Antwort darauf. Aber es wird weniger und irgendwann, so hoffe ich, werde ich auch dieses Verhalten ablegen können.

  3. @4:
    k.A. warum du bei diesen Mail-Anbietern bist. Gibt ja preiswerte Alternativen wie z.B. mailbox(dot)org oder Posteo(beide Berlin).
    Im übrigen: Wie gelangt man auf Seiten wie Bunte; Focus; Bild u.ä.?
    Müsste ich schon bewusst anklicken und mich dann „weiterführen“ lassen.
    Passiert nicht…
    Selbst nutze ich zum alltäglichen I-Net-Surfen den Tor-Browser mit der Erweiterung
    yMatrix. Ist gelegentlich lästig, weil es mich auch vom gewollten Klicken abhält.
    Für sowas ist dann ein anderer Browser zuständig, den ich dann ganz bewusst nutze.

  4. @5: Erstens waren sie schnell eingerichtet, zweitens sind sie kostenlos bei recht enormem Speicherplatz (yahoo) und drittens müsste ich dann ja überall meine eMail aktualisieren – ein Aufwand, vor dem ich zurückschrecke.

    Die Maildienstleister selbst sind ja auch nicht verkehrt und filtern SPAM sehr zuverlässig, da kann ich mich nicht beklagen. Allein deren News-Portale sind fragwürdig.

  5. @6:
    in meinem Fall: Thunderbird richtet das(mein) Konto automatisch ein. Kennwort speichern und Ruhe ist.
    Mails per Web abrufen: Besser nicht.

  6. immer, wenn ich solche Artikel über Klatsch-und-Tratsch-Schreibkräfte lese, drängt sich mir das Bild von Müll aufsammelnden, schmutzigen Menschen in orange-farbenen Warnwesten und solchen, die hinten auf Müllfahrzeugen mitfahren und die Tonnen an den Greifer schieben, auf. Leute, die die letzte Drecksarbeit machen, weil sie nichts besseres können oder nichts besseres lernen konnten.

    Aber dann sage ich mir jedes Mal, dass diese Menschen ja eine wichtige Aufgabe erledigen und wir ohne sie im Dreck ersticken würden. Deshalb habe ich eine gewisse Achtung vor ihnen.
    Kann ich von den Klatsch-und-Tratsch-Schreibkräften der Gossenblätter nun allerdings gar nicht sagen.

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