Exklusiv: Journalismus zum Heulen
Der Mann, der verdächtigt wird, den Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB begangen zu haben, hat ein Geständnis abgelegt – und was für eins! Das will jedenfalls, exklusiv, der „Focus“ herausgefunden haben, unter anderem dessen Chefreporter Josef Hufelschulte. „Focus Online“ titelte gestern:
Angeblich fing der Beschuldigte nach seinem vermeintlichen Geständnis an, „bitterlich zu weinen“. Er brach „in Tränen aus“ und sei „völlig aufgelöst“ gewesen. Die Quelle für die Behauptung: „FOCUS-Online-Informationen“. Das Geständnis bedeute, so heißt es weiter, „das vorläufige Ende einer aufregenden Suche nach dem Attentäter auf die Dortmunder Borussia“.
Der Text erschien gestern Abend um 19:52 Uhr. In einem Text bei „Spiegel Online“, der nur wenige Minuten zuvor veröffentlicht wurde, heißt es:
Selbst nach der wohl robusten Festnahme durch die GSG 9 fiel Sergej W. nicht in sich zusammen. Nach Informationen des SPIEGEL schweigt er beharrlich zu den Vorwürfen.
Auch andere berichten, dass der mutmaßliche Attentäter sich nicht äußere. Im „heute journal“ war gestern außerdem, um kurz nach 22 Uhr, Holger Münch zugeschaltet, der Chef des Bundeskriminalamts. Auch Münch sprach nicht von einem Geständnis. Auf die Frage, ob sich der mutmaßliche Täter nach der Festnahme „in irgendeiner Form geäußert“ habe, sagte Münch:
Nein, er hat sich nicht eingelassen.
Das Bundeskriminalamt hat heute zudem eine Richtigstellung getwittert, in der sie der „Focus Online“-Meldung ausdrücklich widerspricht: „Die Darstellung [von „Focus Online“] entspricht nicht den Tatsachen“, heißt es dort. Richtig sei hingegen, dass der Beschuldigte „keinerlei Angaben zum Tatgeschehen oder einer etwaigen Tatbeteiligung“ gemacht habe.
#Richtigstellung des #BKA zum #Anschlag auf #BVB Bus: Beschludigter legte bei Festnahme kein Geständnis ab. pic.twitter.com/pmNPtTzG7l
— Bundeskriminalamt (@bka) April 22, 2017
Auf „Focus Online“ ist die Behauptung, der Beschuldigte habe gestanden und geweint, weiterhin zu finden. Und weil auch die Deutsche Presseagentur (dpa) den Bericht auf „Focus Online“ zum Anlass für eine Meldung nahm, findet sich das angebliche Geständnis obendrein in etlichen anderen Medien, auch bei – „Focus Online“. Damit hat „Focus Online“ also vermeldet, dass dpa meldet, dass „Focus Online“ meldet, es gäbe ein Geständnis.
Nachtrag, 23 Uhr. „Focus Online“ hat den Artikel heute Abend in unveränderter Form, ohne jeden Hinweis auf das Dementi des BKA, noch einmal veröffentlicht – mit verändertem Zeitstempel, so dass er wie ein aktueller Artikel wirkt:
Nachtrag, 23:50 Uhr. „Focus Online“ hat den Artikel später am Abend um eine „Anmerkung der Redaktion“ ergänzt:
Das BKA hat am Samstag dementiert, dass der Beschuldigte ein Geständnis abgelegt und gesagt habe, er sei der „der Richtige“. Laut BKA machte der Beschuldigte bei seiner vorläufigen Festnahme keinerlei Angaben zum Tatgeschehen oder einer etwaigen Beteiligung. FOCUS Online bleibt jedoch bei seiner Darstellung des Ablaufs der Festnahme, von der interne Quellen berichtet haben.
Ein offizielles Geständnis von Sergej W. war seine Äußerung nicht. Dieses steht im polizeilichen Verhör noch aus. Um dies klarzustellen, haben wir die Überschrift des Artikels angepasst.
Die Überschrift lautet nun: „BVB-Attentäter sagt bei Festnahme: ‚Ihr habt den Richtigen'“
Nachtrag, 28.4.2017. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, der Beschuldigte bestreite, den Anschlag verübt zu haben.
Was bedeutet „robuste Festnahme“? Das der z.Z. der Festnahme lediglich „Verdächtige“ krankenhausreif geprügelt wurde?
@Svetlana:
Da steht im Ganzen: „Selbst nach der wohl robusten Festnahme durch die GSG 9 […]“.
Wenn man weiß, was die GSG9 ist, ist klar, wie es gemeint ist:
Die GSG9 (Anti-Terror-Einheit des Bundes) klopft nicht mit „Polizei, bitte aufmachen!“ an der Tür, sondern „überrascht“ die Tatverdächtigen und überwältigt sie. Dass so etwas naturgemäß nicht zimperlich ablaufen kann, ist logisch. Aber krankenhausreif prügeln gehört da eher nicht zu, das haben die gar nicht nötig.
Haha, denen bei focus online ist auch gar nix peinlich…
Ich möchte ‚robust‘ für die Hasswortkolumne vorschlagen. Wobei Hass noch zu hoch gegriffen ist, aber wenn es so weiter geht, sind wir auf dem Weg dahin. Ich würde sie auch schreiben.
@Svetlana:
Überwältigen ist ein guter Begriff. Schnell, direkt, u.U. laut. Dieses Verhalten soll idealerweise für einen Augenblick Verwirrung stiften.
Möglicherweise in etwa so:
https://www.youtube.com/watch?v=1kFRs3XBsOw
Gruß
pit
Empfehle weitere Lektüre auf Focus online – wird interessant
Und dann können Sie ja weiter Kübeln
Sie sind ja sehr nahe dran – nicht wahr ?
Beste Grüße
Axel Spilcker
Focus-Redakteur
@5 Axel Spilcker
Nein Danke, Focus Online ist eine zu traurige Seite
Naja nun,
korrekt wäre es gewesen, wenn der Focus sofort die Darstellung des BKA mit erwähnt hätte. Was tatsächlich geschehen ist, wird außer den beteiligten Beamten niemand wissen. Ich will keineswegs die Darstellung des Focus stützen, aber bei offiziellen Verlautbarungen einer Polizeibehörde in einem relativ frühen Stadium muß man nicht zwingend die reine Wahrheit erwarten.
Alle übrigen Medien haben die offizielle Darstellung des BKA übernommen. Ob das nun ein Beleg für eine schlechte Arbeit des Focus ist, werden wir noch sehen. Und damit ist auch nicht komplett auszuschließen, daß Boris Rosenkranz hier mit seiner Wertung danebenliegt. Insofern wäre eine vorsichtigere Betrachtung ratsam gewesen. Leider aber tendiert Übermedien zu deftigeren Headlines.
#5@Spilker – Empfehlung zur Kennntnis genommen, trotzdem kein Interesse an Hirnkrebs. Wahrscheinlich sind wir nicht näher dran als Sie, nur wir denken uns dann keine Märchen aus, nur um unser kümmerliches Brot zu verdienen.
#6@Cicichief – Nicht nur Focus Online, sondern auch der Focus selbst ist eine ziemlich traurige Sache.
at Joachim
Nicht, daß ich den Focus sonderlich schätzen würde… aber woher wissen Sie so genau, daß der Focus sich in diesem Fall ein Märchen ausgedacht hat? Oder ist das nur eine Vermutung? Falls ja, was unterscheidet Sie dann (logisch betrachtet) von dem, was Sie kritisieren?
#9@Thomas – Wenn man es auf die Spitze treiben möchte und alle anderen nichts wissen einschließlich dem BKA, unterscheidet mich nichts. Dann hat der Focus den wohl festgenommen.
Aber wenn man es weiter spinnen möchte, Ihre Argumentationskette, könnten ja auch die Reichsbürger Recht haben, glauben Sie auch daran?
Man sollte doch mittlerweile wissen, dass es ein Grundrecht ist, zu schweigen, wenn gegen einen selbst ermittelt wird.
Ein Strafverteidiger würde sogar noch weiter gehen und sagen, es ist eine Pflicht zu schweigen, wenn man festgenommen wurde.
Die Polizei dokumentiert jedes (!) gesprochene Wort.
Und nun soll der Festgenommene, der eine Tat aus Habgier plante und Tote ohne Probleme in Kauf nahm, laut Focus unter Tränen gestanden haben, obwohl es zum Recht/zur Pflicht gehört, zu schweigen, wenn man Tatverdächtiger ist?
Hat denn der Focus auch herausgefunden, dass der Tatverdächtige vielleicht schon sehr früh einen Strafverteidiger konsultiert und beauftragt hat?
at Joachim
Lassen Sie doch mal diesen Reichsbürger-Whataboutism beiseite. Sie unterstellen den Focus-Redakteuren, sich Märchen auszudenken. Heißt, die würden bewußt lügen. Dabei gibt es aber noch andere Erklärungsmöglichkeiten.
Möglichkeit 1:
Focus ist auf eine schlechte Quelle hereingefallen. Irgendein beim Zugriff beteiligter Beamter erzählt denen Unsinn. In dem Fall schlecht für den Focus, aber eine bewußte Lüge wäre es nicht.
Möglichkeit 2:
Es war so, wie der Focus es darstellt. Das BKA hat aber aktuell Gründe, das zu dementieren. Warum? Bei einem Geständnis wächst der öffentliche Druck, mehr zu erfahren. Denkbar, daß man diesen öffentlichen Druck jetzt nicht haben möchte bei der Fahndung nach möglichen Mitwissern und Mittätern. Alleine die Frage, woher der Sprengstoff stammt, ist ja nicht ganz unbedeutend.
Daß eine Redaktion zwischenzeitlich mehr Informationen hat als die Konkurrenz, ist ja nicht unüblich und wäre somit ebenfalls kein Indiz für eine bewußte Lüge.
Ich spekuliere hier nur. Aber das machen Sie ja ebenso – und auch Boris Rosenkranz. Man kann und darf die Darstellung des Focus anzweifeln, das ist völlig legitim. Aber auf der Basis der derzeit vorliegenden Informationen kann man eben nicht den beiden Focus-Redakteuren schlechten Journalismus vorwerfen oder gar zielgerichtetes Lügen.
@Thomas:
zu Möglichkeit 1: Es ist keine Lüge von Focus Online, wenn die Infos von einem Beteiligten stammen. In jedem Fall ist es aber unsauber und das Ergebnis schlechter Recherche, so etwas als Fakt hinzustellen. Es wäre Focus Online kein Zacken aus der Krone gebrochen, nichtgesicherte Informationen auch als solche darzustellen.
zu Möglichkeit 2: Hätte der Bericht gestimmt, hätte das BKA nicht so hart dementiert. In solchen Fällen erklären sich die Behörden gar nicht oder geben eine Erklärung „aus ermittlungstaktischen Gründen… blabla… äußern wir uns nicht“. Aber dieses Dementi ist doch eindeutig.
#11@Thomas – Wieso „Reichsbürger-Whataboutism“? Ich vermute mal weil Ihnen der Gedanke, auch das nach Ihrer Logik zu betrachten, zu weit geht, aber bei den verhandlungen waren Sie auch nicht anwesend. Sie setzen willkürlich Grenzen, was möglich ist und was nicht. Wenn Sie schon „Logik“ ins Feld führen, dann bitte auch konsequent.
– Um es klarzustellen, ich glaube an diese Theorien genauso wenig, wie das der Focus bei der Verhaftung dabei war.
Mit mal so und dann wieder mal anders kann ich nichts anfangen und ich unterstelle dem Focus lieber Märchen, als das die, die Investegativ Abteilung Deutschlands sind.
Im übrigen gilt das dann auch für die Falschmeldung von Markwort in Sachen Rücktritt Gabriel, da wurde doch auch felsenfest behauptet das man praktisch „dabei“ war. Aber auch dafür haben Sie dann sicher eine 10 seitige Erklärung warum das ganz anders war. Bin gespannt.
Beim Fokus handelt es sich erkennbar nicht um „Lügenpresse“, denn bekanntlich hat Online nichts mit Presse zu tun.
Wenn der Täter geheult hat, dann allein deshalb, weil ihm klar wurde, wie unglaublich dumm und naiv seine Tat angelegt war. Dass sie hochkriminell und unglaublich menschenverachtend war, wusste er bereits vorher. Schau’n mer mal, wie lange er einfährt, auch im Vergleich mit sogenannten ‚politischen‘ Taten ohne jeden Personenschaden. Die Latte liegt hoch.
at Rob:
Sie würden sich wundern, wie irrational sich Verbrecher manchmal verhalten können.
at Thomas K.:
zu 1: Mein Reden.
zu 2. „Hätte, hätte“. Gut, daß Sie den Konjunktiv gewählt haben. Gibt es da eine einheitliche Linie, wie sich Ermittlungsbehörden in solchen Fällen verhalten? Wohl kaum. Es gab in der Polizeigeschichte schon jede Menge klare Dementis von Ermittlern, die nur taktischer Natur waren.
at Joachim
Ich weiß (möglicherweise) nicht mehr als Sie und gerade deswegen maße ich mir nicht an, jemanden der Lüge zu bezichtigen. Sie „glauben“, Sie „unterstellen“. Gut, daß Sie das selbst noch einmal herausgearbeitet haben. Dann noch als Indiz eine Falschmeldung von Markwort anzuführen, ist schon eine starke Nummer – für den Stammtisch.
#16@Thomas – Ich antworte Ihnen gerne nochmal, weil es recht unterhaltsam ist. Mit (möglicherweise) sagen Sie was? Das Sie beim GSG9 sind *gg*.
Lüge legen Sie mir auch in den Mund, ich habe von Märchen gesprochen. Ich glaube auch nicht an das Märchen das Sie (möglicherweise) mehr wissen. Und als Indiz für die Verbreitung von Falschmeldungen (gerne auch unbedacht und unproffessionell) lasse ich die „felsenfeste“ Behauptung von Markwort zum Rücktritt von Gabriel durchgehen. Altes abgewandeltes Sprichwort, wer einmal Märchen erzählt – muss erstmal beweisen das er wirklich mehr weiß. Stammtisch trifft mich nicht, da beziehe ich mein Wissen nicht her, aber Markwort, der hat dass doch bei einem Stammtisch verbreitet, oder. Das war doch ein öffentlicher Stammtisch, richtig.
Ich weiß das ich nicht viel aus eigener Erfahrung weiß, aber ich plustere mich dann auch nicht so auf, als ob und mime den (möglicherweise) Wissenden mit 27 Theorien, wovon eine schon verfangen wird.
at Joachim
„möglicherweise“, weiß ich es nicht weiß.
„Märchen erzählen“ bedeutet in diesem Kontext: Lügen. Nicht: Kindern beim Einschlafen helfen.
Sie können natürlich jedem Medium grundsätzlich mißtrauen, wenn einer aus dem Haus irgendwann einmal „Märchen erzählt“ hat. Mit der Haltung könnten Sie sich locker bei den Demos in Leipzig einreihen.
Wie die beiden Focus-Redakteure nun ihre Sicht der Dinge „beweisen“ sollen, ist mir unklar. Vielleicht so? „Es sollte ihnen nicht mehr erlaubt sein, Quellen zu benutzen, wenn sie nicht den Namen von jemandem nennen.“ (Donald Trump)
#18@Thomas
Ich vermute das Sie mit den Demos in „Leipzig“ die Pegida Demos in Dresden meinen, oder meinen Sie die linken in Leipzig. Nachdem der „Stammtisch“ nicht gezogen hat holen wir nun mit der nächst größeren Keule raus? Das zeigt Ihren Horizont, übrigens die Erde ist doch keine Scheibe. Ab jetzt macht es keinen Sinn mehr, weil ein gewisse Reflektionsfähigkeit und vor allem Wissenbasis Diskussionen spannend machen. Nicht dümmliches in eine scheinbar „böse“ Ecke stellen, als „Argument“. Da fehlt nun die Grundlage für einen weiteren Austausch. Wünsche einen schönen Tag, wie auch immer Ihrer aussehen mag.
at Joachim
Keine Keule. Ich hatte lediglich gehofft, daß – wenn schon der Hinweis auf die uns beiden gemeinsam fehlende Wissensbasis nicht ausreicht – ich bei Ihnen einen Denkanstoß zur Reflektion Ihrer eigenen Position auslösen könnte.
Da bin ich wohl gescheitert. Mea culpa.
@5 Spilcker: Muhahaha, das hätten Sie wohl gerne. Aber netter Versuch, noch mehr Leute auf ihre Schrottseite zu locken.
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Zum Thema: Das sind keine Fake-News, denn Verlage sind heilig in Deutschland und können sich somit alles erlauben. FOCUS hat das nur aufgehübscht damit wir Spaß beim lesen haben
Die Frage der Herkunft des -lt. Medienspekulationen lt. Polizei- militärischen Sprengstoffes scheint in den Medien irgendwie gar niemanden mehr zu interessieren. Der rechtsextreme Offenbacher Oberleutnant aus einem franz-dt Mischbataillon, der sich (erfolgreich!) als syrischer Flüchtling registrieren ließ zeigt, welch absurd erscheinende Szenarios man inzwischen mit einkalkulieren muss. Er hätte einen passenden Ausweis gehabt, den man später in einem Führerhaus hätte finden können. Die Frage ist recht brisant.
@Axel Spilcker:
Gerade inhaltlich war dieser Konter wirklich sehr überzeugend. Habe den Focus wohl sehr unterschätzt, blöde Vorurteile. Abo-Schein ist auf Postweg.