Die Kolumne
Michalis Pantelouris ist Journalist und hat an vielen Magazin-Erfindungen und -Relaunches mitgewirkt. Er geht für uns jede Woche zum Bahnhofskiosk, um Zeitschriften zu entdecken.
Der Autor der Horrorromanreihe „Geisterjäger John Sinclair“ schreibt jede Woche ein neues Buch. Ich möchte das bitte wiederholen, und nicht nur, weil ich die Buchstabenkombination orrorro wahnsinnig toll finde: Der Autor der Horrorromanreihe „Geisterjäger John Sinclair“ schreibt JEDE WOCHE EIN NEUES BUCH! Das ist meine Definition von Horror, aber ich verbeuge mich in tiefer Verehrung.
Michalis Pantelouris ist Journalist und hat an vielen Magazin-Erfindungen und -Relaunches mitgewirkt. Er geht für uns jede Woche zum Bahnhofskiosk, um Zeitschriften zu entdecken.
Aber nicht so tief wie die Macher des Magazins „Virus – The Dark Side of Entertainment“, deren komplettes Heft eine Verbeugung vor jeder Art von Film, Buch, Comic, Brett- oder Computerspiel, Musik oder sonst irgendeinem Kulturmedium ist, in dem Tod und/oder Teufel vorkommen. Es sind Gruselnerds der allerersten Güte, ein Special über den Start eines neuen Teils der Filmreihe „The Ring“ ist so lang und derart beladen mit Spezialwissen und Referenzen und Einordnung und was einem überhaupt noch alles einfallen kann zu dem Thema, dass ich glaube, es fehlt nicht mehr viel, um es als Bachelor-Arbeit einzureichen*. Es ist eine nerdige Liebeserklärung.
Ich mag sowas, und ich unterstütze das, und um meinen Worten Taten folgen zu lassen, unterstütze ich es jetzt mit fisseliger Detailkritik, weil „Virus“ eine brutale Schwachstelle hat: Wie viele nerdige Fanzines ist es meiner Meinung nach nicht gut, stellenweise sogar schlecht und insgesamt jedenfalls verbesserungswürdig betextet.
Ein Beispiel, wie alle folgenden ziemlich willkürlich ausgesucht (aus einer Filmbesprechung):
Basierend auf einem englischen Beststeller ist „The Girl with all the Gifts“** ein bemerkenswerter Eintrag im Verzeichnis der langsam abebbenden Zombiewelle, und der sparsam besetzten Unterkategorie viel versprechender Mainstream-Zuwendung. [Darsteller] Arterton und Considine sind ebenso wie „Sherlock“-Regisseur Colm McCarthy alles andere als Kassengift und weit davon entfernt, B-Movie-Kost ihr Gesicht und Talent zu leihen.
Das ist schon verworren. Ich nehme mal an, die „Unterkategorie der viel versprechenden Mainstream-Zuwendung“ meint Mainstream-Filme zum Thema Zombies. Es gibt ofenbar nicht viele davon, die viel versprechend sind, korrekt? Da geht es bei mir schon los: Was ist ein viel versprechender Film? Einer, der vielleicht irgendwann gut wird? Ein Versprechen ist in die Zukunft gerichtet, dieser hier ist aber ja schon ein „bemerkenswerter Eintrag“ in ein bizarres Register, so wie es hier steht sogar in zwei, nämlich auch noch in das Unterregister der viel versprechenden Mainstream-Zuwendung (oh, was für ein Ungetüm!).
Das klingt wie der Versuch, überkandidelt zu klingen, ist aber wahrscheinlich der Versuch, so zu schreiben, als wäre man ein Zombiekategorienregister-Überchecker, und es pimmelt mich ein bisschen an, dass der Autor oder die Autorin hier garantiert ein Zombiefilmkategorienregister-Überchecker ist, aber völlig übertreibt beim Schreiben. Warum nicht schreiben: „The Girl with all the Gifts“ war schon als Roman ein Bestseller, und der Film ist einer der bemerkenswerten in der gerade erst abebbenden Welle der Zombiefilme – was noch bemerkenswerter ist, wenn man bedenkt, wie wenig gute Mainstream-Filme es in diesem Genre gibt?
Der zweite Satz, der mit Darstellern und Regisseur, hat zum ersten ohnehin keinen logischen Bezug. Was soll er belegen? Dass dies kein B-Movie ist? Dass der Film gut ist? Und „B-Movie-Kost“? Echt jetzt? Nebenbei bemerkt in einem Heft, das sich kein bisschen zu schade ist, B-Movie-Splatter-Horror-Eingeweide-raus-Monster-Kram so hart zu feiern wie Putin den Wahlsieg von Donald Trump. Ich glaube, da ist Luft nach oben.
Und von dieser Art Krumpeldeutsch gibt es eine Menge in „Virus“.
[Der Film] „Personal Shopper“ mag auf den ersten Blick sehr selbstverliebt rüberkommen. Es ist ganz klar, dass Arthouse-Regisseur Olivier Assayas in Kristen Stewart***, die sich fantastisch von ihrem „Twilight“-Stigma freispielt, mit Script und Kamera total verfallen ist. Und an einigen Stellen hakt der Film ganz gewaltig, beziehungsweise, entzieht er sich einer schnellen Einordnung und einem flotten Urteil. Das ist gut und gefällt. Genau so, wie Tempo und Atmosphäre.
Ich werde nicht über die kreative Kommasetzung reden, auch wenn sie zur Schülerzeitungsanmutung beiträgt. Aber ich finde, diese ganze Argumentation hakt an einigen Stellen ganz gewaltig, beziehungsweise … jetzt kriege ich die Wendung nicht so hin wie der Autor des Textes, der mit „Haken“ offenbar meint, der Film rege irgendwie zum Nachdenken an, was nach unflottem Urteil gut ist und irgendwem gefällt. Oder allen. Oder ihm. Genau so, nur ganz anders, finde ich, beziehungsweise, irgendwer diesen Text.
Es ist ein irres, mit Unmengen krudem Zeug vollgestopftes Heft, dass sich anfühlt wie tolpatschige Teenagerliebe, und deshalb empfehle ich es hier wirklich. Sie haben eine Doppelseite über Caspar David Friedrich, weil der irgendwie dark gemalt hat, und sie haben ein bizarr verworrenes, ewig langes Interview mit dem Helden, der jede Woche einen „Geisterjäger John Sinclair“-Roman raustut, und das seit 2000 Wochen – und mit seiner Frau, die ihn morgens zur Arbeit fährt. Es ist so viel hässliches, blutiges, bizarres Zeug in diesem Heft wie sonst nur in den Mülltonnen am Fischmarkt am Sonntag um 12 Uhr. Es ist ein großartiges Gemetzel. Ich liebe es.
Aber es steht eben auch drin, „Personal Shopper“ sei „ein ungewöhnlicher Arthouse-Geisterfilm, der einen befriedigenden Abschluss bewusst erst ein paar Stunden nach dem Genuss dem Zuschauer selber überlässt.“ In diesem Sinne können Sie jetzt von meinem Text halten, was sie wollen, aber glauben Sie mir, ich sage Ihnen ganz bewusst: nicht vor morgen früh um neun! Bis dahin bestimme ich.
Virus
Raptor Publishing GmbH
6,66 Euro (knihihihi)
*) Natürlich fehlen Fußnoten. Just sayin’.
**) Nebenkriegsschauplatz: Bei „Virus“ bekommt man es hin, „The Girl with all the Gifts“ auf zwei Seiten in drei Varianten von Groß- und Kleinschreibung anzubieten, ganz abgesehen davon, dass zwei Spalten rechts von diesem Textabschnitt der Regisseur im Interview sagt, das Drehbuch für den Film sei vor dem Roman entstanden, der Film „basiert“ also nicht auf einem Bestseller.
***) die hier konsequent „Kirsten“ genannt wird
Dieser Text gefällt einer unspezifizierten Gruppe in irgendeinem Maß.
Ich mochte Virus in den Anfangszeiten, weil Sie dort die Filme etwas schnoddrig besprochen haben. Dann aber kam viel zu viel was mit Filmen nichts zu tun dazu und auch der Ton wurde eher zwanghaft oberlehrerhaft.
Ich wandte mich dann Deadline, von der ich mich dann aber auch verabschiedet habe weil ich das Gefühl hatte das wirklich jeder Mist irgendwie noch gut bewertet worden ist. Insbesondere in größeren Berichte wurden „Genre-Blockbuster“ sehr positiv beschrieben, in der nachfolgenden Zusammenfassung auf den Reviewseiten dann plötzlich nicht mehr. Das fand ich eher nervend.
Faktum: Rellergerd schreibt schon längst nicht mehr jede Woche einen Heftroman (was ca. dem Umfang von 100 Taschenbuchseiten nahekommt).
Das macht er seit diversen Jahren schon nicht mehr.
Bei „knihihihi“ entfuhr mir ein glucksendes Lachen.
Also ich find den Stil in den hier gewählten Beispielen gar nicht so auffällig.
Ich finde in jedem Spiegel zahlreiche Passagen, über die ich mich mehr ärgere, glaub ich. Und auf der SZ-Homepage eigentlich auch bei jedem zweiten Klick.