Nur 80 Demo-Teilnehmer?

Achtung, hier spricht die Polizei falsch!

Die Bremer Polizei, dpa und andere Medien verbreiten eine offensichtlich falsche Teilnehmerzahl einer Klimademo – obwohl ihnen ein korrekter Fotobeweis vorliegt. Erst ein Hinweis unseres Autors bewirkt Korrekturen. Ein Lehrstück über die Gefahr blinder Polizei- und Agenturgläubigkeit.

Wer Medienberichte über Demonstrationen liest, ist mitunter irritiert, weil die Polizei oft niedrigere Teilnehmerzahlen nennt als die Veranstalter. Selten aber gehen die Angaben so weit auseinander wie kürzlich nach einer Klimademonstration in Bremen anlässlich eines internationalen Aktionstages. 

Die Polizei will 80 Menschen gezählt haben, „Fridays for Future“ (FFF) als Veranstalter dagegen 300 bis 400. Das Bizarre: Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hatte zur Illustration auch ein Foto von der Demo verbreitet, auf dem aus der Vogelperspektive mehrere hundert Menschen zu sehen sind – ein eindeutiger Fotobeweis. Dennoch meldete die Agentur routinemäßig die Polizeiangaben; der Widerspruch zwischen Bericht und Bild war niemandem aufgefallen. Auch mehrere dpa-Kunden übernahmen die falsche Zahl und zugleich das Foto. FFF selbst hatte keine eigene Zahl publiziert.

Mangelnde Sorgfalt

Als mir das beim Blick auf die Onlineberichte auffiel, wollte ich diesen…

5 Kommentare

  1. Kommt mir das nur so vor oder ist das jetzt schon ein bisschen kleinlich und ziemlich viel Wind wegen einer absoluten Abweichung von max. 320 Personen?
    In dem Fall finde ich die Rechtfertigung der Polizei mit der „Laufkundschaft“ sogar plausibel. Etwas anderes wäre es, wenn tatsächlich über 10.000 Leute dagewesen wären.
    Aber so finde ich die _unterschwellige_ Unterstellung, dass die Polizei absichtlich zu niedrige Zahlen verbreitet, schon übertrieben und fast an der Grenze zur Verschwörungstheorie. Es lassen sich bestimmt auch Beispiele finden, auf denen ein Foto deutlich weniger Leute zeigt als die Polizei gemeldet hat – man muss nur zum richtigen Zeitpunkt abdrücken. Das würde aber natürlich als Artikel nicht viel hergeben.

  2. Ehrlich gesagt zeigt das Bild für mich nicht eindeutig mehrere hundert Personen. Vielleicht würde ich es auf 120 bis 150 Personen schätzen. Wenn ich das Bild sehe, ergibt sich für mich aber keine Text-Bild-Schere und der Vorwurf fühlt sich doch arg konstruiert an, da muss ich dem Vorkommentierer zustimmen.

    Ob es jetzt 80 oder 300 oder 350 waren, ist zwar schon noch ein Unterschied, aber von hunderten könnte man in beiden Fällen nicht sprechen. Dass man deshalb grundsätzlich vorsichtig bei Polizei-Meldungen sein sollte, kann ich da beim besten Willen nicht herauslesen. Gerade im Vergleich zu den meisten Organisationen schätzt die Polizei die tatsächlichen Zahlen wahrscheinlich in 90% der Fälle seriöser ein. Mag sicher auch mal nicht ganz stimmen, aber wenn dann aus 80 statt 300 ein Artikel gemacht wird, scheinen die Zahlen doch sehr gut zu sein.

  3. @SvenAckermann: Aus unserer Sicht ist der Fall einfach ein anschauliches pars-pro-toto, weil er fehleranfällige Strukturen im Nachrichtenjournalismus zeigt. Dadurch wird er für uns relevant – nirgendwo wird behauptet, dass hier jetzt ein dramatischer Skandal vorliegt. Und: Woran machen Sie denn diese vermeintliche Unterstellung fest?
    (Wenn Sie einen Fall finden, in dem die Polizei deutlich mehr Leute angibt und Medien das übernehmen, lassen Sie uns das wissen – es wäre ebenfalls ein Thema für uns).

  4. Die Kritik an der blinden Übernahme von Polizei-Zahlen ist ja grundsätzlich gerechtfertigt und die angebrachte Medienkritik teile ich auch. Da gab es hier in der Vergangenheit auch schon gute Beispiele. Nur dieses hier wirkt doch ein wenig zu sehr gewollt.
    Und vielleicht interpretiere ich da auch zu viel rein, aber schon die Überschrift setzt ja ein starkes Framing, dass die Polizei hier was schlimm falsch gemacht hat. Der letzte Abschnitt macht das auch nicht unbedingt besser. Es wird ja so dargestellt, als seien die (aus meiner Sicht plausiblen) Antworten nicht ausreichend.
    Ich habe auch extra „_unterschwellig_“ geschrieben, weil das eben nicht direkt so da steht, es aber reininterpretiert werden könnte (vor allem von Menschen, die die Polizei sowieso schon nicht mögen).

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