Palästinenser in Hungersnot

Die zynische Debatte über hungernde Kinder in Gaza

Fotos von abgemagerten Kindern in Gaza gehen um die Welt, viele Medien zeigen sie. Kurz darauf kommen Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt auf – obwohl die Lage unbestritten katastrophal ist. Die Diskussion über die Bilder ist ein Ablenkungsmanöver in einer Deutungsschlacht.

Am Hunger in Gaza lässt sich nur noch vorbeischauen, wenn man bewusst nicht hinsieht. Fotos von extrem abgemagerten Kindern kursieren nicht nur in sozialen Medien, auch Nachrichtenagenturen wie Imago, Reuters und AFP bieten sie dutzendfach an.

Kaum erträgliches Elend

17 Kommentare

  1. Puh, muss eine Formulierung wie Hungersnot-Leugner sein? Finde das passt nicht zu Übermedien, weil Journalist*innen, die versuchen das Thema differenzierter zu sehen, auf eine Stufe mit Klima- und Corona-Leugnern gestellt werden.

  2. Israel muss von den Amis (vermutlich die einzigen die das schaffen könnten) gezwungen werden, unabhängigen Journalisten freien Zugang nach und Sicherheit in Gaza zu gewähren. Die einzige Möglichkeit das die Welt erfährt was genau dort abgeht und entsprechend reagieren kann. Es deutet einfach viel zu viel darauf hin, dass dort Dinge geschehen die durch nichts mehr zu rechtfertigen sind.

  3. @butterchicken
    Ich würde die „Hungersnot-Leugner“ weit unterhalb der anderen ansiedeln.
    Viel tiefer kann man kaum sinken.

  4. Wenn wir es mit Medienkritik ernst meinen, dann kann man gefälligst auch bei Medienberichten über vermeintlich ach so offensichtliche Dinge darauf zu dringen, eine gewisse journalistische Sorgfalt im Vorhinein und nicht erst als Reaktion auf berechtigte Kritik walten zu lassen.

    Kriege als solche und dieser ganz besonders sind auch Medienschlachten zur Emotionalisierung der jeweiligen Interessenlagen und die Wirkung von Bildern und Symbolen muss man niemandem erklären, der sich mehr oder weniger professionell mit Medien beschäftigt.

    Ein Berichterstattung nach dem Motto „Du weisst doch, was ich meine“ ist nicht statthaft. In keinem Kontext. Egal, wie sehr man selbst nachvollziehbarerweise emotionalisiert ist vom individuellen Leid, gerade von Kindern. Denn sie geschieht ohne Not, wenn ich meine Arbeit ordentlich mache. Und wenn ich dem Text folge, sind doch sogar alle Argumente auf meiner Seite. Scheissegal, ob Muskelkrankheit oder Zerebralparese, da verrecken Kinder, das reicht doch als Info. Wenn ich dann aber titele „So sieht Hunger“ aus, dann ist das mindestens mal fahrlässig, lückenhaft und wenig sorgfältig. Gerade wenn ich weiß, dass Bilder immer wieder manipuliert, und wenn nicht, dann hinterfragt und eingeordnet werden, ist es meine verdammte Pflicht, das umso sorgfältiger zu platzieren.

    Sonst muss ich mich nicht wundern, wenn der Verdacht entsteht, hier werde einer Narrative Vorschub geleistet, die der kürzlich verstorbene Horst Mahler nicht besser hätte beschreiben können:

    So seien „auch die Protokolle der Weisen von Zion – auch wenn es sich dabei um eine Fälschung handelt – authentische Zeugnisse des jüdischen Geistes“.

    Will heißen, ist doch egal, ob das Bild an sich die „Wahrheit“ abbildet, das wird schon so sein. Nein. Das kann so nicht sein.

  5. „Worüber wir reden müssen, ist, wie wir schnell, neutral und unabhängig Nahrungsmittel und medizinische Hilfe zu den Menschen in Gaza bringen können“, fordert hingegen der Kinderarzt Aschoff. Dass viele Menschen und vor allem Kinder in Gaza hungern, ist eine Tatsache und nicht zu leugnen.“ [ siehe oben ]

    Tatsächlich verhungert auf diesem Planeten kaum jemand im engeren Sinne. Die häufigste Todesursache bei Hungerkrisen sind vermeidbare Folgeerkrankungen wie schwere Durchfälle – ein indirektes, aber ebenso tödliches Resultat systematischer Versorgungsknappheit.

    Die Grausamkeit und Skrupellosigkeit, mit der Netanjahu und seine Unterstützer agieren, steht der Brutalität der Hamas in nichts nach. Es wird Zeit, dass auch diese Verantwortung benannt und geächtet wird – konsequent und unabhängig von politischer Loyalität.

  6. Der Iran will die Juden ausrotten. Deshalb finanziert er Milizen wie die Hamas und die Hisbollah und entwickelt eine Atombombe. Die Hamas hat Israel überfallen. Die Israelis hatten den Gaza-Streifen längst verlassen. Google sagt: „Am 12. September 2005 verließ der letzte israelische Militärkonvoi den Gazastreifen über den Grenzübergang Kissufim, Israels Präsenz im Gazastreifen endete, und nur die Grenzübergänge zu Israel blieben unter seiner Kontrolle.“ Darf sich Israel wehren? Und wie? Was darf die Hamas? Würde sie die Waffen niederlegen und die Geiseln freilassen, könnte Israel den Gaza-Streifen wieder verlassen.

  7. @5: „(…) steht der Brutalität der Hamas in nichts nach.“

    Wenn wir (die Guten) die gleiche Grausamkeit an den Tag legen, wie die (die Bösen), worin unterscheiden wir uns? Welche Werte verteidigen wir dann? Und wogegen?
    Ich bin ja naiv (was Nahost angeht) und war bis zu der Louis Theroux Doku der Meinung, dass das mit dem Besiedeln und so tatsächlich alles nur Missverständnisse waren und die palästinensische Seite maßlos übertreibt.

    Auch dieses Narrativ hatte ich nie hinterfragt:
    https://www.schantall-und-scharia.de/hamas-schutzschilde/

    Am Ende steht die immergleiche (zynische) Erkenntnis: Im Krieg lügen Alle. Und Krieg is‘ eigentlich immer, auch wenn er im Gewand anderer Vokabeln, wie Wettbewerb, Konflikt oder Handelsstreit daherkommt.

  8. Warum gibt es eigentlich kein UN-Mandat, im Gaza-Streifen einzugreifen, wie früher in Jugoslawien oder in Afghanistan?

    @Anderer Max: vermutlich ist nicht jede Aktion der Israelis gerechtfertigt, andererseits trägt kein Hamas-Kombattand eine Uniform oder sonstige „unveränderbare, weithin sichtbare“ Merkmale, sondern tarnt sich als Zivilist.

    Dass die Israelis irgendwelche „Werte“ verteidigten, wäre mir allerdings neu. Bis dahin dachte ich, die kämpfen gegen ein feindliches Nachbarland, dessen Regierung sie alle umbringen will.

  9. @Anderer Max

    Weiß nicht, ob es so wahnsinnig sinnvoll ist, bei dem Beitrag zu den Schutzschilden ins Detail zu gehen, aber ich hatte es weniger so verstanden, dass sich die Hamas gezielt hinter einzelnen Zivilisten versteckt, als vielmehr die gesamte Zivilbevölkerung in der Region einen Schutzschild darstellt. Es existieren keine Schutzräume und die Hamas-Kämpfer sind paramilitärisch unterwegs, was auch so Konzepte wie ‚getötet im Kampf‘ und ‚getötet außerhalb des Kampfes‘ erschwert. Die Israelis haben nach Oktober 2023 offenbar entschieden, dass dieser Schild keiner mehr sein soll, und gehen dementsprechend bei ihren Angriffen vor. Die Sache ist nur, dass der Schutzschild doppelt wirkt: Entweder man nimmt Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und reduziert die Angriffe auf die Hamas (mal unabhängig davon, wie effektiv diese Angriffe im Einzelnen tatsächlich sind), oder man nimmt keine Rücksicht und gerät dafür international unter Druck, wie beispielsweise die kürzlich erfolgten Anerkennungen eines Staates Palästina zeigen.

  10. Es steht alles in dem Artikel drin: Die Debatte, ob auf einem Bild ein verhungernder Mensch zu sehen ist oder nicht, ist reines Ablenkungsmanöver. Medien können in einem Krieg nichts anderes tun, als berichten. Die Politik wird dadurch daran erinnert, etwas zu tun. Nämlich den Krieg zu beenden. Jeder weitere Bericht ist ein Dokument politischen Scheiterns.

  11. Ich empfinde diese Kritik der Medienkritik als zutiefst einseitig anti-israelisch. Der Umgang mit diesen Fotos seitens NYT und anderen ist mindestens grob fahrlässig. Was dieser Beitrag oben übereilt entschuldigt. Dabei überseht Ihr zum Beispiel:
    Warum erscheint Gaza mit zumindest unzureichend beschriebenen Bildern auf den Titelseiten und die aktuell größte Hungerkatastrophe laut UN im Sudan nirgendwo. Ist das kein Thema für Medienkritik?
    Die Rolle der Hamas wird regelmäßig auch im Beitrag oben extrem unterbelichtet. Sie muss die Geiseln freilassen und ihre Waffen abgeben, Kapitulation nannte sich das noch am Ende des 2. Weltkriegs. Und obwohl die Hamas das nicht tut, schickt Israel Hilfsgüter.
    „There is no historical precedent for a military providing the level of direct aid to an enemy population that Israel has provided to Gaza.“ John Spencer, mehr dazu:
    https://x.com/spencerguard/status/1949674005046386895?s=61&t=3OBgBZGAcfnCCDRLJPKG4w

  12. @Linus Koenig hat vollkommen recht.
    (Bild-)journalistische Sorgfaltspflicht ist wichtiger denn je, gerade im Kampf gegen Desinformation – egal ob durch KI-Material, falsche Bildunterschriften oder fragwürdige Bildauswahl. Die oft unter KI-Einsatz generierten und verkürzten und evt. verfälschten Suchbegriffe in Bilddatenbanken der Bildanbieter müssen in Bildredaktionen verifiziert werden, was für die lückenlose Übergabe der xmp-/ IPTC-Informationen der Fotograf:innen im gesamten Prozess spricht. Auch beim Erstellen der Bildunterschriften darf sich eine verantwortungsvolle Bildredaktion nicht auf automatisiert erstellte Vorschläge verlassen, sondern muss Inhalt und Quelle genau überprüfen.

  13. Zu #11
    Der große Unterschied zu den früheren Kriegen und der Versorgung der Zivilbevölkerung ist aber, die Palästinenser können in nirgends hin fliehen. Und die Fläche von Gaza ist zu gering um sich dort irgendwo effektiv zu verstecken.
    Und es ist auch sehr interessant dass viele Leute immer noch mit dem Argument kommen die müssen nur die Geiseln frei lassen und die Waffen niederlegen….Das impliziert dass das nicht befolgen dieser Forderung alles rechtfertigt was die israelische Armee dort treibt. Diese Ansicht ist sehr stark einseitig pro israelisch. Und unglaublich menschenverachtend.

  14. @MT #13:
    Die Geiseln sind sehr wahrscheinlich tot.
    Welches Verhalten schlagen Sie denn der Hamas vor, um die Situation der Menschen zu verbessern, deren Regierung sie ist?

  15. @Mycroft
    Natürlich bin ich der Meinung alle Geiseln frei lassen ob tot oder lebendig und dazu Waffen ablegen und sich endlich verpissen bzw die arme Zivilbevölkerung in Ruhe lassen.
    Aber das scheint ja nicht zu funktionieren und das obwohl ja schon alles zerbombt ist und die Menschen dort in Massen Hunger leiden und sterben.
    Und das ist mein Punkt: Die israelische Armee macht immer weiter mit ihrer grausamen Zerstörung und Vernichtung.
    Weil die gestörten Hamas Leute sich nicht geschlagen geben wollen, warum auch immer muss die gesamte Zivilbevölkerung leiden. Die sind im Prinzip auch in Geiselhaft der Israelis. Entweder ihr macht genau was wir sagen oder wir töten und zerstören hier weiter alles auch wenn die Opfer in die hunderttausende gehen.
    Wie kann man das noch irgendwie rechtfertigen.

  16. „Weil die gestörten Hamas Leute sich nicht geschlagen geben wollen, warum auch immer muss die gesamte Zivilbevölkerung leiden.“
    Vor dem Krieg litt Israels Zivilbevölkerung durch den Beschuss mit Raketen Marke Eigenbau.
    Ich habe keine Ahnung, wie oder ob man die Hamas anders zur Kapitulation zwingen kann, aber wie wollten Sie Israel dazu zwingen, aufzugeben?

  17. Und die Bevölkerung Gazas litt vor dem Krieg durch überdurchschnittlich harte Gegenschläge der Israelis (Hamas Raketen werden fast immer abgefangen israelische treffen immer und haben regelmäßig „Kolatteralschäden“)
    Ich habe nirgends behauptet Israel solle aufgeben.
    Die sollen endlich unabhängige Berichterstattung zulassen aber dann würde man ja sehen was dort wirklich passiert. Und dazu könnten sie die Amis zwingen. Reporter bekommen US Geleitschutz, dann mal schauen wie viele der Reporter noch ausversehen umkommen.
    Die die anscheinend einzige sinnvolle und nachhaltige Lösungen ist wohl die Zwei-Staaten Lösung. Wie schon vor Jahrzehnten regelmäßig gefordert und jetzt wieder.
    Und um die Umsetzung und die dafür nötige Diplomatie sollen sich die kümmern die darauf spezialisiert sind und nicht ich (das war der Bezug auf ihre lächerliche Frage wie ich es denn machen würde)
    Aber die israelische rechts Regierung unter Netanjahu hat ja anscheinend kein Interesse an sowas sondern möchte die Palästinenser dort vertreiben und findet den Trump Vorschlag einer neuen Riviera auch ganz toll.
    Da kann man dann auch nachvollziehen warum sich die Hamas dann so verhält ganz nach dem Motto: wenn die uns vertreiben und vernichten wollen und uns unser Land wegnehmen wollen, dann richten wir eben noch so viel Schaden wie möglich an. Und bevor dieser Satz auch (absichtlich) falsch verstanden wird: etwas nachvollziehen können heißt in keinster Weise es auch nur ansatzweise gut zu heißen oder zu tolerieren.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.