Niederlagen vor Gericht

Was bleibt vom Verdacht? Wie der „Tagesspiegel“ seinen Artikel zum Fall Judy S. leise umbaute

Im Frühjahr ging die Zeitung der brisanten Frage nach, wie die Unwahrheiten über eine Berliner Polizistin in „Bild“ und „B.Z.“ gekommen sein könnten. Mehrere Personen gingen juristisch gegen den Text vor. Auch die „Bild“-Autorin klagte – mit Erfolg. Aber der Rechtsstreit ist noch nicht vorbei.
Ausrisse der „Bild“- und „B.Z.“-Titelseiten vom 17.4.2025 mit großen Richtigstellungen zum Fall Judy S.
„Bild“ und „B.Z.“ vom 17.4.2025

Eine Richtigstellung in dieser Dimension, mitten auf der Titelseite – das gibt’s nicht so oft. Vor ein paar Monaten mussten sich „Bild“ und ihre Schwesterzeitung „B.Z.“ großformatig dafür entschuldigen, Ende 2024 Unwahrheiten über die Berliner Polizistin Judy S. verbreitet zu haben – in gleich mehreren Artikeln. Einer trug die Überschrift:

„Missbrauchsverdacht: Kaum jemand wusste, dass die Polizistin einen Penis hat“

Die Behauptung, die Polizeibeamtin sei keine Frau, sondern trans, und auch die Behauptung, sie hätte Kollegen mit einer Penispumpe „gequält“ – alles perfide Erfindungen. Es war eine spektakuläre Rufmordkampagne. Der Axel-Springer-Verlag, in dem „Bild“ und „B.Z.“ erscheinen, musste später eine hohe Geldentschädigung an Judy S. zahlen.     

Woher kam’s?

Eine Frage, die sich damals auch stellte, und die bis heute nicht geklärt ist: Wie kam „Bild“ zu all den Falschinformationen? Waren sie von der Redakteurin frei erfunden oder beruhten Sie auf Angaben aus dem beruflichen Umfeld von Judy S.?

Der „Tagesspiegel“ hegte im April nach längerer Recherche den Verdacht, dass Judy S. womöglich Ziel einer Intrige innerhalb der Polizei geworden war – und dass die „Bild“-Autorin, die die Artikel verfasst hatte, von dort mit Infos versorgt worden sein könnte. Auch die Polizei gehe davon aus, dass interne Informationen an „Bild“ weitergegeben worden seien, schrieb die Zeitung. Und präsentierte Indizien.

Allerdings hat sich die Online-Fassung des Artikels inzwischen an einigen Stellen verändert, weil mehrere Personen gerichtlich gegen den Text vorgegangen sind, auch die (nun ehemalige) „Bild“-Redakteurin. Passagen wurden gelöscht, Sätze geändert oder eingefügt. Einen Hinweis für Leser gibt es aber nicht, dabei wäre das angemessen. Auf unsere Frage, wieso der „Tagesspiegel“ all die Änderungen nicht transparent macht, geht eine Sprecherin nicht ein.

Noch bemerkenswerter aber sind die Urteile, die zu den Änderungen führten. Auch weil sie grundlegende Prinzipien journalistischer Arbeit betreffen, beispielsweise den Quellenschutz. Und noch etwas steht zur Debatte: Ob eine Journalistin, die lange für die größte deutsche Zeitung gearbeitet hat, plötzlich Anonymität beanspruchen kann, wenn es um ihre Texte geht und um ihre Rolle in einem publizistischen Skandal.

Die Klage der Gewerkschafts-Funktionärin

In einem ersten Verfahren ging eine Funktionärin der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) gegen den „Tagesspiegel“ vor. Der hatte die Frage aufgeworfen, ob jemand aus der Gewerkschaft der „Bild“-Redakteurin Informationen gesteckt haben könnte. Denn als die Artikel in „Bild“ und „B.Z.“ erschienen, kandidierte Judy S. für den Posten der stellvertretenden Gesamtfrauenvertreterin der Berliner Polizei. Neben ihr traten auch Kandidatinnen an, die von verschiedenen Institutionen unterstützt wurden, unter anderem von der DPolG. Der „Tagesspiegel“ schrieb:

„Aus Polizeikreisen heißt es: DPolG-Vertreter hätten vor der Wahl immer wieder Stimmung gegen Judy S. gemacht.“

Angeblich auch „unter der Gürtellinie“.

„Tagesspiegel“-Titel vom 20.3.2025 mit der Überschrift „Die verlorene Ehre der Judy S.“
„Tagesspiegel“-Titel vom 20.3.2025

Der Artikel beschrieb unter anderem eine „hochrangige Funktionärin bei der Deutschen Polizeigewerkschaft“, die ähnliche Falschbehauptungen über Judy S. verbreitet haben sollte wie „Bild“ und „B.Z.“. Ihr Name stand nicht im Text. Und doch ging besagte DPolG-Funktionärin gegen die Passage vor. Offensichtlich war sie durch die Angaben im Artikel für einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis erkennbar.

Sie versicherte eidesstattlich, sich nie so über Judy S. geäußert zu haben, wie der „Tagesspiegel“ es behaupte. Der wiederum hielt dagegen, dass ihm „mehrere Mitarbeiter der Polizei“ von den Äußerungen der Funktionärin berichtet hätten. Das Problem war bloß: Bei dieser Aussage-gegen-Aussage-Konstellation trägt der „Tagesspiegel“ vor Gericht die Beweislast – und die konnte er nicht erfüllen.

Quellenschutz

Auf Übermedien-Anfrage schreibt eine „Tagesspiegel“-Sprecherin:

„Bei Recherchen in Sicherheitsbehörden kann es vorkommen, dass die Beweislage zwar deutlich ist, Gesprächspartner und Zeugen jedoch aufgrund ihrer Tätigkeit keine eidesstattlichen Versicherungen abgeben können, da sie sich sonst selbst strafbar machen könnten. Um unsere Quellen, die wir zutreffend zitiert haben und denen wir Vertraulichkeit zugesagt haben, zu schützen, können wir auch nicht offenbaren, welche Unterlagen uns sonst noch vorlagen.“

Das Gericht gab der Funktionärin Recht und warf dem „Tagesspiegel“ „unzureichende journalistische Sorgfalt“ vor, da die Frau – auch ohne Namensnennung  – identifizierbar gewesen sei. Der Artikel habe deshalb ihr Persönlichkeitsrecht verletzt; die „unwahren Tatsachenbehauptungen“ müsse sie nicht dulden. Der „Tagesspiegel“ akzeptierte das Urteil. Man nehme „lieber eine Niederlage hin, als unsere Zusagen gegenüber unseren Informanten zu brechen“, erklärt die Sprecherin auf Übermedien-Anfrage.

Die Entscheidung des Berliner Landgerichts ist folgerichtig: Der „Tagesspiegel“ hatte offenbar keine Belege eingebracht, die seine Position glaubhaft machten. Und die Funktionärin hatte sich zudem nicht einfach auf die Beweislastverteilung verlassen, sondern auch zwei eidesstattliche Versicherungen vorgelegt. Die Richter sahen keine Anhaltspunkte, an deren inhaltlicher Richtigkeit zu zweifeln. Selbst wenn der „Tagesspiegel“ also eigene Versicherungen vorgelegt hätte, hätte er das Verfahren vermutlich verloren.

Bemerkenswert ist das Urteil dennoch, weil es ein sehr hohes Gut journalistischer Arbeit empfindlich berührt: den Quellenschutz.

Medien müssen grundsätzlich nicht die Identität ihrer Informanten preisgeben. Das ist gesetzlich abgesichert und auch im Pressekodex verankert. Aber was bleibt Journalisten, wenn ein Gericht trotzdem Beweise sehen will? Treten Informanten als Zeugen vor Gericht auf oder geben eidesstattliche Versicherungen ab, wird zwangsläufig ihr Name bekannt; mit dem Quellenschutz ist es dann dahin. Ein Urteil wie dieses, das Anonymität nicht akzeptiert, stellt somit journalistische Grundsätze infrage – und Journalisten vor das Dilemma, dass anonyme Informationen quasi weggeklagt werden können. 

Die Klage der „Bild“-Redakteurin

Der „Tagesspiegel“ löschte nach dem Urteil die Passage (ohne Hinweis) aus dem Text. Und nicht nur die. Denn es ging ja noch weiter. In einem anderen Verfahren wehrte sich die Autorin der „Bild“-Texte über Judy S. gegen den Artikel: die ehemalige Redakteurin Nicole Biewald – und zwar gemeinsam mit ihrem Ehemann.

Der „Tagesspiegel“ hatte berichtet, dass Biewald mit einem Polizisten verheiratet ist, der sowohl im Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei sitzt als auch im Landeshauptvorstand der DPolG. Und dass Nicole Biewald die Gewerkschaft laut „mehrerer“ DPolG-Mitglieder verschiedentlich unterstützt haben soll.

Nicole Biewalds Namen nannte der „Tagesspiegel“ nicht. Personen zu anonymisieren, schreibt die Sprecherin, sei „auch als deutliche Distanzierung von den Berichten über Judy S. zu verstehen“. Und auch in anderen Medien taucht der Name der „Bild“-Redakteurin nicht auf.

Biewalds Anwalt, der auch Mitglieder der DPolG im Fall Judy S. vertritt, möchte gerne, dass das so bleibt. Als wir ihn für diesen Artikel kontaktieren, formuliert er eine „Bitte“: Per Mail schreibt er, es sei in ihrem Interesse, also in seinem und dem seiner Mandantin, dass deren Name auch bei Übermedien nicht veröffentlicht werde. Was aus seiner und ihrer Sicht nachvollziehbar sein mag. Aber ist es legitim?

Nicole Biewald hat viele Jahre lang Artikel für die größte Boulevardzeitung des Landes verfasst. Sie stand, wie andere Journalistinnen und Journalisten, mit ihrem Namen für das ein, was sie veröffentlichte, sie verdiente damit Geld, machte Karriere. Und als aus einem (vermeintlichen) Scoop ein Skandal wird, als auffliegt, welche Unwahrheiten sie verbreitet hat, wünscht Nicole Biewald plötzlich Anonymität.

Ihr diese zuzugestehen, wäre auch ein Signal, dass Journalisten in dem Moment, in dem bekannt wird, dass sie erheblich gegen das Wahrhaftigkeitsgebot verstoßen haben, jede Diskussion über eine vielleicht persönliche Motivation vermeiden können, indem sie abtauchen. Dabei ist es von öffentlichem Interesse, wer verantwortlich ist für solche Skandale. Und das ist hier nicht nur Marion Horn als „Bild“-Chefredakteurin, sondern auch Nicole Biewald als Redakteurin, die sich nun gegen Berichterstattung wehrt.

Vor dem Landgericht Hamburg bestritten Biewald und ihr Mann, dass sie von ihm Infos über Judy S. erhalten habe. Sie legten eidesstattliche Versicherungen dazu vor – und beanstandeten, der „Tagesspiegel“ hätte diesen Eindruck in seinem Text erweckt. 

Das Gericht sah das anders. Die Kammer wies darauf hin, dass die Frage, welche Rolle DPolG-Vertreter bei der „Bild“-Berichterstattung spielten, vom „Tagesspiegel“ im Plural gestellt worden sei, also:

„Haben DPolG-Funktionäre Dienstgeheimnisse oder gar Falschinformationen über Judy S. an die ,Bild’ weitergegeben? Beweise dafür gibt es nicht. Was es gibt, sind Indizien.“

Dadurch kämen mehrere Funktionäre in Betracht, nicht nur der Ehemann. Und weil die Zeitung es als Frage formuliert und lediglich eine mögliche Schlussfolgerung auf Grundlage unstreitiger Tatsachen in den Raum gestellt habe, handle es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein „Werturteil“. Also alles in Ordnung, Beschwerde abgewiesen.

Biewald und ihr Mann zogen daraufhin vors Hanseatische Oberlandesgericht – das anders entschied. Es schloss sich zwar der Auffassung an, dass der Artikel nicht den „zwingenden Eindruck“ erwecke, Biewalds Mann hätte Interna weitergereicht. Die Frage nach der möglichen Rolle von DPolG-Funktionären sein allerdings kein „Werturteil“, sondern ein Verdacht von „tatsächlichem Charakter“, dass jemand Informationen weitergegeben habe. Und dieser Verdacht, dass es womöglich der Ehemann der „Bild“-Redakteurin war, werde in dem Beitrag zwischen den Zeilen geäußert.

Verdachtsberichterstattung

Deshalb bewertete das Hanseatische Oberlandesgericht den „Tagesspiegel“-Artikel nun nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung. Diese besagen unter anderem, dass Personen die Möglichkeit erhalten müssen, sich zu Vorwürfen zu äußern. Bei Biewalds Mann war das der Fall, ihm hatte der „Tagesspiegel“ konkrete Fragen gestellt. Die „Bild“-Redakteurin aber hatte die Redaktion versucht, über das Berufsnetzwerk LinkedIn zu erreichen, was „unstreitig gescheitert“ sei, heißt es im Beschluss des Gerichts. 

Auf Nachfrage von Übermedien erklärt der „Tagesspiegel“, die „Bild“-Redakteurin sei bei LinkedIn „mit ,offenem Visier’ kontaktiert“ worden, „sogleich blockierte sie jedoch aktiv die Kontaktaufnahme und verhinderte so vorsätzlich die Anhörung“. Und im Axel-Springer-Verlag sei sie schon nicht mehr im Dienst gewesen. Womit die Sprecherin wohl sagen will: Dort hätte man sie also nicht erreichen können.

Biewalds Anwalt schreibt auf Anfrage, der „Tagesspiegel“ baue mit dieser Argumentation „einen Popanz auf“. Vielmehr habe sich eine Redakteurin der Zeitung mit seiner Mandantin bei LinkedIn „vernetzt“ und per Direktnachricht über deren „privates“ Profil angefragt, „ob sie sich mit ihr ,die Tage mal’ über den Fall Judy S. unterhalten“ wolle, „sehr gern auch im Hintergrund“. Konkrete Fragen oder Vorwürfe habe es nicht gegeben.

„Meine Mandantin antwortete nicht, weil es sich um eine berufliche Angelegenheit handelte, mit der sie sich nicht mit anderen Medienhäusern/Verlagen austauschen durfte. Blockiert hat meine Mandantin die ,Tagesspiegel’-Redakteurin nicht, sie hat lediglich die Vernetzung auf LinkedIn aufgehoben.“

Das alles sei aber auch irrelevant, findet der Anwalt, da seine Mandantin über ihre Mail-Adresse bei „Bild“ erreichbar gewesen wäre: Das Arbeitsverhältnis dort habe zu dieser Zeit bestanden, „sie hatte lediglich frei“.

Hätte der „Tagesspiegel“ eine Antwort bekommen, wenn er Nicole Biewald über ihre „Bild“-Adresse kontaktiert hätte? Unwahrscheinlich – sie durfte sich ja nach Angaben ihres Anwalts nicht äußern. Und sie hielt es offenbar auch nicht für nötig, wenigstens das (per LinkedIn) mitzuteilen.

Andererseits: Wenn zutrifft, was der Anwalt über die Anfrage des „Tagesspiegels“ schreibt, war sie tatsächlich nicht ausreichend. Biewald hätte mit konkreten Fragen oder Vorwürfen konfrontiert werden müssen, und nicht nur über LinkedIn, sondern auch auf möglichen anderen Wegen. Selbst dann kann es noch Streit darüber geben, ob diese Anfragen eine Person auch erreicht haben, aber es wäre schon rechtssicherer. 

Relevante Sätze entfernt

So aber sprach das Gericht Biewald einen Anspruch auf Unterlassung zu, ihrem Mann hingegen nicht, weil er sich ja äußern konnte. Am Ende war es ein Erfolg für beide.

Denn das Hanseatische Oberlandesgericht untersagte relevante Sätze, die der „Tagesspiegel“ (wieder ohne Hinweis) aus dem Text entfernte. Dass die „Bild“-Redakteurin mit einem hochrangigen Polizeibeamten verheiratet ist: weg. Welche Kontakte sie in der Vergangenheit zur DPolG gehabt haben soll: auch weg. Jetzt steht dort nur noch: 

„Sie hat enge Kontakte zur DpolG, wobei offen ist, ob sie ihre Informationen von dort erhielt.“

Auch an anderen Stellen hat der „Tagesspiegel“ den Text entsprechend angepasst; es sind erhebliche Eingriffe. Für einen Artikel, der sich um die Frage dreht, ob Judy S. Ziel einer polizeiinternen Intrige geworden ist und ob von dort Infos an „Bild“ lanciert wurden, ist die persönliche Nähe der „Bild“-Autorin zur Polizei und deren Gewerkschaft eine wichtige Information – auch wenn sie nichts beweist. Und sie ist ebenfalls für die Bewertung der Artikel über Judy S. in „Bild“ und „B.Z.“ relevant, denn dort wurde nie erwähnt, dass Biewald so eine persönliche Verbindung hat. 

Ein „Bild“-Sprecher erklärte dem „Tagesspiegel“ damals, dass das doch „öffentlich bekannt“ sei. Und: „Insofern verwandtschaftliche Verhältnisse von Redakteurinnen und Redakteuren transparent und bekannt sind, stehen diese nicht mutmaßlich in einem Interessenskonflikt mit deren Berichterstattung.“

Auch dieses Zitat wurde im „Tagesspiegel“-Text nachträglich verändert: Statt von „verwandtschaftlichen Verhältnissen“ ist nur noch von „Beziehungen“ die Rede. Aber so oder so ist fragwürdig, was der „Bild“-Sprecher behauptet: Sobald also irgendwie „bekannt“ ist, dass eine Redakteurin dem Objekt ihrer Berichterstattung persönlich nahesteht, ist ein Interessenkonflikt ausgeschlossen? Mit Sicherheit nicht. Und dass es „bekannt“ gewesen sei, ist ebenfalls Unsinn. Auch in älteren Texten von Biewald, die mitunter ebenfalls Polizeithemen behandelten, wurde das nirgends offengelegt.

Interessenkonflikt gerügt

Der Presserat hat „Bild“ und „B.Z.“ deshalb gerügt, unter anderem wegen des Verstoßes gegen Ziffer 6 des Pressekodex, wo es auch um „persönliche Beziehungen oder Verflechtungen“ geht. Wie sich später erwiesen habe, sei die Redakteurin „mit einem Polizisten und Gewerkschaftsfunktionär verheiratet, dessen Organisation eine Konkurrentin bei der Wahl zur Frauenvertretung unterstützt hatte”, schreibt der Presserat. „Die Autorin stand daher in einem schweren Interessenkonflikt, den die Redaktion hätte vermeiden müssen“.

Egal, ob Biewald von ihrem Mann mit Infos versorgt wurde oder nicht – in den Augen des Presserats hätte „Bild“ ihre Verbindung zur Polizei den Lesern gegenüber offenlegen müssen. Oder, viel besser noch: Sie hätte gar nicht erst über die Polizistin Judy S. berichten sollen. Weil schon der Eindruck, dass ein Artikel irgendwie interessengeleitet sein könnte, der Glaubwürdigkeit und dem Ansehen der Presse schaden kann.

Für „Bild“ aber war der Interessenkonflikt offenbar kein Problem. Erst nach dem Skandal gab es eine Ansage. Wie das Magazin „Medieninsider“ berichtete, schrieb die Chefredaktion als Reaktion auf den Fall Judy S. in einer Rundmail:

„Interessenkonflikte machen wir öffentlich, im Guten wie im Schlechten“.

Ob das nun so konsequent umgesetzt wird, wie es klingt, ist allerdings fraglich. 

Von dem Verdacht, dass DPolG-Funktionäre „Dienstgeheimnisse oder gar Falschinformationen über Judy S.“ an „Bild“ weitergereicht haben könnten, ist im „Tagesspiegel“-Text nun nicht mehr viel übrig. Das Landgericht Hamburg hatte in seinem Beschluss bereits geschrieben, es würden „nur wenige tatsächliche Anhaltspunkte“ von „geringem Gewicht“ geliefert. Nach den Urteilen und Änderungen sind es nun fast keine mehr. 

Rechtskräftig ist die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts noch nicht. Der „Tagesspiegel“ hat inzwischen Rechtsmittel dagegen eingelegt. Man habe die „Bild“-Redakteurin aufgefordert, die Hauptsacheklage zu erheben, schreibt die „Tagesspiegel“-Sprecherin. „Wenn sie dies nicht tut, können wir die einstweilige Verfügung aufheben lassen. Wenn sie es tut, haben wir gegebenenfalls die Möglichkeit, die Rechtsfrage bis zum Bundesgerichtshof zu treiben.“

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