„Die Medienschaffenden in Wallonien verstehen sich als Wächter der Demokratie“
In Wallonien, dem französischsprachigen Teil Belgiens, geben Medien rechten Parteien keine Plattform. Wie funktioniert das? Und kann es als Vorbild dienen für den Umgang mit der AfD? Ein Gespräch mit der Rechtsextremismusforscherin Léonie de Jonge.
Wie sollten Medien mit einer Partei wie der AfD umgehen? Darüber wird schon seit Jahren kontinuierlich diskutiert. Seit der Verfassungsschutz die Partei kürzlich als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft hat, nimmt die Debatte abermals Fahrt auf. Immer wieder wird dabei auch auf Wallonien verwiesen, den französischsprachigen Teil Belgiens, wo Medien rechten Parteien gar keine Plattform böten. Aber kann das überhaupt als Vorbild dienen?
Im Interview mit Übermedien erklärt Léonie de Jonge, Professorin für Rechtsextremismusforschung an der Universität Tübingen, wie die mediale Brandmauer in Wallonien funktioniert, warum der bisherige mediale Umgang mit der AfD der Demokratie schade und in welcher Hinsicht Journalist:innen ihre Rolle über-, aber auch unterschätzen.
Frau de Jonge, welche Rolle spielen Medien beim Aufstieg der extremen Rechten?
Eine entscheidende. Sie sind neben politischen Parteien die wichtigsten Akteure, insbesondere bevor extrem rechte Parteien groß werden. Journalistinnen und Journalisten können eine Art Gatekeeping-Funktion einnehmen, indem sie mitbestimmen, wer in der politischen und elektoralen Arena Fuß fassen kann. Sie sind mit dafür entscheidend, welche Politiker und Politikerinnen in der öffentlichen Debatte als legitim gelten. Und sie haben Einfluss darauf, welche Themen auf die Agenda kommen. Insofern tragen sie eine enorme politische Verantwortung.
Wehrhafter Gockel: Das Wappen Walloniens
Sie haben untersucht, warum es in Wallonien, anders als in nördlichen Flandern, keine starke rechtsextreme Partei gibt. Dabei haben Sie festgestellt, dass das auch am medialen Umgang liegt. Was machen Journalisten dort anders?
Wallonien ist ein Sonderfall. Dort gibt es einen perfekten Nährboden für die extreme Rechte, die Arbeitslosenquote war im Jahr 2020 beispielsweise doppelt so hoch wie in Flandern. Und trotz dieses Nährbodens konnte die extreme Rechte dort bislang nicht Fuß fassen, weil man einen sogenannten „Cordon sanitaire“, eine Art mediale und politische Brandmauer, geschaffen hat.
Die Idee dahinter ist, dass man rechtsextreme Positionen von der Gesellschaft fernhält und damit verhindert, dass sie sich ausbreiten. Das funktioniert auf zwei Ebenen: Einerseits arbeiten Parteien nicht mit der extremen Rechten zusammen, andererseits haben Medien vereinbart, verfassungsfeindlichen und menschenrechtsverachtenden Gruppen keine direkte Plattform zu bieten. Die Medienschaffenden in der Region verstehen sich als Wächter der Demokratie. Sie sagen: Unser Job ist es zu bellen – und wenn nötig, auch zu beißen.
Die Interviewpartnerin
Foto: Jan Mulders
Léonie de Jonge ist Professorin für Politikwissenschaften an der Universität Tübingen und erforscht dort „Politische Akteur*innen, Organisationen und Ideologien“. Sie hat in den USA und Großbritannien studiert. 2019 promovierte sie an der University of Cambridge. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit dem Erfolg und Misserfolg von Rechtsaußen-Parteien in den Benelux-Ländern.
Was heißt das in der Praxis?
Das Ziel ist es, extremistischen Parteien den Zugang zu Medien zu verwehren, indem sie konsequent isoliert und nur dann zitiert werden, wenn ihre Äußerungen kontextualisiert und antidemokratische Inhalte kenntlich gemacht werden können. Reden werden etwa nie direkt übertragen, sondern immer zusammengefasst. Live-Interviews und Einladungen in Talkshows sind tabu. Das geht zurück auf eine Entscheidung des französischsprachigen öffentlich-rechtlichen Senders RTBF. Er verweigerte dem Front National Belge, einer Kopie des französischen Front National, vor den Wahlen 1994 Auftritte, da er die Partei als rassistisch und xenophob bewertete. Das führte zu einigen Klagen, weshalb RTBF ein Prozedere einführte, um die Veröffentlichungen von Parteien zu analysieren.
1999 wurde dann gerichtlich entschieden, dass der Sender das Recht hat, Sendezeit für jene Parteien zu verweigern, die er als undemokratisch ansieht. Der „cordon sanitaire médiatique“ wurde formalisiert und für Wahlkampagnen bindend. Die meisten Chefredakteure halten sich aber nicht nur im Wahlkampf an das Prinzip, sondern freiwillig immer. Es herrscht ein bemerkenswertes Gefühl der Solidarität unter den französischsprachigen Medienschaffenden.
Zu den Kernaufgaben der Medien gehört es, Meinungsvielfalt abzubilden. Konterkariert eine mediale Brandmauer das nicht?
Viele Menschen denken, dass man damit die Meinungsfreiheit einschränkt. Die Argumentation ist, dass eine gewählte Partei mit so vielen Stimmen wie die AfD nicht von der Medienpräsenz ausgeschlossen werden darf. Es ist eine Frage des Demokratieverständnisses. Für Gegnerinnen und Gegner der medialen Brandmauer ist Demokratie nur ein Verfahren, um Macht zu verteilen. Aber sie ist weit mehr als das. Sie beruht auf substanziellen Werten, beispielsweise, dass das Volk trotz aller Unterschiede eine Gemeinschaft freier und gleicher Bürger und Bürgerinnen ist. Die extreme Rechte stellt solche Grundprinzipien infrage. Die Idee hinter einer solchen Brandmauer ist es letztlich, zu verhindern, dass undemokratische Parteien an die Macht kommen und ihre Vorstellungen in Politik umsetzen. Deshalb ist das Prinzip „Null-Toleranz für Intoleranz“ aus der Perspektive der wehrhaften Demokratie legitim und notwendig.
Was ist denn so problematisch daran, wenn Rechtsextremist:innen live auftreten?
Wenn man ihnen eine Plattform bietet, legitimiert man sie. Man sagt: Das ist eine Partei wie jede andere auch. In der Praxis sehen wir ja auch oft, dass man gar nicht hinterherkommt mit dem Fact-Checking, wenn Vertreterinnen und Vertreter dieser Parteien und Bewegungen zu Wort kommen.
Befürworter:innen von Interviews mit Vertretern der AfD argumentieren, sie wollten die Partei entlarven, sie inhaltlich stellen. Ist da nichts dran?
Es gibt Ausnahmen, in denen das klappt. In der Regel funktioniert es aber nicht, weil die Akteurinnen und Akteure sehr gut darin sind, in die Opferrolle zu schlüpfen und ihre rechtsextremen Ideen zu verschleiern. Gleichzeitig wissen wir, dass damit ihr Gedankengut normalisiert wird – mit dem Effekt, dass Menschen Inhalte weniger schnell als rechtsextrem wahrnehmen.
Das heißt, Journalist:innen überschätzen sich im Umgang mit der extremen Rechten?
Ja, einerseits überschätzen sie sich, wenn sie denken, sie könnten sie entlarven. Andererseits unterschätzen sie ihre Rolle. Ich höre oft: „Wegen der sozialen Medien sind die traditionellen Medien nicht mehr so wichtig. So ein Interview macht ja nicht den Unterschied.“ Das stimmt zwar auch teilweise. Aber jedes Interview trägt zu einem Gesamtbild bei, in dem die extreme Rechte in den vergangenen Jahren immer mehr normalisiert und legitimiert wurde.
Aber ist so eine mediale Brandmauer nicht wirkungslos, wenn rechte Parteien ihre Inhalte ganz ungefiltert auf Tiktok und X verbreiten, wo sie dann doch eine große Reichweite haben?
Soziale Medien haben das Spielfeld grundsätzlich verändert, das stimmt. Aber traditionelle Medien unterscheidet nach wie vor von Social Media, dass nur sie das Stigma des Extremismus von Parteien und Bewegungen wegnehmen und sie mit Präsenz in seriösen Medien legitimieren können. Trump ist ja nicht durch Tiktok oder Twitter groß geworden, wie es damals noch hieß. Es waren Medien wie Fox News und CNN, die seine Postings aufgriffen, ihnen noch mehr Reichweite gaben – und damit den Unterschied machten.
Was ist im medialen Umgang mit der AfD in Deutschland schiefgelaufen?
Für Medien war besonders schwierig, dass die AfD als euroskeptische Partei ins Leben gerufen wurde. Zwar war der ethnisch-nationalistische Einschlag von Anfang an vorhanden, er trat allerdings erst später in den Vordergrund. In so einer Situation ist es nicht leicht zu sagen: Jetzt behandeln wir diese Partei anders. Trotzdem zieht sich der Prozess der Normalisierung schon über mindestens zehn Jahre hin, indem Politiker der AfD immer mehr eine Plattform bekamen. Je größer und radikaler die AfD wurde, desto mehr Medienpräsenz hat sie bekommen und desto normaler wurde sie behandelt.
Es gibt bei Journalistinnen und Journalisten den Reflex, eine Partei allein deshalb als normal zu behandeln, weil sie groß ist. Das hat man wieder gesehen, als das Verfassungsschutz-Gutachten bekannt wurde. Da durfte sich die AfD sofort äußern und als Opfer eines angeblich autoritären Systems inszenieren. Sie hat das genutzt, um demokratische Institutionen zu delegitimieren und die eigene Position zu emotionalisieren.
Kritiker:innen bemängeln, das Gutachten sei politisch motiviert. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob ein Inlandsgeheimdienst als Orientierungspunkt für Medien dienen sollte. Eigentlich müssten Journalist:innen bei so einer Behörde doch besonders kritisch hinsehen, oder?
Das Gutachten ist wichtig, weil es im jahrzehntelangen Normalisierungsprozess der extremen Rechten in Deutschland einen Moment der Entnormalisierung markiert. Aber man darf damit nicht leichtfertig umgehen. Wenn die Einschätzung nur aus den Sicherheitsbehörden käme, würde ich mir tatsächlich Gedanken darüber machen. Aber der Verfassungsschutz ist bloß eine Instanz von vielen. Auch in der Wissenschaft besteht immer mehr Einigkeit darüber, dass es sich bei der AfD um eine rechtsextreme Partei handelt. Aus Medienrecherchen wissen wir, was sich hinter den Kulissen abspielt – und auch das deutet darauf hin, dass das Label angebracht ist.
Letztlich geht es darum, dass man ein Gesamtbild von verschiedenen Akteuren bekommt: aus der Wissenschaft, von Medien, Analysen von den Sicherheitsbehörden – und Gerichte, die das prüfen. Derzeit ist diese Diskussion aber nicht mehr wichtig, weil man sich mittlerweile ziemlich sicher sein kann. Nun werden die Hebel der wehrhaften Demokratie in Bewegung gesetzt. Und da sind alle Akteurinnen und Akteure gefragt, auch Medien.
Wallonien und Deutschland unterscheiden sich stark, allein schon, weil die AfD den Durchbruch geschafft hat. Lässt sich das Modell überhaupt noch übertragen?
Nur schwer. Der Erfolg der Brandmauer in Wallonien hat mit dem Timing und der Striktheit der Abgrenzungsstrategie zu tun. Die demokratischen Parteien und Medien haben eine vollständig dichte Brandmauer geschaffen. Das ist viel effektiver, wenn eine extrem rechte Partei noch nicht 20 oder 30 Prozent der Wählerschaft hinter sich hat. Deshalb lässt sich die Strategie nicht mehr eins zu eins zu kopieren.
Ich glaube trotzdem, dass es wichtig ist, diese Debatte zu führen. Und das Gutachten des Verfassungsschutzes bringt die Diskussion wieder auf Kurs. Das sieht man zum Beispiel am Deutschen Journalistenverband, der eine andere Berichterstattung fordert, in der deutlich markiert wird, dass die AfD in ihren Grundsätzen rechtsextrem ist. Alle Redaktionen müssen jetzt erneut darüber nachdenken, was ihre Rolle in der Demokratie ist und ob sie die AfD weiterhin als normale Partei behandeln wollen, obwohl klar ist, dass sie das nicht ist.
Wie soll das aussehen? Die ARD, „Bild“, die „taz“ – alle einigen sich auf eine gemeinsame Linie?
Am effektivsten ist es schon, wenn alle Medienschaffenden eine gemeinsame Position einnehmen. Aber das scheint mir sehr unrealistisch. Ich glaube, ein erster Schritt ist, dass jede Redaktion die Diskussion erneut angeht. Ich weiß, dass die meisten diese schon führen. Das Beispiel in Wallonien zeigt, dass man sich auf kodifizierte Umgangsformen festlegen sollte, ein Drehbuch zum Umgang mit der extremen Rechten, wenn man so will. Aber Abgrenzung allein ist kein Allheilmittel. Sie muss immer mit anderen proaktiven Maßnahmen kombiniert werden.
Welche wären das?
In Wallonien hat vor allem die sozialdemokratische Parti Socialiste konsequent wirtschaftliche Themen politisiert. Selbst das Thema Migration wird aus dieser Perspektive betrachtet, indem Einwander:innen als Arbeitnehmer:innen verstanden und in Gewerkschaften integriert werden, statt sie als Bedrohung für die kulturelle Identität darzustellen. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig: dass Parteien wieder ihre „eigenen“ Themen bedienen, anstatt der extremen Rechten hinterherzulaufen. Die Parti Socialiste ist lokal sehr stark verankert und präsent. Sie trägt so dazu bei, dass die Nachfrage nach extrem rechten Parteien klein bleibt. Die Verteidigung der Demokratie vor Rechtsextremisten ist also wirklich eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Der Autor
Felix Sassmannshausen ist freier Journalist und Politikwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wirtschaftspolitik und Demokratie. Bis Februar 2025 war er als Redakteur für Wirtschaft und Soziales bei der Tageszeitung „nd“ tätig. Zuvor studierte er Politikwissenschaft, Philosophie sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Göttingen. 2020 hat er an der TU Berlin promoviert.
8 Kommentare
Interessanter Beitrag. Sehr hilfreich für eigene Positionierung.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich einem Kommentar des sehr gehrten Herrn Gemein voll und ganz zustimmen kann:
„Interessanter Beitrag. Sehr hilfreich für eigene Positionierung.“
@Anderer Max: ja, der Cartoon ist anders gemeint, als er verstanden wird, aber das ist hier ja nicht so.
#3 Also ich musste den Comic ein paar mal anschauen, um zu merken, dass er nicht in seiner originalen Variante ist, wo „our“ positiv ist und „their“ negativ… Das Lustige ist, dass die Grundaussage des Originals ja durchaus erhalten bleibt :-)
#3:
Ich kann nicht finden, dass reine Umkehrung in diesem Zusammenhang als Witz funktioniert.
Warum sollten Linke irgendeine Religion ( inklusive der Religion Nationalismus ) gut finden? Weil sie „fremd“ ist?
Was wirklich auffällt, ist der auffällige Impuls der einen Gruppe, nach unten zu treten und den Mächtigen gegenüber eine Art Stockholm Syndrom zu entwickeln, während die andere Gruppe manchmal schon unreflektierte Beschützerinstinkte aufweist. Sehe ich in dem Bild null.
Die Rechte muss ja ein virtuelles „die-da-oben“ geradezu produzieren, um nicht komplett absurd zu erscheinen.
Die Mehrheit aller VT lebt von dieser Klientel.
#6
Zitat:
„Warum sollten Linke irgendeine Religion ( inklusive der Religion Nationalismus ) gut finden? Weil sie „fremd“ ist?“
Ja, natürlich, nicht für sich zum Praktizieren, aber wertschätzend wahrnehmend in der anderen Kultur als etwas Positives. Also ich finde, das ist schon eine plausible Beobachtung, das so etwas durchaus vorkommt.
(„They“ sind in diesem Bild ja nicht Rechte, sondern andere Kulturen.)
@Peter Sievert
Nicht jeder Linke muss Marx’ berühmtes ‚Opium für das Volk‘-Zitat verinnerlicht haben – aber Säkularismus ist historisch und ideologisch fest in der DNA linker Bewegungen verankert. Die einzige nennenswerte Ausnahme bildet die Befreiungstheologie Lateinamerikas – und selbst die kann man als Sonderfall begreifen, der die Regel bestätigt.
Im Unterschied dazu stehen Parteien mit dem demonstrativen „C“ im Namen oder all die selbsternannten Verteidiger des „christlichen Abendlandes“, die Religion geradezu demonstrativ politisieren – sei es christlich verbrämt oder in islamophober Pose.
Worum es hier geht, ist der Versuch, jede Form von Toleranz oder Akzeptanz gegenüber anderen Religionen oder Kulturen als naive Xenophilie zu diskreditieren – mit dem Subtext des „Vaterlandsverrats“ gleich inklusive.
Diese Rhetorik per Umkehrung auf progressive Positionen anwenden zu wollen, funktioniert – mit Verlaub – überhaupt nicht.
Religiöse Menschen, die ihre Religiosität nicht als Privatsache begreifen, gehen mir grundsätzlich auf die Nerven – egal welcher Glaubensrichtung sie angehören. Gleichzeitig ist es eine Tatsache, dass Muslime in westlichen Gesellschaften strukturell benachteiligt und pauschal unter Verdacht gestellt werden. Diese Ungleichbehandlung zu kritisieren bedeutet nicht, eine „positive Haltung zum Islam“ zu entwickeln.
Wer das behauptet, denkt – entschuldigung – zu kurz.“
Interessanter Beitrag. Sehr hilfreich für eigene Positionierung.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich einem Kommentar des sehr gehrten Herrn Gemein voll und ganz zustimmen kann:
„Interessanter Beitrag. Sehr hilfreich für eigene Positionierung.“
https://old.reddit.com/r/ENLIGHTENEDCENTRISM/comments/br91ns/imagine_totally_missing_the_point_of_this_comic/
Ambiguitätstoleranz, und so.
@Anderer Max: ja, der Cartoon ist anders gemeint, als er verstanden wird, aber das ist hier ja nicht so.
#3 Also ich musste den Comic ein paar mal anschauen, um zu merken, dass er nicht in seiner originalen Variante ist, wo „our“ positiv ist und „their“ negativ… Das Lustige ist, dass die Grundaussage des Originals ja durchaus erhalten bleibt :-)
#3:
Ich kann nicht finden, dass reine Umkehrung in diesem Zusammenhang als Witz funktioniert.
Warum sollten Linke irgendeine Religion ( inklusive der Religion Nationalismus ) gut finden? Weil sie „fremd“ ist?
Was wirklich auffällt, ist der auffällige Impuls der einen Gruppe, nach unten zu treten und den Mächtigen gegenüber eine Art Stockholm Syndrom zu entwickeln, während die andere Gruppe manchmal schon unreflektierte Beschützerinstinkte aufweist. Sehe ich in dem Bild null.
Die Rechte muss ja ein virtuelles „die-da-oben“ geradezu produzieren, um nicht komplett absurd zu erscheinen.
Die Mehrheit aller VT lebt von dieser Klientel.
#6
Zitat:
„Warum sollten Linke irgendeine Religion ( inklusive der Religion Nationalismus ) gut finden? Weil sie „fremd“ ist?“
Ja, natürlich, nicht für sich zum Praktizieren, aber wertschätzend wahrnehmend in der anderen Kultur als etwas Positives. Also ich finde, das ist schon eine plausible Beobachtung, das so etwas durchaus vorkommt.
(„They“ sind in diesem Bild ja nicht Rechte, sondern andere Kulturen.)
@Peter Sievert
Nicht jeder Linke muss Marx’ berühmtes ‚Opium für das Volk‘-Zitat verinnerlicht haben – aber Säkularismus ist historisch und ideologisch fest in der DNA linker Bewegungen verankert. Die einzige nennenswerte Ausnahme bildet die Befreiungstheologie Lateinamerikas – und selbst die kann man als Sonderfall begreifen, der die Regel bestätigt.
Im Unterschied dazu stehen Parteien mit dem demonstrativen „C“ im Namen oder all die selbsternannten Verteidiger des „christlichen Abendlandes“, die Religion geradezu demonstrativ politisieren – sei es christlich verbrämt oder in islamophober Pose.
Worum es hier geht, ist der Versuch, jede Form von Toleranz oder Akzeptanz gegenüber anderen Religionen oder Kulturen als naive Xenophilie zu diskreditieren – mit dem Subtext des „Vaterlandsverrats“ gleich inklusive.
Diese Rhetorik per Umkehrung auf progressive Positionen anwenden zu wollen, funktioniert – mit Verlaub – überhaupt nicht.
Religiöse Menschen, die ihre Religiosität nicht als Privatsache begreifen, gehen mir grundsätzlich auf die Nerven – egal welcher Glaubensrichtung sie angehören. Gleichzeitig ist es eine Tatsache, dass Muslime in westlichen Gesellschaften strukturell benachteiligt und pauschal unter Verdacht gestellt werden. Diese Ungleichbehandlung zu kritisieren bedeutet nicht, eine „positive Haltung zum Islam“ zu entwickeln.
Wer das behauptet, denkt – entschuldigung – zu kurz.“