Journalisten machen Robert Habeck Geschenke, die er für seinen Wahlkampf nutzt
Ein Hase, ein Armband: Was als kleiner Scherz gemeint ist, wird plötzlich Mittel zum Zweck, mitten im Bundestagswahlkampf. Wieso es eine schlechte Idee ist, wenn Journalisten Politikern wie Robert Habeck etwas schenken.
Erinnern wir uns kurz an das Video, mit dem Robert Habeck seine Kanzlerkandidatur für die Grünen ankündigte. Und an das Armband mit der Aufschrift „KANZLER ERA“, das er darin trug, als augenzwinkernden Verweis auf die Musikerin Taylor Swift und deren Fans, die solche beschrifteten Perlen-Armbänder basteln und tragen, aber halt wegen Taylor, nicht wegen Robert.
In einer WDR-Sendung trug Habeck diese Woche wieder so ein Armband. „PROBLEM SOLVER“ stand drauf, Problemlöser. Das hatte er sich nicht selbst ausgedacht. Es sei ein Geschenk der Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeigers“ (KStA), erklärte er, und dass er es „mit Freude“ trage. Was merkwürdig war: Journalisten schenken dem grünen Kanzlerkandidaten mitten im Wahlkampf so ein Armband mit so einer Aufschrift?
Problemlöser Robert Habeck? Screenshot: WDR
Es wirkt, als hielte ihn der KStA dafür: für den idealen Problemlöser. Was für Journalisten, deren professionelle Distanz man erwarten können sollte, ein verblüffend eindeutiges Statement wäre. Und eines, das eine häufig pauschal unterstellte Grünen-Nähe der Medien scheinbar bestätigt. Aber ist es so?
Scherzhaft
Auf Anfrage schreibt die stellvertretende KStA-Chefredakteurin Sarah Brasack, es sei der „Schluss-Gag“ am Ende eines Talks des KStA gewesen, bei dem Habeck am vergangenen Sonntag zu Gast war. Auch Kandidaten anderer Parteien sind bei dieser Talk-Reihe eingeladen; Leserinnen und Leser können vorab ihre Fragen dafür einsenden.
Und viele Leser, schreibt Brasack, hätten sich gewünscht, ja, geradezu „angemahnt“, „Politikerinnen und Politiker sollten die großen Probleme und Herausforderungen dieses Landes lösen, anstatt zum Beispiel mit anderen Parteien zu streiten.“ Das hätten sie und ihr Kollege aufgegriffen, scherzhaft anknüpfend an Habecks „Faible“ für diese Armbänder. Sie hätten gesagt:
„So wie er sich (chancenlos, was zuvor Thema war), wünsche, Kanzler zu sein, so wünschten sich die Menschen, dass Politikerinnen und Politiker ,Problem solver’ sein sollten. An diesen Anspruch solle ihn das Bändchen erinnern.“
Ein Scherz also. Aber auch, wenn es so gedacht war: Sollten Journalisten Politikern tatsächlich Präsente machen, zumal im Wahlkampf? Auch wenn es nur Gimmicks sind: Das Problem ist nicht nur, dass man sie ohne Kontext mitunter schnell missverstehen kann. Das Problem ist insbesondere, dass der Beschenkte den Kontext ändern und das Geschenk für seine Zwecke umdeuten kann. Wie Robert Habeck.
Habeck und sein Hase. Screenshot: „Nürnberger Nachrichten“
Der bekam neulich auch von den „Nürnberger Nachrichten“ (NN) bei einem Leser-Dialog etwas geschenkt: die Skulptur eines Dürer-Hasen. Was erst mal nichts mit Habeck zu tun hatte, sondern mit dem Künstler Albrecht Dürer, der aus Nürnberg stammt. Dass die NN einen grünen Hasen gewählt haben, hat aber wiederum viel mit Habeck zu tun.
„Kanzleramt – Sie wollen da ja hin“, sagte NN-Chefredakteur Michael Husarek bei der Übergabe:
„Wir unterstützen Sie nicht auf dem Weg dahin, wir sind da eher Beobachter, aber: Falls Sie dahin kommen, haben wir für Sie schon mal ein kleines Kunstwerk, das wir Ihnen heute gern überreichen würden.“
Die Beobachter haben schon mal was fürs Kanzleramt ausgesucht.
Der „Demokratie-Hase“
Das passte Habeck sehr gut, er freute sich. Und hoppelte auf dem Weg ins Kanzleramt gleich mal mit dem grünen Hasen vors Albrecht-Dürer-Haus, wo sie dann ein Video für Social Media drehten: Habeck und der Hase, den er als „Wahlkampf-Begleitgeschenk“ bekommen habe. Und nun ist der Hase plötzlich nicht mehr einfach nur ein Hase, sondern der „Demokratie-Hase“, wie Habeck ihn später bei anderen Gelegenheiten nennt.
Er hat ihn überall mit hingeschleppt in Nürnberg, auch zu einer Wahlkampf-Veranstaltung der Grünen, und dann immer wieder seine Geschichte erzählt. In seinem Insta-Video interpretiert er zunächst ein bisschen rum an Dürers Zeichnung des Hasen, und weiß dann zu berichten, dass der Hase fliehen wolle, eigentlich, das sehe und wisse man. Aber jedes Mal, wenn er auf das Bild schaue, sei der Hase „immer noch da“!
Und so sei es doch auch in Deutschland gerade, sagt Habeck, es ist seine, naja, Pointe: Eigentlich wolle man sich nicht mehr mit Politik beschäftigen, eigentlich wolle man fliehen. „Aber wir sind noch immer da“ – wir, die Grünen. Sie würden nicht weglaufen, sondern Demokratie, Selbstbestimmung und Klimaschutz „nach vorne bringen“.
Was so ein Hase alles mit einem machen kann. Und was man aus so einem Hasen alles machen kann: Er werde nun, sagt Habeck, sein „Wahlkampf-Symbolhase“.
„Ein Wirtschaftsminister zum Anfassen“
Die „Nürnberger Nachrichten“ haben also nicht nur schon mal etwas ausgesucht, das sich Habeck (irgendwann vielleicht) ins Kanzleramt stellen kann – was schon eigenartig genug ist. Sie haben ihm auch ein Geschenk gemacht, das Habeck nun ganz eigennützig für seinen Bundestagswahlkampf einsetzt. Und das findet weder er, noch finden es die NN irgendwie problematisch.
Im Gegenteil. Die NN feiern es in einem eigenen Artikel. Vielleicht hatten sie das schon erhofft; vielleicht hatten sie schon beim Erwerb des Geschenks überlegt, wie sie dann eine Lokalgeschichte machen über den Dürer-Hasen aus Nürnberg, der an der Seite von Robert Habeck in die weite Welt der Politik zieht, womöglich sogar ins Kanzleramt!
Und der Verlag Nürnberger Presse (VPN), in dem die NN erscheinen, freut sich ebenfalls. In einem weiteren, sehr wohlwollenden Artikel mit dem Titel „Ein Wirtschaftsminister zum Anfassen“ wird Chefredakteur Husarek wird mit den Worten zitiert:
„Schön, wenn ein Politiker ein Präsent in seine Kampagne einbaut, das zeugt auch von der Spontaneität Habecks.”
Aha.
Dass es vielleicht nicht so schön und nicht so gut ist, wenn ein Verlagshaus – auch wenn es nicht so intendiert war – einem Politiker eine Wahlkampf-Vorlage liefert, darauf sind Verlag und Chefredakteur ganz offensichtlich nicht gekommen.
Und beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben sie vermutlich auch nicht beabsichtigt, dass Robert Habeck aus dem Armband eine Wahlkampf-Parole herleitet. Hat er dann aber: Geschenkte Bänder verschenke er gerne an andere weiter, sagt Habeck in der WDR-Sendung, als ihn die Moderatorin auf das Armband anspricht. Und er ruft:
„Das ist nicht für mich, das ist für … das ist für den Aufbruch! Das ist für die Bewegung sozusagen! Das ist für Deutschland!“
Was mal als „Scherz“ begann, ist plötzlich ganz ernst gemeinte Wahlkampf-Rhetorik, und Journalisten haben auch hier die Vorlage dafür geliefert. Vielleicht sollten sie Politikern einfach nichts schenken. Nie. Und schon gar nicht vor einer Wahl.
Korrektur, 15:36 Uhr. Wir hatten zunächst geschrieben, Habeck habe das Video vor Dürers „Geburtshaus“ gedreht. Dürer wohnte und arbeitete in dem Haus aber erst später. Wir haben das korrigiert. Danke für den Hinweis in den Kommentaren!
Der Autor
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war Redakteur bei der „taz“ und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Dort hat er über zehn Jahre als freier Autor für verschiedene ARD-Redaktionen gearbeitet, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“ und das Satiremagazin „Extra 3“.
6 Kommentare
Och Mannooohhhh, dabei ist der Hase doch so niedlich! Wie der Habeck halt ;)
Erstmal kleine Anmerkung aus Nürnberg: Das Albrecht-Dürer-Haus ist nicht wie hier geschrieben das Geburtshaus von Dürer (Wikipedia meint, dass er es 1509 für 275 Gulden erwarb – mit 38 Jahren).
Und zum Inhalt: Ja, das ist schon alles fragwürdig, aber auch nichts im Vergleich zu den „Geschenken“, die FDP & Union von der Springer-Presse in Form von heroischen Artikeln bekommen. Oder die AfD von Nius & Co.
Ich kenne den Kölner Stadt-Anzeiger seit meiner Kindheit. Mein Vater war in den 60ern im Verlag als Schriftsetzer beschäftigt. Der KStA war mal eine Zeitung, deren journalistisches Niveau Aspiration hatte, mit FAZ oder SZ auf Augenhöhe zu spielen. Inzwischen ist mir nicht einmal mehr das E-Paper sein Geld wert.
Journalisten müssen ja mit Politikern bei Redaktionsbesuchen und in Berichten darüber nicht umspringen wie Lanz in seinem Talk. Freilich sollte aus solchen Visiten auch keine Marketing-Darstellung in eigener Sache gemacht werden. Den Eindruck habe ich gelegentlich gewonnen. So als gleiche ein Ministerbesuch einer exklusiven Auszeichnung. Darüber geht journalistische Distanz medial sichtbar verloren. Selbstreflexion bleibt dazu leider fürs Publikum unsichtbar, weil dafür (nach meiner Kenntnis) niemand ausgebildet worden ist. Ein Versäumnis.
Anton Sahlender, Ex-Medien-Ombudsmann der Main-Post
@2 Sven Ackermann: Danke für den Hinweis, ist korrigiert!
Vielleicht ist das auch der Tribut an den Lehnsherrn – wobei: Womit wurden die Journalisten denn belehnt? Vielleicht ja mit ausgedehnten Latifundien im Bereich der schiefen Metaphern…
Och Mannooohhhh, dabei ist der Hase doch so niedlich! Wie der Habeck halt ;)
Erstmal kleine Anmerkung aus Nürnberg: Das Albrecht-Dürer-Haus ist nicht wie hier geschrieben das Geburtshaus von Dürer (Wikipedia meint, dass er es 1509 für 275 Gulden erwarb – mit 38 Jahren).
Und zum Inhalt: Ja, das ist schon alles fragwürdig, aber auch nichts im Vergleich zu den „Geschenken“, die FDP & Union von der Springer-Presse in Form von heroischen Artikeln bekommen. Oder die AfD von Nius & Co.
Ich kenne den Kölner Stadt-Anzeiger seit meiner Kindheit. Mein Vater war in den 60ern im Verlag als Schriftsetzer beschäftigt. Der KStA war mal eine Zeitung, deren journalistisches Niveau Aspiration hatte, mit FAZ oder SZ auf Augenhöhe zu spielen. Inzwischen ist mir nicht einmal mehr das E-Paper sein Geld wert.
Journalisten müssen ja mit Politikern bei Redaktionsbesuchen und in Berichten darüber nicht umspringen wie Lanz in seinem Talk. Freilich sollte aus solchen Visiten auch keine Marketing-Darstellung in eigener Sache gemacht werden. Den Eindruck habe ich gelegentlich gewonnen. So als gleiche ein Ministerbesuch einer exklusiven Auszeichnung. Darüber geht journalistische Distanz medial sichtbar verloren. Selbstreflexion bleibt dazu leider fürs Publikum unsichtbar, weil dafür (nach meiner Kenntnis) niemand ausgebildet worden ist. Ein Versäumnis.
Anton Sahlender, Ex-Medien-Ombudsmann der Main-Post
@2 Sven Ackermann: Danke für den Hinweis, ist korrigiert!
Vielleicht ist das auch der Tribut an den Lehnsherrn – wobei: Womit wurden die Journalisten denn belehnt? Vielleicht ja mit ausgedehnten Latifundien im Bereich der schiefen Metaphern…