Übermedien-Test zeigt: Presserat gegen Schleichwerbung wirkungslos
Der Presserat rügt eine Klambt-Zeitschrift wegen schamloser Schleichwerbung für ein Anti-Falten-Produkt. Doch der Blick auf andere Hefte aus dem Verlag zeigt: Schamlosigkeit ist hier seit Jahren Programm.
Wer kennt es nicht? Man testet für eine Zeitschrift ein paar willkürlich ausgewählte Anti-Falten-Produkte, und das beste davon entpuppt sich dabei als so unfassbar gut, dass es einen beim Schreiben aus der Kurve trägt und man versehentlich eine Eloge veröffentlicht, die so werblich klingt, dass man dafür prompt vom Presserat wegen Schleichwerbung gerügt wird.
Ungefähr so liest sich die Zusammenfassung des Falls, wie sie der Presserat selbst unter der Überschrift „Produkttest gerät zu Werbung für den Testsieger“ veröffentlicht hat:
Die Grenze zur Schleichwerbung überschritt ein Produkttest unter der Überschrift „Endlich Schluss mit Falten“ in DIE2. Während die Produkte auf Platz 2 und 3 des Tests nur kurze Erwähnung fanden, beschrieb das Magazin die Testsieger-Creme auf über der Hälfte des Artikel-Umfangs in werblicher Sprache und präsentierte sie in einer Grafik mit dem Titel „So reduzieren Sie die Hautalterung durch die regelmäßige Nutzung von [Produktname]“. Die Redaktion enthielt der Leserschaft zudem wichtige Kriterien zur Einordnung der Qualität des Tests vor. Der Beschwerdeausschuss sah in der Veröffentlichung einen schweren Verstoß gegen das Gebot zur Trennung von werblichen und redaktionellen Inhalten nach Ziffer 7 des Pressekodex.
Es hat eine rührende Treuherzigkeit, wie das Gremium noch im Aussprechen der Rüge den Eindruck erweckt, als hätte hier tatsächlich irgendeine Art von „Produkttest“ stattgefunden, der zu Werbung mutierte – und es sich nicht einfach um Produktwerbung handelt, die notdürftig als Test verkleidet wurde.
Dies ist der gerügte Artikel, wie er in „Die 2“ (Heft 25/2024) erschien:

Der angebliche „klare Sieger“ des angeblichen „Tests“, den die Redaktion angeblich gemacht hat, wird als „eine geniale Straffungscreme“ und „Anti-Aging-Wunder“ beschrieben. Angeblich belegten „klinische Studien“ die „schnelle Tiefenwirkung und Faltenglättung“, was angeblich von einem amerikanischen Arzt bestätigt werde.
Eine angebliche Produkttesterin wird zitiert, wie „happy“ sie mit der Creme sei, und eine andere angebliche Verwenderin groß und glücklich gezeigt, wie sie mit einer Hand ihren faltenlosen Teint fühlt, während sie mit der anderen den Tiegel hält: „SIE IST BEGEISTERT!“
„Die 2“ veröffentlichte am 11. Januar 2025 brav die Rüge – in der klassischen Form, in der man die Leserinnen nicht mit unnötig klaren Begriffen wie „Schleichwerbung“ behelligt:

Zwischenzeitlich hatte „Die 2“ den vermeintlichen Produkttest aber noch einmal veröffentlicht, in Heft 42/2024:

Überhaupt war der Schleichwerbetest nicht nur in „Die 2“ erschienen, sondern auch in fast identischer Form in diversen anderen Zeitschriften aus dem Klambt-Verlag: „Frau mit Herz“, „Funk Uhr“, „Lea“, „Woche der Frau“, „Die neue Frau“, „Adel aktuell“, „Adel heute“ und „7 Tage“, auch dort meistens doppelt.

Nicht nur die Optik wurde den jeweiligen Titeln angepasst. Die Produkttesterin Stefanie Wegner, die in den meisten Blättern 57 war, tauchte in den Adels-Titeln als 61-Jährige auf.
Auch Aussehen, Name und Alter der abgebildeten „Verwenderin“ änderte sich. Mal hieß sie Marion Kaufmann (51), mal Margot Wied (72), mal Marie Witt (55), mal Nathalie Köhler (56), mal Birgit Scholz (58), mal Michaela Neumann (58), mal Silke Bauer (54), mal Marion Butt (50), mal Carola Walter (48). Aber sie alle gaben den Klambt-Zeitschriften wörtlich dasselbe begeisterte Urteil zu Protkoll:
„Mein Alter sieht man mir dank der Celyoung Antiaging Creme nicht mehr an. Zudem hinterlässt sie ein fantastisches Hautgefühl!“
So viele Stockfotos Frauen können doch nicht irren!

Ende vergangenen Jahres wechselten die Klambt-Zeitschriften den Titel ihrer Schleichwerbung für die Creme. Statt „Endlich Schluss mit Falten“ hieß es nun: „Die besten Methoden für jugendliche Haut“. Die Masche blieb dieselbe: Zitate, „Verwenderinnen“ und „Produkttesterinnen“, alles wie gehabt.

Anfang des Jahres hatten „Die 2“ und „Lea“ den Schleichwerbetest auch schon unter der Überschrift „Die beste Methode gegen Falten!“ gebracht.

Aber die Redaktionen sind ihrem Schleichwerbepartner (der in großem Stil auch als Anzeigen gekennzeichnete Anzeigen schaltet) schon länger treu. So präsentierte „Die 2“ den vermeintlichen Test in den Jahren 2021, 2022 und 2023:

Anders als in den aktuellen Berichten, bei denen die Zeitschriften nur für den „Testsieger“ schwärmen, wird in den Artikeln von 2021 und 2022 auch der Zweitplatzierte überschwänglich angepriesen. Eine Anti-Aging-Creme namens „Gaea Aged Balance“, die als „Antifalten-Wunder“ bezeichnet wird, als „Anti-Aging-Sensation“, bei der (nicht näher bezeichnete) „Klinische Studien“ einen „Jungbrunnen-Effekt belegen“ sollen. Zufällig wird diese Creme von demselben Hersteller produziert wie der vermeintliche Testsieger: der Krepha GmbH. Insofern schadet es aus dessen Sicht vermutlich nicht, wenn die Leserin das Gefühl bekommt, auch der vermeintlich Zweitplatzierte könnte eine hervorragende Wahl sein.
Trotzdem bleibt genügend Raum, um für den „Testsieger“ Celyoung zu werben. Zu Wort kommen lässt die Redaktion jeweils eine „Anwenderin“ mit wechselnden Namen und Altersangaben, aber derselben Geschichte und denselben wörtlichen Zitaten. Die Empfehlung einer Kollegin, zu dieser Creme zu greifen, sei der „Tipp ihres Lebens“ gewesen, schreibt die Redaktion. Die „quirlige Sachbearbeiterin“ erzähle „glücklich“, dass ihr vor Kurzem sogar ein Mann „nachgepfiffen“ habe. Mit über 50 sehe sie jetzt wieder aus wie eine 40-Jährige, sagt sie als Gaby Arnold (56, 58). Mit über 60 sehe sie jetzt wieder aus wie eine 40-Jährige, sagt sie als Bettina Haase (61).
Nun stellt die Firma Krepha aber nicht nur Mittel gegen Falten her, sondern auch Mittel gegen Übergewicht. Und praktischerweise „testen“ die Redaktionen der Klambt-Zeitschriften auch die. Und, wie es der Zufall will: klarer „Testsieger“ wurde auch da ein Krepha-Produkt: Redumax. Diverse angebliche Fachleute und angebliche Probandinnen schwärmen in den Artikeln für das Mittel, und die Redaktion kommt zu dem unmissverständlichen Fazit:
Wer Wert auf gesunde Lebensführung legt, kommt an Redumax-Tropfen (…) nicht vorbei. (…) Verlangen Sie in Ihrer Apotheke Redumax-Tropfen (…).
„Lea“, „Funk Uhr“, „Adel heute“, „Die Neue Frau“, „Woche der Frau“, „7 Tage“, „Frau mit Herz“ und „Die 2“ verkündeten, meist mehrfach, die frohe Botschaft:

Und wenn Ihnen all das bekannt vorkommt, könnte das daran liegen, dass wir vor eineinhalb Jahren schon mal über die Welle dieser Schleichwerbe-„Tests“ in den Klambt-Zeitschriften berichtet haben. Aufhänger war auch damals eine Rüge des Presserates, die sich auch damals nur auf einen einzigen Artikel in einer einzigen Zeitschrift bezog, obwohl er Teil einer Flut fast identischer scheinbar redaktioneller Berichte war. Es ging damals um genau dieses Abnehmmittel Redumax, und konkret um einen Artikel, der mit „So schmelzen die Fettpölsterchen“ überschrieben war.
Und siehe da, genau diesen Schleichwerbe-„Test“, den der Presserat 2023 gerügt hat, haben die Klambt-Zeitschriften auch 2024 noch in ihrem vermeintlich redaktionellen Programm. Hier zum Beispiel in Heft 9/2024 von „Die 2“.

Der Klambt-Verlag hat auf eine Anfrage von Übermedien nicht reagiert.
Danke für diesen erhellenden Beitrag! Als ehemaliges Presseratsmitglied habe ich allerdings einen Hinweis darauf vermisst, dass der Presserat nicht von sich aus aktiv wird, sondern nur auf Beschwerden gegen konkrete Einzelartikel reagiert. Vermutlich hatte sich hier jemand nur über einen einzigen Artikel beschwert, ohne von den anderen Schleichwerbebeiträgen zu wissen. Folglich hat der Presserat auch nur diesen einen vorgelegten Artikel gerügt.
Ja, das stimmt.
Nein, stimmt nicht. Wird nur seitens des Presserat immer wieder behauptet. Die Beschwerdeordnung sieht in § 1 – Beschwerdeberechtigung, Abs. 2 vor, dass der Presserat auch von sich aus ein Beschwerdeverfahren einleiten kann: „Der Deutsche Presserat kann auch von sich aus ein Beschwerdeverfahren einleiten.“ Der Presserat verzichtet seit Jahrzehnten auf diese Möglichkeit, die seine Verfahrensordnung aber weiterhin zulässt. (vgl. https://www.presserat.de/beschwerdeordnung.html, abgerufen 26.1.25)
Okay, an diese Regelung hatte ich beim Schreiben meines Leserkommentars nicht gedacht, denn sie spielt in der Praxis des Presserats fast keine Rolle. Die hauptamtliche Geschäftsstelle und die ehrenamtlichen Mitglieder des Presserats wären völlig überfordert, wenn sie neben den Massen von eingereichten Beschwerden auch noch selber nach rügenwerten Berichten suchen sollten.
@Eckhard Stengel: Aber wenn der Beschwerdeausschuss einer Sache ohnehin aufgrund einer konkreten Beschwerde nachgeht wie hier, wäre es doch vergleichsweise leicht, einmal in einem Archiv nachzusehen, ob hinter dem vermeintlichen Einzelfall Methode steckt.
Das wäre tatsächlich erwägenswert. Aber ich fürchte, dass die Kapazitäten des Presserats nicht ausreichen, um bei jeder Beschwerde über Schleichwerbung nachzuforschen (z.B. über Readly oder Genios), ob es mehr als nur ein Einzelfall ist.
Der Presserat könnte sich bei einem aktiven Vorgehen darauf konzentrieren, ein bis zwei Mal im Jahr in besonders gravierenden Fällen und vor allem bei systematischen Verstößen gegen den Pressekodex selbst Beschwerde zu führen. Damit würde die institutionelle Rolle des Presserat und die Wirksamkeit seiner Sanktionen gestärkt. Vor allem könnte die Erosion bestimmter Normen im Pressekodex, die durch systematische Verstöße entsteht, verhindert werden.
Richtig ist natürlich auch, dass das an der Wirkungslosigkeit der Rügen vermutlich nichts ändern würde. Aber das Gremium würde dabei nicht ganz so naiv wirken.
ich schreib noch mal, weil „verhindert“ übertrieben ist : )
Der Presserat könnte sich bei einem aktiven Vorgehen darauf konzentrieren, ein bis zwei Mal im Jahr in besonders gravierenden Fällen und vor allem bei systematischen Verstößen gegen den Pressekodex selbst Beschwerde zu führen. Damit würde die institutionelle Rolle des Presserat und die Wirksamkeit seiner Sanktionen gestärkt. Vor allem könnte der Erosion bestimmter Normen im Pressekodex entgegen gewirkt werden, die durch systematische Verstöße entsteht.
@Stefan Niggemeier wenn der Presserat aktiv und auch nur durch eine eigene Veröffentlichung systematische Verstöße sanktionieren würde, würde das in jedem Fall in der Medienöffentlichkeit Diskussionen auslösen. Dadurch könnte die jeweilige Norm im Pressekodex gestärkt werden. – Warum nur zusehen, wie professionelle Standards wie Wahrheits- und Sorgfaltspflicht oder Trennung von Werbung und redaktionellem Text den Bach runtergehen?