Hasswort (51)

Aufregerthema

Im Kampf um Aufmerksamkeit setzen Medien gerne auf "Aufregerthemen". Aber wer lässt sich schon gerne sagen, worüber er sich aufregen soll?
Exklusiv für Übonnenten

Liebe Lesenden, halten Sie die blutdrucksenkenden Mittel bereit: Wir werden uns jetzt gemeinsam aufregen – über das Wort „Aufregerthema“!

Gute Themen zum Aufregen gibt es reichlich: Krieg in Gaza, Krieg in der Ukraine und seit längerem eine „offene Feldschlacht“ im Berliner Politikbetrieb. Wofür braucht es dann noch eigene Aufregerthemen?

Laut dem Deutschen Wörterbuch der Deutschen Sprache ist das Wort in den frühen Neunzigern erstmals aufgetaucht. Spätestens seit den 2010er Jahren hat der Begriff Konjunktur. Eine Google-Suche zeigt, dass „Aufregerthemen“ mittlerweile in jeder Redaktion behandelt werden. „Aufregerthema: Jogginghose in der Schule?“, titelt die „Süddeutsche Zeitung“, „Aufregerthema Migration“ der Deutschlandfunk, beim NDR gelten „Problemwölfe“ als aufregenswert und beim „Stern“ gibt es sogar eine eigene Schlagwort-Seite für Aufregerthemen, ganz oben ein Text über Gewalt im Freibad.

In den Redaktionen regt sich niemand auf

Dazu muss man wissen: Wenn Journalist:innen „Aufregerthema“ sagen, dann geht es ganz selten darum, dass sie sich selbst darüber aufregen.

Stattdessen haben viele von uns ihre Ambitionen längst einem ominösen Algorithmus geopfert, in der Hoffnung, vielleicht nicht mehr in der Sache, dafür im überlebenswichtigen Kampf um Aufmerksamkeit erfolgreich zu sein – und dafür ist jeder Anlass recht, ob gerechtfertigt oder nicht.

Anstatt uns also zu fragen, was wir konstruktiv zu einer Debatte beitragen können, versuchen wir, das deutsche Publikum mit einer schmissigen Zeile in Wallungen zu bringen: Gendern, sogenannte „Klimakleber“ oder notfalls die diffuse Angst, von einer dunklen Gestalt mit Kapuze auf der Straße niedergestochen zu werden. Die Sorgfalt ist dahin, aber zumindest hat man mit einer Schlagzeile Krawall und Remmidemmi ausgelöst.

So geschehen kürzlich beim „Spiegel“, der ein reißerisches Cover über die Zunahme von Gewalttaten i…

2 Kommentare

  1. Sauber analysiert, da passt mal wirklich der Begriff (das sehr strapazierte Wort) ‚Klartext‘!

  2. Was wären eigentlich Themen, die keine „Aufregerthemen“ wären? Abregerthemen? Langweilerthemen? Einschlafthemen?

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